Meteorologisch, wie nun auch astronomisch hat der Herbst begonnen und lockte uns die vergangenen Tage mit schönem Spätsommerwetter ins Freie, beziehungsweise auf direktem Weg in die nächste Eisdiele. Für uns in Mitteleuropa bedeutet der Herbst, dass es meist wechselhafter und windiger wird, doch in anderen Regionen zieht mit dem Herbst nicht selten auch eine erhöhte Unwettergefahr ins Land.
Heute richten wir unseren Blick nach Süden in Richtung Mittelmeer, denn hier kann der Herbst zumindest regional ganz garstige Züge annehmen. Die (der Übersicht halber nicht vollständigen) Gründe hierfür sind die umfangreichen, warmen Meeresoberflächen, die komplexe Orografie sowie die nun gehäuft vom Nordatlantik hereinschwenkenden Tiefdruckgebiete und Tröge. Im komplexen Zusammenspiel all dieser Faktoren kommt es in den Herbst- und natürlich auch den Wintermonaten wiederholt (wenigstens regional) zu extremen Starkregenereignissen mit teils katastrophalen Folgen. Die dabei gemessenen Niederschlagsmengen finden nicht selten weltweit Beachtung. Schauen wir uns nun aber die genannten Gründe einmal näher an.
Die Orografie und das warme Meerwasser:
Dieser Punkt ist recht verständlich und somit auch schnell erklärt. Man kann sich rein visuell sehr gut vorstellen, wie eine feuchte und labil geschichtete Luftmasse beim Landgang entlang der Orografie regelrecht ausgequetscht wird. Hierbei wird die Luftmasse gezwungen rasch aufzusteigen, sie kühlt sich ab und es bildet sich eifrig Niederschlag. Dabei profitiert der Niederschlagsprozess von der hochreichend warmen Luftmasse, die man rund ums Mittelmeer findet, sodass der sehr effektive Niederschlagsprozess (im Fachjargon der sogenannte „collision coalescence prozess“) für üppiges Tropfenwachstum mit teils extremen Regenraten sorgen kann. Hierbei verschmelzen Tröpfchen unterschiedlicher Größe und wachsen so lange an, bis sie ausfallen.
Als Feuchtezufuhr dienen nicht nur variable Quellen wie der Atlantik oder zeitweise auch die Innertropische Konvergenzzone, sondern natürlich auch die warme Meeresoberfläche, die auch in diesem Jahr recht verbreitet positive Abweichungen der Oberflächentemperatur aufweist.
Zumeist sind die größten Abweichungen der Temperatur nur auf die obersten Meter der Meeresoberfläche beschränkt (aktuell auf 10 bis 20 m Tiefe im westlichen und 30 bis 40 m Tiefe im östlichen Mittelmeer) und können somit rasch bei Tiefdruckpassagen und dem begleitenden Wind abgebaut werden. Allerdings herrschen in diesem Jahr dank der anhaltenden (marinen) Hitzewelle in Südeuropa auch in Tiefen von rund 100 m positive Temperaturabweichungen von teils mehr als 3 bis 4 Kelvin vor, was leider als ein gutes Polster für Starkregenereignisse in dieser Herbstsaison angesehen werden kann.
Bodentief und Kaltlufttropfen:
Bevor es zu einem Starkregenereignis kommt, muss es auch immer einen „trigger“ geben, der das Ereignis auslöst. Dies kann z.B. ein kräftiges Bodentief sein. Ein solches Tiefdruckgebiet besteht aus unterschiedlichen Förderbändern, die jeweils Feuchte in die Nähe des Tiefzentrums transportieren. Meist ist es der nördliche und westliche Bereich der Tiefdruckzirkulation, der mit hohen Niederschlagsmengen besonders ins Auge sticht. Hier strömen die unterschiedlichen Feuchteflüsse des warmen und kalten Förderbands zusammen und werden rasch gehoben. Es bilden sich nun Niederschläge um das Zentrum aus, die in Bändern angeordnet sind und bei einer langsamen Verlagerung des Bodentiefs hohe Niederschlagsmengen bringen können (ähnlich auch zu unserem Dauerregenereignis Ende Mai/Anfang Juni im Süden).
Wenn sich ein Kaltlufttropfen (ein Höhentief mit kalter Luftmasse in der mittleren und oberen Troposphäre) über das warme Mittelmeer bewegt, können diese Wirbel mit der Zeit dank anhaltender Schauer- und Gewittertätigkeit (und somit durch Freisetzung latenter Wärme) einen zunehmend warmen Kern aufbauen und ähnliche Eigenschaften aufweisen, wie ein (sub) tropisches System. Ein solches Beispiel war NUMA im November 2017 und ist unter dem Kunstbegriff „Medicane“ bekannt – einer Wortmischung aus „Mediterranean“ und „hurricane“.
Mesoskalig konvektives System (MCS)/Konvergenz:
Nicht selten sind lokale Windkonvergenzen für die Entwicklung dieser Starkregenfälle verantwortlich, wo also Winde aus unterschiedlichen Richtungen und/oder mit unterschiedlicher Geschwindigkeit aufeinandertreffen und dort fokussiert für Hebung, Kondensation und für Schauer und Gewitter sorgen. Wenn die Bedingungen günstig sind (ausreichend Labilität, ein starker und beständiger Wind, der eine feucht-labile Luftmasse heranführt und eine langlebige Konvergenz), dann können sich auch mesoskalig-konvektive Systeme bilden, die über Stunden leben. Dies sind – vereinfacht gesagt – kompakte Gewittergebiete, die sich teils vor Ort immer wieder regenerieren und dadurch teils extreme Niederschlagsmengen bringen können. Beispiele solcher Cluster sind in folgendem Bild einsehbar, wo die Radarbilder die Regengebiete hervorheben. Je mehr orange oder rot, umso kräftiger der Regen.
Wie extrem so etwas ausfallen kann, zeigte die Sturzflut vom 4. Oktober 2021, wo rund um Genua (Italien) extreme Regenmengen gemessen wurden mit folgenden einstündigen (!) Mengen: 145.2 l/m² in Cairo Montenotte, 178.2 l/m² in Urbe und 181 l/m² in Vicomorasso (alles italienische Rekorde). In 24 Stunden fiel in Rossiglione sogar eine unglaubliche Menge von mehr als 900 l/m²!
Vom 5. auf den 6. September 2023 waren es in Griechenland an der Station Zagora bis zu 750 l/m² in 24h und es gibt noch viele weitere Beispiele, die auch Südfrankreich und den Osten Spaniens betreffen. Man braucht nicht groß zu erörtern, dass solche Regenmassen verheerende Sturzfluten bzw. Überschwemmungen hervorrufen können.
Abschließend wird noch ein kräftigeres Niederschlagsereignis vorgestellt, dass sich am 18. und 19. September 2024 in der Region Emilia-Romagna (Norditalien) zugetragen hat.
Das Höhentief, das bereits in Teilen Ost- und Mitteleuropas extreme Regenfluten gebracht hat, zog in der Folge in das Ligurische Meer. Im Anschluss schwenkte es etwas nach Osten, um sich dann über der Adria aufzulösen.
Entlang der östlichen Flanke des Höhentiefs etablierte sich eine umfangreiche Konvergenz. In dem Fall waren dies feucht-warme südwestliche Winde, die um das Höhentief herumgeführt wurden (hier nicht eingetragen) und über der nördlichen Adria auf östliche Winde trafen, die durch die Bora (einem Fallwind entlang der nordadriatischen Küste) ausgelöst wurden. Das Ergebnis war eine wellende Konvergenz, die in die feucht-labile Luftmasse über der Adria fußte (gelb-orangene Färbung, die bis zu 1000 J/kg andeutet). Da das steuernde Höhentief nur sehr langsam zog, waren die Bedingungen für anhaltende und mit Gewittern durchsetzte Niederschläge gegeben, die wiederholt in die Region um Emilia-Romagna ziehen sollten (hier 12-stündige vorhergesagte Niederschlagsmengen bis 18 UTC eingetragen, siehe Bild 5).
Gefallen sind letztendlich in einem Streifen von Ancona bis nach Bologna innerhalb von 24 Stunden verbreitet 50 bis 150 l/m², lokal über 200 l/m² und dies trifft auch 48-stündig auf die Küstenregionen um Ancona zu, wo ebenfalls über 200 l/m² Niederschlag gemessen wurde. Dies sorgte in diesen Regionen nach 2023 erneut für teils erhebliche Überschwemmungen.
Es bleibt abzuwarten, wie diese Saison im Mittelmeer verläuft. Es ist zu befürchten, dass wir wieder die eine oder andere Schlagzeile von Überschwemmungen im Mittelmeerraum lesen werden.
Dipl.-Met Helge Tuschy
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 23.09.2024
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