Westwetter-Winterkiller
Winter adé – jetzt kommt die Westwetterlage: Es wird nass, mild und windig. Und damit geht es dem Schnee im Bergland mächtig an den Kragen.
Eins muss man dem Winter zugutehalten: Er versucht es zumindest! Ein kleines Winterintermezzo brachte den höheren Mittelgebirgslagen und den Alpen zu Wochenbeginn etwas Schnee. Regional konnte man sich also endlich mal wieder die Bretter unter die Füße schnallen und sich damit auf die Piste wagen. Doch der Winterspaß findet ein jähes Ende, selbst in den Alpen werden sich die Bedingungen in den kommenden Tagen wohl rapide verschlechtern. Denn er ist zurück, der Wiederholungstäter auf der europäischen Wetterbühne: Die zyklonale Westlage hält Einzug und beschäftig uns bis zu Beginn der kommenden Woche.
Die Westlage ist der reinrassige Vertreter der Wetterlagen mit zonaler Zirkulationsform, was bedeutet, dass die Strömung eine vorwiegend westliche ist. Mit der Westströmung wird fortwährend milde bis sehr milde Atlantikluft nach Deutschland geführt. Temperaturen um oder gar über 15 Grad bei zugleich sehr milden Nächten werden keine Seltenheit sein. Zu allem Überfluss sorgt der zyklonale Bruder der Westlagen dafür, dass sich auch immer wieder Tiefausläufer die Ehre geben, die nicht nur wiederholt Niederschläge bringen, sondern den Wind zeitweise auch stark bis stürmisch auffrischen lassen. Die „Warmluftdüse“ treibt die Nullgradgrenze – und damit natürlich auch die Schneefallgrenze -weit nach oben. Sie liegt teilweise deutlich über 2000 Meter.
Regen, Wind und Wärme – eine Wetterkombination, die man getrost als den „Schneefresser“ schlechthin bezeichnen darf. In der meteorologischen Terminologie spricht man ganz nüchtern von „Tauwetter“. Dieses über mehrere Tage anhaltenden Tauwetter lässt nun den Schnee dahinschmelzen und sorgt nicht nur für Verärgerung bei den Wintersportlern, sondern auch für eine gewisse Halbachtstellung bei den Hydrologen. Denn dort, wo zu den ergiebigen Regenfällen noch das Schmelzwasser hinzukommt, können sehr erkleckliche Wassermengen zusammenkommen, die die Pegel der Bäche und Flüsse rasch ansteigen lassen. Die Hydrologen sprechen dabei gerne auch vom „Niederschlagsdargebot“.
Die Wettermodelle sehen übereinstimmend einen Niederschlagsschwerpunkt in der Südhälfte. Modellübergreifend werden bis Dienstagabend verbreitet 30 bis 60 l/qm simuliert. In Staulagen der Mittelgebirge fällt natürlich noch mehr, 60 bis 80 l/qm scheinen durchaus wahrscheinlich. Den Vogel abschießen werden voraussichtlich der Schwarzwald und Teile des Alpenrandes, wo Mengen um oder über 100 l/qm nicht ausgeschlossen werden können. In der Schneedecke im höheren Bergland sind je nach Höhenlagen 10 bis 30 l/qm, in den Gipfellagen und in den Alpen mitunter natürlich noch deutlich mehr Wasser „gespeichert“. Zumindest in den Mittelgebirgen und in tieferen Lagen der Alpen wird der Schnee komplett wegschmelzen, sodass diese Wassermenge zu den Niederschlagsmengen hinzukommt.
Wirklich kritisch ist die Warnlage im Hinblick auf warnwürdige Niederschlagsdargebote voraussichtlich erst ab Sonntag. Denn dann fällt tatsächlich ein größerer Teil der erwähnten Niederschlagsmengen und auch die Schneedecke, sofern sie noch vorhanden ist, ist dann nicht mehr so locker und „wasseraufnahmefähig“ wie zurzeit. Ob das Tauwetter tatsächlich in eine Hochwasserlage mündet, muss abgewartet werden. Noch sind die Vorhersagen mit gewissen Unsicherheiten behaftet.
Zur Wochenmitte ist das „Westwetter“ erst mal passé, denn rückseitig einer Kaltfront dreht die Strömung auf Nord und die Niederschläge gehen zunächst im Bergland, vielleicht sogar bis in tiefere Lagen wieder in Schnee über.
Dipl.-Met. Adrian Leyser
Deutscher Wetterdienst Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach, den 31.01.2020
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