Die Weichenstellung für die aktuell vorhergesagte Dauerregenlage

Regen, Regen und noch mehr Regen. Man hört davon dieser Tage immer wieder und nun gipfeln die Niederschläge nach dem Hochwasser im Saarland Mitte Mai gar erneut in eine überregionale Unwetterlage in Teilen Süd- und Ostdeutschlands. Über den Hintergrund, den Namen und die Auswirkungen dieser Wetterlage wurde bereits gestern ausführlich berichtet.

Gehen wir zunächst einmal einige Zeitschritte zurück und versuchen zu verstehen, wie es überhaupt zu dieser Ausgangslage kommen konnte. Die hier dargestellten Prozesse sind sehr komplex und dürften eigentlich auch nicht für sich alleine betrachtet werden, dank umfangreicher Wechselwirkungen untereinander. Der Übersicht wegen und einfachheitshalber soll das für dieses Thema des Tages jedoch ausreichen und wir betrachten dabei nur die Nordhemisphäre. Etwas ausführlicher wurde darauf in der.

Der Grundstein für unser heutiges Ereignis wurde, wenn man so möchte, indirekt bereits Anfang März 2024 gelegt. Auch zu dieser Zeit dominierte, wie im Winter eigentlich üblich, der für diese Jahreszeit bekannte Polarwirbel in der Stratosphäre, ein riesiges Tiefdruckgebiet in großer Höhe über dem Nordpol. Dieses schwächt sich zum Frühjahr ab und löst sich auf, nur um sich im darauffolgenden Herbst erneut zu bilden. Wieso aber interessiert uns der März 2024?

Anfang März 2024 erfolgte in der eigentlich eisig kalten Stratosphäre eine rasante und nachhaltige Erwärmung. Die Erwärmung fiel so kräftig aus, dass sich der Polarwirbel abschwächen konnte und der sonst von West nach Ost wehende Polarnachtjet seine Richtung änderte und vorübergehend von Osten her wehte. Dies ist ein nicht unbekannter Vorgang und wird in der Meteorologie als “große Stratosphärenerwärmung” bezeichnet.

Nun kann man sich sicherlich die Frage stellen: was interessiert uns ein Vorgang, der sich vor mittlerweile fast 3 Monaten abgespielt hat? Dazu muss man wissen, dass die Vorgänge in der Stratosphäre lange “nachhallen” und sich im Verlauf ihres Auftretens sukzessive immer weiter nach unten in Richtung Troposphäre voranarbeiten können. Dieses sogenannte “Abtropfen” (wie Farbe, die bei einem Gemälde allmählich nach unten rinnt) kann in einigen Fällen sogar Auswirkungen auf die Troposphäre haben und sich ganz allgemein gesagt unter anderem durch eine Erhöhung der Wahrscheinlichkeit für hoch im Norden ansetzende langlebige Hochdruckgebiete zeigen. Diese wirken wie ein Stein im Fluss und sorgen für ein Auslenken der Höhenwinde u.a. nach Süden: ausgeprägte und länger anhaltende Kaltluftausbrüche sind durch diese Konstellation möglich, aber mit Nichten ein Garant!

In unserem Fall fand dieses Ereignis recht spät im Winter statt. Üblicherweise findet das Abklingen des Polarwirbels in der Stratosphäre um den 12. April herum statt. In diesem Jahr trat das Ende des Wirbels aber erst Ende April ein (28. April) und der Polarwirbel konnte sich nicht mehr richtig erholen. Dieser Zustand kann nun auch nach dem Auflösen des Polarwirbels in der Stratosphäre bis weit ins Frühjahr nachhallen, denn was haben wir gehört: das Gedächtnis der Stratosphäre ist ein großes. Somit war der Nährboden geschaffen für weit nördlich ansetzende und langlebige bzw. stationäre Hochdruckgebiete.

DWD Die Weichenstellung fuer die aktuell vorhergesagte Dauerregenlage

Dies hat sich in diesem Frühjahr eindrucksvoll bestätigt (siehe). Wenn man die Abweichung des Geopotenzials in 500 hPa (grob gesagt der Druck in 5.5 km Höhe) für den Zeitraum von Ende April bis Ende Mai 2024 aufzeichnet, fällt einem ein massives Hochdruckgebiet (eine Antizyklone) über Skandinavien auf – ein sogenanntes “blockierendes Hochdruckgebiet”. Sozusagen der letzte winterliche Gruß des bereits geschiedenen Winters 2023/2024.

In dieser Jahreszeit sind Blockierungslagen nicht nur mit Blick auf regionale Spätfröste ein Thema (bestätigt durch den spätwinterlichen Einbruch Mitte/Ende April 2024 in Deutschland mit zahlreichen Frostnächten), sondern auch mit Blick auf die Verlagerungsgeschwindigkeit der Tröge und Keile bzw. der diese begleitenden Tiefdruck- und Hochdruckgebiete. Auch jetzt gilt, dass sich die “Westautobahn” über dem Nordatlantik und Europa mit solch einer Blockierung nicht richtig etablieren kann und wir langlebige und sich kaum verändernde Druckmuster erwarten können. In diesem Fall mit tiefem Druck über der Biskaya und hohem Luftdruck über Skandinavien.

Solch eine Ausgangslage, die man dank der Entwicklungen auch schon recht frühzeitig mit Wahrscheinlichkeitsvorhersagen abschätzen kann, ist für uns Meteorologen zu dieser Jahreszeit (Frühjahr, Sommer) immer mit möglichen Sorgen verbunden. Der tiefe Druck über Westeuropa schaufelt auf seiner Vorderseite immer wieder feuchte Luftmassen nach Mitteleuropa und mit der richtigen Überlappung von Hebung und Feuchte kann es zu Starkregenfällen kommen – wie wir sie heute und in den kommenden Tagen erwarten.

DWD Die Weichenstellung fuer die aktuell vorhergesagte Dauerregenlage 1

dient als kleines Beispiel, dass die Historie uns schon oft gezeigt hat, wozu die Atmosphäre bei solchen Konstellationen fähig ist. Im August 2010 sorgten verheerende Überschwemmungen u.a. in Ostdeutschland für große Schäden. Im Vergleich zur zweiten Maihälfte 2024 erkennt man das grobe Grundmuster mit tiefem Geopotenzial über Westeuropa und hohem über Westrussland beziehungsweise Skandinavien. Aber bereits hier sieht der genaue Betrachter, dass es einige Unterschiede z.B. der Anomalieschwerpunkte gibt, die sich auch auf die Dauer und Intensität eines Dauerregenereignisses auswirken können.

Sehen Sie also die Entwicklung in der Stratosphäre und deren Einfluss nur als ein Rädchen im gesamten Getriebe an, das indirekt jedoch den Nährboden für die nun anstehende Unwetterlage gelegt hat. Entscheidend sind unter anderem auch die Abläufe auf synoptisch-skaliger Ebene (Entwicklung der Tröge und Keile).

Die anderen Rädchen sind nicht weniger interessant, können der Übersicht und Verständlichkeit halber aber nur kurz erwähnt werden: Auch aus den tropischen Bereichen gibt es sogenannte “telekonnektive Wechselwirkungen”, die auf die Geopotenzialverteilung über dem europäischen Sektor Einfluss haben können. In unserem aktuellen Fall wird dadurch zum Beispiel eine blockierende Antizyklone über dem nordöstlichen Atlantik gestützt – eben diese, die unseren Trog nach Mitteleuropa geführt hat und der nicht nach Norden ausweichen kann wegen dem Abschiedsgruß des winterlichen Polarwirbels in der Stratosphäre und dessen geförderte Blockierung im hohen Norden – hier über Skandinavien.

Ist es nicht faszinierend, wie diese Rädchen ineinandergreifen können und einem tendenziell eine Abschätzung ermöglichen, wie sich das Zirkulationsmuster auch längerfristig entwickeln kann? So auch in diesem Fall, denn es war schon seit April zu erkennen, dass es mit der Dominanz der blockierenden Antizyklonen nur eine Frage der Zeit sein würde, bis alle Rädchen perfekt ineinandergreifen und für eine Hochwasserlage gut sein würden. So geschehen vor wenigen Wochen im Saarland und so auch jetzt regional in Teilen Süd- und Ostdeutschlands zu erwarten.

Die sicherlich nun aufkommende Frage der Auswirkungen auf den Sommer kann man hier leider nicht klären, doch das Signal aus der Stratosphäre sollte sukzessive abebben, sodass sich auch die Blockierungstendenzen (von dieser Seite aus) abschwächen sollten. Entsprechend variabel sind die subsaisonalen Abschätzungen, wobei ECMWF das Signal von Juni zu Juli 2024 verliert, während es die Briten noch recht deutlich bis in den Juli 2024 mittragen.

Dipl. Met. Helge Tuschy
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 31.05.2024
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

Dauerregenlage durch VB-Tief

Das Wetter kommt nicht zur Ruhe. Nach einer unbeständigen Wetterwoche mit teils kräftigen Schauern und Gewittern zeigt sich auch der Start in den meteorologischen Sommer häufig sehr nass. In der Südosthälfte fällt das erste Wochenende im Juni sprichwörtlich ins Wasser. Dort besteht gebietsweise sogar erhöhte Hochwassergefahr.
Grund dafür ist ein Tiefdruckgebiet, welches nicht die für mittlere Breiten typische West-Ost-Zugbahn einnimmt. Ausgangspunkt sind dabei zwei sich nur langsam bewegende, blockierende Hochdruckgebiete. Ein solches befindet sich aktuell über Nordwestrussland. Gleichzeitig erstreckt sich ein weiteres Hoch über den Ostatlantik bis nach Nordspanien. Darin eingekeilt bildet sich von Norditalien bis zur Ostsee eine Tiefdruckrinne aus. Durch das Zusammenspiel von warmen und sehr feuchten Luftmassen aus dem Mittelmeerraum und kühler Nordatlantikluft entstehen im Grenzbereich kräftige und langanhaltende Niederschläge.

DWD Dauerregenlage durch VB Tief

Vor allem Tiefdruckgebiete, die im Mittelmeerraum entstehen und anschließend über dem westlichen Osteuropa nach Norden ziehen, bergen häufig erhöhtes Unwetterpotenzial durch langanhaltende und kräftige Niederschläge. Ein Grund dafür ist das Mitführen von sehr feuchten und warmen Luftmassen von dort. Förderlich ist aber auch die oftmals nur sehr langsame Verlagerung der Druckgebilde gegen die vorherrschende Strömungsrichtung.

Ein bekanntes Beispiel einer solchen  ist die Lage, die zur Jahrhundertflut an der Elbe im August 2002 geführt hat. Auch damals hatte sich ein Tiefdruckgebiet über der nördlichen Adria entwickelt und ist darauf auf einer typischen Vb-Zugbahn über Österreich und Tschechien nach Norden gezogen. Dabei wurde auf der Ostseite des Tiefs extrem feuchte Luft vom östlichen Mittelmeerraum in die Zirkulation miteinbezogen. Dadurch ergaben sich nach Westen hin sehr hohe Temperaturkontraste. Mit der auf der Westseite des Tiefs vorherrschenden nordwestlichen Strömung wurden die feuchten Luftmassen gegen die Alpen und östlichen Mittelgebirge geführt und zum Abregnen gebracht. Deshalb kamen vor allem im Stau des Erzgebirges extrem hohe Niederschlagsmengen zusammen. Bis heute hält die Station Zinnwald-Georgenfeld den Tagesrekord der höchsten Niederschlagssumme Deutschlands. Damals kamen dort innerhalb von nur 24 Stunden 312 Liter pro Quadratmeter zusammen. Dies entspricht mehr als die Hälfte des durchschnittlichen Jahresniederschlags von Berlin (581 Liter pro Quadratmeter).

Auch am kommenden Wochenende schlägt Tief ORINOCO eine ähnliche Zugbahn ein. Allerdings weisen die mitgeführten Luftmassen auch aufgrund der Jahreszeit einen wesentlich geringeren Feuchtegehalt auf. Zudem war das Vb-Tief, welches zur Jahrhundertflut an der Elbe geführt hatte, stärker ausgeprägt als bei der aktuellen Lage. Deshalb werden die Niederschlagsspitzen beim aktuellen Ereignis deutlich geringer ausfallen. Trotzdem ist gerade auch aufgrund der nassen Vorgeschichte und der recht großen Verbreitung unwetterartiger Niederschlagsmengen mit Hochwasser an Bächen und Flüssen sowie mit Überschwemmungen zu rechnen. Nach jetzigem Stand liegt der Schwerpunkt der Niederschläge in einem Bereich vom Erzgebirge über den Thüringer Wald und über Franken bis ins Allgäu. Dort können in einem Zeitraum von 48 Stunden stellenweise um 150 Liter pro Quadratmeter zusammenkommen. Bezüglich der genauen Lage und der Intensität ergeben sich allerdings immer noch kleinere Unsicherheiten. Deshalb können Sie jederzeit aktualisierte Informationen zu dieser Lage auf unserer  oder in der Warn-Wetter-App finden.

DWD Dauerregenlage durch VB Tief 1

M.Sc. Meteorologe Nico Bauer
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 30.05.2024
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Montage mit Ausblick – Arbeiten auf Deutschlands höchstem Bauwerk

Der Einsatz in der Nacht vom 6. auf den 7. Mai wurde vorab sorgfältig geplant, jeder Arbeitsschritt gut vorbereitet. Mehrfach kontrollieren Holger H., Torsten W. und Jens L. die Werkzeugtaschen, jeder Schlüssel, jede Zange wird sorgsam ausgesucht und mit einem Sicherungssystem verbunden. Nichts darf im Einsatz herunterfallen.

Das Wartungsfenster, in dem die Sendetechnik des Berliner Fernsehturms komplett abgeschaltet wird, beginnt um 01:05 Uhr nachts. Mit dem Fahrstuhl geht es zunächst bis auf 45 Meter Höhe. Hier befindet sich ein Technikraum des Deutschen Wetterdienstes.

DWD Montage mit Ausblick Arbeiten auf Deutschlands hoechstem Bauwerk

Anschließend geht es mit dem Fahrstuhl auf 230 Meter Höhe. Ab hier befindet man sich bereits oberhalb der ikonischen Kugel des Fernsehturms. Ein enges Treppenhaus führt weiter nach oben. Sieben Stockwerke müssen zu Fuß zurückgelegt werden, denn einen Fahrstuhl gibt es hier nicht mehr. Dann auf 245 Metern Höhe ist der Ausblick über Berlin bei Nacht bereits atemberaubend. Am Geländer einer begehbaren Außenplattform befinden sich in gegenüberliegenden Himmelsrichtungen zwei Eisablagerungsgeräte (EAG) sowie zwei LAM630-Wetterhütten des DWD.

DWD Montage mit Ausblick Arbeiten auf Deutschlands hoechstem Bauwerk

Im Zentrum des Turms befindet sich ein Serviceraum. Hier befindet sich der Einstieg in die riesige Sendeantenne. 123 Meter vertikaler Kletterweg bis zur Serviceplattform auf der äußersten Spitze müssen überwunden werden. 45 Minuten sind dafür eingeplant.

DWD Montage mit Ausblick Arbeiten auf Deutschlands hoechstem Bauwerk 1

Nach einer letzten Prüfung der Sicherheitsausrüstung geht es endlich los. Holger und Torsten beginnen mit dem Aufstieg in den Antennenturm. Jens bleibt im Serviceraum zurück. Über einen Seilzug wird er die Werkzeugtaschen ca. 50 Meter nach oben befördern. Aber irgendwann endet der Flaschenzug und die Taschen müssen getragen werden. Für einen Rucksack ist es im Inneren der Röhre zwischen den vielen Antennen und Kabeln viel zu eng.

Unsere Kollegen ziehen ihre Taschen daher an einem ca. 1,5 Meter langen Seil, unter sich hängend, mit nach oben. Eine sprachliche Verständigung mit den Kollegen am Einstieg ist nun nicht mehr möglich. Die lange Röhre schluckt sämtlichen Schall.

Innerhalb des Sendeturms geht jedes Gefühl für die Höhe verloren. Der Blick ist ohnehin die meiste Zeit nach oben gerichtet. Eine viel größere Herausforderung ist die zunehmende Enge. „Mit Platzangst darf hier keiner hoch“ sagt Holger H.. Direkt unterhalb des Ausstiegs zur Spitze beträgt der Innendurchmesser nur noch knapp 1,60 Meter. Dabei spürt man deutlich wie sich die Antenne im Wind bewegt. Der Ausstieg auf die Service-Plattform ist noch einmal eine Kraftanstrengung. Die Ausstiegsluke ist eng. Doch dann ist man am Ziel. In 368 Metern Höhe, Berlins höchstem Arbeitsplatz.

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Die 1,60 Meter durchmessende Plattform ist von einem Sicherungskorb umgeben. Drei horizontale Querstangen auf Fuß-, Bauch-, und Brusthöhe. Die Aussicht ist einzigartig. Selbst auf fliegende Hubschrauber schaut man von hier oben herab. Zeit zum Genießen bleibt keine, der Zeitplan ist eng. In der Mitte der Plattform befindet sich das Ultraschallanemometer des DWD. Der Austausch des Sensors gelingt problemfrei. Die gute Vorbereitung hat sich ausgezahlt.

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Als unsere Kollegen nach Abschluss der Arbeiten wieder zurück im Serviceraum stehen, brennen ihre Beine und der Schweiß läuft. Trotzdem lächeln sie. Die meisten Kollegen, die es bis zur Spitze geschafft haben, melden sich freiwillig für den nächsten Aufstieg. Den Aufstieg auf Deutschlands höchstes Bauwerk – den Berliner Fernsehturm.

Stefan Wagner (TI34)
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 29.05.2024
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Mit Tief ORINOCO drohen am Wochenende ergiebige Regenfälle

Der Frühsommer macht weiter Pause. Nachdem Hoch VOLKER das Wetter heute zumindest in einigen Regionen vorübergehend beruhigt und trockener gestaltet, setzt sich in der zweiten Wochenhälfte wieder Tiefdruckeinfluss mit sehr unbeständigem und allenfalls mäßig warmem Wetter durch.

Maßgeblich dafür verantwortlich zeigt sich das vom Nordatlantik aufziehende Tief ORINOCO, dessen Ausläufer uns schon in der Nacht zum Mittwoch von Westen erreichen. Sie ziehen am Mittwoch mit Regenfällen ostwärts und erreichen abends schließlich auch die Oder und den Inn. Dahinter stellt sich in instabiler Nordatlantikluft am Donnerstag und Freitag wechselhaftes Schauerwetter ein. Auch einzelne Gewitter sind mit dabei, die örtlich Starkregen bringen können. Doch das ist noch gar nichts, da kommt noch sehr viel mehr Regen!

Tief ORINOCO fühlt sich nämlich so richtig wohl in Mitteleuropa und nistet sich am Wochenende hier bei uns ein. Auf der Vorderseite schaufelt es sehr feuchte und warme Mittelmeerluft über dem östlichen Mitteleuropa nordwärts. Diese gleitet von Südosten und Osten her über die in Deutschland lagernde, von Westen einfließende und kühlere Atlantikluft auf. Dabei entstehen mächtige Wolkenpakete, aus denen mitunter sehr ergiebiger Regen fallen kann. Da noch nicht ganz klar ist, wo das Tief seine Zelte am Ende aufschlägt, ist auch noch nicht abzuschätzen, welche Regionen von den stärksten Regenfällen betroffen sein werden und wie hoch die Regenmengen tatsächlich ausfallen.

DWD Mit Tief ORINOCO drohen am Wochenende ergiebige Regenfaelle

Unter gebührender Berücksichtigung der Vorhersageunsicherheiten scheinen aber vor allem die südlichen, östlichen und die mittleren Landesteile im Fokus zu stehen. Dort simulieren die Modelle zurzeit den meisten Regen (siehe Abbildung). Bis Montag können durchaus verbreitet 40 bis 60 l/qm zusammenkommen. Gebietsweise sind aber noch deutlich höhere Mengen zwischen 60 und 100 l/qm möglich. Aktuell noch mit Vorsicht zu genießende Extremberechnungen gehen in der Spitze sogar von rund 150 l/qm aus. Das würde in vielen Regionen in etwa dem 1- bis 2-fachen des Monatsniederschlages für Mai innerhalb von zwei Tagen bedeuten. Diese Wassermassen gelangen in die Bäche und Flüsse und lassen die Pegel kräftig ansteigen. An einigen Flussläufen droht damit Hochwasser.

Erst zu Beginn der nächsten Woche zeichnet sich von Nordwesten her eine zögerliche Wetterberuhigung an. Beständiges und trockenes Frühsommerwetter ist aber dennoch nicht in Sicht.

Dipl.-Met. Adrian Leyser
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 28.05.2024
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

Tornadosichtungen in Deutschland?!

Zahlreiche Meldungen über mögliche Tornados

In den vergangenen Tagen hat die Tornadoarbeitsgruppe des Deutschen Wetterdienstes zahlreiche Meldungen über Tornados erreicht. Diese haben den Weg über die sozialen Medien, unsere WarnwetterApp oder durch Gewitterjäger, zu uns gefunden. Daraus resultierten aus nachvollziehbaren Gründen auch einige Anfragen aus den Printmedien, die von der Expertengruppe beantwortet wurden.

DWD Tornadosichtungen in Deutschland

DWD Tornadosichtungen in Deutschland 1

 

Da fragt man sich also: Was ist dran an den Meldungen und warum treten diese aktuell so gehäuft auf?

Welche Art von Tornados gibt es?

Dafür zunächst einmal ein allgemeiner Blick auf das Thema „Tornado“. Tornados kann man grundsätzlich in zwei Kategorien einteilen:

1.) Tornados, die mit Schwergewittern einhergehen, sogenannten Superzellen
2.) Tornados, die häufig mit nur schwachen Schauern oder Gewittern verbunden sind

Die beiden Kategorien haben grundsätzlich unterschiedliche Bedingungen, unter denen sie sich bilden können. Die weitaus schadensträchtigeren Ereignisse (sogenannte Typ-I Tornados) stehen in Verbindung mit Superzellen. Ein Beispiel hierfür aus der jüngsten Vergangenheit waren der Tornado von Nusbaum in Rheinland-Pfalz (21.09.2023) oder die Tornados in Lippstadt, Paderborn und Merxhausen am 20.05.2022 (Nordrhein-Westfalen bzw. Nordhessen).

Zutaten für Typ-II Tornados

In diesen Tagen handelte es sich aber um eine andere Wetterlage, die typisch für sogenannte Typ-II Tornados sind. Die folgenden Bedingungen sind klassisch dafür:

1.) Geringe Windgeschwindigkeiten im unteren Troposphärenbereich (0-6 km)
2.) Daraus resultierend eine geringe vertikale Windscherung, also eine geringe Änderung des Windes mit der Höhe in Richtung und Stärke
3.) Regionen, in denen bodennah Winde zusammenströmen (sogenannte lokale Konvergenzzonen)
4.) Starke Temperaturabnahme mit der Höhe im bodennahen Bereich zwischen 0 und 1 km
5.) Niedrige Wolkenuntergrenze

Zutaten anhand der Beispiellage vom 19.05.2024

Tatsächlich waren alle diese Bedingungen in den vergangenen Tagen erfüllt. Die notwendigen Zutaten sollen kurz an dem Beispiel vom 19.05.2024 näher gezeigt werden.

Auf der ersten Grafik sieht man die Strömung in 500 hPa. Dabei handelt es ich um einen Höhenbereich von etwa 5600 m. An diesem Tag lag ein Tiefdruckgebiet in diesem Höheniveau direkt über dem Norden Deutschlands, die Druckgegensätze (Abstand der Isolinien) waren nur gering.

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Damit ergaben sich nur geringe Windgeschwindigkeiten im gesamten unteren Troposphärenbereich, wie man in der folgenden Grafik an drei Höhenniveaus sieht: 925 hPa (etwa 700 m), 850 hPa (etwa 1500 m) und 700 hPa (etwa 3000 m).

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Wenn nun die Windgeschwindigkeiten in allen Höhenniveaus nur gering sind, so ist auch die vertikale Windscherung nur schwach. Das heißt der Wind ändert sich in Richtung und Stärke nur sehr wenig mit der Höhe. Das lässt sich in der Darstellung der Windgeschwindigkeiten in einem radialen Diagramm gut erkennen, wo die Windgeschwindigkeiten nach außen zunehmen. Man erkennt die Winde in den verschiedenen Niveaus bis 6 km Höhe (rot: 1-3 km, grün: 3-6 km). Die Windgeschwindigkeiten sind überall nur schwach (meist unter 10 kn, also kleiner 20 km/h) und es gibt kaum Änderungen zwischen den Höhenniveaus.

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Die Temperatur nahm mit der Höhe stark ab, was man anhand des modellierten Radiosondenaufstiegs in der betroffenen Region sehen kann. Die rote Kurve zeigt die Temperatur, die gerade im unteren Bereich stark mit der Höhe abnimmt.

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Bleiben noch die niedrige Wolkenuntergrenze und der lokal zusammenströmende Wind (Konvergenzen). In den Bildern sieht man, dass die Wolkenuntergrenze häufig unter 1000 m lag, was durchaus als niedrige Wolkenuntergrenze bezeichnet werden kann. Zudem zeigen die Windpfeile, dass sich verschiedene Regionen finden lassen, wo Winde zusammenströmen und damit lokale Konvergenzen vorliegen.

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Alle für Typ-II Tornados nötigen Zutaten lagen also am 19.05.2024 vor. Die Häufigkeit des Auftretens dieser Trichterwolken ist in der Tatsache begründet, dass sich die derzeitige Großwetterlage schon seit etwa anderthalb Wochen hält. Man merkt es auch an den tagtäglich wiederkehrenden Gewitter- und Starkregenereignissen. Von daher überrascht auch nicht die derzeitige Meldungshäufigkeit.

Was fehlt ist der Beweis vom Bodenkontakt

Ein wichtiger Punkt bleibt aber noch. Obwohl so viele Bilder mit Trichterwolken vorliegen, ist dies noch kein Beweis dafür, dass es sich auch tatsächlich um einen Tornado gehandelt hat. Hierfür ist ein Bodenkontakt des Wirbels notwendig. Beweisen kann man dies durch Schadensbilder, zum Beispiel plattgedrückte Felder, abgebrochene Äste etc. Auf einigen Bildern und Videos reicht die Trichterwolke zwar weit nach unten, von keinem der Fälle in den letzten zehn Tagen liegt unserer Arbeitsgruppe aber ein Beweis für einen Bodenkontakt vor. Das gilt auch für das hier angeführte Beispiel vom 19.05.2024, das zahleiche Meldungen zur Folge hatte, von der aber bisher für keine ein Bodenkontakt nachgewiesen werden konnte.

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Wie geht es weiter?

Auch in der zweiten Wochenhälfte besteht wieder ein Potential für Trichterwolken und Typ-II Tornados. Die Tornadoarbeitsgruppe im Speziellen und die Vorhersager im Allgemeinen freuen sich auch weiterhin über Ihre Zumeldungen.

Dipl.-Met. Marcus Beyer
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 27.05.2024
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

 

Wie wird das Wetter von Trinitatis bis Fronleichnam?

Der heutige Sonntag ist der Sonntag nach Pfingsten, weshalb in Teilen der christlichen Kirchen Trinitatis (Dreifaltigkeits- oder Dreieinigkeitsfest) gefeiert wird. Dieser Tag wird auch als Goldener Sonntag oder Frommtag bezeichnet und stellt den Beginn der zweiten Hälfte des Kirchenjahres dar. Die Sonntage von Trinitatis bis zum Ende des Kirchenjahres werden in der evangelischen Kirche als “x-te Sonntage nach Trinitatis” gezählt. Das Fest ist der Verehrung der Heiligen Dreifaltigkeit aus Gott Vater, Sohn und Heiligem Geist gewidmet.

Die größten Chancen auf längeren Sonnenschein bestehen vor allem in Baden-Württemberg und Bayern. Zwar können einzelne Schauer oder bevorzugt alpin bedingte Gewitter nicht gänzlich ausgeschlossen werden, aber im Großen und Ganzen wird der Sonntag hier seinem Namen gerecht. Zudem warten dort Höchstwerte zwischen 23 und 26 Grad auf.

Der Schwerpunkt für besonders kräftige Gewitter liegt insbesondere in der Nordosthälfte. Vor allem der Starkregen ist hierbei im Fokus. Es können lokal auch unwetterartige Mengen zusammenkommen. Dann besteht kleinräumig die Gefahr von Überschwemmungen und vollgelaufenen Kellern. Zwar lohnt es sich, bei Höchstwerten zwischen 22 und 26 Grad durchaus mal nach draußen zu gehen, allerdings ist bei einem längeren Aufenthalt im Freien ein Blick in den Himmel oder in die aktuelle Wetter- und Warnlage ratsam.

DWD Wie wird das Wetter von Trinitatis bis Fronleichnam

Am morgigen Montag wird weltweit der “Tag der Sonnencreme” begangen. Dieser soll deutlich machen, wie wichtig Sonnenschutz insbesondere für die Haut ist. Der “Hotspot” in Sachen Temperatur liegt im Osten bei Höchstwerten um 25 Grad. Dies bedeutet allerdings nicht zwangsläufig, dass dort deutschlandweit gesehen auch am meisten Sonnenschein zu erwarten ist und Sonnencreme verwendet werden sollte. Verbreitet ist es wolkig bis stark bewölkt, weshalb sich im Vorfeld nur schwerlich eine besonders sonnige Gegend ausmachen lässt.

Zudem schickt sich ein Ausläufer von Tief NORA an, bei seiner West-Ost-Überquerung im Tagesverlauf für Bambule zu sorgen. Schauer und teils kräftige Gewitter sind die Folge, die wie bereits an den Vortagen mit Starkregen einhergehen können. Auch einzelne stürmische Böen oder Sturmböen sowie kleinkörniger Hagel können nicht gänzlich ausgeschlossen werden.
DWD Wie wird das Wetter von Trinitatis bis Fronleichnam 1

Am Dienstag gelangt der Südwesten und Westen unter Zwischenhocheinfluss. Bei wechselnder Bewölkung bleibt es abgesehen von nicht ganz auszuschließenden einzelnen Schauern weitgehend trocken. Im Nordosten ist hingegen mit teils kräftigem schauerartigen oder gewittrigen Regen zu rechnen und auch eine gewisse Starkregengefahr ist nicht von der Hand zu weisen.

Am Mittwoch ist es genau umgekehrt. Im Osten und Südosten bleibt es meist trocken und die Sonne kann sich auch einmal länger zeigen, weswegen das Auftragen von Sonnencreme bei einem längeren Aufenthalt im Freien sicherlich nicht schaden kann. Von Nordwesten her kommen hingegen neue kräftige Regenfälle und Gewitter auf.

Am Donnerstag wird in der katholischen Kirche dann der Fronleichnamstag gefeiert. Hierbei steht die Eucharistie im Vordergrund. Fronleichnam ist in Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und im Saarland ein gesetzlicher Feiertag. Dieser Feiertag findet immer am zweiten Donnerstag nach Pfingsten und somit jedes Jahr zu einem anderen Zeitpunkt statt. In den Anfängen des Christentums gab es diesen Feiertag noch nicht. Seine Entstehung geht auf das Mittelalter zurück und seit 1264 ist Fronleichnam ein Kirchenfest.

Bei der Wettervorhersage sind wir dann bereits im Bereich der Mittelfrist angekommen. Deutschland verbleibt weiterhin unter Tiefdruckeinfluss und teils kräftige Regenfälle und Gewitter bestimmen das Wettergeschehen hierzulande. Zudem wird es bei Höchstwerten zwischen 18 und 23 Grad nur mäßig warm.

DWD Wie wird das Wetter von Trinitatis bis Fronleichnam 2

M.Sc. (Meteorologin) Tanja Egerer
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 26.05.2024
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Tag des Handtuchs

Vor mehr als 50 Jahren hatte der britische Schriftsteller Douglas Adams die Idee für eine Science-Fiction Reihe basierend auf den Reiseratgebern “Per Anhalter durch Europa”. Mit einer Mischung aus Komik und Satire schrieb er in insgesamt fünf Bänden über Abenteuer im Weltall. Der erste Band ist “Per Anhalter durch die Galaxis”. In ihm soll die Erde von Außerirdischen zerstört werden. Auf der Flucht nimmt einer der Hauptakteure den nützlichsten Gegenstand aus seinem Haus mit – ein Handtuch.

So ein Handtuch ist in der Tat sehr praktisch: Es trocknet und schützt in vielerlei Hinsicht. Gerade bei dem derzeit eher wechselhaften Wetter kann sich ein Handtuch als sehr nützlich erweisen. Bis zu einem gewissen Grad schützt es vor Regen, kann aber auch nach einem Schauer zum Abtrocknen verwendet werden. Die Sonne zeigt sich derzeit zwar nur kurz, im Falle eines Falles spendet ein Handtuch aber auch Schatten. Ist es einmal frischer, so dient es als wärmende Decke. Leicht befeuchtet kann es an warmen Tagen für Abkühlung auf der Haut sorgen. Man kann es als Unterlage verwenden oder etwas darin verpacken. So vielseitig wie ein Handtuch ist kaum ein zweiter Gegenstand.

Neben dem nützlichsten Gegenstand werden in den Bänden auch andere weltumspannende Themen erörtert. So gibt es zum Beispiel die Antwort auf die letzte aller Fragen und den wichtigsten Rat an die Menschheit überhaupt. Im Jahre 2001 verstarb Douglas Adams überraschend an einem Herzinfarkt. Sein Werk jedoch ist bis heute Kult. Ihm zu Ehren ist der 25. Mai seit 2001 der Tag des Handtuchs.

Wenn Sie sich nicht als Fan von “Per Anhalter durch die Galaxis” outen und dennoch einen lieben Gruß an Douglas Adams senden möchten, dann tragen Sie heute einfach ein Handtuch bei sich. Sie können es benutzen, um sich vor der Sonne zu schützen. Aber auch nach einem Schauer oder Gewitter kann es Ihnen nützliche Dienste erweisen. Auf das Handtuch angesprochen, finden Sie sicher eine plausible Erklärung.

Auch in den Folgetagen müssen Sie das Handtuch nicht weit weg hängen, es kommt in feuchter Luft und mit Tiefdruckeinfluss immer wieder zu Schauern und Gewittern. Örtlich können diese kräftiger ausfallen und sich zu wahren Wasserbomben entwickeln. Dann sind in kurzer Zeit hohe Regenmengen möglich und Sie brauchen vermutlich mehr als nur ein Handtuch.

Es empfiehlt sich also, hin und wieder in die Wetter- und Warnlage zu schauen und den aktuellen Stand in Sachen Schauern und Gewittern zu verfolgen. Es wird nicht jeden treffen, aber da, wo sich kräftige Gewitter entladen, sind Überschwemmungen möglich.

So long und 42.

Dipl.Met. Jacqueline Kernn
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 25.05.2024
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Reinhard Süring – Bis an die Grenzen und darüber hinaus (Teil 2)

“…Bald darauf fielen wir beide in tiefe Ohnmacht; Berson zog noch unmittelbar vorher mehrfach das Ventil, als er schon seinen Gefährten (Süring) schlafen sah (Berson und Süring 1901). …”

Wie lebensgefährlich das ganze Unternehmen letztlich war, geht aus einer nicht besonders hervorgehobenen Bemerkung in dem Bericht von Berson und Süring hervor: “…Vor oder nach diesem Ventilziehen versuchte auch Süring in lichten Augenblicken seinem schlafenden Kollegen durch verstärkte Sauerstoffatmung aufzuhelfen, aber vergebens. Schließlich werden vermutlich beide Insassen ihre Atemschläuche verloren haben und dann in eine schwere Ohnmacht gesunken sein, aus welcher sie ziemlich gleichmäßig bei etwa 6000 Metern wieder erwachten …”

Dabei war der Ballon im raschen Fall begriffen. Erst bei 2500 m Höhe bekamen beide den Ballon wieder ins Gleichgewicht, doch konnten beide Männer instrumentelle Beobachtungen wegen zu großer körperlicher Schwäche nicht mehr durchführen. Um 18:25 Uhr landeten Süring und Berson im Kreis Cottbus. Sie wurden von einer großen Menschenmenge empfangen und übernachteten im Haus eines Pfarrers. Erst am nächsten Tag wurde mit Hilfe von 30 Mann das schwere Gerät geborgen und nach Berlin zurückgebracht.

Die Rekordhöhe von 10500 m (es können auch 10800 m gewesen sein, doch war die Registriertinte eingefroren, so dass man die Aufzeichnungen des Barographen nicht als einwandfreies Dokument gelten ließ) für eine bemannte offene Gondel wurde seither nie übertroffen. Süring überließ zwar nichts dem Zufall und hatte im Vorfeld der Ballonfahrt mit dem Wiener Physiologen Hermann von Schröter, einem Pionier der Luftfahrtmedizin, die Höhe abgeschätzt, ab der wegen des geringen Luftdrucks auch die Atmung von reinem Sauerstoff nicht mehr genügen würde, um den menschlichen Körper selbst bei absoluter Ruhe ausreichend zu versorgen. Ihr Ergebnis lag bei 12500 Metern. Wie knapp sie damals dem Tot entronnen sind, belegte leider der Versuch des amerikanischen Ballonfahrers Hawthorne C. Gray im Jahr 1927. Sein mitgeführter Barograph registrierte zwar mit 12800 m Höhe einen nochmals um 2000 m höheren Wert, er überlebte diese Fahrt jedoch nicht.

Die weltweite Anerkennung Sürings durch seine waghalsigen Ballonfahrt im Sinne der Wissenschaft ließ nicht lange auf sich warten. Es war letztlich die entscheidende Grundlage zum Nachweis für die Existenz der Stratosphäre (Aßmann, de Bort 1902), in der die Temperatur mit der Höhe wieder zunimmt. Zuvor regierten die Zweifel über Temperaturverfälschungen durch die in diesen Niveaus ungehinderte Sonnenstrahlung. Unter seiner Leitung wurde das Observatorium ein Wolkenforschungszentrum von internationalem Ruf. Süring gehörte zahlreichen internationalen Kommissionen an. Er war somit zurecht einer der bedeutendsten deutschen Meteorologen in der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts.

DWD Reinhard Suering Bis an die Grenzen und darueber hinaus Teil 2

Bei allen privaten und dienstlichen Verpflichtungen, die durch seine internationalen Beziehungen und Reputation weiter wuchsen, blieb das Observatorium Potsdam eine Herzensangelegenheit. 35 Jahre nach seiner dort durchgeführten ersten Wetterbeobachtung wurde er im Jahr 1928 zum Direktor ernannt. Mit seiner wohlverdienten Pensionierung 4 Jahre später sollte dieses Kapitel aber noch nicht beendet sein, wovon er selbst zu diesem Zeitpunkt noch nichts ahnte.

Nachdem Potsdam im ersten Weltkrieg fernab des Frontgeschehens lag, sollte sich dies im 2. Weltkrieg ändern. Beim Luftangriff auf Potsdam am Abend des 14. April 1945, der auch als “Nacht von Potsdam” bekannt ist, wurden große Teile der Potsdamer Altstadt komplett zerstört. Kurz darauf wurde die Stadt zur Festung erklärt und die Front mit Kämpfen um Berlin in der Endphase des 2. Weltkrieges am 23. April 1945 erreichte auch die Außenbezirke Potsdams. Das Personal des Meteorologischen Observatoriums auf dem Potsdamer Telegraphenberg wurde bereits am 20. April abgezogen, die letzten verbliebenen Männer für den “Endkampf” zum Militär eingezogen. Die letzte Wetterbeobachtung erfolgte am 20. April um 7 Uhr. Am 24. April vormittags sprengten abziehende deutsche Truppen den Übergang über die Havel, die das Potsdamer Zentrum vom Telegraphenberg trennt. Aber vorher hat offenbar der 79-jährige ehemalige Direktor Reinhard Süring noch den Weg zum Observatorium gefunden und bereits am Nachmittag des 24. Aprils wieder die Wetterbeobachtungen aufgenommen, also noch weit vor der Kapitulation am 8. Mai. Er riskierte für eine lückenlose Beobachtungsreihe im Sinne der Wissenschaft erneut sein Leben. Daraufhin übertrugen ihm die sowjetische Besatzungsmacht nochmals die Leitung des Observatoriums, die er nochmals bis zum 31. März 1950 innehatte. Am 29. Dezember desselben Jahres starb Reinhard Süring im Alter von 84 Jahren in Potsdam.

Ihm zu Ehren wurde im Jahr 2005 in Potsdam die Reinhard-Süring-Stiftung gegründet, die sich zum Ziel gesetzt hat, den historischen Standort des Observatoriums auf dem Potsdamer Telegraphenberg zeitlich unbegrenzt zu erhalten. Die Stiftung fördert die Wissenschaft und Forschung auf dem Gebiet der Meteorologie; sie ist eine der Deutschen Meteorologischen Gesellschaft nahe Stiftung. Es soll schwerpunktmäßig die umweltrelevante Weiterbildung junger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gefördert werden.

DWD Reinhard Suering Bis an die Grenzen und darueber hinaus Teil 2

Doch damit nicht genug. Süring ist zugleich auch Namensgeber einer Plakette, die von der Deutschen Meteorologischen Gesellschaft (DMG) an Persönlichkeiten verliehen wird, die sich hervorragende wissenschaftliche oder organisatorische Verdienste um die Ziele der DMG beziehungsweise ihrer Vorgängergesellschaften erworben haben.

So wird er weiter in Erinnerung bleiben als ein Mann, dem es immer auch am Herzen lag, meteorologisches Wissen zu teilen (unter anderem auch als Herausgeber von Lehrbüchern und Fachzeitschriften) sowie zugleich offen und neugierig gegenüber weiterführender Forschung und teils widersprüchlicher Theorien zu sein.

Diplom Meteorologe Robert Hausen
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 24.05.2024
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Was das Grundgesetz mit dem Wetterdienst zu tun hat

Das Grundgesetz (GG), also die Verfassung Deutschlands, wird heute 75 Jahre alt. Am 23. Mai 1949 wurde das zunächst als Provisorium gedachte Werk erlassen und trat wenige Stunden später in Kraft. Neben den Grundrechten, die in den ersten Artikeln ihren Platz finden, wird dort die Organisation des Staates bestimmt. Im Artikel 74 Absatz 1 Ziffer 21 ist unter anderem die Gesetzgebung für den Wetterdienst verankert.

Wenige Jahre später hatte der Wetterdienst auf Grundlage des Artikels 74 GG sein eigenes Gesetz bekommen, das sogenannte Wetterdienst-Gesetz oder auch DWD-Gesetz genannt. Das DWD-Gesetz umfasst 14 Paragraphen in denen die rechtliche Einordnung und alle Aufgaben des Deutschen Wetterdienstes geregelt sind. Alle dort beschriebenen Aufgaben muss der Wetterdienst erfüllen und stellt damit auch dessen Daseinsberechtigung dar.

Die erste, in Paragraph 4 des DWD-Gesetzes aufgeführte Aufgabe, ist die Erbringung meteorologischer und klimatologischer Dienstleistungen für die Allgemeinheit oder einzelne Kunden und Nutzer. Insbesondere wird dabei auf die Bereiche Verkehr, gewerbliche Wirtschaft, Land- und Forstwirtschaft, des Bauwesens, des Gesundheitswesen, der Wasserwirtschaft einschließlich des vorbeugenden Hochwasserschutzes, des Umwelt- und Naturschutzes und der Wissenschaft hingewiesen. Man sieht, dass der Wetterdienst Dienstleistungen für die unterschiedlichsten Nutzer bereitstellen muss. Daher ist die Produktpalette des DWDs auch sehr breit aufgestellt. Es gibt spezielle Vorhersagen für die Landwirtschaft, die unter anderem Blüte- und Erntezeiten berücksichtigt und Wert auf die Bodenfeuchte legen. Aber auch Vorhersagen für Hitzestress bei Geflügel. Unter klimatologische Dienstleistungen fallen beispielsweise klimatologische Gutachten, die zur Bewertung der Luftqualität in deutschen Kurorten erstellt werden.

Eine der wohl wichtigsten Aufgaben steht unter Ziffer 2 des Paragraphen 4 und stellt die meteorologische Sicherung der Luft- und Seefahrt, der Verkehrswege sowie wichtiger Infrastrukturen, insbesondere der Energieversorgung und der Kommunikationssysteme dar. Dabei ist der DWD auch an internationale Gesetzgebung und Vereinbarungen gebunden wie beispielsweise an SOLAS (Safety of Life at SEA, internationales Übereinkommen zum Schutz von menschlichen Lebens auf See) und an die Vorgaben der ICAO (International Civil Aviation Organization, Internationale Organisation der Zivilen Luftfahrt). Zur meteorologischen Sicherung der Verkehrswege wurde ein eigenes Portal für die Straßenmeistereien eingerichtet, was vor allem in der Wintersaison Informationen über die Glättegefahr auf Straßen bereitstellt.

Des Weiteren sind die Bereithaltung, Archivierung, Dokumentation und Abgabe meteorologischer und klimatologischer Geodaten weitere Aufgaben des Deutschen Wetterdienstes. Dazu betreibt der Wetterdienst an den größeren Niederlassungen jeweils ein Archiv. Im Seewetteramt in Hamburg sind beispielsweise über 37000 Schiffsjournale mit Wetteraufzeichnungen archiviert. Das größte Archiv, und einer der größten meteorologischen Bibliotheken weltweit, befindet sich in der Zentrale des DWDs in Offenbach. Dort stehen etwa 190000 Medieneinheiten zur Verfügung. Außergewöhnlich sind die historischen Bände mit Wetteraufzeichnungen die bis ins Jahr 1483 zurückreichen. Auch die Wetterlage am Geburtstag des Grundgesetzes lässt sich in den Archiven finden. Am 23. Mai 1949 lag über den Britischen Inseln ein Tiefdruckgebiet, das seinen Einfluss bis nach Mitteleuropa erstreckte. In Deutschland herrschten ähnlich wie heute schwache Winde und Temperaturen zwischen 20 und 25 Grad vor. Im Gegensatz zum heutigen Tag, waren vor 75 Jahren jedoch keine Starkregenereignisse zu erwarten.

DWD Was das Grundgesetz mit dem Wetterdienst zu tun hat

DWD Was das Grundgesetz mit dem Wetterdienst zu tun hat 1

Damit kommen wir zu der wohl bekannteste Aufgabe des Wetterdienstes; die Erstellung und Verbreitung amtlicher Warnungen über Wettererscheinungen. Der Warnkatalog des DWDs ist sehr umfangreich und erstreckt sich von Nebelwarnungen, über Windwarnungen bis zu Warnungen über Tauwetter. Aber auch Warnungen vor Hitzebelastung oder vor hautkrebsfördernden UV-Strahlung gehören zum Repertoire. In den letzten Tagen kam es häufig zu Warnungen vor Dauerregen, Starkregen und Gewittern. Teilweise bis in den extremen Unwetterbereich. Auch heute werden im Süden des Landes wieder lokal unwetterartige Gewitter erwartet.

Damit alle frühzeitig und umfangreich gewarnt werden, wird bei besonders schweren Unwetterlagen neben der Veröffentlichung von Warnungen unter anderem im Internet, auf der WarnWetter-App oder im Teletext auch ein Unwetterclip im Studio des Deutschen Wetterdienstes aufgenommen. Dort erklärt der/die diensthabende Medien-Meteorologe/in die zu erwartende warnwürdige Wetterlage.

M.Sc. (Meteorologin) Sonja Stöckle
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 23.05.2024
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Regenmengen aus Radardaten

Die Ermittlung von Regenmengen mithilfe von Radardaten ist ein sehr komplexer Prozess, der auf der Funktionsweise von Radarsystemen und der Analyse der reflektierten Signale basiert. Radare (Radio Detection and Ranging) senden elektromagnetische Wellen aus, die auf Niederschlagspartikel treffen und teilweise zum Radar zurückgestreut werden. Diese zurückgestreuten Signale liefern wesentliche Informationen über die Stärke und Verteilung des Niederschlags. Dabei wird unter anderem die Intensität des zurückgeworfenen Signals gemessen, die sogenannte Reflektivität. Sie ist ein Maß für die Menge der von einem Radarstrahl zurückgestreuten Energie und hängt im Wesentlichen von der Größe, Form, Art und Konzentration der Niederschlagspartikel ab. Größere und zahlreichere Partikel reflektieren mehr Radarenergie, was zu einer höheren Reflektivität führt. In der Meteorologie wird die Reflektivität in Dezibel-Z (dBZ) gemessen. Höhere dBZ-Werte deuten auf intensiveren Niederschlag hin.

Doch wie bekommt man nun aus den dBZ-Werten die Regenmengen? Um die Reflektivität (Z) in tatsächliche Niederschlagsmengen (R) umzurechnen, verwenden Meteorologen die sogenannte Z-R-Beziehung. Diese Beziehung ist eine empirische Formel, die auf Beobachtungsdaten und statistischen Analysen basiert. Eine gängige Form dieser Beziehung lautet:

DWD Regenmengen aus Radardaten

Dabei sind Z die Reflektivität, R die Niederschlagsrate in mm/h, und a und b sind empirisch bestimmte Konstanten, die von der Art des Niederschlags abhängen (z.B. Regen, Schnee, Hagel).

In der Praxis wird die Z-R-Beziehung genutzt, um aus den vom Radar gemessenen Reflektivitätswerten die Niederschlagsrate abzuleiten. Der DWD verwendet je nach Schauerindex verschiedene Parameter für a und b in der Z-R-Beziehung, um die Niederschlagsabschätzung zu verfeinern. Dennoch gibt es einen weiten Fehlerbereich. Deshalb werden die mittels Radars bestimmten Werte an den Stationsmessungen im Nachhinein kalibriert.

DWD Regenmengen aus Radardaten

Diplom Meteorologe Christian Herold
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 22.05.2024
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