Zweigeteiltes Wetter

Wir schreiben heute den 31. August. Damit geht heute der Sommer für uns Meteorologen zu Ende, ab morgen beginnt der Herbst. Dies konnte man auch im gestrigen Thema des Tages (30. August 2024) lesen. Bei “nur” mäßig-warmen 20 Grad an den deutschen Küsten mag das vielleicht zutreffen. Im Süden Deutschlands wird derzeit allerdings vor einer starken Wärmebelastung gewarnt.

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Grund für diese großen Unterschiede innerhalb Deutschlands ist ein Tief mit dem Namen “Wilhelma”, das heute mit seinem Kern über Finnland liegt. Davon ausgehend zieht sich eine Luftmassengrenze über Polen und Deutschland hinweg bis nach Nordfrankreich. Da diese im Bereich von Mitteleuropa, also auch über Deutschland, unter den Einfluss des Nordsee-Hochs “Quentin” gelangt, nimmt die Schauer- und Gewittergefahr in ihrem Bereich immer weiter ab. So ist heute lediglich noch mit teils dichteren Wolken zu rechnen, die sich im Tagesverlauf jedoch zunehmend lichten dürften.

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Allerdings ist eben diese Luftmassengrenze für die Wetterzweiteilung verantwortlich. Denn sie trennt kühlere Meeresluft im Norden von schwül-heißer Subtropikluft im Süden. Im Süden muss bei schwülen 33 Grad tagsüber und einer nur geringen nächtlichen Abkühlung sogar mit einer starken Wärmebelastung gerechnet werden. In den Alpen sowie im Bayerwald besteht in dieser energiereichen Luft zudem eine geringe Gewittergefahr. Vereinzelt können sich dort starke Hitzegewitter ausbilden, wenngleich der hohe Luftdruck dies meist zu verhindern weiß. Abseits der Luftmassengrenze zeigt sich ansonsten vielerorts die Sonne.

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Und auch am morgigen Sonntag, dem ersten Tag im meteorologischen Herbst, bleibt uns die Luftmassengrenze quer über Deutschland erhalten, wobei sie (und damit auch die heiße Luft) etwas weiter nach Norden vorankommt. “Wetter” in Form von Wolken oder Regen sind dann unter dem Einfluss von Hoch “Quentin” allerdings meist nicht mehr zu finden. Nur das Temperaturgefälle bleibt erhalten: Im Norden und Nordosten ist es weiterhin kühler bei Temperaturen von 20 bis 25 Grad, im Westen und Südwesten steigen die Werte auf bis zu 33 Grad an. Gebietsweise dauert auch die starke Wärmebelastung weiter an.

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Von Südwesten nähert sich jedoch eine Tiefdruckrinne an, der Hochdruckeinfluss schwindet dort allmählich. So bilden sich im Nachmittagsverlauf ausgehend vom dortigen Bergland einzelne Schauer und teils kräftige Gewitter. Örtlich können diese aufgrund der energiereichen Luftmasse insbesondere durch heftigen Starkregen bis in den Unwetterbereich reichen.

Zum Start in die neue Woche löst sich der Ausläufer von “Wilhelma” über Deutschland auf und der Einfluss tiefen Luftdrucks dehnt sich auf die gesamte Westhälfte aus. Wiederholt können sich dort bis Donnerstag teils kräftige Schauer und Gewitter bilden, teilweise ziehen schauerartig verstärkte Regengebiete durch. Dabei muss lokal auch mit Unwettern (insbesondere durch Starkregen) gerechnet werden.

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Die Osthälfte wird hingegen weiterhin von Hoch “Quentin” beeinflusst, das mittlerweile mit seinem Schwerpunkt nach Nordwest-Russland bzw. in die Barentssee gewandert ist. Entsprechend bleibt die Osthälfte Deutschlands von Schauern und Gewittern meist verschont. Stattdessen ist es vielerorts sonnig, heiß und trocken.

Ob sich das Wetter zum kommenden Wochenende auch in der Westhälfte wieder beruhigt, muss abgewartet werden. Derzeit sieht es nach weitgehend heiter bis sonnigem und trockenem Spätsommerwetter aus.

M.Sc.-Meteorologe Sebastian Schappert
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 31.08.2024
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Herbstbeginn

Herbstanfang ist nicht gleich Herbstanfang. Für uns Meteorologen beginnt der Herbst immer am 1. September eines Jahres. Dieser Termin wurde festgelegt, um Messdaten international besser zusammenfassen und vergleichen zu können.

Kalendarisch bzw. astronomisch dauert es noch drei Wochen, bis es soweit ist. Hier ist für den Herbstbeginn der Zeitpunkt der Tag- und Nachtgleiche entscheidend. Dieser fällt in diesem Jahr auf den 22. September. Danach sind auf der Nordhalbkugel die Nächte länger als die Tage, bis im darauffolgenden Frühjahr die Tageslänge wieder die Oberhand gewinnt.

Davon unabhängig ist dagegen der phänologische – also durch die Vegetation bestimmte – Herbstanfang. Dieser kann im Voraus gar nicht angegeben werden, da er sich aus der fortschreitenden Pflanzenentwicklung im Jahresverlauf definiert. Weil diese relativ filigran stattfindet, wird im Pflanzenkalender noch deutlich detaillierter zwischen verschiedenen Jahreszeiten differenziert. Um die verschiedenen Phasen der Jahreszeiten zu bestimmen, werden Blüte, Frucht- und Laubentwicklung verschiedenster Pflanzen und Bäume betrachtet. Dabei startet die Übergangsjahreszeit nach dem Sommer mit dem Frühherbst, der anschließend in den Vollherbst übergeht und schließlich mit dem Spätherbst abschließt, auf den anschließend der phänologische Winter folgt.

 

DWD Herbstbeginn

In Deutschland beginnt der phänologische Frühherbst im langjährigen Mittel am 21. August. Festgemacht wird das in diesem Falle an der Entwicklung des Holunders. Sobald dessen Früchte schwarz am Strauch hängen ist dies das Zeichen für das Ende des Sommers. Nun entwickelt sich der Holunder in den verschiedenen Landesteilen entsprechend unterschiedlich schnell. Das heißt, es lässt sich kein gemeinsamer landesweiter Stichtag festlegen (aus diesem Grund gibt man auch Mittelwerte an). Generell lässt sich sagen: Je südlicher und tiefer eine Region liegt, und damit entsprechend wärmer ist, desto schneller findet die Pflanzenentwicklung und damit der Jahreszeitenübergang statt.

In diesem Jahr hat sich der Spätsommer von einer verhältnismäßig kurzen Seite gezeigt und bereits am 13. August ein Ende gefunden. Die ersten Meldungen zu Holunderfrüchten trudelten bereits sogar schon Ende Juli ein. Auch der Frühling war in diesem Jahr ausgesprochen zeitig an der Reihe. So hatten die Holunderblüten schon früh die Möglichkeit, sich auszubilden und konnten entsprechend zeitig Früchte ausbilden.

Beim Vergleich verschiedener Referenzzeiträume fällt auf, dass die Jahreszeiten vom Frühjahr bis zum Vollherbst im Mittel immer zeitiger beginnen, der Spätherbst sich dagegen nach hinten verschiebt und dadurch die phänologischen Winter insgesamt kürzer werden. Sobald es warm wird, startet die Natur durch und erfreut mit einem bunten Blütenaufgebot.

Zurück zur aktuellen Lage: Während der Spätsommer im Mittel nur etwa zweieinhalb Wochen andauert, sorgen Früh- und Vollherbst etwa einen ganzen Monat lang für Vorfreude auf bunte Blätter und das Rascheln des Laubs beim Herbstspaziergang.

Dem Mittelwert der vergangenen Jahre folgend reicht der Frühherbst am 18. September den Staffelstab an den Vollherbst weiter. Bleibt abzuwarten, wie lange das Gros von Stieleiche und Rosskastanie sich noch Zeit lässt, bis deren Früchte reif sind. Die ersten übereifrigen Vertreter haben bereits Mitte August damit begonnen.

Christina Kagel / M.Sc. Felix Dietzsch
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 30.08.2024
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Die Milanković-Zyklen

Es gibt mehrere Faktoren, die im Zusammenspiel auf großen Zeitskalen die Menge der eintreffenden Sonnenstrahlung und damit das Klima auf der Erde beeinflussen. An dieser Stelle soll es neben dem Einfluss der Sonne selbst um die drei veränderlichen Eigenschaften der Erde gehen, die in den sogenannten Milanković-Zyklen zusammengefasst sind. Ihren Namen erhielten diese langperiodischen Schwankungen nach dem serbischen Mathematiker Milutin Milanković, der entscheidend an der Beschreibung dieser Phänomene beteiligt war.

Die Erde kreist in ungefähr einem Jahr einmal um ihren zentralen Stern, die Sonne. Dabei ist die Bezeichnung „kreisen“ vielleicht etwas irreführend, weil ihre Bahn in Wahrheit gar kein perfekter Kreis ist, sondern eher einer Ellipse ähnelt. Und diese Form ist über die Zeit auch nicht konstant. Phasenweise ist die Ellipse platter gedrückt und zu anderen Zeiten nähert sie sich weiter einem Kreis an. Die Form der Erdumlaufbahn um die Sonne wird als Exzentrizität bezeichnet. Je kreisförmiger die Bahn ist, desto geringer ist die Exzentrizität und desto weniger Sonneneinstrahlung kommt im Mittel auf der Erde an, begünstigt also Kaltzeiten. Die Zyklusdauer, in der die Erdumlaufbahn ihre Form verändert, beträgt etwa 100 000 Jahre.

Etwas schneller geht es bei der Veränderung der Neigung der Erdachse, auch Obliquität genannt. Hierbei betragen die Zyklen etwa 41 000 Jahre. Die Rotationsachse der Erde ist im Weltall ein wenig gekippt, aber auch das ist nicht in Stein gemeißelt. Mal steht die Erde sehr aufrecht im All und mal liegt sie schräger. Je stärker die Neigung ist, desto extremer fallen die Jahreszeiten in den hohen geografischen Breiten aus. Ist die Neigung schwächer, sind die Unterschiede zwischen Sommer und Winter entsprechend geringer. Die Winter sind in diesen Phasen nicht so streng. Weil dadurch aber mehr Wasser über den Meeren verdunsten kann, schneit es in den kalten Regionen unter Umständen mehr und die Schneedecke wird mächtiger. Durch die weniger heißen Sommer können die Gletscher länger erhalten bleiben und damit sind geringe Achsneigungen tendenziell mit Kaltzeiten verbunden.

Ein weiterer Faktor ist die Tatsache, dass die Erde bei ihren Umdrehungen um sich selbst eiert. Die geneigte Erdachse ist nämlich nur im Erdmittelpunkt fest, an allen anderen Orten kreiselt sie um eine gedachte Senkrechte durch die Pole. Und das tut sie in einem Zeitraum von jeweils etwa 26 000 Jahren. Diese Bewegung wird als Präzession bezeichnet. Sie hat zur Folge, dass manchmal der Nordsommer und manchmal der Nordwinter der Sonne näher ist und damit mehr Wärme abbekommt.

DWD Die Milankovic Zyklen

Das alles ist schon kompliziert genug, aber jetzt hat auch die Sonne noch ein Wörtchen mitzureden. Denn auch die solare Strahlung ist über die Jahrhunderte nicht konstant. Zeitweise ist sie aktiver oder legt eine Pause ein und auch das beeinflusst natürlich, wie viel Wärme auf der Erde ankommt.

Wann eine Warm- oder Kaltzeit eintritt, hängt neben dem Zusammenwirken dieser Größen noch von vielen weiteren Aspekten und Bedingungen auf der Erde ab. Im Großen und Ganzen lassen sich aber Zusammenhänge zwischen den Klimaentwicklungen und den hier beschriebenen Einflüssen herstellen.

Dipl.-Met.Marcel Schmid in Zusammenarbeit mit der Praktikantin Christina Kagel
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 29.08.2024
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Die stärksten tropischen Wirbelstürme!

Aktuell befindet sich Taifun SHANSHAN kurz vor seinem Landfall auf die Insel KyushuSHANSHAN ist ein starker Taifun der Kategorie 3 mit einem einminütigen Mittelwind von 200 km/h. Die Spitzenböen liegen noch höher und betragen sogar bis zu 250 km/h. Dieser Sturm hatte seinen Ursprung im westlichen Nordpazifik, welcher vor allem aufgrund seiner sehr hohen Meeresoberflächentemperaturen als Brutstätte der weltweit stärksten tropischen Wirbelstürme gilt. Dort liegen die Meeresoberflächentemperaturen in einem ausgedehnten Gebiet bis in große Tiefen über 28 Grad. Dies ist eine der Grundvoraussetzungen für eine rapide Intensivierung von tropischen Stürmen.

Ein Beispiel hierfür ist Taifun HAIYAN. Dieser Sturm entwickelte sich am 04. November 2013 in dieser Region und konnte sich aufgrund günstiger atmosphärischer Bedingungen innerhalb von nur 24 Stunden zu einem Taifun entwickeln. Da die vertikale Windscherung nur schwach ausgeprägt war und die Wassertemperaturen bis in große Tiefen deutlich über 26 Grad lagen, konnte sich HAIYAN in den kommenden Tagen zu einem Taifun der Kategorie 5 verstärken. Seinen Entwicklungshöhepunkt erreichte dieser verheerende Taifun kurz bevor er auf die philippinische Insel Leyte traf. Dabei wies HAIYAN einen Luftdruck im Zentrum von 895 Hektopascal und einminütige Windgeschwindigkeiten von 315 km/h sowie Spitzenböen bis zu 380 km/h auf. Zum Vergleich bei Orkan Lothar, welcher am zweiten Weihnachtstag 1999 über Deutschland zog, wurden im Flachland Spitzenböen bis zu 151 km/h gemessen. Dementsprechend verursachte HAIYAN auf den philippinischen Inseln verheerende Schäden und war für mehr als 7300 Todesopfer verantwortlich.

Dennoch erhält Taifun HAIYAN nur die Silbermedaille bei den stärksten beobachteten Stürmen weltweit. Gold geht an Hurrikan PATRICIA. Dieser Sturm konnte sich während des Auftretens des Klimaphänomens El Nino im Oktober 2015 im östlichen Pazifik ausbilden. PATRICIA erreichte zu ihrem Höhepunkt einen Luftdruck von 872 Hektopascal und unglaubliche einminütige Windgeschwindigkeiten von 345 km/h, sowie Spitzenböen von bis zu 400 km/h. Zudem hält Patricia den Rekord der schnellsten Intensivierung. Innerhalb von nur 24 Stunden konnte sich der Sturm um 155 km/h verstärken. Diese Intensivierungsrate ist größer als die jedes anderen beobachteten Hurrikans seit Beginn der Satellitenbeobachtungen. Diese beeindruckende Intensivierung wurde durch sehr hohe Wassertemperaturen von über 30 Grad, einer hohen Luftfeuchtigkeit und einer geringen Windscherung begünstigt. Bevor PATRICIA auf die Westküste Mexikos traf, schwächte sich der Hurrikan glücklicherweise etwas ab. Damit waren die Auswirkungen dort nicht so gravierend wie befürchtet.

DWD Die staerksten tropischen Wirbelstuerme

Rekordhalter in Sachen Größe ist aber Supertaifun TIP aus dem Jahre 1979, welcher sich ebenfalls im nordwestlichen Pazifik ausbildete. Dieser Sturm wies während seines Höhepunktes einen Durchmesser von 2200 Kilometern auf. Zudem hält TIP den Rekord für den niedrigsten beobachteten Luftdruck auf Meereshöhe. Im Auge des Taifuns lag der minimale Luftdruck bei 870 Hektopascal. Zum Vergleich: Ein intensives außertropisches Sturmtief kommt auf einen minimalen Druck von etwa 975 Hektopascal. Der tiefe Luftdruck von TIP hob den Meeresspiegel im betroffenen Gebiet um mehr als einen Meter an. Dieser Supertaifun erreichte jedoch glücklicherweise nie das Festland. Dennoch starben 86 Menschen, als TIP die japanische Insel Honshu streifte.

Auch wenn die Hurrikane auf dem Atlantik meist nicht diese hohe Intensität erreichen, konnten sich in der Vergangenheit auch dort gewaltige Stürme entwickeln. Ein Beispiel hierfür ist Hurrikan IRMA. Dieser Sturm stellte sogar einen Rekord auf. IRMA war der erste tropische Wirbelsturm, der über 37 Stunden eine Windgeschwindigkeit von 297 km/h erreichte. Somit löste IRMA den vorherigen Rekordhalter HAIYAN in diesem Punkt ab.

Damit bleibt abzuwarten, ob auch diese Saison einen ähnlich gewaltigen Sturm hervorbringt.

M.Sc. Meteorologe Nico Bauer
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 28.08.2024
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Die Varianz der Tageslänge

Der längste Tag dieses Jahres war am 20. Juni, der kürzeste wird am 21. Dezember sein. Irgendwo dazwischen befinden wir uns gerade, das heißt die Tage werden seit etwa zwei Monaten wieder kürzer. Der Verlauf der Tageslänge kann mit der mathematischen Funktion einer Sinuskurve beschrieben werden, die man sich vereinfacht ausgedrückt als Welle vorstellen kann. Zur Sommersonnenwende befinden wir uns auf dem Wellenberg, im Winter im Wellental. Im Moment geht es auf der Welle also bergab, die Tagesdauer nimmt in Offenbach am Main täglich etwa dreieinhalb Minuten ab.

Aber diese Abnahme ist im Jahresverlauf nicht immer gleich stark. Kurz vor oder nach dem längsten beziehungsweise kürzesten Tag, also um die Extrempunkte der Sinusfunktion, ändert sich die Tageslänge nur wenig. Genau im Umkehrpunkt zwischen Zu- und Abnahme der Tageslänge sind es nur wenige Sekunden täglich, in der ersten Woche um das Ereignis beträgt die Änderung der Tageslänge immer noch keine ganze Minute.

Und auch über Deutschland gesehen ist die die Veränderung nicht gleich stark. Beispielsweise in Kiel ist die Verkürzung der Tage im Moment etwas stärker ausgeprägt, dort sind es gut vier Minuten, die es täglich länger dunkel bleibt. Für diese räumlichen Unterschiede ist die Neigung der Erdachse verantwortlich, die im Extrem im Nordsommer der Arktis Polartage beschert und im Nordwinter Polarnächte.

Bis Ende September nimmt die Verkürzung der Tageslänge weiter an Fahrt auf, in Offenbach beträgt die stärkste Änderung dann 3 Minuten und 42 Sekunden. Anschließend verlangsamt sie sich wieder, bis sie im Dezember die bereits beschriebene Änderung von nur wenigen Sekunden erfährt, bevor sie von Abnahme auf Zunahme wechselt.

Wenn der Tag nun zu Ende ist, herrscht Nacht, aber dabei ist dunkel nicht gleich dunkel. Es wird in verschiedene Dämmerungsphasen unterschieden, die abhängig vom Stand der Sonne unter dem Horizont definiert sind. Nachdem sich das Tageslicht verabschiedet hat, schließt die sogenannte Bürgerliche Dämmerung an. In dieser Zeit ist es zum Beispiel noch oder schon möglich, ohne weiteres Licht im Freien zu lesen. Per Definition befindet sich die Sonne dann zwischen ihrem Auf- oder Untergang und 6 Grad unter dem Horizont.

Wenn sie weiter bis 12 Grad sinkt, ist die sogenannte Nautische Dämmerung erreicht. In dieser Phase sind viele Sterne sichtbar, die zur Navigation auf See genutzt werden können – daher der Name. Für die meisten anderen Aktivitäten im Freien benötigt man zu dieser Zeit bereits künstliches Licht.

Die letzte Dämmerungsphase ist die Astronomische Dämmerung, in der die meisten Sterne sichtbar werden. Die Definition legt die Phase auf einen Sonnenstand von 12 bis 18 Grad unter dem Horizont fest. Danach schließt die Nacht an, also die Zeit maximaler Dunkelheit, wenn die Sonne mehr als 18 Grad unter dem Horizont steht.

Um die Zeit der Sommersonnenwende herum verschwindet die Sonne nur so weit, dass es in Offenbach gar nicht mehr für die dunkle Nacht genügt. Etwa 2 Breitengrade weiter südlich in Ulm hingegen reicht es noch für eine dreiviertel Stunde Dunkelheit.

Nun steuern wir langsam aber sicher wieder auf die dunkle Jahreszeit zu, aber das bedeutet auch, dass die einzelnen Phasen der Dämmerung eher einsetzen und Sternenfreunde sich nicht mehr ganz so lange gedulden müssen, bis sie ein Funkeln über sich erblicken können.

Dipl.-Met. Marcel Schmid in Zusammenarbeit mit der Praktikantin Christina Kagel
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 27.08.2024
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Taifun SHANSHAN nimmt Kurs auf Japan

Taifune können sich zwar – wie auch ihre tropischen Wirbelsturmpartner Hurrikane und Zyklone – über das gesamte Jahr hinweg entwickeln, ihre Hauptaktivität findet sich aber zwischen Juli und November. Aktuell befinden wir uns damit also, wenn man so will, mitten in der Hauptsaison. Von einem Taifun, Hurrikan oder Zyklon spricht man bei einem Sturm, der im einminütigen Mittel Windgeschwindigkeiten von mindestens 118 km/h, also Orkanstärke hervorbringt. Die weitere namentliche Einordnung erfolgt dann über die Region, in der der Sturm sein Unwesen treibt. Über dem Indischen Ozean und dem Südpazifik werden sie Zyklone genannt, über dem Atlantik und Nordpazifik (östlich von 180 Grad Länge) Hurrikane und über dem Nordpazifik westlich von 180 Grad Länge Taifune.

DWD Taifun SHANSHAN nimmt Kurs auf Japan

SHANSHAN entwickelte sich vergangenen Mittwoch (21.08.2024) westlich der Nördlichen Mariannen als Tropisches Tief. Im weiteren Verlauf verlagerte sich das Tief unter Intensivierung nordwärts und erreichte drei Tage später, also am Samstag Taifunstärke. Stand heute früh 8 Uhr MESZ befand sich SHANSHAN ca. 250 km ost-südöstlich der Amamiinseln, die zur japanischen Präfektur Kagoshima zählen. Der Sturm bewegt sich aktuell mit knapp 20 km/h west-nordwestwärts und bringt im einminütigen Mittel Windgeschwindigkeiten von rund 155 km/h mit sich (Kategorie 2 auf der Saffir-Simpson-Skala). Das Joint Typhoon Warning Center (JTWC) geht dabei von Böen bis 195 km/h aus.

DWD Taifun SHANSHAN nimmt Kurs auf Japan 1

SHANSHAN soll dem JTWC nach seine Verlagerungsrichtung zunächst beibehalten, sich weiter verstärken und am morgigen Dienstag als Taifun der Kategorie 3 knapp nördlich an den Amamiinseln vorbeiziehen. In der Nähe des Kerns werden dabei Geschwindigkeiten bis 205 km/h prognostiziert (im Ein-Minuten-Mittel wohlgemerkt!) mit Böen bis 250 km/h, was schon sehr nah an der Grenze zu Kategorie 4 ist, die offiziell ab 209 km/h Mittelwind beginnt. Wie stark letztlich die Amamiinseln davon betroffen sein werden, ist noch nicht sicher und hängt stark von der exakten Zugbahn des Taifuns ab. Je weiter nördlich diese ausfällt, desto besser für die Inselgruppe. Zumindest in den beiden nördlichen Inseln Amami-Oshima und Kikaishima sollte man sich aber auf Windgeschwindigkeiten in Taifunstärke, also jenseits von 118 km/h einstellen.

Im Anschluss soll der Taifun nach Norden abbiegen und sich dabei leicht abschwächen, bevor er am Donnerstag auf der Insel Kyushu im Südwesten Japans an Land gehen könnte. Die Windgeschwindigkeiten dürften dann zwar immer noch im Kategorie-2-, wenn nicht sogar Kategorie-3-Bereich liegen und damit jenseits von 150 km/h, wo genau der Landgang erfolgt, ist aber noch sehr unsicher. Das gilt natürlich auch für die weitere Zugbahn, auch wenn das JTWC die Vorhersagegüte heute Vormittag von “gering” auf “mittel” hochgestuft hat. Nach aktuellem Vorhersagestand soll SHANSHAN irgendwo nordostwärts über Japan hinweg ziehen. Voraussichtlich wird sich das System dann auch deutlich abschwächen und der Fokus damit weg vom Wind hin zu intensiven Regenfällen verlagern.

DWD Taifun SHANSHAN nimmt Kurs auf Japan 2

Apropos Regenfälle: Abbildung 3 zeigt eine Prognose (ICON) der aufsummierten Niederschlagsmenge bis Samstagfrüh. Demnach können gebietsweise weit über 300 l/m² zusammenkommen, wobei der Großteil zumeist innerhalb von 24 Stunden fällt. Neben Verwüstungen durch den Wind drohen also auch Überschwemmungen und Erdrutsche. Bleibt zu hoffen, dass sich die Schäden so weit wie möglich im materiellen Bereich bewegen…

Dipl.-Met. Tobias Reinartz
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 26.08.2024
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Nächtlicher Luftmassenaustausch

Während am gestrigen Samstag in weiten Teilen des Landes ordentlich Schwitzen angesagt war, kann heute mal ordentlich durchgeatmet bzw. gut gelüftet werden. Der Spätsommer gab zum Beginn des Wochenendes nochmal alles und brachte in weiten Teilen des Landes Höchstwerte von mehr als 30 Grad, stellenweise wurde im Südwesten auch die Marke von 35 Grad überschritten (z.B. Pforzheim-Ispringen oder Waghäusel-Kirrlach). Nur im äußersten Nordwesten konnte die Schwelle zum heißen Tag (mindestens 30 Grad) nicht geknackt werden – das waren bereits die Vorzeichen des bevorstehenden Luftmassenwechsels.

Nun kann man eine Luftmasse zwar nach den gemessenen Werten am Boden charakterisieren (beispielsweise durch Temperatur und Taupunkt), aber die Einflüsse der bodennahen Schichten sowie besonders die Meereshöhe müssen bei der Einordnung natürlich beachtet werden. Daher schauen Meteorologen für die Beschreibung der wetterbestimmenden Luftmasse gerne auf ein bestimmtes, einheitliches Druckniveau, meist ist es jenes in 850 hPa. Bei annähernden Standardbedingungen befindet sich dieses Druckniveau um 1500 m über dem Meeresspiegel, kann aber durchaus auch etwas davon abweichen – sowohl nach unten, als auch nach oben. Schaut man sich die Werte der Temperatur in 850 hPa vom gestrigen Tag an, sieht man in der Mitte und im Süden verbreitet 20 Grad aufleuchten, teilweise sogar 22 Grad. Nur im Norden verblieben die Werte etwas unter der Marke von 20 Grad. Daraus resultierten bei entsprechender Einstrahlung die beschriebenen Höchstwerte. Im Sommer kann bei entsprechenden Rahmenbedingen allein aus der Temperatur in 850 hPa die Tageshöchsttemperatur gut abgeleitet werden (siehe Link).

DWD Naechtlicher Luftmassenaustausch

Beim Betrachten des heutigen Tages fällt nun sofort ins Auge, dass die Luftmassentemperatur in 850 hPa deutlich von den gestrigen Werten abweicht. Im Norden beläuft sich diese noch auf etwa 5 Grad, im Südosten sind kaum mehr 10 Grad erreichbar. Das bedeutet, dass es während der vergangenen Nacht zum Sonntag einen mächtigen Luftmassenwechsel gab, der die Luftmassentemperatur um 10 Grad und mehr abfallen ließ. Verantwortlich dafür war natürlich eine Kaltfront, und zwar jene von Tief VERUCA mit Kern über der Mitte Skandinaviens. Genau genommen hat diese das Bundesgebiet noch nicht komplett überquert, denn sie sorgt im Südosten Deutschlands noch für schauerartig verstärkten Regen, der im Laufe des Nachmittags und Abends nur langsam abklingt.

Dieser Regen ist der Rest der Kaltfrontpassage, die von gestern Abend bis in die zweite Nachthälfte hinein besonders in der Westhälfte sowie Teilen der Mitte teils starke Gewitter mit Sturmböen und Starkregen brachte. Die stärksten Böen wurden dabei auf den Nordseeinseln sowie an der Küste gemessen (teilweise deutlich über 100 km/h), aber auch sonst gab es vielerorts stürmische Böen oder Sturmböen bis 85 km/h, teils auch einzelne schwere Sturmböen mit knapp 100 km/h. Dazu kam kräftiger Regen, der aber die Unwetterkriterien meist nicht erreichte.

DWD Naechtlicher Luftmassenaustausch 1

Doch nach dem Temperatur-Absturz ist vor dem Anstieg, der aber deutlich langsamer von statten gehen wird. Bleiben wir mal wieder bei den Temperaturen in 850 hPa: Am Montag tut sich dabei noch nicht viel, aber am Dienstag werden im Süden schon wieder Werte von 12 bis 14, im Norden knapp unter 10 Grad erreicht. Dieser Trend setzt sich am Mittwoch fort und findet den Höhepunkt am Donnerstag mit 12 bis 18 Grad. Dabei überwiegt Hochdruckeinfluss, sodass sich das Schauer- und Gewitterrisiko in der ersten Wochenhälfte sehr in Grenzen hält. Ab Donnerstag steht dann eine mögliche nächste Kaltfrontpassage ins Haus, sodass sich die Luftmassentemperatur an den Folgetagen wieder etwas reduzieren würde. Hier ist das letzte Wort aber noch nicht gesprochen.

Mag.rer.nat. Florian Bilgeri
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 25.08.2024
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Tornado „ja“ oder „nein“?

Einleitung

Im Jahr 2024 hat es bereits 32 bestätigte Tornadofälle gegeben. Daneben gibt es aber auch eine Vielzahl (noch) unbestätigter Verdachtsfälle. Gesammelt werden diese von Thomas Sävert in der „Tornadoliste“ (siehe “Weitere Informationen zum Thema”). Im Frühjahr des Folgejahres werden die Verdachtsfälle auf einem Treffen der Tornado-Arbeitsgruppe Deutschland (siehe “Weitere Informationen zum Thema”) nochmal genau angeschaut, sodass sich die Zahl der bestätigten Tornados nachfolgend in aller Regel etwas erhöht.

Auch während der laufenden Saison werden Verdachtsfälle bereits näher unter die Lupe genommen, besonders dann, wenn sie erhöhte Medienaufmerksamkeit erhalten haben. Die Tornado-Expertengruppe des DWD  steht dabei in engem Austausch mit den oben genannten Gruppen und Personen. Dazu gehören auch Thilo Kühne von der Europäischen Unwetterdatenbank (siehe “Weitere Informationen zum Thema”) und Hendrik Sass vom Tornado Kartierungs- und Untersuchungsprojekt Deutschland (siehe “Weitere Informationen zum Thema”).

Die Frage „Tornado „ja“ oder „nein“?“ gestaltet sich dabei manchmal als wahre Detektivarbeit. Wir wollen nun auf sechs interessante oder kuriose Fälle schauen.

Hagen (29.05.2024)

Relativ kurze Zeit nach dem Ereignis an einem Mittwochnachmittag kursierten in den Onlinemedien bereits erste Bilder von den aufgetretenen Schäden. Ganz präsent dabei ist das Bild vom abgerissenen Dachstuhl der St. Elisabeth Kirche. Auch wenn mit den Bildeindrücken für viele nur ein Tornado für die Schäden verantwortlich sein konnte, war die Sachlage zunächst nicht ganz klar. So wurden auch an zwei Stationen des engmaschigen Wettermessnetzes von Hagen hohe Windgeschwindigkeiten gemessen.

Nach und nach erreichten den DWD aber auch Videos, auf denen im Verlaufe des Ereignisses wechselnde Windrichtungen erkennbar waren (ein klares Indiz für einen Tornado). Schließlich fand eine Vor-Ort-Analyse durch TorKuD statt, wobei auch eine Drohne zum Einsatz kam. Diese Schadensbildanalyse brachte dann endgültig Klarheit: Die vom Radar erfasste Superzelle hatte einen Tornado produziert.

 

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Gröditz (18.06.2024)

Das Schadensbild nach dem Ereignis am frühen Dienstagabend war enorm. Sogar Strommasten wurden bei Gröditz umgeknickt wie Streichhölzer. Auch diesmal kam sofort die Vermutung auf, dass es zu einem Tornado gekommen ist. Diesmal brachte die Schadensanalyse aber anderes zu Tage.

Schaut man sich die zahlreichen Schadenmeldungen an, so wird klar, dass es keine enge Schadensschneise gab (typisch für Tornados), sondern eine breite Schadensspur. Oder anders gesagt, die Schäden waren so großräumig zu verzeichnen, dass diese eigentlich nicht durch einen Tornado hätte verursacht werden können.

Tatsächlich erkennt man auf den Radarbildern eine langlebige rotierende Gewitterzelle (eine sogenannte Superzelle). Zum Zeitpunkt der stärksten Schäden (geschätzte Windgeschwindigkeiten um 180 km/h), erkennt man im Radar ein sogenanntes Bogenecho – ein nach vorne ausgebeultes Reflektivitätsbild. Solche Signaturen sind immer ein Indiz für eine starke Beschleunigung des Windes. Diese Bilder stützen damit die These eines starken Downbursts. Ein Downburst sind ist im Vergleich zu einem Tornado ein lineares Windereignis (der Wind weht nur in eine Richtung).

Im Übrigen gab es an diesem Schwergewittertag trotzdem drei Tornados, allerdings weiter nördlich über Südniedersachsen (Hohenbüchen, Bockenem und Heere), wo die Bedingungen für Tornados mit einer niedrigen Wolkenuntergrenze nochmal deutlich besser waren, als in Gröditz.

DWD Tornado ja oder nein 3

Philippsburg (03.07.2024)

Auf dem Radarbild erkennt man in den Abendstunden eine eher unspektakuläre Schauerzelle. Allerdings ist etwas besonderes daran: Das Radarbild zeigt ein sogenanntes Hakenecho, eine typische Signatur für eine rotierende Superzelle. Die rotierende Zelle konnte auch vom Radar abgeleiteten Algorithmen detektiert werden.

Die Rotation war auch am Himmelsbild auszumachen und so machte sich der Meteorologe Jannick Fischer vom KIT (Karlsruher Institut für Technologie) mit Kamera auf den Weg die verdächtige Zelle zu verfolgen. Und tatsächlich: Kurze Zeit später bildete sich ein kurzlebiger Tornado, den Jannick Fischer auf einem Video festhalten konnte.

Dieser Fall zeigt zweierlei Dinge: Erstens, auch nichtelektrische Schauerzellen können Superzellen sein und Tornados hervorbringen. Und zweitens: Ohne die Zufallsbeobachtung von Herrn Fischer, wäre dieser Fall wohl unentdeckt geblieben und nicht dokumentiert worden. Der eher schwache Tornado hat nämlich nur kleinere Schäden verursacht. Dieser Fall ist auch ein Hinweis darauf, dass es jedes Jahr immer noch unentdeckte Tornadofälle gibt, vor allem in weniger besiedelten Regionen.

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Bedburg (09.07.2024)

Ein interessanter Verdachtsfall ereignete sich an einem Dienstagabend kurz nach 21 Uhr in Bedburg, genauer gesagt in Alt-Kaster. Dort wurden mehrere Dächer in Teilen abgedeckt und Bäume entwurzelt. Von einer „Schneise der Zerstörung“ ist in den Medien zu lesen.

Ein erster Blick auf das Radarbild zeigte allerdings – nichts. Weder ein Gewitter noch eine Schauerzelle war zum Zeitpunkt des Ereignisses über Bedburg zu sehen. Aber wie kamen dann diese Schäden zu Stande?

Nach genauer Untersuchung konnte schließlich des Rätsels Lösung gefunden werden. Weiter westlich des Ereignisortes gab es eine Gewitterlinie. Nun passiert es nicht selten, dass sich abschwächende Gewitterlinien, die durch die Niederschlagsabkühlung produzierte Kaltluft von sich wegstoßen. Dies führt zu einer starken Beschleunigung. Man spricht von sogenannten Outflow Boundaries, die auch weit vor den eigentlichen Gewittern durchziehen können.

Ein Hinweis auf starken Wind durch eine Outflow Boundary lieferte auch eine Meldung der Chaser-Organisation Skywarn, etwas weiter westlich des Ereignisortes. Während man diese dominante von West nach Ost wandernde Outflow Boundary auch mit schwachen Reflektivitäten im Radarbild entdecken konnte, gab es noch eine zweite schwächere Outflow Boundary (von Nordwest nach Südost vorankommend), die nur sehr schwer zu erkennen war.

Der Zufall wollte es, dass sich beide Linien genau über Alt Kaster trafen. Dadurch gab es mutmaßlich zusätzliche Verwirbelungen und lokale Windverstärkungen und in der Folge entwurzelte Bäume und abgedeckte Dächer im Stadtteil von Bedburg.

Dieser kuriose Fall zeigt, dass durch Zufälle manchmal auch abseits der eigentlichen Gewitterzellen starke Windgeschwindigkeiten auftreten können.

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Lendershausen/Hofheim (12.07.2024)

Diese Verdachtsfall hat es in die Liste geschafft, weil der Zeitpunkt des Ereignisses eher ungewöhnlich war. Um 07:10 Uhr Ortszeit am Freitagmorgen wurden große Schäden rund um Lendershausen und Hofheim registriert. Das Schadensbild ließ Windgeschwindigkeiten um 150 km/h erwarten. Für diese frühen Morgenstunden sind solche Ereignisse eher ungewöhnlich.

Die Radarbilder ließen eine stark rotierende Superzelle erkennen. Ein Tornado schien also durchaus plausibel. Eine detaillierte Schadensanalyse, die dank einer guten Dokumentation der Schäden durch eine betroffene Person möglich war, zeigt aber schließlich ein recht breites Schadensbild. Da man für einen Tornado aber eher eine recht enge Schneise erwartet, sprechen die Indizien in diesen Fall eher für einen Downburst.

DWD Tornado ja oder nein 1

Telgte, Marienfeld, Dissen, Sendenhorst (12.07.2024)

Gleicher Tag, andere Region und Tageszeit. In den Nachmittagsstunden betroffen waren Teile von Nordrhein-Westfalen. Eine Gewitterlinie zog von Südwest nach Nordost über die Region hinweg. Solche Gewitterlinien sind durch lokale Beschleunigungen (zu erkennen an Bogenechos) immer auch gut für starke Fallböen (Downbursts). Gleichzeitig ließen sich in der Gewitterlinie aber auch mehrere Bruchstellen erkennen, an denen sich Wirbel ausbilden können.

Klarheit brachte schließlich ein Vor-Ort-Analyse von TorKuD. Wie sich herausstellte waren die Schäden klar tornadisch. Zu erkennen ist dies unter anderem an dem Fallmuster der Bäume oder Spuren im Feld, die mit Drohnenaufnahmen detektiert wurde.

Die Analyse brachte zudem zu Tage, dass es nicht nur einen Tornado gegeben hat, sondern ganze vier. Daran erkannt man einmal mehr, wie wichtig die Arbeit der Schadenserfassung und Dokumentation ist.

 

DWD Tornado ja oder nein

Nachwort

Sechs Beispiele, sechs interessante, teils auch kuriose Fälle. Sie geben Einblick in die Arbeit der Tornado-Expertengruppe des DWD und vieler Freiwilliger, die selbst Kosten und Mühen für eine Vor-Ort-Analyse nicht scheuen.

Übrigens: Mehr zu Tornados in Deutschland erfahren Sie in unserem Infovideo(siehe “Weitere Informationen zum Thema”).
Sie erreichen die Tornado-Expertengruppe über die Mailadresse: tornado@dwd.de

Dipl.-Met. Marcus Beyer
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 24.08.2024
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

Atmosphäre und Ozean im Vergleich (3)

Im vorherigen Teil unserer kleinen Serie haben wir Wirbel im Ozean betrachtet, die sich gleichmäßig im Kreis bewegen. Nun kommt erschwerend die Tatsache dazu, dass sich die Erde um sich selber dreht und damit die Kreisbewegung der Wirbel zusätzlich beeinflusst (Stichwort: Corioliskraft). Berücksichtigt man diese, so ergibt sich, dass am westlichen Rand des Subtropenwirbels eine relativ schmale, aber kräftige Strömung nordwärts führt. Am östlichen Rand führt dagegen eine schwache, aber breitere Strömung zurück in Richtung Äquator. Bis hierher sind diese Betrachtungen recht abstrakt. Aber eine dieser starken westlichen Strömungen ist Ihnen mit Sicherheit bekannt: Die Rede ist vom Golfstrom im Nordatlantik. Solche ausgeprägten Strömungen gibt es auch in anderen Ozeanbecken, aber wir konzentrieren uns nun auf diese hier, da sie sich quasi vor unserer Haustür befindet.

Der Golfstrom transportiert zunächst vor der Küste Nordamerikas warmes Wasser aus den Tropen nordwärts, bis er etwa auf Höhe des Bundesstaates North Carolina nach Osten abbiegt und sich auf den Weg in Richtung Europa macht. Dort kommt er zwar nicht mehr in seiner ursprünglichen Stärke an (und heißt mittlerweile auch Nordatlantikstrom) – die Wärme aber findet trotzdem ihren Weg zu uns. Dies geschieht über die Luft, die die Wärme des Wassers aufnimmt und anschließend auch die europäischen Landmassen von dieser Warmwasserheizung profitieren lässt. Wenn wir auf den Anfang zurückblicken, stellt man fest, dass letztendlich die großen Windsysteme für den Golfstrom und dessen mildernden Einfluss auf unser Klima verantwortlich sind.

DWD Atmosphaere und Ozean im Vergleich 3

Wind kann Küsten aber nicht nur indirekt beheizen, sondern auch dafür sorgen, dass es feucht und verhältnismäßig kalt ist. Auch dafür wird die Hilfe der Ozeane benötigt. Weht der Wind entlang einer Küste, so wird auch das dort befindliche Wasser in Bewegung versetzt. Dabei hängt nun die Windrichtung davon ab, an welchem Ort man sich befindet. Machen wir also einen gedanklichen Ausflug an die Atlantikküste Nordwestafrikas! Dort weht der Wind in aller Regel aus nordöstlicher Richtung und transportiert die Wassermassen nach Westen, also von der Küste weg. Dadurch „fehlt“ dort Wasser. Um diese Lücke zu füllen, strömt nun Wasser von unten an die Oberfläche, was als Auftrieb – im Englischen „Upwelling“ – bezeichnet wird. Dieses Wasser ist aber deutlich kälter als das Oberflächenwasser und enthält zudem viele Nährstoffe. In diesen Regionen findet dadurch der Wärmeaustausch umgekehrt statt. Das kalte Wasser wird durch die wärmere Luft darüber erwärmt, dabei kühlen sich die Luftmassen ab. Dabei kann die Lufttemperatur derart absinken, dass die Taupunkttemperatur erreicht wird. Nebelbildung setzt ein. So kann es passieren, dass man sich in den eigentlich warmen tropischen Regionen dicker anziehen muss, um nicht zu frieren.

Welche Folgen aber hat der zweite Aspekt des Auftriebs? In der obersten, lichtdurchfluteten Ozeanschicht tummelt sich das Leben. Die dortigen Nährstoffe sind dadurch rasch verbraucht. Wenn mit dem aufsteigenden kalten Wasser weitere Nährstoffe nachgeführt werden, führt das dazu, dass sich eine Algenblüte entwickeln kann, die die Grundlage für ein weites Nahrungsnetz bildet. Deshalb sind diese Auftriebsregionen eine reiche Quelle für den Fischfang und spielen deshalb eine ähnlich große und wichtige Rolle wie die Wärmezufuhr des Golfstroms bei uns.

Auch wenn es sicher noch viele andere interessante Ähnlichkeiten, Unterschiede und Wechselwirkungen zwischen Atmosphäre und Ozean gibt, soll dieser Teil der Abschluss der kleinen Reihe sein.

Christina Kagel / M.Sc. Felix Dietzsch
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 23.08.2024
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

Atmosphäre und Ozean im Vergleich (2)

Die allgemeine atmosphärische Zirkulation

In den Tropen herrscht ein Überschuss an Sonnenwärme, die Pole gucken dagegen sprichwörtlich in die Röhre. Die Natur mag aber keine zu starken Unterschiede und ist daher stets bemüht, den Polen Wärme zukommen zulassen und die Äquatorregion zu kühlen. Dafür hat sie zwei wichtige Spediteure, den Ozean und die Atmosphäre. In der Atmosphäre gibt es auf der Nord- und Südhalbkugel jeweils drei gedachte Zellen, in denen die Luft zirkuliert.

Direkt nördlich beziehungsweise südlich des Äquators befindet sich die Hadley-Zelle, in den gemäßigten Breiten – also bei uns – ist es die Ferrel-Zelle und den Abschluss bildet die Polare Zelle. Am Äquator zum Beispiel steigt warme Luft auf, kann nicht beliebig weit hinauf und weicht polwärts aus. Dabei kühlt sie ab, sinkt irgendwann wieder und strömt in der Nähe des Erdbodens zurück zum Äquator. Der Wärmetransport in den einzelnen Zellen findet durch kleinere Hoch- und Tiefdruckgebiete statt, die die warmen Luftmassen polwärts und die kalten äquatorwärts aneinander weiterreichen. In dem Bereich jeder Zelle hat der Wind eine bevorzugte Richtung. Diese hängt davon ab, in welche Richtung die Luft am Boden strömt. Bewegt sie sich zum Äquator, wehen die Winde in westliche Richtungen, will die Luft zu den Polen strömen, bläst der Wind entsprechend vornehmlich in östliche Richtungen.
Der Grund dafür ist die sogenannte Corioliskraft, die (großskalige) Bewegungen auf der Nordhalbkugel nach rechts ablenkt, auf der Südhalbkugel nach links (weitere Erklärungen dazu sind im DWD Lexikon zu finden). Um den Äquator sind die Nordost- und Südost-Passate zu finden, die jeweils in Richtung des Äquators wehen. In der Ferrel-Zelle sind Westwinde dominant und an den Erdkappen weht der Wind wieder aus Osten.

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Die Ozeanzirkulation des Oberflächenwassers

So weit, so gut, aber was hat das mit dem Ozean zu tun? Betrachten wir zur Veranschaulichung erst einmal nur die Nordhalbkugel. Man kann sich vorstellen, dass in der Nähe des Äquators der Wind nach Westen und bei etwa 40 Grad Nord nach Osten weht. Durch den beständigen Wind wird auch das Oberflächenwasser transportiert. Es folgt aber nicht einfach der Windrichtung, sondern das Wasser wird durch die oben bereits genannte Corioliskraft nach rechts abgelenkt. Da die beiden großen Windsysteme in entgegengesetzte Richtungen wehen, wird das Wasser durch den Wind am Äquator in nördliche Richtungen gebracht und durch die Westwinde in südliche Richtungen, sodass sich zwischen den beiden Windbändern ein „Wasserberg“ sammelt. Mehr Wasser an einer Stelle bedeutet auch erhöhten Druck. Das ist wieder ein Ungleichgewicht, was ausgeglichen werden will und das Wasser möchte zurück nach außen strömen. Aber auch bei diesem Vorhaben macht die Corioliskraft einen Strich durch die Rechnung und bringt das Wasser wieder nach rechts von seiner Bahn ab.

Wem jetzt bei den vielen Richtungswechseln nicht schwindelig geworden ist, dem ist vielleicht aufgefallen, dass das Wasser sich jetzt im Uhrzeigersinn und damit letztendlich doch wieder in die gleiche Richtung wie der Wind bewegt. Um diese Gedankengänge auf die Südhalbkugel zu übertragen, muss man im Kopf behalten, dass die Corioliskraft dort Bewegungen nach links ablenkt, was aber durch die gespiegelten Windrichtungen letztendlich zu einem analogen Ergebnis mit umgekehrter Strömungsrichtung führt. Und damit haben wir auch im Ozean Zellen gefunden, die dort als Wirbel bezeichnet werden.

Da für einen Wirbel zwei entgegengesetzt wehende Windsysteme nötig sind, gibt es aber nur zwei dieser Wirbel. Den großen Subtropenwirbel und den – durch die Landmassenverteilung bedingt – etwas kleineren Subpolaren Wirbel, der sich andersherum dreht. Wobei die Bezeichnung „klein“ relativ ist, wenn man bedenkt, dass diese Wirbel sich fast über die gesamte Breite eines Ozeanbeckens erstrecken. In den Wirbeln wird mit dem Wasser ebenfalls Wärme transportiert wodurch die Natur versucht den ewigen Temperaturkontrast auszugleichen.

DWD Atmosphaere und Ozean im Vergleich 2

Ausblick auf Teil 3

 

Im dritten und letzten Teilwerden wir uns morgen die Auswirkungen der Wirbel etwas genauer ansehen und noch einen Blick darauf werfen, was der Wind in manchen Küstenregionen mit dem Ozean macht.

Der Sommer 2024 gestaltet sich bisher sehr abwechslungsreich mit vielen spannenden, aber leider auch schadensträchtigen Unwetterlagen. Auch Tornados konnten schon einige registriert werden. Bisher wurden bereits 19 Fälle gesichert bestätigt. Es gibt aber noch zahlreiche Verdachtsfälle, die zu einem späteren Zeitpunkt noch genauer unter die Lupe genommen werden.

Christina Kagel und Dipl.-Met. Marcus Beyer
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 22.08.2024
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst