Orkantief SABINE ist uns allen noch in guter Erinnerung. Der Wintersturm fegte mit seinem Sturmfeld vergangenen Sonntag bis Dienstag (9. bis 11.02.2020) über Deutschland hinweg und sorgte für verbreitet schwere Sturmböen, im Westen und Süden sowie an der Nordseeküste zeitweise orkanartige bis Orkanböen und in den Bergen für vollen Orkan.
Ab heute rückt der kommende Sonntag so allmählich in den Kurzfristzeitraum unserer Wetterprognosen (bis zu 3 Tage). Wagen wir einen Blick auf die Bodenwetterkarten (siehe Links): Sonntag sind wieder etliche Isobaren (Linien gleichen Luftdrucks) über ganz Nordeuropa und respektive auch Deutschland zu sehen. Je enger die Linien beieinanderliegen, desto höhere Windgeschwindigkeiten sind in der Regel zu erwarten. Aber das dürfte seit SABINE nun schon vielen unserer Leser bewusst sein.
Droht nun ein weiterer Sturm in Deutschland oder werden wir verschont?
Hierzu schauen wir uns die Entwicklung des Druckfeldes in den kommenden Tagen einmal im Detail an. Am Freitag taucht auf den Vorhersagekarten östlich von Neufundland das Tief VICTORIA auf. Es wird unter starker Intensivierung nordostwärts rasen und ab Samstag zu einem steuernden Orkantief bei Island werden. Beeindruckend hierbei ist die räumliche Dimension des Tiefdrucksystems mit mehreren Kernen. Das Isobarenfeld deckt den kompletten Nordostatlantik und Teile Nordwesteuropas ab. Das gesamte System wird sich bis Sonntag langsam ostwärts verlagern, sodass das Sturmfeld allmählich Mitteleuropa erfasst. In der Nacht zum Sonntag wird am Frontensystem die Entwicklung eines Teiltiefs vor der Küste Südnorwegens vorhergesagt. Naturgemäß wird dieses dann der Höhenströmung folgend nordostwärts ziehen. Damit dehnt sich das Sturmfeld bis in den Nordosten Europas aus. Eindrucksvoll zeigt dies die Prognosekarte von 00 UTC in der Nacht zum Montag. Aus heutiger Sicht wird sich VICTORIA, die in der Nacht zum Montag bereits bei den Hebriden erwartet wird, im Laufe des Tages dann rasch abschwächen. Zwar drückt das Hoch bei den Azoren nach, dennoch wird der Druckgradient über Mitteleuropa allmählich auffächern.
Ist die Entwicklung ähnlich wie bei SABINE?
Die beigefügten Grafiken zeigen die 84-std. und 108-std. Vorhersagekarten von SABINE (oben) und VICTORIA (unten), also die Vorhersagen zum selben Prognosezeitpunkt. Wirft man nur einen kurzen Blick auf die vier Grafiken, könnte man schnell den Eindruck bekommen, dass Deutschland wieder eine schwere Sturmlage ins Haus steht. Schaut man ins Detail und der Einfachheit halber nur auf den Gradienten im Bodendruckfeld, ist relativ schnell erkennbar, dass SABINE erstens deutlich näher mit ihrem Kern und den höchsten Windgeschwindigkeiten an Deutschland lag und zweitens der Druckgradient über Deutschland stärker war als wir ihn am kommenden Sonntag und Montag erwarten.
Was bedeutet dies nun im Detail für den Wind in Deutschland?
Aus der Betrachtung der verschiedenen Wettermodelle ergibt sich folgender Ablauf, wobei zunächst das Hauptaugenmerk auf dem Tiefland liegt: Im Verlauf der Nacht zum Sonntag wird der Wind in Nordwestdeutschland bereits aufleben. Das Maximum der Windsituation wird jedoch erst am Sonntagabend und in der Nacht zum Montag erwartet, wenn eine Kaltfront auf das Bundesgebiet von Nordwesten her übergreift. Aus heutiger Sicht werden im Nordwesten und in der Mitte die höchsten Böen erreicht. Dort ist verbreitet mit stürmischen Böen und Sturmböen zu rechnen, entlang der Kaltfront und an der Nordseeküste sind auch schwere Sturmböen möglich. Bis Montagabend wird von diesen starken Winden vor allem noch der Norden Deutschlands (nördlich einer Linie Emsland – Rügen) betroffen sein. Auf den Bergen ist mit großer Wahrscheinlichkeit mit schweren Sturmböen und auf den exponierten Gipfeln mit Orkan zu rechnen. Die Bewohner in Süddeutschland abseits der Berge werden von der Windsituation wohl kaum etwas zu spüren bekommen und sich im Nachhinein vermutlich fragen, von welchem Sturm diesmal die Rede war.
Welche Unsicherheiten gibt es?
Dieser Sturm, von dem aktuell bereits in den Medien die Rede ist, wird ein der Jahreszeit entsprechendes „ganz normales“ Windereignis werden und ist aus heutiger Sicht mit Orkan SABINE keinesfalls vergleichbar. In den Wettermodellen herrscht insgesamt Einigkeit, vor allem darüber, dass es am Sonntag und Montag bei uns im Nordwesten stürmisch werden wird. Jedoch gibt es immer noch Unsicherheiten bezüglich der Details. Diese sind im Vergleich zur Lage von SABINE zum selben Prognosezeitpunkt (etwa 72 Stunden vorher) deutlich größer. Aufgrund dessen sind kleine Überraschungsmomente immer noch denkbar: Die meisten Modelle berechnen aktuell noch eine glatte Südwestströmung. Allerdings ist nicht ausgeschlossen, dass sich bis Sonntag in dieser Strömung kleine Wellentiefs ausbilden, die regional zu einer Verschärfung des Windes führen könnten. Die Prognosen werden sich in den kommenden Tagen dahingehend konkretisieren. Verfolgen Sie daher unsere Wettervorhersagen auf unserer Webseite oder in der WarnWetter-App.
Dipl.-Met. Julia Fruntke
Deutscher Wetterdienst Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach, den 13.02.2020
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