F, EF und T: Von der Vielfalt der Tornado-Intensitätsskalen

Dass Tornados nicht nur in den USA auftreten, wurde am vergangenen Montag (16.08.2021) einmal mehr eindrucksvoll unter Beweis gestellt, als ein Tornado im äußersten Nordwesten Niedersachsens schwere Schäden in Teilen der Gemeinde Großheide anrichtete.

Tatsächlich können Tornados quasi überall auf der Welt zu jeder Zeit auftreten. In Deutschland werden pro Jahr etwa 20 bis 60 Tornados gesichtet, wobei die Dunkelziffer noch um einiges höher liegen dürfte. Denn dadurch, dass Tornados einerseits sehr kleinräumige Phänomene und andererseits meist nur von kurzer Dauer sind (oft nur wenige Sekunden bis mehrere Minuten), werden einige von ihnen überhaupt nicht bemerkt. Dazu kommt, dass manche vom Regen verhüllt werden oder durch Wälder und Hügel die freie Sicht auf sie verdeckt ist.

Doch zurück zum Tornado in Großheide. Dieser wurde mittlerweile als F2- bzw. T5-Tornado eingestuft. Das bedeutet, dass man davon ausgeht, dass er für Böen etwa zwischen 220 und 250 km/h sorgte. Wie man darauf kommt? Ob da jemand mit einem Windmesser durch den Wirbelsturm gelaufen ist? Nein, natürlich nicht. Das wäre sicherlich sehr „ungesund“ gewesen – beschönigend gesagt. Die Stärke eines Tornados wird anhand der Schäden, die er hinterlässt, abgeschätzt.

Eine Einteilungshilfe bietet dabei die 1971 von Dr. T. Theodore Fujita entwickelte und nach ihm benannte Fujita-Skala. Sie umfasst insgesamt 13 Stufen von F0 (schwach) bis F12 (dafür gibt es wohl keinen Begriff…), wobei der Bereich von F6 bis F12 nur theoretische Fälle beschreibt, die noch nie beobachtet wurden. Bisher war also stets bei F5 Schluss, was aber auch mehr als ausreicht, um für unglaubliche Verwüstungen zu sorgen. Denn diese Kategorie ist mit einer Geschwindigkeitsspanne von 419 bis 512 km/h definiert, was letztlich dazu führen kann, dass stabile Gebäude aus ihren Fundamenten gehoben und Stahlbetonkonstruktionen beschädigt werden können. Außerdem können Autos hunderte Meter durch die Luft geschleudert oder sogar Baumstämme komplett entrindet werden.

Zum Glück sind F5-Tornados nur sehr selten anzutreffen – selbst in den USA. Dort trat der letzte am 20.05.2013 auf, der die Stadt Moore in Oklahoma teilweise dem Erdboden gleichmachte. In Deutschland muss man etwas tiefer in der Historie graben, wird dann aber ebenfalls fündig: So trat am 29.06.1764 ein F5-Tornado in Mecklenburg auf, der sogar Baumstümpfe aus dem Boden herausgerissen haben soll, und ein weiterer wurde am 23.04.1800 in Sachsen beobachtet (Quelle: tornadoliste.de).

Ganze drei Stufen schwächer (aber alles andere als schwach) ist die Kategorie, in die der Tornado vom vergangenen Montag fällt: die F2-Kategorie. Hier bewegen sich die Windgeschwindigkeiten zwischen 181 und 253 km/h. Dabei können – wie in Großheide gesehen – ganze Dächer abgedeckt und große Bäume gebrochen bzw. entwurzelt werden. Dazu kann ein Sturm dieser Stärke u.a. Wohnwägen zerstören oder Güterwagons umwerfen.

Im Jahr 2007 ging man in den USA dazu über, die Fujita-Skala zur sogenannten Enhanced-Fujita-Skala auszuweiten. Sie umfasst zwar weiterhin nur sechs Kategorien (EF0 bis EF5), ist aber etwas feiner als ihr „Vorgänger“, denn mit EF5 wird ein Tornado nun bereits ab rund 320 km/h betitelt. Das entspricht grob gesagt einem F4-Tornado. Hintergrund war, dass aufgrund der in den USA verbreiteten Leichtbauweise teilweise gar nicht unterschieden werden konnte, ob nun ein F4 oder ein F5 für die Verwüstungen verantwortlich war.

Im Gegensatz dazu findet in Europa neben der populären Fujita-Skala auch die sogenannte Torro-Skala ihre Anwendung. Sie wurde ursprünglich in den 1970ern in Großbritannien entwickelt und von der Organisation TorDACH (Kompetenzzentraum für lokale Unwetter in Deutschland, Österreich und der Schweiz) weiter angepasst. Sie berücksichtigt die in Europa insgesamt doch deutlich stabilere Bauweise und reicht von T0 (65-90 km/h) bis T11 (468-515 km/h). Damit ist sie deutlich feiner als die amerikanischen Skalen. Eine ausführliche und eindrucksvolle Übersicht dazu finden Sie beispielsweise auf dem Internetauftritt von Skywarn unter. Der Tornado bei Großheide wurde wie oben beschrieben als T5-Tornado eingestuft, es dürften also Böen zwischen 220 und etwa 250 km/h aufgetreten sein.

Doch egal, welche Skala man nun anwendet, es bleibt immer zu hoffen, dass Tornados wenn überhaupt nur materielle Schäden anrichten.

Dipl.-Met. Tobias Reinartz

Deutscher Wetterdienst Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach, den 21.08.2021

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DWD F EF und T Von der Vielfalt der Tornado Intensitaetsskalen

Kurzes (Hoch-)Sommerfinale mit unsanftem Ende

Unter Hochsommer verstehen wir Meteorologen die eigentlich heißeste Zeit des Jahres zwischen Mitte Juli und Mitte August. In diesem Jahr verlief der Hochsommer – bis auf wenige, kurze heiße Phase abgesehen – aber eher durchschnittlich, phasenweise sogar unterkühlt und relativ unbeständig. Nun ist ja schon „Mitte August“ und man fragt sich: Kommt da noch was in Sachen Sommerwetter?

Die Antwort lautet: „Joa“, aber in wohldosierter, zeitlich sehr begrenzter Form und auch nicht überall gleichermaßen!

In einem wechselhaften Sommer, dem es an beständigen Hochdrucklagen mangelt, muss es in der Regel das Azorenhoch richten, dessen Ableger zumindest vorübergehend mal eine Idee von sommerlichem Wetter bis nach Mitteleuropa geben können. So wird es auch an diesem Wochenende sein. Ein Azorenhochkeil, der auf den Namen FRIDOLINE hört, liegt mit seiner Achse bereits über dem Alpenraum und sorgt am heutigen Freitag im Süden und Südwesten schon für einige Sonnenstunden und niederschlagsfreies Wetter. Die für einen Sommertag obligatorische 25-Grad-Marke wird vor allem in den Flussniederungen knapp überschritten. Das Nachsehen hat ohne Frage der Norden Deutschlands. An der Nordabdachung des Hochkeils hat es sich eine Kaltfront gemütlich gemacht, die sich parallel zur westlichen Strömung orientiert hat und sich somit kaum vom Fleck bewegt. Im Wirkungsbereich der Front kommt es immer wieder zu schauerartigen Regenfällen und eventuell zu vereinzelten Gewittern. Auch über der Mitte erweisen sich die Wolken als ziemlich resistent, wenngleich die Sonne im Tagesverlauf immer mehr Lücken in die Wolkendecke reißen sollte. Dennoch reicht es dort wie auch im Norden „nur“ für Höchsttemperaturen von 18 bis 24 Grad, was allenfalls das Prädikat „mäßig warm“ verdient.

Am Samstag verstärkt sich der Azorenhochkeil FRIDOLINE. Es spaltet sich sogar eine eigenständige Hochzelle über Mitteleuropa ab, die Verbindung mit einem Nordmeerhoch aufnimmt und schließlich Teil einer sehr umfangreichen Hochdruckzone wird. Zum einen verstärkt sich dadurch der Hochdruckeinfluss über Deutschland, zum anderen wird aus Südwesten auch deutlich wärmere Luft weiter nordwärts transportiert. Viel Sonnenschein erwärmt die Luft auf verbreitet 25 bis 29 Grad, am Oberrhein eventuell sogar auf bis zu 30 Grad. Etwas kühler bleibt es über der Norddeutschen Tiefebene, wo sich Reste der Kaltfront in Form etwas dichterer Wolkenfelder halten sowie an der See.

Das war’s dann aber auch schon mit dem kurzen Hochsommerfinale „light“, denn schon in der Nacht zum Sonntag erreicht die Kaltfront eines Tiefs bei den Britischen Inseln den Westen Deutschlands. Damit stehen teils heftige gewittrige Starkregenfälle in Verbindung, die lokal zu Überflutungen und vollgelaufenen Kellern führen können.

Am Sonntag und Montag zieht das Tief selbst nach Mitteleuropa und sorgt deutschlandweit für Schauer und teils heftige Gewitter. Insbesondere in Teilen Norddeutschlands sowie an den Alpen fällt gebietsweise kräftiger Dauerregen. Mit den Gewittern kühlt es deutlich ab: Während es am Sonntag im Osten und Südosten nochmal auf sommerliche 25 bis 28 Grad raufgeht, ist am Montag generell bei 18 bis 24 Grad Schluss.

Im weiteren Wochenverlauf beruhigt sich das Wetter zwar wieder, die Temperaturen kommen bei Zufuhr von kühler Subpolarluft aber nicht mehr so richtig aus dem Quark. Auch wenn es sicherlich noch den ein oder anderen warmen Tag geben wird, dürfte die Hochsommerakte 2021 mit dem kommenden Wochenende wohl geschlossen werden.

Dipl.-Met. Adrian Leyser

Deutscher Wetterdienst Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach, den 20.08.2021

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Mieser Sommer 2021

Der deutsche Radarverbund – Teil 2

Das Wetterradar ist heutzutage unverzichtbar geworden. Gerade im Nowcasting, also bei einer Vorhersage von bis zu zwei Stunden, spielt es eine große Rolle. Dabei kann beispielsweise die Verlagerung von Niederschlagsgebieten abgeschätzt werden. Besonders im Sommer können sich innerhalb von wenigen Minuten auch kleinräumige Gewitterzellen mit starkem Niederschlag bilden. Diese können flächendeckend nur über das Wetterradar erkannt werden. Außerdem hilft das Wetterradar bei der Abschätzung der Stärke der einzelnen Gewitter. Damit gehört es zu einem der wichtigsten Bausteine des DWD-Warnmanagements.

Ein Wetterradar besteht aus einer Antenneneinheit, einem Radom als Wetterschutz, Sender und Empfänger, Signal- beziehungsweise Datenverarbeitungsprozessoren und einem Radarrechner. Über ein lokales Netzwerk werden Komponenten gesteuert und überwacht sowie Daten aufgenommen. Die Abbildungen zum Thema des Tages unter zeigen den Radarturm am Standort Memmingen (links) sowie das „Innenleben“ (Teile der Antenneneinheit und des Empfängers) im Radom bei einer Wartung (rechts).

Vom Wetterradar aus wird ein sehr kurzer elektromagnetischer Impuls mit einer Frequenz von ungefähr 5 GHz in eine bestimmte Richtung ausgesendet. Dieser Impuls breitet sich nun mit Lichtgeschwindigkeit aus. Auf seinem Weg durch die Atmosphäre trifft der Impuls auf Niederschlagspartikel, von denen jeweils ein geringer Anteil zum Wetterradar zurückgestreut wird. Aus dem vom Wetterradar empfangenen Signal kann aus der Laufzeit des Impulses auf die Entfernung eines Niederschlagsgebietes und aus der Stärke des rückgestreuten Signals auf die Niederschlagsart und -intensität geschlossen werden. Gibt das Wetterradar von seinem Standort aus Impulse in verschiedene Höhen und Richtungen ab, können Niederschlagsgebiete im Umkreis dreidimensional analysiert werden.

Die genaue Vorhersage der Art und Größenverteilung der Niederschlagspartikel stellt aber durchaus eine Herausforderung dar. Um diese zu ermöglichen und zu verbessern, wurden die Radarstandorte des Deutschen Wetterdienstes bis 2015 auf sogenannte dual-polarimetrische Radarsysteme umgerüstet. Dabei sendet die ständig rotierende Antenne sowohl vertikal als auch horizontal polarisierte elektromagnetische Wellen (Impulse) aus. Im Fachjargon heißt das dann Dual-Polarisation. Aber wie kann ich mir das genau vorstellen?

Beschreiben wir den vom Radargerät ausgesendeten Impuls als schwingende Welle mit gleichmäßigen Wellenbergen und -tälern, so kann bei einem dual-polarimetrischen Wetterradarsystem zwischen einer horizontal und einer vertikal schwingenden Welle unterschieden werden. Während der ausgesendete Impuls beim „einfachen“ Wetterradar nur eine Schwingungsrichtung (zumeist die horizontale) aufweist, werden beim Dualpolarisationsradar im Allgemeinen gleichzeitig vertikal und horizontal polarisierte Impulse ausgesendet. Damit lassen sich zusätzliche Informationen über bestimmte Eigenschaften der Streukörper – also der Niederschlagspartikel – gewinnen.

Da große Regentropfen beispielsweise im Vergleich zu Schneekristallen oder Hagel durch den Luftwiderstand beim Fallen eine ovale, abgeplattete Form besitzen und somit breiter als hoch sind, weisen die zurückgestreuten horizontal polarisierten Signale eine höhere Intensität als die vertikal polarisierten Signale auf. Über das Verhältnis der zurückgestreuten Intensität beider lässt sich dann eine Aussage über die Form der Streukörper treffen. Der Vergleich von mehreren hintereinander ausgesendeten, polarisierten Impulsen zeigt die zeitliche Änderung der räumlichen Orientierung der Streukörper. Diese Informationen können dann für die Bestimmung der Art der Niederschlagspartikel (Regentropfen, Schneekristalle, Hagelkörner) verwendet werden.

Alle fünf Minuten liefert das Radar einen Scan (Abtastung) mit den aktuell gemessenen Werten der Niederschlagsechos mit einer räumlichen Auflösung von 250 m zur Auswertung. Die Abtastung beginnt mit dem sogenannten „Precipitation-Scan“, der geländefolgend den bodennahen Niederschlag bis zu einer Entfernung von 150 Kilometern rund um den jeweiligen Radarstandort erfasst. Danach wird die gesamte Atmosphäre in zehn verschiedenen Höhenwinkeln, auch „Elevationswinkel“ genannt, bis zu einer Entfernung von 180 Kilometern abgetastet. Damit werden Informationen über die vertikale Ausdehnung der Niederschlagsfelder gesammelt.

Die elektromagnetischen Wellen werden jedoch nicht nur vom Niederschlag, sondern auch von anderen Objekten reflektiert wie z. B. von Gebäuden, Schiffen, Flugzeugen und Bergen. Daher kann man keinen Niederschlag messen, der sich hinter einem Gebäude befindet, da die Radarstrahlen dort gar nicht erst hinkommen. Handelt es sich um unbewegte Objekte, so kann dieses unerwünschte Signal in der Regel direkt im Radarsignalprozessor herausgefiltert werden. Bewegen sich die Objekte aber, wie beispielsweise Vogelschwärme oder auch Flugzeuge, so funktioniert diese Filterung nur bedingt. Je nachdem, welche Filtermethode angewandt wird, kann dies zu „Löchern“ in den Daten führen oder es verbleiben unerwünschte Störechos in den Radarprodukten.

Die Funktionsweise der Radarsysteme ist sicherlich nicht einfach zu verstehen, liefert jedoch zuverlässig Daten, die im Warnmanagment des DWD eine große Rolle spielen. Die Dual-Polarisations-Technik verbessert die Qualität der Radarprodukte und wird jetzt schon für eine Niederschlagsklassifikation verwendet. Diese Messtechnik besitzt darüber hinaus noch großes Potenzial, um in den nächsten Jahren noch präzisere Wettervorhersagen- und Warnungen für die Öffentlichkeit bereitzustellen. Daran arbeitet der DWD intensiv im Rahmen von Forschungs- und Entwicklungsprojekten.

Darüber hinaus wird auch der sogenannte Dopplereffekt von den Radargeräten ausgenutzt. Wie dies funktioniert und wie die Daten genutzt werden können, wird in einem dritten Teil im Rahmen der Rubrik „Thema des Tages“ in den kommenden Wochen erläutert.

MSc.-Met. Sebastian Schappert

Deutscher Wetterdienst Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach, den 19.08.2021

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DWD Der deutsche Radarverbund Teil 2

Afrikanischer Monsun und“ African Easterly Waves“ im Gleichklang

In weiten Teilen des südlichen Westafrikas herrscht aktuell Regenzeit. Genau genommen hat die Regenzeit dort sogar ihren Höhenpunkt erreicht. Während die Regionen zwischen der südwestafrikanischen Atlantikküste und Zentralafrika vom November bis in den März hinein praktisch keine Niederschläge zu verzeichnen haben, werden sie in den kommenden Tagen von zum Teil sehr kräftigen Regenfällen getroffen.

Die beigefügte Grafik zeigt die akkumulierten Niederschläge des DWD-Vorhersagemodells „ICON“ (oben) sowie des Vorhersagemodells „IFS“ des Europäischen Zentrums für mittelfristige Wettervorhersage (EZMW, unten). Beide Modelle sagen für die kommenden Tage bis Samstagmittag insbesondere in einem Streifen vom Senegal, Gambia, Guinea und Guinea-Bissau im Westen bis ins südliche Mali heftige Niederschläge vorher. Dabei prescht ICON mit Maxima von 353 l/m² sogar noch weiter vor als das EZMW, welches in der Spitze „nur“ 229 l/m² aufbieten kann (wobei zu erwähnen ist, dass in diesem Fall die räumliche Auflösung der Modelle leicht unterschiedlich ist und dies auch zu unterschiedlichen Maximalwerten führen kann).

Bei den hier genannten Regensummen bewegen wir uns – unabhängig von der Modellauflösung – aber durchaus im Bereich der im vieljährigen Mittel zu erwartenden Monatsniederschläge. So fallen im August, dem regenreichsten Monat des Jahres, in Bamako, der Hauptstadt Malis, gut 250 l/m². In Nigerias Hauptstadt Abuja sind es sogar etwas über 300 l/m². Und diese Mengen stehen jetzt innerhalb von nur gut drei Tagen auf dem Programm.

Ein Grund dafür liegt im Afrikanischen Monsun. Der „kleine“, insbesondere aber weniger bekannte „Bruder“ des Indischen Monsuns zeigt sich in der Region immer in den Sommermonaten. Dies liegt daran, dass mit der recht weit im Norden stehenden Sonne auch die sogenannte „Innertropische Konvergenzzone“, eine äquatornahe Tiefdruckrinne, nach Norden wandert. Sie findet auf diese Weise den Weg vom Golf von Guinea, wo sie in den Wintermonaten zu finden ist, ins südliche Westafrika. Damit dreht dort der Wind im Mittel auf südliche bis südwestliche Richtungen, wodurch feuchte Luft vom Golf von Guinea in die Region transportiert wird (rote Pfeile in der Grafik).

Die feuchte Luft sorgt für kräftige Niederschläge. Dies gilt insbesondere, wenn die Hebung noch durch weitere Antriebe unterstützt wird. Und genau das ist in der Region heute, aber auch am Freitag und Samstag der Fall. Wellen im Bodendruckfeld, die sich von Ost nach West verlagern und folgerichtig „African Easterly Waves“, also „von Osten kommende afrikanische Wellen“ heißen, fachen die Hebung innerhalb des Monsuns zusätzlich an. So kommt es zu den sehr hohen Niederschlagssummen in den kommenden Tagen.

Detailliertere Informationen zu den „African Easterly Waves“ finden Sie im Thema des Tages vom 20.6.2019 

Von den geschilderten Regenmengen sind wir in Deutschland in den kommenden Tagen übrigens – und glücklicherweise – weit entfernt. Allenfalls im Norden können bis zum Samstag Mengen bis 10 l/m² zusammenkommen, in kräftigen Schauern punktuell auch etwas mehr.

Dipl.-Met. Martin Jonas

Deutscher Wetterdienst Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach, den 18.08.2021

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DWD Afrikanischer Monsun und African Easterly Waves im Gleichklang

 

Herbstfeeling

Der meteorologische Sommer neigt sich dem Ende zu. In genau zwei Wochen beginnt dann der meteorologische Herbst. Für das erste Herbstfeeling sorgt das für die Jahreszeit ungewöhnlich kräftige Tief „Luciano“, das am gestrigen Montag die Reste der Sommerluft über Deutschland ausgeräumt und diese mit sehr kühler Meeresluft ersetzt hat. In der vergangenen Nacht gab es auf der Zugspitze den ersten Schnee, wie das Webcam-Bild von Schneefernerhaus auf beeindruckende Art und Weise zeigt. Nun sind die warmen Abende, in denen man ohne Jacke lange draußen sitzen konnte, zunächst einmal vorbei.

Tief „Luciano“ hatte zudem viel Wind in Gepäck. Vor allem in Norddeutschland traten stürmische Böen bis 70 km/h, an der Nordseeküste schwere Sturmböen bis knapp 95 km/h auf. Im Ostfriesland gab es am Montagabend sogar ein Tornado, der große Schäden verursacht hat. Dabei sind leider auch einige Verletzte zu beklagen. Eine andere Tragödie ereignete sich in Süddeutschland und zwar bei Garmisch-Partenkirchen. Durch die starken Regenfälle hatte eine Flutwelle in der Höllentalklamm am Fuße der Zugspitze acht Menschen mitgerissen und mussten gerettet werden, zwei davon werden immer noch vermisst.

Auch am heutigen Dienstag zieht Tief „Luciano“ über der mittleren Ostsee seine Kreise und beeinflusst das Wetter in Deutschland. Mit Höchstwerten zwischen 17 an den Küsten und maximal 23 Grad am Kaiserstuhl bleibt es ziemlich frisch. Vor allem im Norden des Landes, wo zahlreiche Schauer und vereinzelte Gewitter mit stürmischem Wind auftreten, ist der herbstliche Eindruck deutlich zu spüren. Auch in den übrigen Regionen ziehen im Tagesverlauf einzelne Schauer durch. Die Sonne lässt sich dann nur kurz blicken.

In den nächsten Tagen gibt es zunächst kaum Wetterbesserung, denn Tief „Luciano“ setzt sich über Skandinavien fest und erhält die Zufuhr kühler Meeresluft aufrecht. So steigen die Temperaturen nur wenig an. In der Nordhälfte gibt es dazu immer wieder Schauer und kurze Gewitter.

Ist der Sommer damit nun schon vorüber? Die Antwort ist nein. Ab Freitag setzt sich von Süden her wieder deutlich wärmere Luft durch, sodass der Trend für das nächste Wochenende wieder spätsommerlich aussieht. Bei Höchstwerten zwischen 23 und 31 Grad scheint dazu häufig die Sonne. Erst am Sonntag tauchen in Westdeutschland wahrscheinlich wieder erste Schauer und Gewitter auf.

Dipl.-Met. Marco Manitta

Deutscher Wetterdienst Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach, den 17.08.2021

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DWD Herbstfeeling

Hagel.

Hagel ist immer mit kräftigen Schauern und Gewittern verbunden. In diesen herrschen starke Aufwinde, die sogar Geschwindigkeiten von über 30 m/s (ca. 110 km/h) erreichen können. In diesen Aufwinden findet die Hagelbildung in der Regel in den mittleren Bereichen der Gewitterwolken zwischen etwa 3 und 7 km statt. Dort herrschen Temperaturen von -10 bis -30 °C. Bei diesen Temperaturen gibt es in der Gewitterwolke eine Koexistenz von Wassertröpfchen, die ohne Vorhandensein von Kristallisationskeimen bis zu einer Temperatur von -40 °C im flüssigen Zustand verbleiben können, und Eiskristallen, die sich an Kristallisationskeimen, sogenannten Aerosolen (meist Staubpartikel), bilden (Kontaktgefrieren). Diese Eiskristalle wachsen zum einen durch Sublimation von Wasserdampf auf ihrer Oberfläche (trockenes Wachstum), zum andern gefrieren weitere unterkühlte Wassertropfen an den Eiskristallen fest (nasses Wachstum). Es bilden sich zunächst Graupelkörner, die als Hagelembryos fungieren. Mit wachsendem Radius gefrieren durch das größere Volumen immer mehr unterkühlte Wassertropfen an diesen Hagelembryos, sodass sich eine immer schnellere Wachstumsrate ergibt und sich aus den Graupelkörnern größere Eiskörner bilden. Diese Eiskörner nehmen irgendwann so stark an Gewicht zu, dass sie vom Aufwind nicht mehr in der Schwebe gehalten werden können und zu fallen beginnen. Oder sie werden durch den Wind aus dem Aufwindbereich des Gewitters geweht. Beim Fallen durch die Wolke können dann weitere Wolkentropfen festfrieren.

Wie groß also ein Hagelkorn wird, hängt maßgeblich von der Stärke des Aufwindbereiches ab. Dieser ist in rotierenden Gewitterzellen, sogenannten Superzellen, besonders stark. Da durch die Rotation der Aufwindbereich ständig vom Abwind getrennt wird, fließt permanent feuchte Luft in das Gewitter ein und erhält den Aufwind lange Zeit stabil. Nahezu alle großen Hagelkörner mit Korngrößen über 4 cm stammen aus Superzellen. Eine weitere wichtige Rolle spielt die Feuchteversorgung des Gewitters. Je feuchter die Luft in einer Höhe von etwa 1,5 bis 2,5 km ist, desto mehr Wasser (in flüssiger Form oder als Wasserdampf) steht dem Hagelwachstum zur Verfügung. Bei bis zu 2 cm Korndurchmesser verursacht Hagel nur leichte Schäden und das meist an Pflanzen. Hagelgrößen von über 2 cm können Früchte beschädigen und Risse in den Glasscheiben von Gewächshäusern verursachen. Ab etwa 3 cm Größe entstehen Schäden an Autos und kleinere Äste und Laub werden von Bäumen abgeschlagen. Ab 6 cm Korndurchmesser können Dachschindeln durchschlagen werden und es besteht ernsthafte Verletzungsgefahr.

Das größte in Deutschland registrierte Hagelkorn hatte einen Durchmesser von 14 cm und wurde am 6. August 2013 bei Undingen auf der Schwäbischen Alb gefunden. Es hatte ein Gewicht von 360 g. Doch es geht noch größer. Das größte Hagelkorn der Welt wurde mit 20 cm Korngröße am 23. Juli 2010 in Vivian, South Dakota gefunden.

Dipl.-Met. Christian Herold

Deutscher Wetterdienst Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach, den 16.08.2021

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Bjerknes und die Rückkopplungen

Jacob Aall Bonnevie Bjerknes wurde 1897 in Stockholm (Schweden) geboren. Sein Vater war der norwegische Meteorologe Vilhelm Bjerknes, einer der Pioniere der modernen Wettervorhersage. Sein Großvater väterlicherseits war der norwegische Mathematiker und Physiker Carl Anton Bjerknes.

Bjerknes gehörte zu einer Gruppe von Meteorologen unter der Leitung seines Vaters, Vilhelm Bjerknes an der Universität Leipzig. Gemeinsam entwickelten sie ein Modell, das den Lebenszyklus von Zyklonen (Tiefdruckgebieten) in mittleren Breiten erklärt, wobei sie die Idee der Fronten, d. h. von scharf definierten Grenzen zwischen verschiedenen Luftmassen, einführten. Dieses Konzept ist als norwegisches Zyklonenmodell bekannt.

Ab 1917 war Bjerknes vorrangig im Geophysikalischen Institut der Universität Bergen tätig, welches sein Vater zuvor gegründet hatte. Zum wissenschaftlichen Team in Bergen gehörten unter anderem die schwedischen Meteorologen Carl-Gustaf Rossby und Tor Bergeron. Wie Jacob Bjerknes und Halvor Solberg 1922 in einer wegweisenden Schlüsselarbeit feststellten, war die Dynamik der Polarfront in Verbindung mit dem Zyklonenmodell der wichtigste Mechanismus sowie Ausdruck des meridionalen (Süd-Nord) Wärmetransports in der Atmosphäre. Für diese und andere Forschungen erhielt Jacob Bjerknes 1924 den Doktortitel der Universität zu Oslo.

Im Jahr 1926 unterstützte Jacob Bjerknes als Meteorologe den Polarforscher Roald Amundsen bei der ersten Überquerung der Arktis mit dem Luftschiff Norge. Im Jahr 1931 wurde er Professor für Meteorologie am Geophysikalischen Institut der Universität von Bergen. Im Jahre 1940 wanderte er in die Vereinigten Staaten aus, wo er am Fachbereich Physik der „University of California“ in Los Angeles eine von der regionalen Regierung geförderte meteorologische Abteilung für Wettervorhersagen leitete.

Bjerknes gründete das „UCLA Department of Meteorology“ (das heutige „Department of Atmospheric and Oceanic Sciences“).

Als Professor an der „University of California“ stellte er unter anderem fest, dass die Standardwerte der Meeresoberflächentemperaturen (SST) im äquatorialen Ostpazifik für so niedrige Breitengrade zuweilen bemerkenswert kalt sind. Da der westliche Pazifik relativ warm ist, besteht entlang des äquatorialen Pazifiks ein großer SST-Gradient. Infolgedessen muss eine direkte thermische Zirkulation in der Atmosphäre entlang des äquatorialen Pazifiks existieren. Die kühle, trockene Luft über den kalten Gewässern des östlichen Äquatorialpazifiks strömt westwärts entlang der Oberfläche in Richtung des warmen Westpazifiks. Dort wird die Luft erwärmt, mit Feuchtigkeit aus dem warmen Wasser angereichert und steigt schließlich auf. Diese systematische äquatoriale Zirkulation, die mit einem vorherrschenden zonalen Druckgradienten (entlang des Äquators) verbunden ist, wurde von Bjerknes als „Walker-Zirkulation“ bezeichnet. Bjerknes ging davon aus, dass Schwankungen in dieser Zirkulation Impulse in der so genannten Südlichen Oszillation (oder Southern Oscillation, SO) auslösen und schließlich zu einem ENSO-Ereignis (siehe unter Suchbegriff ENSO im führten.

Während die Oberflächenwinde durch den zonalen SST-Gradienten entlang des Äquators nach Westen getrieben werden, bewirken sie den kalten Auftrieb von Ozeanwasser im östlichen äquatorialen Pazifik.

Bjerknes bezeichnete die sich wiederholenden Rückkopplungen der ozeanischen und atmosphärischen Zirkulation über dem tropischen Pazifik als „Kettenreaktion“ und stellte fest, dass „eine sich verstärkende Walker-Zirkulation auch für eine Zunahme des Ost-West-Temperaturkontrasts sorgt, der die Walker-Zirkulation überhaupt erst hervorruft“. Bjerknes stellte außerdem fest, dass die Wechselwirkung auch umgekehrt funktionieren könnte: Eine Abnahme der äquatorialen Ostwinde verringert dagegen die Zufuhr von auftreibendem kaltem Wasser, und der verringerte Ost-West-Temperaturgradient führt zu einer Verlangsamung der Walker-Zirkulation. Damit lieferte er eine Erklärung für den Zusammenhang zwischen niedrigen Werten (oder Niedrigphase) der Südlichen Oszillation (SO) und dem El Niño-Phänomen sowie für den Zusammenhang zwischen hohen Werten der SO und dem normalen kalten Zustand des Ostpazifiks.

Jacob Bjerknes starb 1975 im Alter von 77 Jahren in Los Angeles (USA). Mit seinen teils fundamentalen Erkenntnissen schuf er wichtige Voraussetzungen für die Vorhersagbarkeit von regionalen Klimaphänomenen wie z.B. des ENSO-Zyklus. Damit waren die Grundlagen für längerfristige Wettervorhersagen in bestimmten Bereichen mit periodisch wiederkehrender Klimavariabilität gelegt.

Dipl.-Met. Dr. Jens Bonewitz

Deutscher Wetterdienst Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach, den 15.08.2021

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Hitze und Sonne im Zusammenspiel mit Feuchte lassen den Körper auf Hochtouren laufen!

Nachdem Hoch ELFI dem Tiefdruckeinfluss nicht mehr standhalten konnte und sich nach Osten abdrängen ließ, liegt Deutschland derzeit zwischen den Stühlen. Eine Hochdruckbrücke, die das Azorenhoch mit Hoch ELFI über Osteuropa verbindet, steht tiefem Luftdruck über Nord- und Nordwesteuropa gegenüber. In der Tiefdruckzone übernimmt dabei zunehmend das kräftige Tief LUCIANO das Wetterzepter und wandert allmählich Richtung Nordsee. Auf der Westflanke von Hoch ELFI sickerte schon seit ein paar Tagen warme bis sehr warme Luft aus Südeuropa ein. Somit konnten die Temperaturen vor allem in der Südhälfte gebietsweise sogar in den heißen Temperaturbereich über 30 Grad ansteigen. Auf der Vorderseite von LUCIANO nimmt die Zufuhr von der sehr warmen, teils heißen subtropischen Luft nun nochmals Fahrt auf. Allerdings ist die Luft auch mit ordentlich Feuchte angereichert, sodass diese im Süden auch schon schwül daherkommt. Am heutigen Samstag sowie am morgigen Sonntag stellt sich eine Wetter-Dreiteilung in Deutschland ein. Der Norden kommt leicht unbeständig und windig daher, der Süden schaurig, teils gewittrig und heiß und die Mitte freundlich und sommerlich. Bei dem bisherigen, eher typisch mitteleuropäischen Sommer aus der Vergangenheit kann in größeren Teilen des Landes zumindest von einem heißen sommerlichen Intermezzo gesprochen werden. Mit der heißen und teils feuchten Luft wird aber nun auch der Körper wieder deutlich stärker beansprucht. Aber auch die Sonne hat im eigentlichen Hochsommermonat August noch richtig Kraft.

Besonders deutlich merkt man die Kraft der Sonne auf der Haut oder an seiner Kleidung. Aber auch die Umgebung kann das Empfinden der Sonnenstrahlung stark beeinflussen (z.B. die Stadt als Wärmeinsel).

Von wesentlicher Bedeutung für den Wärmehaushalt ist die sogenannte „Albedo“ (v. lat. albus „weiß“). Sie ist ein Maß für das Rückstrahlvermögen von diffus reflektierenden, also nicht selbst leuchtenden Oberflächen, angegeben als das Verhältnis von reflektierter zu einfallender Lichtmenge. Eine Oberfläche mit einer Albedo von z.B. 0,3 reflektiert 30% der einfallenden Strahlung und absorbiert 70%. Je heller die Oberfläche, desto größer ist ihre Albedo.

Die höchsten Albedo-Werte bis 0,95 werden bei (Neu-) Schnee erreicht. Trockener heller Sand verfügt über eine Albedo zwischen 0,30 bis 0,45 und strahlt entsprechend bis zu 45% der kurzwelligen Sonnenstrahlung zurück. Allerdings werden über 55% der Strahlung absorbiert, sodass sich der Sand soweit aufheizen kann, dass man am Strand teilweise das Gefühl hat sich die Füße zu verbrennen. Der etwas dunklere Sand der Wüsten liegt nur geringfügig unter diesen Werten. Bei Grasflächen oder Waldgebieten werden noch bis zu 20% der einfallenden Strahlung reflektiert. Die geringste Reflektion und somit die größten Absorptionswerte weisen Wasser (kleiner 0,1) und durch das vorherrschende „dunkle“ Mauerwerk auch Straßen und Städte (0,1-0,18) auf.

Kleidung kann je nach Farbe und Stoff mehr oder weniger viel Wärme speichern. So absorbiert dunkle Kleidung die Sonnenstrahlen sehr stark und wandelt sie in langwellige Wärmestrahlung um, was wir dann direkt auf der Haut spüren können. Während dieser Effekt vor allem in den noch kühleren Frühlingsmonaten als angenehm empfunden wird, kann er im heißen Hochsommer doch eher zur Qual werden. Dann sind leichte helle Stoffe sowie generell kurzärmlige Bekleidung optimal. Helle Kleidung (weiß, gelb, etc.) heizt sich nicht so stark auf und reflektiert stattdessen einen großen Anteil der kurzwelligen Sonnenstrahlung. Doch sollten unbedeckte Hautflächen auch bei einem kurzen Hitzeintermezzo dringend durch Sonnencreme geschützt werden.

Die Feuchte in Kombination mit der Hitze wirkt sich dann auch innerhalb des Körpers nachhaltig aus. Von besonderem Interesse ist dabei der thermische Wirkungskomplex. Zu diesem Wirkungsbereich gehören alle Größen, die für den Austausch von Wärme zwischen dem lebenden Organismus und der ihn umgebenden Atmosphäre von Bedeutung sind. Die wichtigsten meteorologischen Größen sind dabei Lufttemperatur, Luftfeuchte, Windgeschwindigkeit und Strahlung. Für eine zahlenmäßige Erfassung und Einordnung des Wohlbefindens, der Gesundheit und der Leistungsfähigkeit des Menschen ist es notwendig, die thermischen Umweltbedingungen des Menschen in einer physiologisch korrekten sowie wirkungsvollen und praktischen Weise aufzubereiten, darzustellen und weiterzugeben.

Damit die inneren Organe und das Gehirn eines Menschen optimal funktionieren können, muss die Körpertemperatur auf einem konstanten Niveau (~37°C) gehalten werden. Dafür sollten die Wärmeproduktion im Organismus und die Wärmeabgabe an die Umgebung über einen längeren Zeitraum im Gleichgewicht stehen. Vom Wärmegleichgewicht abweichende Bedingungen werden dem Menschen – über das Gehirn gesteuert – durch Frieren oder Schwitzen bewusst und führen so zu einer Anpassung des Verhaltens, z.B. durch Ablegen von Kleidung, Verminderung der Aktivität oder Aufsuchen von geschützten bzw. klimatisierten Räumen.

Um das thermische Empfinden auf Basis der vorgefundenen Umgebungsbedingungen zu analysieren und vorherzusagen, betreibt der Deutsche Wetterdienst aufbauend als thermisches Bewertungsverfahren das sogenannte „Klima-Michel-Modell“. Dabei greift er auf die „gefühlte Temperatur“ als eine Variante der äquivalenten Temperatur zurück, die die Anpassung der Bekleidung an die aktuellen thermischen Bedingungen berücksichtigt. Allerdings gelten die Bewertungen jeweils nur für einen aufrecht stehenden Menschen. Der Klima-Michel beschreibt bei der Bewertung einen Norm-Menschen. Dieser erbringt eine Arbeitsleistung von 172,5 Watt bzw. 135 Watt pro Quadratmeter Hautoberfläche. Dies entspricht dem Zustand „Gehen“ mit etwa 4 km/h in der Ebene.

Derzeit werden darauf aufbauend die Warnschwellen an Ober- und Hochrhein sowie in Teilen Bayerns überschritten, sodass dort eine Hitzewarnung vor starker Wärmebelastung ausgegeben wurde. Vor allem ältere und kranke Menschen sollten in diesen Gebieten viel trinken und tagsüber eher kühle Räumlichkeiten aufsuchen.

Doch schon ab Montag wird das Land auf der Rückseite von Tief LUCIANO von kühler Atlantikluft geflutet. Damit beendet LUCIANO dann auch die sommerlich warme, teils heiße Witterungsperiode und bringt einen Vorgeschmack auf den Herbst.

Dipl.-Met. Lars Kirchhübel

Deutscher Wetterdienst Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach, den 14.08.2021

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(Sub-)Tropisches Ungemach am Schwarzen Meer

Das Wetter im Umfeld des östlichen Schwarzen Meeres gestaltet sich schon seit einigen Tagen unbeständig. Immer wieder entwickeln sich Schauer und Gewitter mit örtlich heftigem Starkregen. Das ist während des Sommerhalbjahres allerdings noch nichts, was einen aus den Latschen haut. Immerhin befinden wir uns dort auch abseits des an der unmittelbaren Küste herrschenden Seeklimas in einem humiden (feuchten) Kontinentalklima, das prinzipiell ganzjährig Niederschläge zulässt. Doch in den kommenden Tagen zeichnet sich eine Entwicklung ab, die dann doch eher Seltenheitswert hat: ein tropen-ähnlicher Sturm.

Verantwortlich für die rege Schauertätigkeit zeichnet sich ein Höhentief, das sich von der „Westwindautobahn“ der mittleren Breiten löste, über dem Schwarzen Meer nun sich selbst überlassen ist und dort folglich ziemlich „unmotiviert“ seine Kreise zieht. Da sich mit dem Höhentief Kaltluft über das sehr warme Meereswasser bzw. die vom Meereswasser stark erwärmte Luft schob, stellte sich ein ausgeprägter vertikaler Temperaturgradient ein. Diese rasche Temperaturabnahme mit der Höhe ermöglichte vertikale Umwälzungen in Form von Schauern und Gewittern.

Durch die andauernde Gewittertätigkeit unter dem sich kaum verlagernden Höhentief wird die Luft nun immer feuchter, zum einen. Zum anderen wird in den Gewittersystemen Luft vom Boden in die Höhe und dort aus dem Areal nach außen weg befördert, sodass der Luftdruck über der Meeresoberfläche sinkt. Da zudem mit einer Abnahme der Windscherung zu rechnen ist (kaum Änderung von Windgeschwindigkeit und -richtung mit der Höhe), können sich die Schauer und Gewitter unbehelligt – ohne dass sie durch starke Höhenwinde zerrissen oder verschleppt werden – um das entstehende Tief herum anordnen und es nochmals deutlich verstärken. Die immer schneller um den eher wolkenarmen Tiefkern rotierende „Gewitterspirale“ würde damit nicht nur optisch einem tropischen Wirbelsturm ähneln. Auch thermodynamisch hätte das System mit seinem warmen Kern bei gleichzeitiger Abwesenheit von Warm- und Kaltfronten frappierende Ähnlichkeit mit einem tropischen Sturm. Der einzig stichhaltige Unterschied wäre die Korrespondenz mit einem (kalten) Höhentief und die abweichende Entwicklung aus einem außertropischen System heraus.

In der Fachliteratur werden solche Systeme auf vielfältige Art und Weise beschrieben. Gängig sind die Bezeichnungen „tropen-ähnlicher Sturm“ (von „tropical-like cyclone“, engl.) und „Subtropensturm“, auch „Medicanes“ im Mittelmeer werden dieser Klasse von meteorologischen Phänomenen zugeordnet. Über dem Schwarzen Meer werden tropen-ähnliche Stürme eher selten beobachtet. Dem European Severe Storms Laboratory (ESSL) zufolge traten zwischen 1982 und 2006 lediglich zwei Tropenstürme oder tropen-ähnliche Stürme auf, also im Schnitt nur etwa alle 10 Jahre. Ein tropen-ähnlicher Sturm in Hurrikanstärke (mit Orkanböen) wurde noch nicht dokumentiert.

Ob der sich nun anbahnende Sturm Hurrikanstärke erreicht, ist völlig unklar und nach aktuellem Stand auch eher unwahrscheinlich. Durch das extrem warme Wasser des Schwarzen Meeres (mit verbreitet 26-28 Grad 2 bis 4 Grad wärmer als im vieljährigen Mittel) steht dem Sturm zumindest aber ungewöhnlich viel Energie zur Verfügung. So oder so besteht rund um das östliche Schwarze Meer und das Asowsche Meer (Küstenregionen in Südrussland, Südukraine und Georgien, später auch in der Nordtürkei) bis zum kommenden Wochenende und darüber hinweg hohe Starkregen- und Sturmgefahr. Im allerschlimmsten Fall sind örtlich mehrere Hundert Liter Regen pro Quadratmeter mit Überschwemmungen und Erdrutschen sowie Orkanböen und Sturmfluten zu befürchten. Mit Blick auf die aktuellen Modellergebnisse für die Niederschlagssumme scheint insbesondere ein Korridor zwischen den Städten Kertsch/Krim, Krasnodar und Rostow (Russland) im Fokus zu stehen.

Dipl.-Met. Adrian Leyser

Deutscher Wetterdienst Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach, den 12.08.2021

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DWD-(Sub-)Tropisches Ungemach am Schwarzen Meer

 

„Wellende“ Temperaturverteilung über Europa

Warum wird es heute und in den kommenden Tagen in Deutschland wieder hochsommerlich warm? Und wie sieht es mit der Temperatur in anderen Teilen Europas aus? Diesen Fragen geht das heutige Thema des Tages nach.

In den Medien, aber auch in den sozialen Kanälen des DWD wurde ja schon darauf hingewiesen: Uns steht ein hochsommerlicher Witterungsabschnitt bevor. Dies bedeutet morgen im Süden, am Freitag dann im Süden, der Mitte und im Osten Höchstwerte um 30 °C.

„Unsere“ Warmluft kommt dabei, wenig überraschend, aus Südwesten. Verantwortlich dafür zeichnet das Hochdruckgebiet ELFI. Dieses ist aktuell (Mittwoch, 11.8., vormittags) über den Alpen zu finden und wandert zögerlich nach Osten. Auf der Rückseite des Hochs wird dann von Frankreich her subtropische Luft nach Mitteleuropa geführt.

Um zu charakterisieren, ob eine Luftmasse „warm“ oder „kalt“ ist, wird unter Meteorologen gerne die Temperatur in 850 hPa (Hektopascal) herangezogen. Dieser Druck entspricht etwa einer Höhe von 1,5 km. Was das Besondere an dieser Höhe ist? Der durch die Sonneneinstrahlung hervorgerufene Tagesgang der Temperatur, der vor allem bodennah und in den unteren Luftschichten stark ausgeprägt ist, spielt in dieser Höhe (praktisch) keine Rolle mehr. Somit liefert die 850-hPa-Temperatur ein recht verlässliches Maß dafür, ob eine Luftmasse ein eher hohes oder niedriges Temperaturniveau aufweist.

Die beigefügte Grafik zeigt für große Teile Europas für den morgigen Donnerstag (Mittag) die Temperatur in 850 hPa. Man erkennt, dass sich über Westeuropa und dem westlichen Mitteleuropa eine „Warmluftblase“ (orange-rötliche Farben) nach Nordosten schiebt. Sie sorgt bei uns für die erwarteten sommerlichen Temperaturen, die allerdings, wie oben schon erwähnt, nicht alle gleichermaßen treffen. Insbesondere an der Nordsee bleibt es mit Höchstwerten zwischen 20 und 25 °C kühler als im Rest des Landes. Das liegt nicht nur daran, dass die Warmluft bis in den Norden einen weiteren Weg hat als in den Süden, sondern auch daran, dass der Warmluftvorstoß eher zur Ostsee als zur Nordsee gerichtet ist (vgl. Richtung des „Warmluftpfeils“ über Frankreich).

Die großräumigere Betrachtung offenbart, dass sich von West- bis nach Osteuropa Warm- und Kaltluftvorstöße abwechseln. Ins östliche Mitteleuropa und ins westliche Osteuropa strömt morgen von Skandinavien und dem Nordatlantik kühlere Luft (gelb eingefärbt). Noch weiter östlich – über dem Westen, insbesondere aber über dem Südwesten Russlands – wird dann wieder Warmluft nach Norden geschoben. Dort könnte man auch guten Gewissens von Heißluft sprechen, denn die Temperaturen in 850 hPa erreichen nördlich des Kaspischen Meeres mehr als 20 °C.

Diese Strömungsmuster zeigen sich dann auch in den morgen erwarteten Höchsttemperaturen, hier beispielhaft für die Städte Berlin, Minsk und Saratov (in der Karte von West nach Ost jeweils mit einem Stern markiert). Während die Vorhersagemodelle für Berlin als Maximaltemperatur 29 °C anpeilen, sollen es im „kalten“ Minsk nur 22 °C werden. Dagegen ist Saratov mit 37 °C im wahrsten Sinne des Wortes ein „heißes Pflaster“.

Auffällig ist über Russland auch, wie weit die Warmluft nach Norden ausgreifen kann. Die 10 °C-Isotherme, also der Übergang von gelb zu orange, schafft es bis zum Weißen Meer und zur Küste der Barentssee. Entsprechend hoch liegen dort dann auch die Tagesmaxima, Archangelsk am weißen Meer soll es immerhin auf 23 °C bringen – und damit wärmer sein als Minsk.

Ein Problem bringen die hohen Temperaturen über Russland aber mit sich. Die dortigen Waldbrände werden eher angefacht, als dass das Wetter für ein Nachlassen der Brände sorgen würde. *

Dipl.-Met. Martin Jonas

Deutscher Wetterdienst Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach, den 11.08.2021

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 DWD Wellende Temperaturverteilung ueber Europa