Heizen mit Eis
Mithilfe von Eis ein Haus heizen? Klingt paradox, funktioniert aber. Über Umgebungswärme, Erdwärme, Kristallisationsenergie – und einen Eisspeicher als innovative Energiequelle.
Während in den vergangenen Tagen bei frühlingshaften, ja teils sogar frühsommerlichen Temperaturen die Heizung in vielen Haushalten vermutlich kalt blieb, fließt mit dem Kaltluftvorstoß am morgigen Ostermontag (siehe gestriges Tagesthema) nicht nur kalte arktische Polarluft nach Deutschland, sondern bestimmt auch wieder warmes Wasser durch das ein oder andere Heizungsrohr. Kein Wunder, soll es doch bei Außentemperaturen im einstelligen Bereich muckelig warm im heimischen Wohnzimmer sein.
Wenn man dann eher der “mollige 23-Grad-“, statt der “frische 19-Grad-Typ” ist und zusätzlich im Keller oder draußen unter der Erde eine Gas- oder Ölheizung brummt, kann sich schonmal das ökologische Gewissen melden. “Jedes Grad weniger spart sechs Prozent Heizenergie” souffliert es und schon ist man im Dilemma, einen eigenen kleinen Beitrag zum Klimaschutz leisten zu wollen, aber nicht mit Wollsocken und Fleecejacke in der Wohnung sitzen möchte. Zugegeben: Nachhaltige Heizungssysteme sind derzeit eher rar. Doch es gibt sie – und damit wären wir beim heutigen Thema, denn wir widmen uns einer Lösung, die mit Sonne, Luft und Erdwärme gleich drei natürliche Energiequellen kombiniert: Eine Eisspeicherheizung.
Wie funktioniert das genau?
Wichtigster Bestandteil einer Eisspeicherheizung ist der namensgebende Eisspeicher. Dabei handelt es sich um eine nicht isolierte Zisterne (meist aus Beton), die unter der Erdoberfläche vergraben wird. Innerhalb der Zisterne sind zwei spiralförmige Leitungen verlegt, in denen eine frostsichere Flüssigkeit (Sole) zirkuliert: Eine der Spiralen ist ein sogenannter Entzugswärmetauscher, die andere ein Regenerationswärmetauscher. Die Zisterne selbst wird mit Wasser gefüllt.
Nun geht’s los: Der Entzugswärmetauscher entzieht dem Wasser seine Wärmeenergie. Dadurch sinkt die Wassertemperatur allmählich, bis das Wasser zu gefrieren beginnt. Die entzogene Energie wird an eine Wärmepumpe weitergeleitet und zum Heizen oder zur Warmwasserbereitung nutzbar gemacht. Während das Wasser unterirdisch in der Zisterne also gefriert, wird das Wohnzimmer muckelig warm. Ist das Wasser im Speicher gänzlich gefroren, kommt der Regenerationswärmetauscher an die Reihe: Er führt der Zisterne wieder Wärme hinzu und zwar über einen “Solar-Luftabsorber” auf dem Hausdach, der die Wärme der Umgebungsluft und – falls vorhanden – der Sonnenstrahlung nutzt. Zusätzlich kommt die Erdwärme ins Spiel: Denn durch die fehlende Isolierung der Zisterne erwärmt sich der Eisspeicher durch das Erdreich, dessen Temperatur das ganze Jahr über nahezu konstant bei 8 bis 12 °C liegt, sodass das Auftauen des gefrorenen Wassers zusätzlich beschleunigt wird. Ist das Wasser wieder flüssig, lässt sich der Kreislauf beliebig oft wiederholen.
Der Clou dieses Systems liegt vor allem in der Nutzung eines – ja beinahe simplen – physikalischen Prozesses: Dem Gefrieren von Wasser zu Eis. Denn bei diesem Phasenwechsel wird Energie frei, sogenannte Kristallisationsenergie, und mit 93 Wattstunden pro Kilogramm Wasser gar nicht mal so wenig (oder zur besseren Veranschaulichung: Die Kristallisationswärme stellt dieselbe Energiemenge bereit, die benötigt wird, um einen Liter Wasser von 0 °C auf 80 °C zu erhitzen). Für unseren Eisspeicher bedeutet das: Bei einem Volumen von 10 Kubikmetern liefert er in etwa die gleiche Energiemenge wie die Verbrennung von 110 Litern Heizöl.
Und noch ein weiterer Vorteil: Im Sommer, wenn selbst die “23-Grad-Typen” unter uns ein frisches Lüftchen in der heimischen Bude herbeisehnen, lässt sich mit der Eisspeicherheizung auch kühlen.
Auch wenn man für die Anschaffung einer Eisspeicherheizung recht tief ins Portemonnaie greifen muss, diese nicht für jedes Gebäude sinnvoll sind (Nachrüstung in schlecht gedämmten Altbauten lohnt sich eher weniger) und man nicht ganz ohne Strom (für die Wärmepumpe) auskommt: Eine Überlegung – nicht nur für das ökologische Gewissen – ist eine solche Eisspeicherheizung, vor allem bei einem Neubauprojekt, vielleicht trotzdem wert.
In den letzten Jahren hat die Nachfrage an Eisspeicherheizungen, nicht nur im gewerblichen, sondern auch bei Ein- und Mehrfamilienhäusern übrigens deutlich zugenommen. Neben dem Fraunhofer Institut in Kassel, dem Stadtarchiv in Bad Cannstatt und der Siedlung Friedrichsdorf nördlich von Frankfurt gibt es ein weiteres prominentes Beispiel, das gefrorenes Wasser sonst jedoch eher vor einem anderen Hintergrund (oder besser Untergrund) kannte: Denn auch Ski-Weltmeister Felix Neureuther heizt seit letztem Jahr in seinem Haus in Garmisch-Partenkirchen mit Eis.
Dipl.-Met. Magdalena Bertelmann
Deutscher Wetterdienst Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach, den 04.04.2021