Schneesturm. Glatteis. Winter.

Vermutlich wird man dieses Wochenende etwas länger in Erinnerung behalten. Die sich anbahnende Wetterlage bringt Schneemassen, Verwehungen und Eisregen. Davon betroffen sind vor allem Gebiete in der nördlichen Mitte Deutschlands.

„Reinhard“ und „Tristan“, das sind die Namen der beiden „Übeltäter“, die die Wetterküche über Mitteleuropa am Laufen halten und sie in der Nacht zum Sonntag richtig aufdrehen. „Tristan“ – das ist ein Tief, das von Südfrankreich Richtung Adria und Balkan zieht, und sehr milde und feuchte Luft aus Süden zu uns nach Deutschland führt. Diese trifft auf eine ziemlich kalte Luftmasse polaren Ursprungs, die am südlichen Rand von Hoch „Gisela“ mit Schwerpunkt über Skandinavien von Osten bis in den Norden Deutschlands geführt wird. In der Folge bildet sich bei uns eine Luftmassengrenze mit großen Temperaturgegensätzen aus. Sehr gut lässt sich das anhand der Temperatur in etwa 1,5 km Höhe (bzw. für Kenner: auf dem 850 hPa-Niveau) beschreiben. In der milden Luftmasse liegt sie in Süddeutschland bei etwa +12°C, auf der kalten Seite im Norden dagegen bei etwa -12°C. Einen solchen Temperaturunterschied gibt es nicht alle Tage.

An der Stelle kommt Tief „Reinhard“ ins Spiel, das zum aktuellen Zeitpunkt über Großbritannien liegt, und sich in den folgenden Stunden entlang der Luftmassengrenze nach Osten verlagert. „Reinhard“ drückt die feucht-warme Luft aus Süden weiter gegen die kalte Luft im Norden. An der Luftmassengrenze setzen deswegen ab heute Abend ergiebige Schneefälle ein. Und weil die warme Luft gleichzeitig sehr feucht ist, fallen diese äußerst ergiebig aus. Von heute Abend bis in die Nacht zum Montag hinein kommen in der nördlichen Mitte 15 bis 35, lokal um 40 cm Neuschnee zusammen. Der Schwerpunkt der kräftigsten Schneefälle kristallisiert sich derzeit in einem Bereich vom Münsterland und dem Sauerland bis nach Sachsen-Anhalt und Thüringen hinein.

Der Schnee selber ist aber nur ein Teil des Ganzen. Mit „Reinhard“ frischt auch der Wind zunehmend auf. Insbesondere in den Gebieten mit dem stärksten Schneefall weht auch der kräftigste Wind. Dabei sind Böen von bis zu 70 km/h nicht ausgeschlossen. In Kombination mit dem Schneefall und Temperaturen unter dem Gefrierpunkt treten teils extreme, meterhohe Schneeverwehungen auf, die Straßen- und Schienenwege unpassierbar machen können.

Als wäre das noch nicht genug, gibt es noch einen dritten Teil dieser Geschichte. Südlich der Schneefallgebiete grenzt ein Bereich wärmerer Luft an, in dem der Niederschlag von Schnee in Regen übergeht und zur Glatteisbildung führen kann. Im heutigen Fall kann die Glatteisbildung zwei verschiedene Ursachen haben. Zum einen kann der Regen auf gefrorenen Boden fallen. Zum anderen ist es möglich, dass der Regen nochmals durch eine Schicht kalter Luft von unter 0 Grad fällt, ohne zu gefrieren. Trifft er dann auf eine Oberfläche oder einen Gegenstand, gefriert er aber sofort. Dieser sogenannte „unterkühlte Regen“ kann dann in relativ kurzer Zeit regelrechte Eispanzer auf sämtlichen Gegenständen und Objekten bilden, wie zum Beispiel auf Bäumen, Stromleitungen und -masten. Dabei besteht unter der zusätzlichen Traglast eine ernsthafte Gefahr von abbrechenden Ästen, umstürzenden Bäumen und zusammenbrechenden Stromleitungen. Die Bereiche, in denen unterkühlter und gefrierender Regen auftreten, lassen sich im Vorfeld kaum detailliert ausmachen. Es ist nur eine relativ grobe räumliche Einordnung möglich.

Alle diese Faktoren stellen das Warnmanagement des Deutschen Wetterdienstes gerade vor enorme Herausforderungen. Es gilt schließlich, die komplizierte und komplexe Wetterlage in übersichtliche Bilder und Texte zusammenfassen, und dem Geschehen trotzdem gerecht zu werden. Verfolgen Sie deshalb aufmerksam die aktuelle Warnlage unter www.dwd.de oder in unserer WarnWetter-App.

M.Sc. Felix Dietzsch

Deutscher Wetterdienst Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach, den 06.02.2021

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