Die Krux der Irreversibilität

Unser Klimasystem ist ein komplexes Zusammenspiel: Ozean, Land, Atmosphäre, Biosphäre und Eismassen sind keine „isolierten“ Komponenten, sondern vielmehr in stetiger Wechselwirkung miteinander. Man könnte dabei vielleicht meinen, dass allmähliche Änderungen auch zu einer allmählichen Reaktion führen, so wie wir es aus vielen Bereichen des Lebens kennen. Doch dem ist nicht so: Auch kleine Änderungen können plötzliche und drastische Auswirkungen haben. Man kann das mit einer Kaffeetasse vergleichen, die langsam über den Tischrand geschoben wird. Zunächst passiert nichts, doch plötzlich erreicht sie einen kritischen Punkt, an dem sie kippt.

Im Klimasystem gibt es gleich mehrere solcher „Kipppunkte“ oder „Kippelemente“ (englisch: „Tipping points“), für die gilt: Wird ein bestimmter Schwellenwert erreicht, kann das zu schnellen und unumkehrbaren Veränderungen führen. Genau in dieser Irreversibilität liegt das große Problem, denn selbst wenn die Ursache für „das Kippen“ anschließend zurückgenommen werden würde, würde das System Klima nicht unbedingt wieder in den alten Zustand zurückkehren. Wie die zerbrochene Kaffeetasse. Oder um es mit einem Beispiel von Dr. Eckhart von Hirschhausen zu beschreiben: Wenn man ein Ei kocht, wird es hart – und es bleibt hart, auch wenn das Wasser wieder abkühlt.

Bereits das Überschreiten einzelner Kipppunkte hat also weitreichende Umweltauswirkungen. Zudem besteht zusätzlich das Risiko, dass durch Rückkopplungsprozesse weitere Kipppunkte im Erdsystem überschritten werden und so eine dominoartige Kettenreaktion ausgelöst wird. Quasi eine „Kipp-Kaskade“.

Doch was sind nun diese Kipppunkte?

Das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) teilt sie in drei Kategorien: 1. Schmelzende Eiskörper (zum Beispiel Arktisches Meereis), 2. Veränderte Strömungssysteme (zum Beispiel Atlantische Thermohaline Zirkulation) und 3. Bedrohte Ökosysteme (zum Beispiel Amazonas-Regenwald).

Zehn unterschiedliche Kippelemente sind in der beigefügten Grafik dargestellt. Drei Beispiele:

– Das grönländische Festlandeis ist bis zu 3 km dick, verliert durch Abschmelzen jedoch an Höhe. Seine Oberfläche, die sich jetzt noch in hohen und damit kalten Luftschichten befindet, sinkt und wird somit wärmeren Temperaturen ausgesetzt. Das wiederum verstärkt das Abschmelzen weiter. Sobald eine bestimmte globale Temperaturzunahme überschritten ist, lässt sich das vollständige Schmelzen des Eispanzers nicht mehr aufhalten, was Wissenschaftlern zufolge zu einem Meeresspiegelanstieg von bis zu sieben Metern führen kann.

– Der Amazonas-Regenwald ist ein gewaltiger Kohlenstoffspeicher. Circa ein Viertel des weltweiten Kohlenstoffaustauschs zwischen Atmosphäre und Biosphäre finden dort statt, er ist quasi die „grüne Lunge“ der Erde. Durch extreme Trockenheit werden die Bäume so stark angegriffen, dass sie absterben. Weiter fortschreitende Abholzung verstärkt das Problem. Bei einem Umkippen des Regenwaldes etwa in eine Savannen-Vegetation könnte also kaum oder nur noch wenig Kohlendioxid gebunden werden und enorme Mengen des Treibhausgases blieben in der Atmosphäre.

– Im hohen Norden befindet sich auf einer Fläche von 10 Mio. km² (etwa der 30-fachen Fläche Deutschlands) Permafrost. Mehrere Hundert Milliarden Tonnen Kohlenstoff sind dort seit der letzten Eiszeit eingelagert. Wenn er auftaut, zersetzt sich das darin erhaltene organische Material und es wird Kohlenstoff und Methan frei. Der Auftauprozess schreitet derzeit viel schneller voran, als selbst die pessimistischsten wissenschaftlichen Studien annahmen. Inzwischen ist das Auftauen so weit vorangeschritten, wie es in den Szenarien des IPCC für das Jahr 2090 prognostiziert wurde.

Bei den düsteren Prognosen also resignieren und einfach hoffen, dass „nichts kippt“? Dazu sei gesagt, dass jedes (gar jedes Zehntel) Grad einen Unterschied macht – siehe zweite beigefügte Grafik. Und im Gegensatz zur kaputten Kaffeetasse, die einfach neu gekauft werden könnte, haben wir diese Möglichkeit bei der Erde leider nicht.

Dipl.-Met. Magdalena Bertelmann

Deutscher Wetterdienst Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach, den 20.09.2021

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DWD Die Krux der Irreversibilitaet

Bauernregeln im September

Den Siebenschläfertag oder auch die Eisheiligen kennt jeder. Aber auch der September hat seine Bauernregeln und Lostage, anhand derer früher die Wetterentwicklung in den Wintermonaten vorhergesagt wurde.

Bereits Tag 1 birgt einen Lostag für den restlichen Verlauf des Monats und auch des Herbstes: „Gib auf Ägidius wohl acht, er sagt dir was der Monat macht. Ist Ägidi ein heller Tag, ich dir einen schönen Herbst ansag. Wenn St. Ägidius bläst ins Horn, so heißt es: Bauer, sä dein Korn. Ist es an Ägidius rein, wird es so bis Michaeli (29.09.) sein.“. Schauen wir auf das Wetter am diesjährigen 1. September zurück, so sehen wir in weiten Teilen Deutschlands viel Sonne und meist schwachen Wind bei sommerlichen 19 bis 24 Grad. Nur im Westen war es trüb und mit 15 bis 19 Grad weniger warm. Man könnte den Tag also durchaus als „hell“ und „rein“ bezeichnen. Und der September war bisher ja auch nicht wirklich trüb. Es gab zwar Tage mit wenig Sonne und etwas Regen, insgesamt ist es aber bisher ein sonniger und trockener Monat mit über Deutschland gemittelten 122 Stunden Sonne und nur 20 l/m² Regen.

„Am feinen Septemberregen ist dem Bauern gelegen.“ – Wer seinen Garten auch im Winter nutzt, der sät jetzt Feldsalat und Spinat oder steckt Knoblauch. Günstig nach der Saat ist eine gleichmäßige Feuchte, damit das Saatgut bei noch milder Temperatur auch schön aufgeht. Das wussten auch die alten Bauern und so hat diese Regel bis heute Bestand.

Ein weiterer Lostag für den September fällt auf den 7. des Monats: „Ist es an Regine warm und sonnig, so bleibt das Wetter lange sonnig“. Der diesjährige 7. September brachte von der Ostsee bis an den Oberrhein etwa 9 bis 12 Stunden Sonne, abseits davon war es etwas „dunkler“ mit 2 bis 5 Stunden Sonnenschein an der Nordsee und 4 bis 7 Stunden im Südosten des Landes. Wie oben bereits erwähnt, ist die Sonnenausbeute nach etwa 2/3 des Monats mit rund 76 % der langjährig gemittelten Sonnenscheindauer im September, durchaus beachtenswert. Auch die Nebellagen halten sich in diesem Monat in Grenzen. Insofern könnte man die Bauernregel durchaus als richtig einstufen.

Eine weitere Regel zum Thema Regen besagt: „Wenn es an Protus (11.09.) nicht nässt, ein dürrer Herbst sich erhoffen lässt“. Der diesjährige 11. September war ein durchwachsener Tag mit Sonne und Wolken, aber auch etwas Regen in Form von Schauern und lokal auch Gewittern. Weitgehend trocken blieb es vom Niederrhein bis nach Vorpommern. Ob man nun einen dürren Herbst erhoffen muss, bleibt fraglich. Nimmt man die Bauernregel streng, so dürfte dieser Herbst eher nicht trocken ausfallen.

Für den 21. September gibt es folgende Bauernregeln: „Ist Matthäus hell und klar, gute Zeiten bringt’s für wahr. Trifft Matthäus stürmisch ein, wird bis Ostern Winter sein. Ist an Matthäus Sonnenschein, gibt es nächstes Jahr viel Wein. Wie es Matthäus treibt, es vier Wochen bleibt.“. Nach aktueller Vorhersage wird Matthäus (kommender Dienstag) ein ruhiger und zunehmend sonniger Tag. Die klare Nacht zum Mittwoch könnte allerdings etwas verbreiteter Frost in Bodennähe bringen. Für alle Hobbygärtner, vor allem ab den Mittelgebirgen südwärts, heißt es also Obacht und Pflanzen schützen.

Der Michaelitag, 29. September, kündigt nach Lesart der Bauernregeln die Witterung für den weiteren Herbst und Winter an. Dabei gibt es durchaus Widersprüche: „Wenn Michael durch Pfützen geht, ein milder Winter vor uns steht. Bringt St. Michael Regen, kannst du gleich den Pelz anlegen. Regen an Michaelstag, einen milden Winter bringen mag.“. Auch ohne Regen geht es widersprüchlich zu: „Gibt Michaeli Sonnenschein, wird es in zwei Wochen Winter sein. Kommt der Michel heiter und schön, wird es vier Wochen weiter so gehen.“. Eine Prognose ist aus solch gegensätzlichen Weissagungen schwierig. Und so belassen wir es beim bisher eher guten Eindruck vom vergangenen Wetter und der Übereinstimmung mit den Lostagen und Bauernregeln in den ersten zwei Dekaden des Septembers. Wir müssen es ohnehin nehmen, wie es kommt.

Dipl.-Met. Jacqueline Kernn

Deutscher Wetterdienst Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach, den 19.09.2021

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Ferne Verbindungen

Der mögliche Zusammenhang der Phase des Indisch-Ozeanischen Dipols (IOD) mit den heftigen australischen Buschbränden in 2019 sowie das Wirkungsprinzip des IOD wurde bereits im Thema des Tages vom 13.01.2020 behandelt. Im folgenden Beitrag soll kurz ein konkretes Beispiel möglicher Fernwirkungen einer sehr starken positiven Phase des Indisch-Ozeanischen Dipols im November 2019 erläutert werden.

Ein positiver IOD (siehe Grafik anbei) bedeutet positive Anomalien der Meeresoberflächentemperaturen über dem Arabischen Meer (vor der Afrikanischen Küste) und damit einhergehende verstärkte tropische Konvektion mit häufigen Niederschlägen in diesen Gebieten (durch Aufsteigen der Warmluft). Im Gegensatz dazu herrschen dann verhältnismäßig niedrige Meeresoberflächentemperaturen im Bereich Ozeaniens, was z.B. in Australien über Monate weitgehend trockene Verhältnisse hervorruft (durch Absinken der Luft). In Bodennähe erfolgt dort dann das Rückströmen der Luft nach Westen. Somit herrschen in diesem Bereich beidseitig des Äquators verstärkte östliche Winde vor (Passatwinde), die das Meereswasser in der Folge oberflächlich abtransportieren und abkühlen (verstärkt in der Folge durch nachrückendes kühleres Wasser aus tieferen Schichten).

Für den Winter 2019/2020, speziell für den Index der Nordatlantischen Oszillation hatte diese sehr starke positive Phase des IOD zur Folge, das sich ausgehend vom Indischen Ozean so genannte Wellenzüge polwärts und ostwärts ausbreiteten, entsprechend über den Pazifik, Nordamerika bis zum Atlantik (dort in abgeschwächter Form). Diese Wellenzüge beinhalten den meridionalen (polwärts) und zonalen (ostwärts) Transport von Wellenenergie in Form von Wärmeflüssen, die sogar die saisonale Verteilung von Hoch- und Tiefdruckgebieten z.B. über dem Atlantisch-Europäischen Raum, zeitweise beeinflussen können. In diesem Fall könnte der IOD indirekt für die beobachtete persistentere positive Abweichung des NAO-Index (nach Definition stärker ausgeprägtes Azorenhoch, entsprechend kräftiges Islandtief) im Winter 2019/2020 gesorgt haben. Der fachlich interessierte Leser kann sich gern in diesem Artikel aufschlussreiche Details und Grafiken anschauen. Diese beschriebene Wechselwirkung wird auch als „Troposphärische Telekonnektion“ bezeichnet.

Zudem gibt es auch eine „Stratosphärische Telekonnektion“, die in diesem Fall wie folgt funktioniert hat (siehe oben angeführtes Paper): Der oben angesprochene Wellenzug, der zunächst den Pazifik betrifft, sorgt dort grob gesagt durch polwärts gerichtete Wärmeflüsse bodennah zunächst für eine positive Druckanomalie (höherer Luftdruck) südlich von Alaska und den Aleuten-Inseln. Dadurch wird das dort sonst oft ansässige und kräftige Aleutentief deutlich geschwächt. Auf diese Art und Weise können sich ihrerseits die vom Aleutentief normalerweise ausgehenden verstärkten vertikalen Wellenflüsse (Wärmeflüsse) nicht wie gewohnt bis in die Stratosphäre hin ausbreiten. Dies führt in der Folge zu einem anomal starken stratosphärischen Polarwirbel (weil nahezu ungestört, wie beobachtet im Winter 2019/2020), der dann als Kopplung mit der darunterliegenden Troposphäre ebenso eine anomal positive NAO projizieren kann.

Das im verlinkten Paper demonstrierte numerische Modell-Experiment zeigt eine gute Übereinstimmung sowohl mit den Reanalysedaten (z.B. des EZMWF in Reading, UK) als auch mit den saisonalen Multimodellvorhersagen in Bezug auf die Details beider hier beschriebenen Telekonnektionspfade. Darüber hinaus sind diese Pfade den gut dokumentierten troposphärischen und stratosphärischen Telekonnektionspfaden sehr ähnlich, durch die auch die EL-NINJO-Southern Oscillation (ENSO, siehe DWD-Wetterlexikon) unter anderem die nordatlantische Zirkulation beeinflussen kann.

Dipl.-Met. Dr. Jens Bonewitz

Deutscher Wetterdienst Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach, den 18.09.2021

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DWD Ferne Verbindungen

Kalendarischer Herbstanfang ante portas

Wir Meteorologen haben bereits am 1. September den Herbst eingeläutet und weichen daher von der Definition des kalendarischen Beginns ab. Demnach beginnen für uns die Jahreszeiten immer am ersten Tag jenes Monats, in den der kalendarische Termin fällt. Dadurch umfassen die Jahreszeiten für uns immer drei vollständige Monate, wodurch eine statistische Vergleichbarkeit von klimatologischen Daten (z.B. Monatsmittel, Monatssummen u.a.) gewährleistet wird.

Die nun bevorstehende Tagundnachtgleiche hängt mit dem Wechsel der Jahreszeiten zusammen, sorgt aber immer wieder für Missverständnisse. Der Herbst und damit auch der Übertritt in die kalte Hälfte des Jahres beginnt am kommenden Mittwoch, dem 22. September 2021 um 21:21 Uhr Mitteleuropäischer Sommerzeit (MESZ). Zu diesem Zeitpunkt zieht die Sonne direkt über den Erdäquator hinweg. Für die andere Hälfte des Planeten – sprich der Südhalbkugel – markiert das Äquinoktium (von lat. aequus – gleich und nox – Nacht), wie die Tagundnachtgleiche auch bezeichnet wird, den Beginn des Frühlings. Am Tag des Äquinoktiums dauern somit lichter Tag und die Nacht überall auf der Erde zumindest theoretisch gleich lang an.

Jedem ist bekannt, dass Jahreszeiten existieren. Aber wodurch entstehen sie? Das ist eine Frage, bei deren Beantwortung viele Menschen regelmäßig in eine kleine Falle tappen. Oft hört man, dass es auf der Erde kälter wird, wenn sie sich weiter von der Sonne entfernt, und wärmer, wenn sie näher an unsere Wärmequelle herankommt. Schließlich reist unser Planet auf einer Umlaufbahn um die Sonne, die kein perfekter Kreis, sondern eher eine Ellipse ist. Die Schlussfolgerung aus dieser Tatsache ist jedoch falsch.

Unser Erdorbit weicht nur zu drei Prozent von einem Kreis ab. Im nördlichen Winter ist die Sonne der Erde eigentlich am nächsten und im Sommer am weitesten entfernt (siehe Grafik). An der unterschiedlichen Entfernung zur Sonne liegt es also nicht. Was beschert uns dann die Jahreszeiten?

Es ist alles eine Frage der Neigung! Die Erdachse ist relativ zur Sonne gesehen nicht gerade, sondern steht in einem leicht schrägen Winkel von etwa 23,5 Grad. Während sich die Erde um die Sonne dreht, bleibt dieser Winkel erhalten, weshalb das Licht der Sonne nicht direkt auf die komplette Erdoberfläche trifft. Wenn die Nordhemisphäre der Sonne weggeneigt ist, werden deren Lichtstrahlen nur in einem schrägen Winkel aufgefangen. Während dieser Phase herrschen kürzere und somit in der Regel auch kühlere Tage. Gleichzeitig ist die südliche Hemisphäre der Sonne zugeneigt, weshalb ihre Strahlen in einem steileren Winkel eintreffen und für längere Tage sorgen. Nur zweimal im Jahr wird die Erde gleichmäßig in das Licht der Sonne getaucht – nämlich zu den Tagundnachtgleichen. Das zweite Äquinoktium findet um den 21. März statt, wenn sich die eben beschriebenen Gegebenheiten auf der nördlichen und südlichen Hemisphäre umkehren. Die Äquinoktien selber definieren nur den Zeitpunkt eines Ereignisses. Sie finden nicht wirklich statt, wenn der Tag und die Nacht gleich lang sind, obwohl wir das denken. Eigentlich ist es der Zeitpunkt, zu dem die Sonne am Äquator genau im Zenit und die Sonnenstrahlen dort im 90 Grad Winkel auf die Erdoberfläche treffen. Dann sind Tag und Nacht überall auf der Erde nahezu gleichlang.

Hierzulande allerdings sind zum Äquinoktium Tag und Nacht nicht exakt gleich lang und es ergibt sich ein Unterschied von einigen Minuten. Der Tag erscheint tatsächlich etwas länger als die Nacht. Diese Diskrepanz erklärt sich zum einen durch die Ausdehnung der Sonnenscheiben. Während der Äquinoktien wird der geometrische Mittelpunkt der Sonnenscheibe betrachtet, der an diesen Tagen etwa 12 Stunden oberhalb des Horizontes steht. Da allerdings die ersten und letzten Sonnenstrahlen eines Tages vom oberen Rand der Sonnenscheibe ausgehen, dauert der Tag also etwas länger. Zum anderen spielt die Brechung des Sonnenlichts durch die Atmosphäre eine Rolle. Die Erdatmosphäre beugt das Licht, weshalb es aussieht, als befände sich die Sonne noch über dem Horizont, obwohl sie bereits untergegangen ist. Der Kalendertag, an dem tatsächlich zwölf Stunden lichter Tag und zwölf Stunden Nacht herrschen, ist somit um ein paar Tage in Richtung Wintersonnenwende verschoben. Dieser Tag wird als Equilux bezeichnet und liegt für den 50. Breitengrad um den 25 September.

M.Sc.-Met. Sebastian Altnau

Deutscher Wetterdienst Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach, den 17.09.2021

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DWD Kalendarischer Herbstanfang ante portas

Ein nasser Sommer 2021 in Deutschland – aber überall (Teil 2)?

Nach den drei trockenen Sommern 2018, 2019 und 2020 gestaltete sich der Sommer 2021 in Deutschland vielerorts unbeständig und regenreich (s.a. die Ende August erschienene Pressemitteilung zum „Deutschlandwetter im Sommer 2021“). Teilweise nahm der Regen sogar extreme Ausmaße an, wie bei der Flutkatastrophe im Westen Deutschlands mit teils verheerenden Folgen. Im deutschlandweiten Flächenmittel fielen insgesamt 305 l/m², das sind rund 27% mehr als die vieljährigen Mittel der Jahre 1961-1990 (239 l/m²) und 1991-2020 (241 l/m²). Doch gab es auch Regionen, in denen weniger Niederschlag als in einem üblichen Sommer gemessen wurden?

Beim Betrachten der beigefügten Abbildung fallen sofort recht große regionale Unterschiede auf. Einerseits findet man Regionen, in denen das doppelte (dunkelblaue Bereiche), teils sogar das drei- oder vierfache (violett), der sonst üblichen Regenmenge beobachtet wurden (s.a. Thema des Tages vom 08. September). Andererseits liegen diese mancherorts nicht weit entfernt von vergleichsweise trockenen Gebieten (rote Bereiche). Zwar waren alle drei Sommermonate (Juni, Juli, August) im deutschlandweiten Flächenmittel nasser als in den jeweiligen Vergleichsperioden, jedoch bekam nicht jede Region gleich viel Nass von oben ab.

Im Juni sticht vor allem das nördliche Mecklenburg-Vorpommern ins Auge, wo verbreitet nur 10 bis 40% des Monatssolls an Regen beobachtet wurde. Am trockensten war es in Gager-Groß Zicker auf Rügen mit gerade einmal 3 l/m² (7% des vieljährigen Mittels dieser Station). Interessanterweise liegt diese Region nicht weit von der Uckermark entfernt, wo verbreitet mehr als das Dreifache des durchschnittlichen Juniregens vom Himmel prasselte. Auch vom Mangfallgebirge bis ins Chiemgau gestaltete sich der Monat deutlich trockener als üblich (30-50% des Monatssolls), in Jachenau-Tannern wurden sogar nur 9% (20 l/m²) des durchschnittlichen Juniniederschlags gemessen.

Der Juli verlief in großen Teilen Schleswig-Holsteins, in Ostwestfalen sowie zwischen Weser und Elbe relativ trocken. Besonders wenig Regen fiel in der Altmark und im nördlichen Harzvorland, wo nur etwa 30 bis 40% der üblichen Monatssumme beobachtet wurden. Am wenigsten Regen wurde in Erxleben-Bregenstedt nordwestlich von Magdeburg mit nur 16 l/m² (30%) gemessen. Auch in Elpersbüttel nahe der Schleswig-Holsteinischen Nordseeküste wurde mit 31 l/m² ebenfalls nur gut ein Drittel des vieljährigen Mittels (36%) erreicht. Ebenfalls ließ in Brandenburg der Regen östlich der Spree vielerorts auf sich warten.

Im August war vor allem die Westhälfte auf der eher trockenen Seite. Besonders niederschlagsarm verlief der Monat vom nördlichen Niederrhein über das Münsterland bis ins südliche Emsland sowie im Hochschwarzwald. Dort wurden vielerorts nur 35 bis 50% des „normalen“ Augustniederschlags registriert. In Grafenhausen (Hochschwarzwald) fielen mit 35 l/m² gerade einmal 34% des Monatssolls ins Niederschlagsmessgerät dieser Station.

Und wie sieht es im gesamten Sommer aus? Summiert über die beschriebenen drei Monate zeigt sich, dass der Sommer 2021 vor allem in der Altmark und dem nördlichen Harzvorland, in Teilen Vorpommerns und im Grenzbereich zwischen Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen deutlich zu trocken ausfiel. Der trockenste Ort war Erxleben-Bregenstedt, der als Sommerbilanz nur magere 116 l/m² zu bieten hatte, was nur 63% des vieljährigen Mittelwerts entspricht. Somit kam dort im gesamten Sommer weniger Regen zusammen als beispielsweise in den Hochwasserregionen im Westen innerhalb von weniger als einem Tag vom Himmel prasselte. Aber auch die Nordseeurlauber konnten sich über vergleichsweise wenig Regen freuen. So summierte sich in List auf Sylt der Sommerregen nur auf 130 l/m², etwa 2/3 (68%) des im Mittel zu erwartenden Niederschlags.

Auch wenn es viele Bundesbürger kaum erwartet hätten, so gibt es auch im Sommer 2021 einige Ecken, in denen auch im vierten Sommer in Folge zu wenig Regen fiel, sodass dort die Dürre nicht beendet wurde. Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass die Ernteerträge in der Landwirtschaft mancherorts wegen fehlender Niederschläge erneut unterdurchschnittlich waren. Dort bleibt nur zu hoffen, dass es im Sommer 2022 in dieser Hinsicht zu einer ausgleichenden Gerechtigkeit kommt.

Dr. rer. nat. Markus Übel (Meteorologe)

Deutscher Wetterdienst Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach, den 16.09.2021

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DWD Ein nasser Sommer 2021 in Deutschland aber ueberall Teil 2

Regen – in Deutschland und in Ostasien

Nachdem die vergangenen Tage weitgehend trocken verlaufen sind, kommt heute wieder reichlich Nass von oben – wenn man einmal von den überwiegend trockenen Gebieten an Oder und Neiße sowie im Südosten absieht.

Den Regen bringt uns das kleine Tief ROLAND, das heute über der Deutschen Bucht nach Nordosten zieht. Es bringt sehr feuchte Luft zu uns, die im Hochsommer bei entsprechenden Temperaturen wohl verbreitet zu einer energiegeladenen Schwergewitterlage geführt hätte. Die aktuellen atmosphärischen Bedingungen lassen zwar auch Gewitter zu, oft ziehen aber auch „nur“ Schauer oder schauerartiger Regen übers Land. Immerhin: neben ein paar starken Böen und kleinerem Hagel können sowohl die Schauer als auch die Gewitter Starkregen, also Niederschlagsmengen von 15 l/m² bis 25 l/m² innerhalb von einer Stunde im Gepäck haben. Punktuell sind auch Mengen über 25 l/m² und damit Unwetter möglich – diese bleiben aber die Ausnahme. Am stärksten vom Niederschlag und damit auch vom potentiellen Starkregen betroffen ist ein Streifen, der vom Westen in den Nordosten reicht.

Da hat der pazifische Wirbelsturm CHANTHU, auch wenn er seine „besten Tage“ schon hinter sich hat, mehr zu bieten. Aktuell bewegt sich CHANTHU im Bereich des Ostchinesischen Meeres und damit sozusagen „in Sichtweite“ Chinas, Japans und auch Südkoreas. Recht untypisch für tropische Wirbelstürme schickt er sich aktuell an, seinen Kurs mehrmals in kurzer Zeit abrupt zu ändern. Nachdem es zuletzt nach Norden ging, soll CHANTHU jetzt mehr nach Südosten vorankommen. Das ist allerdings nur ein kurzes Intermezzo, denn schon morgen ist wieder ein Schritt nach Norden geplant, bevor die Aktivität dann nach Nordosten gerichtet ist.

Bezüglich seiner Verlagerung kann man CHANTHU also als „kleinen Chaoten“ bezeichnen. Das „Kreiseln“ hat für ihn aber den Vorteil, dass er sich weiter über Meeresgebieten bewegt, die eine Wassertemperatur von etwa 27 Grad aufweisen. Damit kann sich der Wirbelsturm nochmal intensivieren. So prognostiziert das Europäische Zentrum für Mittelfristige Wettervorhersage (EZMWF) in der Nacht zum Freitag einen Kerndruck von etwa 960 hPa, was etwa 30 hPa unter dem aktuellen Niveau liegt. Damit verbunden ist natürlich auch eine Zunahme des Windes. Mittelwinde von etwa 35 Knoten, was 65 km/h entspricht, werden von den meisten Wetterdiensten nach den neuesten Berechnungen avisiert. Die Böen liegen dabei deutlich jenseits der 100 km/h-Schwelle. Das ist für einen Wirbelsturm aber alles andere als eine „Spitzenleistung“, weshalb CHANTHU genau genommen auch nur noch als Tropischer Sturm und nicht mehr als Wirbelsturm bezeichnet wird.

Aber eigentlich sollte der Blick ja zu den Regenmengen gehen. Und diesbezüglich werden in Südkorea und Japan in den kommenden Tagen, jeweils in Verbindung mit CHANTHU, verbreitet Regenmengen von 30 bis 70 l/m² auftreten. Lokal werden die Mengen aber auch bis zu 200 l/m² erreichen. Die Schwierigkeit besteht darin, diese Niederschlagsschwerpunkte genau zu lokalisieren. Denn durch das „Kreiseln“ über dem Meer lässt sich die genaue Zugbahn nur schwer erfassen. Sowohl das Joint Typhoon Warning Center (Grafik) als auch unser DWD-Modell „ICON“ lassen CHANTHU über die Meerenge zwischen Japan und Südkorea ins Japanische Meer ziehen. Das Modell des Europäischen Zentrums für Mittelfristige Wettervorhersage dagegen setzt einen südlicheren Kurs an, womit CHANTHU über Japan ziehen würde. Letzteres hätte dann natürlich auch über Japan die stärksten Regenmengen zur Folge, während die erstgenannten Lösungen die höchsten Niederschläge über Südkorea simulieren. Diesbezüglich bleibt es also spannend…

Dipl.-Met. Martin Jonas

Deutscher Wetterdienst Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach, den 15.09.2021

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DWD Regen in Deutschland und in Ostasien

Frühherbst bei spätsommerlichen Temperaturen

Heute soll sich das Thema des Tages also ein wenig um die Phänologie bzw. die phänologischen Jahreszeiten drehen. Im Gegensatz zur kalendarischen Definition der Jahreszeiten, die sich am Sonnenstand orientieren und wenig Variabilität aufweisen, hängen die phänologischen Jahreszeiten von den Entwicklungsstadien der Pflanzenwelt ab. Dabei spielen der Blühbeginn, der Beginn der Blattentfaltung, der Reifegrad der Früchte und schließlich im Herbst die Laubverfärbung und der Zeitpunkt des Laubfalls eine entscheidende Rolle. Mit Hilfe dieser sogenannten Leitphasen unterschiedlicher Pflanzenarten werden Frühling, Sommer und Herbst jeweils in drei Phasen unterteilt. Um feststellen zu können, wann und wo die entsprechenden Wachstumsphasen auftreten, gibt es ein deutschlandweites Netzwerk meist ehrenamtlicher Beobachter. Entsprechende Grafiken zur aktuellen Pflanzenentwicklung können auf der Homepage des Deutschen Wetterdienstes im Bereich „Fachnutzer“ und „Freizeitgärtner“  abgerufen werden.

Der phänologische Herbst wird in Früh-, Voll- und Spätherbst unterteilt. Anhand der aktuellen phänologischen Daten (siehe Abbildung der Phänologische Uhr und aktuelle Meldungen im Anhang bzw. befinden wir uns im Frühherbst. Dieser ist durch die Fruchtreife des Schwarzen Holunders (Holunderbeeren) und der Kornelkirsche gekennzeichnet. Außerdem erreicht der Mais auf den Feldern seine volle Höhe, die ersten Birnen sind bereit zum Pflücken und auch die Aussaat von Winterraps und Wintergerste beginnt. Der Frühherbst beginnt im vieljährigen Mittel Mitte/Ende August, anhand der phänologischen Uhr. ist zu erkennen, dass der Frühherbst dieses Jahr etwas später begann als im vieljährigen Mittel. Die ersten Meldungen zur Fruchtreife des Schwarzen Holunders und damit der Beginn des Frühherbstes sind in den Flussniederungen des Rheins und seiner Nebenflüsse sowie Richtung Lausitz Mitte August eingegangen (siehe Karte der aktuellen Pflanzenentwicklung im Anhang bzw. Nun macht die Natur unweigerlich Fortschritte in Richtung Vollherbst, der unter anderem dadurch gekennzeichnet ist, dass die Früchte der Stiel-Eiche und Rosskastanien reif sind.

Auch wenn wir uns also phänologisch eindeutig im Herbst befinden, werden am heutigen Dienstag verbreitet nochmal sommerliche Temperaturen zwischen 25 und 29 Grad erwartet. In den kommenden Tagen wird es mit Schauern und Gewittern wieder etwas wechselhafter, bei Höchsttemperaturen meist zwischen 18 und 24 Grad bleibt es aber relativ warm. So richtig herbstliches Wetter steht nach wie vor nicht auf dem Programm.

Dipl.-Met. Sabine Krüger

Deutscher Wetterdienst Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach, den 14.09.2021

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DWD Fruehherbst bei spaetsommerlichen Temperaturen

Wetterzauber

„Gar nicht so sehr weit hinter der Stadt, über die Brücke, am anderen Ufer des Flüsschens, dort beginnt ein großer, großer Wald. Und wo der Wald sieben Tage tief ist, leuchtet es geheimnisvoll.“

Na, haben Sie es erkannt? Das sind die einleitenden Worten vom Hörspiel „Der Traumzauberbaum“ mit Geschichtenliedern von Reinhard Lakomy und Monika Ehrhardt-Lakomy. Das – man kann schon mit Fug und Recht behaupten – Meisterwerk in Sachen Kindermusik wurde im Jahr 1980 veröffentlicht und ist so zeitlos wie Daft Punks „Get Lucky“ und Journeys „Don’t Stop Believin'“ zugleich. Es verpackt liebevoll Poesie und Musik in kleinen Geschichten, die von unnachahmlich neckischen Charakteren wie den Waldgeistern „Moosmutzel“ und „Waldwuffel“ verkörpert werden.

Der am 19. Januar 1946 in Magdeburg geborene Reinhard Lakomy war bereits in frühester Kindheit von der Musik fasziniert, komponierte schon mit 5 Jahren seine ersten Stücke und erhielt Klavierunterricht. Was ihn auszeichnete, war sein vielfältiges Spektrum. Er machte sich nicht nur als Jazzmusiker einen Namen und spielte als damals 16-jähriger gemeinsam mit der Legende Louis Armstrong bei dessen Empfang in Magdeburg, sondern komponierte nebenbei auch Lieder für Schlagerstars wie Thomas Lück und Andreas Holm. Außerdem startete Lakomy selbst mit Titeln wie „Es war doch nicht das erste Mal“ durch. Zudem besaß er auch ein Faible für elektronische Musik und ergatterte den großen Synthesizer von Mick Jagger. In seiner langen Laufbahn komponierte Lakomy unter anderem Stücke für die Komische Oper Berlin sowie etliche Filmmusiken beispielsweise für den Polizeiruf oder das Sandmännchen. Gemeinsam mit seiner Frau, der Schriftstellerin Monika Ehrhardt, entstand dann Ende der 70er Jahre „Der Traumzauberbaum“. Mit den Stimmen von Angelika Mann und Veronika Fischer verbreiten die Lieder nicht nur bei Kinder Gänsehautatmosphäre und geben Kraft für sämtliche Lebenslagen.

Nach kurzer schwerer Krankheit starb Reinhard Lakomy am 23. März 2013 in Berlin. In diesem Jahr wäre er demnach 75 Jahre alt geworden, bekam erst kürzlich – wie auch Rio Reiser – vom Berliner Senat ein Ehrengrab zugesprochen. Vielsagend ist Lakomys Antwort darauf, woher sein Gespür für beliebte Kindermusik resultierte: „Wenn Sie sich gerne an ihre eigene Kindheit erinnern, mag so etwas gelingen.“

Kindlich aufbereitete Bezüge zum Wetter finden sich in seinen Werken zuhauf. Bestes Beispiel: das Regenlied (Traumzauberbaum)

Eine dicke Regenwolke kommt über’s Meer. Eine dicke Regenwolke leise und schwer. Hat den Bauch voll Wassereimer, soviel Wasser trägt sonst keiner.

Muss die Welt begießen, die Bäume und die Wiesen Und auch mein Radieschenbeet, das habe ich allein gesät.

Plitsche, Platsche, Regentropfen, wie sie auf die Dächer klopfen. Waschen alles blitzeblank, lieber Regen vielen Dank. Hast es wirklich gut gemeint, mach nun, dass die Sonne scheint!

Gerüchteweise waren die Zeilen und Melodien sogar ausschlaggebend dafür, dass beim Autor bereits in frühester Kindheit die Grundlagen für die spätere meteorologische Laufbahn gelegt wurden. Wenn Sie neugierig geworden oder noch auf der Suche nach einer tollen Geschenkidee für das kleine Töchterchen oder den Enkelsohn sind, dann hören Sie doch einfach mal rein – es lohnt sich! Und keine Angst: Die musikalische und inhaltliche Vielfalt ist so gewaltig, dass keine Gefahr besteht eine ganze Generation neuer Meteorologen heranzuziehen. 😉

Dipl.-Met. Robert Hausen

Deutscher Wetterdienst Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach, den 13.09.2021

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Den Blick in die Ferne schweifen lassen

Von den vielen meteorologischen Messgrößen sind den meisten Bürgerinnen und Bürger die Temperatur, die Feuchte und die erwarteten Windverhältnisse wahrscheinlich bestens bekannt – zumal man diese täglich in den verschiedensten Wetterberichten hört oder darüber liest. Das nicht weniger bedeutsame Wetterelement der „Sichtweite“ fristet dagegen häufig ein Dasein als „Mauerblümchen“, allenfalls wird in den Berichten noch auf mögliche Nebelbildung hingewiesen. Außerdem unterliegt die Sichtweite besonders im Herbst einem deutlichen vertikalen Unterschied, wobei diese meist mit ansteigender Höhe (abgesehen von „Berge in Wolken“) besser wird.

Die atmosphärische Sichtweite ist von verschiedensten Parametern abhängig. Ganz entscheidend sind dabei „Hydrometeore“ oder Aerosole, die die Sicht in der Luft stark beeinflussen können. Als Hydrometeore werden beispielsweise Regentropfen, Schneeflocken, Graupel sowie Eis- und Hagelkörner bezeichnet. Zudem sind auch sogenannte „Lithometeore“ wie Staub und Rauch von größerer Bedeutung. Die Luftverschmutzung (Aerosole) trägt zudem noch zur Dämpfung der Sicht bei. Sinkt die Sichtweite unter 8 km wird von Dunst gesprochen. Ist die Sicht sogar auf 1000 m begrenzt, liegt definitionsgemäß bereits Nebel vor.

Diese Randbedingungen gelten sowohl für die vertikale Sichtweite zum Beobachten von Sternen, aber ganz besonders für die horizontalen Sichtverhältnisse. Speziell in den Herbstmonaten weist die Sichtweite oft einen großen vertikalen Unterschied auf. In den Niederungen hält sich beispielsweise bei schwachwindigen Wetterlagen feuchtkühle Luft. Je länger dieser austauscharme Zustand anhält, desto stärker wird die Luftmasse zusätzlich mit Aerosolen verschmutzt. Als Ausgleich kann eine Fahrt in die Berge dienen, da dort bei stabilen Hochdrucklagen oft eine herrliche Aussicht genossen werden kann. Dafür verantwortlich ist die dort befindliche meist sehr trockene und saubere Luft. Ganz besonders kommt dieser Effekt bei Föhnwetterlagen an den Alpen zum Tragen. Sichtweiten von mehr als 100 km sind dann nicht ungewöhnlich. Dabei gilt bei Hochdrucklagen meist das Motto „je höher, desto weiter“, denn schon rein trigonometrisch steigt die potentielle Sichtweite mit jedem Meter Höhengewinn deutlich (auf dem Meer sind nur 8 bis 10 km möglich). Werden mehr als 200 km Sicht erreicht, spricht man auf der Zugspitze beispielsweise von einer „Ungewöhnlichen Fernsicht“.

Aber wie steht es nun um die Fernsicht in den nächsten Tagen? Betrachtet man die Bodenwetterkarten der kommenden Tage, erkennt man, dass sich über Mitteleuropa vorübergehend hoher Luftdruck ausweitet – zunächst ein gutes Zeichen für akzeptable Fernsicht. Die nähere Analyse bringt aber auch ein paar einschränkende Randbedingungen zu Tage. Zum einen sickert in den Norden weiterhin etwas feuchtere Meeresluft ein, die zeit- und gebietsweise dichtere Wolkenfelder mit im Gepäck hat. Zum anderen deuten die Wettermodelle im Bergland des Südens neben längerem Sonnenschein zunehmend auch die Bildung von Quellwolken an, im Alpenraum sind am Montagnachmittag erste Schauer und Gewitter möglich. Am Dienstag nähert sich von Westen her langsam eine Tiefdruckzone, die im Tagesverlauf für eine Anfeuchtung der Luft und dichtere Wolkenfelder sorgen wird. Der Mittwoch wird schließlich wechselhaft mit Schauern und Gewittern.

Summa summarum lässt sich daher sagen, dass der „Blick in die Ferne“ in den nächsten Tagen jedenfalls möglich ist, es muss aber der richtige Zeitpunkt abgewartet und ein passender Ort dafür gewählt werden. Wahrscheinlich bieten sich im beginnenden Herbst aber noch einige Gelegenheiten, bei denen stärkerer Hochdruckeinfluss beeindruckende Sichtweiten ermöglichen kann.

Mag.rer.nat. Florian Bilgeri

Deutscher Wetterdienst Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach, den 12.09.2021

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Der Spätsommer macht eine kurze Pause

Wer in den vergangenen Tagen frei oder Urlaub hatte, konnte das Wetter noch einmal richtig genießen. Sommerliche Temperaturen und viel Sonne sorgten vielerorts für eine Verlängerung der Badesaison. Bereits am gestrigen Freitag brachte Tief QUILLAN Schauer und Gewitter und auch Abkühlung in die Westhälfte und den Norden Deutschlands. Während man in der Osthälfte bei Höchstwerten zwischen 26 und 29 Grad noch einmal schwitzte, reichte es in der Westhälfte des Landes nur noch für 22 bis 26 Grad.

Am heutigen Samstag erreicht die kühlere Luft auch den Osten Deutschlands. Sie bringt dichte Wolken und Schauer sowie Gewitter mit, die sich am Abend allmählich ostwärts verlagern und Deutschland verlassen. Zurück bleiben mäßig warme und feuchte Luftmassen, die bei klarem Himmel zu starker Nebelbildung neigen.

Am Sonntag baut sich schon wieder Hochdruck über West- und Mitteleuropa auf, der uns auch in die neue Woche begleitet. Die feuchte Luft trocknet langsam ab. Dichter Nebel oder tiefe Wolken können sich noch längere Zeit halten. Vor allem aber im Südwesten setzt sich die Sonne im Tagesverlauf gut durch. Je nach Sonnenschein erwärmt sich die Luft am Sonntag auf 20 bis 26 Grad.

Doch der Hochdruckeinfluss allein bringt uns den Spätsommer nicht zurück. Ein Tief über dem Atlantik vor der Iberischen Halbinsel schaufelt aus Südwesten etwas wärmere Luft nach Mitteleuropa. Diese setzt sich ab Montag auch in Deutschland wieder verbreiteter durch und sorgt für sommerliche Temperaturen über 25 Grad. Dazu scheint vor allem im Süden die Sonne.

Am Dienstag rückt ein „Ableger“ des besagten Tiefs dem Hochdruckeinfluss von Westen her auf die Pelle. Feuchtere und kühlere Luftmassen übernehmen im Laufe des Tages die Wetterregie in der Westhälfte. In der Osthälfte hält der Spätsommer noch an.

Nach derzeitigem Kenntnisstand ist der Spätsommer am Mittwoch aber überall vorbei. Viele Wolken sowie Schauer und Gewitter bestimmen dann unser Wetter. Die Temperatur geht auch etwas zurück, es bleibt aber mit Höchstwerten zwischen 20 und 25 Grad immer noch relativ warm.

Dipl.-Met. Jacqueline Kernn

Deutscher Wetterdienst Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach, den 11.09.2021

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DWD Der Spaetsommer macht eine kurze Pause