Wenn die Ostseeküste im Schnee versinkt – der Lake Effect

Der Lake Effect ist ein Phänomen, das immer dann auftritt, wenn sehr kalte Luftmassen über größere warme Wasserflächen strömen. Die kalte Luft wird beim Überströmen des wärmeren Wassers von unten erwärmt, was zum Aufsteigen der mit Feuchtigkeit angereicherten Luft führt. Beim Aufsteigen kühlt sich die Luft wiederum ab, die Feuchtigkeit kann auskondensieren und es bilden sich Wolkenstraßen.
Bei geeigneten Rahmenbedingungen können im Rahmen des Lake Effects zum Teil große Schneemengen fallen. Besonders häufig ist dies an den Süd- und Ostküsten der Großen Seen („Great Lakes“) in den USA und Kanada der Fall, wodurch der Lake Effect zu seinem Namen gekommen ist. Zwischen November und März kann bei der entsprechenden Wetterlage aber auch die deutsche Ostseeküste betroffen sein.

Im Detail sind dafür folgende meteorologische Zutaten vonnöten:

Zum einen muss die Temperaturdifferenz zwischen der Wasseroberfläche und der Temperatur in 1500 Metern mindestens 13 °C betragen. Dies ist eine Voraussetzung dafür, dass die Luftmasse genug vertikalen Auftrieb erfährt, damit Wolkenbildung einsetzen kann – man spricht von einer labilen Luftschichtung. Je größer dieser Temperaturunterschied ist, desto stärker ist meist auch die Ausprägung des Lake Effects und die Intensität der Niederschläge.

Ein weiterer wichtiger Parameter ist der sogenannte „Fetch“ – dieser aus dem Englischen stammende Begriff lässt sich ins Deutsche etwa mit der Wirklänge des Windes über die offene Wasserfläche übersetzen. Der „Fetch“ sollte typischerweise mindestens 100 km betragen, damit der Luft ausreichend Wärme und Feuchtigkeit für die Entwicklung der Schneeschauerstraßen zugeführt werden kann.

Kleinere Seen reichen also nicht aus, um den Lake Effect auszulösen. Damit sich die Schneeschauer linienhaft organisieren können, ist es außerdem von großer Bedeutung, dass möglichst wenig vertikale Windscherung vorherrscht. Hierunter versteht man die Änderung der Windrichtung bzw. -geschwindigkeit mit zunehmender Höhe. Nimmt der Wind mit der Höhe stark zu oder dreht er markant, werden die sich entwickelnden Bänder rasch wieder auseinandergerissen. Als Faustregel gilt, dass die Windrichtung sich zwischen den bodennahen Luftschichten und ca. 3000 Metern Höhe um nicht mehr als 30° ändern und die Geschwindigkeitsdifferenz maximal 75 km/h betragen sollte.

Zu guter Letzt ist noch wichtig zu erwähnen, dass Eisbildung den Lake Effect unterbindet – ein zugefrorener See oder Ozean löst auch keinen Lake Effect mehr aus.

Lake-Effect-Ereignisse an der deutschen Ostseeküste:

Im Rahmen starker Kaltlufteinbrüche aus Nordosten bzw. Osten kann sich im Ostseeküstenumfeld ein starker Lake Effect ausbilden. Dies ist auch in den vergangenen Jahren immer wieder vorgekommen. Häufig betroffen sind die Inseln Rügen und Hiddensee sowie die Lübecker Bucht, generell können aber alle Küstenabschnitte der Ostsee betroffen sein – je nach Windrichtung.
Für Meteorologen ist eine genaue Vorhersage meist sehr schwierig, da sich die Schneeschauer oft in räumlich sehr eng begrenzten Linien anordnen. Während es in einem Ort stundenlang kräftig schneit, kann wenige Kilometer weiter die Sonne scheinen und keine einzige Flocke vom Himmel fallen.

Dies zeigt sich eindrucksvoll bei der Betrachtung eines Einzelereignisses:
Am 30. November 2010 kam es in der Verlängerung der Lübecker Bucht in Ostholstein und Teilen des Landkreises Segeberg zu intensiven Lake-Effect-Schneefällen. Dort fielen verbreitet 20 bis 30, örtlich über 50 cm Schnee innerhalb von nur 24 Stunden. Das öffentliche Leben kam weitestgehend zum Erliegen, Schulen wurden geschlossen. Nur wenige Kilometer weiter zeigte sich ein völlig anderes Bild. An der Station Lübeck-Blankensee blieb es während des Ereignisses komplett schneefrei. Auch im März 2013 sowie im Februar 2018 kam es im Umfeld der Lübecker Bucht zu vergleichbaren, lokal eng begrenzten Lake-Effect-Schneefällen.

DWD Wenn die Ostseekueste im Schnee versinkt – der Lake Effect

Das wohl stärkste Lake-Effect-Ereignis der vergangenen Jahrzehnte datiert übrigens aus dem Jahr 1987:
Damals lagen nach einem sehr milden Dezember die Wassertemperaturen der Ostsee noch recht hoch. Als sich ab dem 9. Januar sibirische Kaltluft auf den Weg nach Mitteleuropa machte, setzte ein sehr intensives, mehrere Tage andauerndes Lake-Effect-Ereignis ein:
In einem schmalen Streifen vom nordwestlichen Mecklenburg über das südöstliche Schleswig-Holstein bis vor die Tore Hamburgs fielen verbreitet 50 bis 70 cm Neuschnee, in der Gegend um Ratzeburg wurden teilweise sogar bis zu 100 cm vermeldet. Ein absolut außergewöhnliches Ereignis, das aber eindrücklich vor Augen führt, welches Potenzial von der Ostsee bei entsprechenden Wetterlagen ausgehen kann.

Eine Frage, die sich nun sicher noch aufdrängt, ist, warum hier nur von der Ostsee, nicht aber von der Nordsee die Regel ist.
Natürlich kann auch die Nordsee den Lake Effect auslösen. Da aber die kältesten Luftmassen meist ihren Ursprung über Skandinavien bzw. Russland haben und dementsprechend mit einer nordöstlichen bis östlichen Luftströmung nach Mitteleuropa gelangen, herrscht an der deutschen Nordseeküste dann ein ablandiger Wind.
Von Lake-Effect-Schneefällen sind dann oft erst die westfriesischen Inseln in den Niederlanden sowie die englische Ostküste betroffen – dies kommt allerdings seltener vor als an der Ostsee, da sich die Luftmassen auf dem langen Weg über die See meist schon zu stark erwärmen.

Dip.-Met. Marcel Schmid in Zusammenarbeit mit dem Praktikanten Malte Eggers
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 31.10.2022
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Warum können Flugzeuge fliegen?

Der Airbus A380, das größte und schwerste Passagierflugzeug der Welt, wiegt stolze 560 Tonnen. Manch einem mag es wie ein Wunder erscheinen, dass diese tonnenschweren Kolosse überhaupt in der Lage sind, abheben und fliegen zu können. Und tatsächlich bedarf es komplexer Ingenieurskunst, die das Fliegen mit Flugzeugen ermöglicht. Nicht umsonst absolvierten erst im Jahre 1903 die Gebrüder Wright den ersten kontrollierten und langandauernden Flug eines motorisierten Flugzeugs, nachdem sich schon viele Jahre zuvor eine ganze Reihe an Flugpionieren mehr oder weniger erfolgreich am Fliegen versuchten. Wir werden sehen, dass die spezielle Form der Tragflächen eines Flugzeugs (ugs Flügel) eine entscheidende Rolle spielt.

Schauen wir uns zunächst die vier physikalischen Kräfte an, die auf ein Flugzeug in der Luft einwirken. Die Schwerkraft wirkt natürlich nach unten und muss von der Auftriebskraft (kurz: Auftrieb, zeigt nach oben) überwunden werden, um das Flugzeug in der Luft zu halten bzw. aufsteigen zu lassen. Die Schubkraft (Vortrieb) bewegt das Flugzeug vorwärts und der Luftwiderstand wirkt wiederum dem Vortrieb entgegen und hat eine bremsende Wirkung.

Damit ein Flugzeug vom Boden abheben kann, muss ein derart starker Auftrieb erzeugt werden, dass dieser betragsmäßig der Gewichtskraft überwiegt. Ist dies der Fall, wird die Schwerkraft überwunden und das Flugzeug steigt bis zum Erreichen der Reiseflughöhe auf. Dort bewegt sich das Flugzeug genau so, dass die nach unten zeigende Gewichtskraft mit dem nach oben zeigenden Auftrieb im Gleichgewicht steht.

Aber wie erzeugt nun das Flugzeug diesen Auftrieb? Hierbei spielen gleich mehrere Effekte der Aerodynamik, der Lehre von Strömungsvorgängen in der Luft (genauer: in Gasen), eine Rolle. Ein wichtiges Prinzip ist der sogenannte „Bernoulli-Effekt“, benannt nach dem Schweizer Physiker Daniel Bernoulli, der diesen schon im 18. Jahrhundert entdeckte. Er besagt, dass strömende Flüssigkeiten und Gase einen geringeren Druck auf ihre Umgebung ausüben als ruhende und dass der Druck umso geringer ist, je schneller die Strömung ist. Diesen Effekt können Sie übrigens mit einem einfachen Experiment zuhause nachweisen. Halten Sie dazu ein Blatt Papier an zwei Enden fest und lassen die andere Seite nach unten hängen. Wenn Sie nun über das Blatt blasen, bringen Sie die Luft oberhalb des Blattes in Bewegung und der dadurch erzeugte Unterdruck führt zu einem Sog, der das Blatt nach oben flattern lässt. Das Blatt erhält also rein durch die Luftbewegung einen dynamischen Auftrieb.

DWD Warum koennen Flugzeuge fliegen

Nun kommt die spezielle Form der Tragflächen ins Spiel. Diese haben nämlich einen asymmetrischen Querschnitt mit einer gewölbten Oberseite und einer fast geraden Unterseite (siehe Abbildung 1). Auf der Rückseite laufen Ober- und Unterseite spitz zusammen. Bewegt sich das Flugzeug schnell nach vorne, so strömt ein Teil der Luft oberhalb und der andere unterhalb der Flügel hinweg. Durch die gekrümmte Oberseite muss die überströmende Luft einen längeren Weg zurücklegen als die Luft unterhalb des Flügels. Die Luftteilchen an der Oberseite fließen auf der gekrümmten Bahn schneller als auf der Unterseite (vo > vu). Nach dem Gesetz von Bernoulli entsteht so an der Oberseite der Tragflächen ein Unterdruck (po < pu), der einen dynamischen Auftrieb bewirkt. Bei hoher Luftfeuchtigkeit kann Kondensation diese gekrümmten Luftströmungen sogar sichtbar machen (siehe Abbildung 2).

DWD Warum koennen Flugzeuge fliegen 1

Ein weiterer und v.a beim Aufstieg noch wichtigerer Effekt wird durch eine leichte Schrägstellung der Tragflächen (im Flugjargon „Anstellen“ genannt) erzeugt. Durch diese nach hinten gekippte Flügelstellung wird die vorbeigleitende Luft nach unten gedrückt. Aus Impulserhaltungsgründen entsteht unterhalb der Tragflächen eine Gegenkraft, die das Flugzeug nach oben schiebt, wodurch es zusätzlichen Auftrieb erfährt.

DWD Warum koennen Flugzeuge fliegen 2

Bisher unterschlagen wurde der Grund, warum sich die Luftteilchen auf der gekrümmten Bahn auf der Oberseite der Flügel schneller bewegen als darunter. Dafür ist ein Wirbel verantwortlich, der beim Start an der Hinterkante der Tragflächen entsteht und sich anschließend vom Flugzeug ablöst, der sogenannte „Anfahrwirbel“ (siehe Abbildung 3). Ein weiteres physikalisches Gesetz besagt, dass jeder Wirbel einen zweiten entgegengesetzten Wirbel auslöst. Der durch den Anfahrwirbel ausgelöste zweite Wirbel führt um den gesamten Flügel herum, und zwar unterhalb des Flügels nach vorne (entgegen der Strömungsrichtung) und darüber nach hinten. Dadurch wird die Luftströmung unterhalb der Tragflächen verringert und oberhalb erhöht, sodass der Bernoulli-Effekt zum Tragen kommt.

Damit ein Flugzeug aufsteigen kann, muss es sich nach vorne bewegen. Dieser Vortrieb (Schubkraft) wird durch Propeller oder Düsentriebwerke erzeugt. Erst diese (horizontale) Bewegung führt dazu, dass Luft die Tragflächen über- und unterströmen kann. Ab einer gewissen (vom Gewicht des Flugzeugs und Größe der Tragflächen abhängigen) Geschwindigkeit ist der dynamische Auftrieb groß genug, um die Schwerkraft zu überwinden. Das Flugzeug hebt also von der Startbahn ab.

Zusammengefasst wird das Flugzeug durch den Bernoulli-Effekt von oben angesaugt und zusätzlich durch die Schräglage von unten geschoben. Das für den Unterdruck nötige schnellere Überströmen der Luft wird durch Wirbelbildung an den Flügeln verursacht. Damit das Flugzeug überhaupt einen Auftrieb erfährt, muss es sich horizontal nach vorne bewegen.

Übrigens, das oben beschriebene Gesetz von Bernoulli hat neben der Fliegerei noch in anderen Bereichen große Bedeutung. Bei hohen Windgeschwindigkeiten (z.B. bei einem Wintersturm) sorgt das schnelle Überströmen von Hindernissen ebenfalls für einen Unterdruck, der eine Sogwirkung erzeugt, die Dachziegeln anhebt oder abdeckt oder Wellblechdächer aus ihrer Verankerung reißt und wegweht. Ein Großteil der Sturmschäden an Gebäuden ist also auf den Bernoulli-Effekt zurückzuführen. Dieselbe Sogwirkung ist außerdem der Grund, warum Regenschirme zum Ärger ihrer Benutzer bei Wind allzu gerne nach oben klappen.

Dr. rer. nat Markus Übel (Meteorologe)
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale

Offenbach, den 30.10.2022
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Geografie

Heute im Norden stark bewölkt und etwas Regen. Am meisten Sonne im Südwesten und Süden. So oder so ähnlich liest sich ein Teil des heutigen Wetterberichtes. Aber was heißt denn nun im Norden? Welche Gebiete sind damit gemeint? Dass Schleswig-Holstein zum Norden gehört ist ziemlich unstrittig, aber was ist beispielsweise mit der Altmark? Eine grobe Einschätzung, die für Berichte des Deutschen Wetterdienstes verwendet wird, ist aus den folgenden Bildern zu entnehmen. Die Grenzen sind dabei etwas schwammig und sollten nicht für bare Münze genommen werden, aber ein ungefährer Überblick ist dadurch definitiv gegeben.

DWD Geografie

DWD Geografie 1

DWD Geografie 2

Nun noch ein Blick über den Tellerrand hinaus nach Europa und in angrenzende Gebiete, denn vor allem bei der Beschreibung der Wetterlage sind ebenfalls einige Gebietsbezeichnungen zu finden. Beispielsweise heißt es durchaus auch mal, dass sich ein Tiefdruckgebiet von der Biskaya über den Ärmelkanal in Richtung Skagerrak und weiter zum Bottnischen Meerbusen verlagert. Das sind ganz schön viele geografische Informationen. Um Ihnen die Einordnung zu erleichtern, ist das folgende Bild geeignet.

DWD Geografie 3

Jetzt aber genug Geografie im heutigen Thema des Tages, hoffentlich wurde etwas klarer, welche geografischen Einordnungen wir beim Deutschen Wetterdienst verwenden.

Dipl.-Met. Marcel Schmid
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 29.10.2022
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Sommerliches Wochenende

Zwischen Hoch ZACHARIAS über Südosteuropa und Tief IRIS über dem Nordatlantik gelangt zurzeit aus dem Mittelmeer eine für die Jahreszeit ungewöhnlich warme Luftmasse nach Deutschland. Der Zustrom warmer Luft bleibt uns auch über das Wochenende hinaus erhalten.

DWD Sommerliches Wochenende

Am heutigen Freitag werden verbreitet Tageshöchstwerte zwischen 20 und 25 Grad erwartet. Am Nordrand der Mittelgebirge liegen sogar Höchstwerte von bis zu 27 Grad im Bereich des Möglichen. Ob es am Ende wirklich so warm wird, hängt von der Bewölkung und dem Saharastaub ab. Diese könnten die Sonneneinstrahlung so stark dämpfen, dass die Höchstwerte um ein Grad niedriger liegen als vorhergesagt. Denn es ziehen zeitweise dichtere Wolkenfelder durch. Diese können anfangs in der Mitte und im Osten sogar ein paar Tropfen Regen bringen.

DWD Sommerliches Wochenende 1

Am Samstag macht sich im Norden der Ausläufer von Tief IRIS mit dichteren Wolkenfeldern bemerkbar und bringt zwischen Emsland und Oderbruch gebietsweise etwas Regen. In der Mitte und im Süden scheint hingegen neben einigen dünnen Wolken die Sonne. Die nächtlichen Nebelfelder lösen sich spätestens bis Mittag auf. Die Temperaturmaxima liegen im Norden zwischen 15 und 20 Grad, in der Mitte und im Süden zwischen 20 und 25 Grad. In Baden-Württemberg und am Alpenrand sind lokal bis zu 27 Grad möglich. Dabei herrscht perfektes Ausflugswetter.

DWD Sommerliches Wochenende 2

Auch am Sonntag setzt sich das „sommerliches Wetter“ fort. Dann kommt auch die Nordhälfte wieder in den Genuss von mehr Sonnenschein. Erneut werden Temperaturen von 20 bis 26 Grad erreicht: landesweit ideales Wetter für einen Nachmittag im Biergarten oder einen Grillabend mit Freunden.

DWD Sommerliches Wochenende 3

Die neue Woche beginnt noch sehr mild mit Höchstwerten zwischen 17 und 24 Grad. Dabei scheint, abgesehen vom äußersten Norden, zeitweise die Sonne. Der Ausblick auf den Monatswechsel zeigt dann einen Wetterwechsel an. Die Temperaturen gehen zurück und wir bekommen wechselhafteres Wetter. Allerdings bleibt es weiterhin deutlich zu mild für die Jahreszeit. Schnee bis in tiefere Lagen oder verbreitet Nachtfrost sind noch nicht in Sicht.

Dipl.-Met.Marco Manitta
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 28.10.2022

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Rekordwärme im Oktober?

Zwischen Hoch ZACHARIAS über Südosteuropa und Tief IRIS über dem nahen Ostatlantik wird in einem breiten Strom sehr warme Luft subtropischen Ursprungs nach Mitteleuropa geführt. In den letzten Oktobertagen ist somit Spätsommerwetter zu erwarten und vom näher rückenden Winter ist noch gar nichts zu spüren. Selbst die Nächte bleiben gebietsweise unter dichten Wolken vor allem in der Nordwesthälfte sehr mild. Im Westen sinkt die Temperatur kommende Nacht teilweise nicht unter 17 Grad ab. Da wird mancher Sommernacht Konkurrenz gemacht. Der deutschlandweite Rekord für den höchsten je gemessenen Tiefstwert liegt bei 20,5 °C in Wernigerode (Sachsen-Anhalt) und datiert vom 4.10.1985 (Harzföhn). Davon ist man also noch ein Stück entfernt. Der Rekord für den höchsten Tiefstwert in der letzten Oktoberdekade (21.10 – 31.10.) rückt hingegen in greifbare Nähe. Denn dieser liegt mit 16,7 °C an der Station Lahr (Baden-Württemberg) und wurde am 24.10.1966 registriert.

Ort (Bundesland) Tiefstwerte der Lufttemperatur
im Oktober in °C
Datum
Wernigerode (ST) 20,5 04.10.1985
Freiburg (BW) 19,7 09.10.1997
Lahr (BW) 19,6 02.10.2001
Köln-Stammheim (NRW) 19,6 04.10.1966
Ort Bundesland Höchste Tiefstwerte der Lufttemperatur
in der 3.Oktoberdekade in °C
Datum
Lahr (BW) 16,7 24.10.1966
Müllheim (BW) 16,6 25.10.1949
Freiburg (BW) 16,5 25.10.1949
Baden-Baden (BW) 16,5 24.10.1966

Nicht nur die Tiefstwerte liegen auf einem hohen Niveau, sondern es sind auch ungewöhnlich warme Höchstwerte in den kommenden Tagen zu erwarten. Die 25- Gradmarke wird vor allem in der Südhälfte öfters geknackt. Vor allem im Südwesten und im Alpenvorland sind in der Spitze sogar Höchstwerte um 27 °C möglich. Der absolute Oktoberrekord wird jedoch nicht erreicht werden, denn er wurde am 07.10.2009 mit 30,9 °C in Müllheim (Baden-Württemberg) gemessen. Auch der Dekadenrekord vom 26.10.2006 mit 28,6 °C in Emmendingen-Mundingen (Baden-Württemberg) wird nur sehr schwer zu erreichen sein. Dennoch sind sicherlich einige Stationsrekorde möglich.

Ort (Bundesland) Höchstwerte der Lufttemperatur
im Oktober in °C
Datum
Müllheim (BW) 30,9 07.10.2009
Freiburg (BW) 30,8 03.10.1985
Freiburg (BW) 29,8 07.10.2009
Stuttgart-Echterdingen (BW) 29,7 04.10.1985
Ort (Bundesland) Höchstwerte der Lufttemperatur in der 3.Oktoberdekade in °C Datum
Emmendingen-Mundingen (BW) 28,6 26.10.2006
Freiburg (BW) 28,3 26.10.2006
Stuttgart-Echterdingen (BW) 27,1 23.10.1989
Elzach-Fisnacht (BW) 26,9 26.10.2006

 

DWD Rekordwaerme im Oktober

Abschließend noch ein Blick darauf, wann in ausgewählten Städten und Regionen der späteste Sommertag (Höchstwert mindestens 25,0 °C) eines Jahres aufgetreten ist. Absolut heraus sticht der 06.11.1997, an dem in Rosenheim (Bayern) das Kriterium eines Sommertages noch erreicht wurde. Vermutlich lag dies an einer Föhnlage. Ansonsten gab es den letzten jemals registrierten Sommertag verbreitet etwa Mitte Oktober. Im Süden traten diese eher gegen Ende Oktober letztmals auf. Mal schauen, ob die Höchstwerte der kommenden Tage auch diese Marke angreifen.

Dipl.-Met. Marcel Schmid
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 27.10.2022
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Klimawandel und Wintersport

Die gesamte Wintersportbranche steht neben den aktuellen politischen und wirtschaftlichen Krisen auch wegen der Veränderungen des Klimas vor großen Herausforderungen. Die verbands- und länderübergreifende Initiative „Dein Winter. Dein Sport.“ ist sich einig: Möglichkeiten aufzeigen! Dafür fordern sie die Branche und Stakeholder – so unter anderem auch den Deutschen Wetterdienst – auf, zu diskutieren, zielführende Lösungen zu erarbeiten und sich dabei gegenseitig aktiv zu unterstützen. Am 6. und 7. Oktober tauschten sich über 250 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Wissenschaft, Sport (darunter auch Sportgrößen wie der Skistar Felix Neureuther), Wirtschaft, Politik und Medien aus. Schwerpunkte waren dabei Themen wie Nachhaltigkeit, Digitalisierung sowie die Herausforderungen angesichts der aktuellen globalen Situation.

 

DWD Klimawandel und Wintersport

Der Themenblock „In die Zukunft.“ enthielt einen Programmpunkt zu Klimaschutz und Energiemanagement. In diesem Rahmen gab die Leitung des Regionalen Klimabüros des DWD in München, Gudrun Mühlbacher, einen kurzen Statusbericht zum Klimawandel in Deutschland und einen Ausblick zu möglichen Klimaszenarien. Dabei lag die Betonung auf der Bandbreite der zu erwartenden Temperaturänderungen je nach Szenario und der Wirkung und Notwendigkeit von Klimaschutzmaßnahmen. Auch die Zusammenarbeit mit der ZAMG und MeteoSchweiz für den DACH-Alpenraum fand reges Interesse. Leider konnte in der anschließenden Diskussion noch kein konkreter Ausblick auf die Witterung des kommenden Winters gegeben werden.

Die Schlagworte Klima, Klimawandel, Klimaschutz und Nachhaltigkeit sind als Kernthema in der Wintersportcommunity angekommen und finden ein großes Interesse, schon allein aus der Notwendigkeit heraus, die Möglichkeiten für den Wintersport auch für kommende Generationen zu erhalten.

DWD Klimawandel und Wintersport 1 scaled

Dipl.-Met. Gudrun Mühlbacher (Text) / Dipl.-Met. Magdalena Bertelmann (Ed.)
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 25.10.2022
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WarnWetter-App: Version 4.0 veröffentlicht

Seit einer guten Woche wird die neue Version 4.0 der WarnWetter-App über die Stores von Google (Android) und Apple (iOS) nach und nach verteilt. Mittlerweile sollte der allergrößte Teil der Nutzer die neue Version bereits erhalten haben. Mit der neuen Version gibt es natürlich auch wieder einiges an Neuerungen, die wir hier vorstellen wollen.

Wetter vor Ort
Neben den eigenen eingerichteten Favoriten kann man sich nun sowohl in der App als auch in Form eines Widgets das aktuelle Wetter, Warnungen und die Vorhersage für den aktuellen Standort anzeigen lassen. Voraussetzung ist, dass die entsprechenden Standort-Berechtigungen erteilt werden.

Suche
Über einen Button in der Fußzeile wurde eine neue Suchfunktion eingeführt. Mit dieser lassen sich in der App alle verfügbaren Orte und Produkte finden, ohne direkt einen Favoriten dafür einrichten zu müssen.

Favoritenansicht Wettervorhersage
Der Wetter- und Vorhersagebereich ist komplett neu gestaltet worden. Sämtliche Werte werden nun in Diagrammform dargestellt und lassen sich sowohl aus der Vergangenheit bis in die Zukunft stufenlos auswählen. Konkret handelt es sich dabei um Lufttemperatur und Niederschlagsmenge, Niederschlagswahrscheinlichkeit, Windgeschwindigkeit, -richtung und -böen, Taupunkttemperatur und Luftfeuchte, sowie den Luftdruck. Neu eingeführt wurde die Anzeige von Auf- und Untergangszeiten für Sonne und Mond. Dazu wird bei der Anzeige der Wettersymbole jetzt auch in Tag und Nacht unterschieden.

Straßenwetter
Komplett neu eingeführt wurde die Anzeige von Daten der Straßenwetterstationen. Diese werden von Gemeinden, Ländern und der Autobahn GmbH (Bund) betrieben. Zur Verfügung stehen die Werte Lufttemperatur, Belagstemperatur und Taupunkt. In der vom DWD berechneten Vorhersage wird außerdem der zu erwartende Belagszustand (wie zum Beispiel Reif oder Eisglätte) angezeigt.

Vollversion
Einen winzigen Wermutstropfen gibt es dann aber doch: Aufgrund von Anpassungen in den App-Stores der jeweiligen Anbieter kostet die Vollversion der App jetzt 2,49 . Die Basisversion (enthält nur Warnungen) bleibt auch weiterhin kostenfrei.

DWD WarnWetter App Version 4.0 veroeffentlicht

Wasser – wichtig und spannend zugleich – Teil 3

Wasser ist die Grundlage unseres Lebens. Dies wurde bereits eindrucksvoll im ersten Teil der Tagesthemen-Reihe „Wasser – wichtig und spannend zugleich“ vom 19.09.2022 hervorgehoben, als besondere Eigenschaften des Elements H2O (chemische Formel für Wasser) vorgestellt wurden. Teil 2 vom 11.10.2022 behandelte den sogenannten Wasserkreislauf der Erde, in dem das Wasser in verschiedenen Aggregatszuständen zirkuliert bzw. gebunden ist.

Dabei wurde festgehalten, dass es sich bei diesem faszinierenden Kreislauf um ein geschlossenes System handelt, in dem kein Wasser verloren geht, also beispielsweise nicht unwiederbringlich ins Weltall entweicht. Im Gegensatz zu anderen Rohstoffen wie Kohle oder Öl kann die Gesamtwassermenge demnach nicht aufgebraucht werden. Ein Großteil der Wassermenge (rund 97,5%) besteht allerdings aus Salzwasser. Das trinkbare Süßwasser macht gerade einmal einen Anteil von 2,5% der gesamten Wassermenge aus. Und davon ist wiederum ein großer Teil im Eis der Arktis und Antarktis gebunden oder befindet sich im Grundwasser tief unter der Erde. Trinkwasser ist folglich ungleich verteilt oder nicht zugänglich. Der für den Menschen frei verfügbare, sichtbare Teil beschränkt sich auf etwa 0,3%.

Zwar handelt es sich dabei immer noch um 4,2 Trillionen Liter Wasser, was eine nicht zu fassende große Zahl mit 18 Nullen darstellt. Allerdings wird dieser Anteil in vielen Regionen der Erde bereits heute schon stärker genutzt, als dauerhaft verträglich ist. Eines der wohl bekanntesten Beispiele ist der Aralsee, der aufgrund intensiver landwirtschaftlicher Nutzung dramatisch geschrumpft ist. Von 1960 bis 2007 fiel das Wasservolumen des Sees auf ein Sechzehntel des ursprünglichen Volumens, dabei stieg auch die Salinität (Salzgehalt) dramatisch an. Es kam zu einer menschengemachten ökologischen Katastrophe in der Region.

DWD Wasser wichtig und spannend zugleich Teil 3

Ein weiterer nicht zu vernachlässigender Faktor: Giftige Stoffe wie chemische Abfälle, Düngemittel oder Pestizide in Abwässern von Industrie, Landwirtschaft und Haushalten verschmutzen das Süßwasser in Flüssen, Seen und im Grundwasser, wodurch dieses ungenießbar wird. Auch im Aralsee reicherten sich jahrzehntelang Düngemittel und Pestizide an, die in der Folge massive Auswirkungen auf Mensch und Natur nach sich zogen.

In Deutschland hört und liest man häufig, die Lage rund um das Trinkwasser sei unproblematisch. Über Jahrzehnte hinweg war der Trinkwasserverbrauch auch kein kritisches Thema. Rund 70% unseres Wassers stammt aus Grund- und Quellwasser, der Rest wird mit Oberflächenwasser, Uferfiltrat oder künstlich angereichertem Grundwasser gedeckt. In den vergangenen sehr trockenen Sommern wurde Trinkwasser jedoch zu einem knappen Gut.

Der Wasserverbrauch ist hierzulande im Laufe der Jahrzehnte angestiegen: Während der durchschnittliche deutsche Haushalt im Jahr 1890 noch mit 20 Litern am Tag auskam, sind es heute 127 Liter, im Jahr 1991 waren es sogar 144 Liter. Dies entspricht etwa 18% des gesamten Wassereinsatzes (Stand: 2016). Die Land- und Forstwirtschaft sowie die Fischerei kommen lediglich auf 2%. Den Hauptteil des Wasserverbrauchs macht die Industrie mit rund 80% aus. Allerdings muss an dieser Stelle erwähnt werden, dass etwa drei Viertel davon zu Kühlzwecken genutzt wird und im Anschluss Flüssen und Bächen wiederzugeführt wird. Weltweit sieht die Verteilung der wassernutzenden Sektoren deutlich anders aus: Etwa 70% des Wasserverbrauchs entfallen hier auf den Agrarsektor, 20% auf die Industrie und 10% werden auf kommunaler Ebene verbraucht.

Gerade während Dürren gibt es zunehmend Konflikte um das kostbare Nass. Denn das Wasser wird in trockenen Zeiten auch in Teilen Deutschlands knapp. Im Jahr 2018 führten viele Gewässer über lange Zeit nur noch wenig Wasser. In neun der fünfzehn größten Flüsse Deutschlands herrschte an über 100 Tagen extremes Niedrigwasser. Dies stellte nicht nur für die Natur eine extreme Belastung dar. Auch Unternehmen, die zumindest teilweise von der Binnenschifffahrt abhängig sind, mussten die Produktion erheblich drosseln. Zudem wurde das Kühlwasser knapp, denn trotz der andauernden Hitze und den gesunkenen Flusspegeln sind gesetzliche Vorschriften in Kraft, wonach nur eine begrenzte Menge an Kühlwasser aus den Flüssen entnommen werden darf.

DWD Wasser wichtig und spannend zugleich Teil 3 1

Nicht besser erging es den Landwirten. Bestimmte Obst- und Gemüsesorten wie z.B. Gurken müssen bewässert werden, sonst droht ein kompletter Ernteausfall. Wird das Wasser für die Bewässerung aus dem Grundwasser oder aus Talsperren genutzt, kommt es dort zu sinkenden Pegeln. Darunter leiden dann auch weitere, an das Versorgungsnetz angeschlossene Parteien.

Private Haushalte wurden in den Dürrejahren ebenfalls zum Sparen aufgefordert, um eine mögliche Rationierung des Trinkwassers möglichst zu verhindern. So wurden regional Garten- und Poolbewässerungen sowie das Autowaschen verboten.

Mittlerweile ist der Wassermangel also auch in Deutschland angekommen, zumindest zeitweise. Aufgrund der Niederschläge seit der zweiten Augusthälfte diesen Jahres hat sich zumindest das Niedrigwasser in den Flüssen und die Trockenheit der Böden wieder weitestgehend entspannt.

Weltweit gibt es jedoch Regionen, die erheblich stärker von Wasserarmut betroffen sind. Auch wir haben darauf einen gewissen Einfluss. Nicht nur beim Kochen, Duschen und Putzen sollte man sparsam mit dem Wasser umgehen, sondern auch das eigene Konsumverhalten im Blick behalten. Denn dieses kann die Wasserknappheit in bereits wasserarmen Regionen möglicherweise weiter verschärfen, was in einem weitere Thema des Tages in den kommenden Wochen weiter ausgeführt wird.

MSc.-Met.-Meteorologe Sebastian Schappert
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 22.10.2022

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Sommerliche Meereisbilanz 2022 in der Arktis

Der saisonale Zyklus der Meereisschmelze wird durch die jahreszeitlichen Temperaturänderungen angetrieben. Der Schmelzprozess beginnt in der Regel Ende März an den äußeren Rändern der Eisbedeckung, wenn die Tage länger werden und der Einfluss der Sonne über den nördlichen Breiten stark genug ist und somit auch die Temperaturen steigen. Im April und Mai verlief der Rückgang aufgrund von überwiegend unterdurchschnittlichen Temperaturen langsamer als üblich, sodass die Arktis aus dem Frühjahr heraus in die Sommermonate mit einer im Vergleich zu vielen Vorjahren größeren Meereisausdehnung startete

Insgesamt hatte die Schmelzsaison im Sommer 2022 einige bemerkenswerte Besonderheiten. Der Verlust der Ausdehnung war über weite Strecken des Sommers weniger extrem als in den letzten Jahren. Der Eisverlust in der Spätsaison war jedoch stark und drückte den Septemberdurchschnitt. Grundsätzlich war der Rückzug der Eiskante nach Norden in keiner Region in der Arktis besonders extrem, wobei die Oberflächenschmelze in den Regionen entlang der russisch-sibirischen Küste etwas früher als im Durchschnitt einsetzte.
Die Lufttemperaturen fielen in großen Teilen des Arktischen Ozeans zwar überdurchschnittlich aus, allerdings nicht so extrem wie in vielen Sommern der letzten Jahre. In weiten Teilen des Arktischen Ozeans lag die Sommertemperatur (Juni, Juli, August) um 1 bis 3 °C über dem langjährigen Mittel. Lediglich in Teilen der Barentsee waren es bis zu 4 °C. Nur von der südlichen Tschuktschen- bis in die nördliche Beringsee fiel die Abweichung vom Durchschnitt um -1 °C leicht negativ aus.

Über die Sommermonate haben sich ausgedehnte Hoch- oder Tiefdruckgebiete eher südlich des Polarkreises gebildet und einen direkten Luftmassenaustausch zwischen der zentralen Arktis und den mittleren Breiten blockiert. Hierdurch kam es in der zentralen Arktis nicht zu starken Warmlufteinbrüchen. Zudem waren im Mittel nur schwache Druckgradienten vorherrschend und wurden nur vorübergehend mal durch durchziehende Wettersysteme stärker. Die schwachen Druckgradienten führten zu relativ geringen Oberflächenwinden und somit auch zu einer reduzierten Meereiszirkulation über den Großteil des Sommers.
Das diesjährige Meereisminimum wurde nach Satellitenauswertungen des Alfred-Wegener-Instituts am 16. September erreicht und betrug 4,79 Millionen Quadratkilometer. Das amerikanische National Snow and Ice Data Center (NSIDC) legte das Minimum etwas später auf den 18. September mit rund 4,67 Millionen Quadratkilometer. Trotz der leicht unterschiedlichen Werte ist das arktische Meereisminimum das zehntniedrigste in der fast 44-jährigen Satellitenaufzeichnung.

DWD Sommerliche Meereisbilanz 2022 in der Arktis

Seit Mitte September nimmt die Meereisbedeckung wieder kontinuierlich zu und hat bis zum 20.10.2022 eine Fläche von rund 7.2 Millionen Quadratkilometer erreicht. Schaut man nochmal gemittelt zurück auf den gesamten September 2022 ergab sich eine Meereisausdehnung von durchschnittlich je nach Institut 5,0 (AWI) oder 4,87 (NSDIC) Millionen Quadratkilometer. Damit wird der September je nach Auswertung auf Platz 12 oder 11 der Negativliste der Absolutwerte der Meereisausdehnung rangieren.

DWD Sommerliche Meereisbilanz 2022 in der Arktis 1

Insgesamt hat der diesjährige Sommer wie im vergangenen Jahr der Eisdecke nicht außergewöhnlich stark zugesetzt, dennoch ist der allgemeine Abwärtstrend der minimalen Ausdehnung seit 1979 ungebrochen und beträgt rund 12,3 % pro Jahrzehnt. Der Verlust an Meereis beträgt etwa 78.500 Quadratkilometer pro Jahr, was in etwa der Größe unseres südöstlichen Nachbarlandes Österreich entspricht.

DWD Sommerliche Meereisbilanz 2022 in der Arktis 2

Neben der rückläufigen Ausdehnung der Meereisbedeckung, nimmt auch die Qualität der Eisdecke zunehmend ab. Seit Mitte der 1980er Jahre hat allgemein der sommerliche Verlust von mehrjährigem Eis (mit einem Alter von 3 oder mehr Jahren) zugenommen. Dadurch hat sich das Meereis hin zu einer deutlich dünneren, jüngeren und instabileren Eismasse gewandelt. Ein Hinweis auf die Veränderung hin zu weniger verdichtetem Eis sind auch sich häufiger öffnende Polynjas. Eine Polynja ist eine ausgedehnte, relative beständige, offene Wasserfläche oder nur dünne Meereisschicht. Sie kann eine Fläche von mehreren tausend Quadratkilometern erreichen. Besonders auffällig in diesem Sommer war etwa die Bildung von relativ persistenten Polynjas nördlich der Karasee in der zentralen Arktis bei etwa 87 Grad nördlicher Breite. Diese begannen sich Anfang Juli zu bilden und wurden mit Unterbrechungen bis Ende August beobachtet. Vermutlich ist das vermehrte Aufbrechen des Packeises einer divergierenden Eisdrift als Folge eines großen Tiefdrucksystems über der nördlichen Laptewsee Ende Juni geschuldet.

Master of Science Meteorologe Sebastian Altnau
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 21.10.2022
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Morgenrot – Schlechtwetter droht?

„Morgenrot, Schlechtwetter droht“ ist zusammen mit „Abendrot, Gutwetterbot“ eine der bekanntesten Bauernregeln. Häufig stimmt die Regel auch, denn in unseren Breiten wird das Wettergeschehen meist durch Westwinde bestimmt.

Ein schönes Morgenrot kann eintreten, wenn der Himmel im Osten noch wolkenarm ist und im Westen bereits neue Bewölkung aufzieht. Im Tagesverlauf bedecken die Wolken dann den gesamten Himmel und es beginnt vielleicht sogar zu regnen. Daher beginnt der Tag teils sonnig und endet regnerisch.

Beim Abendrot ist es umgekehrt: Dann haben wir im Osten die dichten Wolken, z. B. von einem abziehenden Niederschlagsgebiet und im Westen lockern die Wolken bereits auf. Im Laufe der Nacht ziehen die Wolken weiter nach Osten ab und darauf folgt oft ein heiterer Tag.

Ein Morgen- oder Abendrot entsteht durch die intensive Beleuchtung der Wolken beim Sonnenaufgang und -untergang. Die rote Farbe der Wolken beruht darauf, dass das Sonnenlicht an den verschiedenen Bestandteilen der Atmosphäre gestreut wird. Zum einen streuen die Luftmoleküle das blaue Licht stärker als rotes. Damit bleibt das rote Licht am längsten erhalten und der Himmel färbt sich bei Sonnenuntergang und -aufgang in orange bis rot. Um ein intensives Himmelsrot hervorzurufen, müssen sich darüber hinaus aber viele Wassertröpfchen in der Atmosphäre befinden.

Am Morgen des heutigen Donnerstags konnte man in viele Regionen einen besonders schönen Sonnenaufgang bestaunen. Die dünnen Schleierwolken wurden von der aufstehenden Sonne intensiv beleuchtet, siehe Bild. Die Schleierwolken sind der Vorbote eines Wetterwechsels. Denn im Laufe des Tages verdichten sich von Westen die Wolken und bringen am Nachmittag und Abend in der Westhälfte gebietsweise Regen.
Am heutigen Tag hat die Bauernregel ihre Berechtigung, aber es klappt nicht immer.

Dipl.-Met. Marco Manitta
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 20.10.2022
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DWD Morgenrot Schlechtwetter droht