Der Herbst kommt
Hejo, spann den Wagen an,
Denn der Wind treibt Regen übers Land!
Hol die goldnen Garben,
Hol die goldnen Garben.
Na, erinnert sich noch jemand von Ihnen an diese (oder sehr ähnliche) Liedzeilen? Dem ein oder anderen dürfte der Musikunterricht in der Schule sicher noch in Erinnerung geblieben sein. Hängen geblieben ist beim Autor vor allem die meteorologische Zeile. Und Wind, der Regen übers Land treibt, ist dieser Tage reichlich vorhanden. Es könnte also passender kaum sein.
Unser Hauptakteur in dieser ganzen Geschichte ist ein Tiefdruckkomplex namens „Constanze” (internationale Benennung: „Aitor”). Dieser entstand im Zeitraum vor 24 bis 48 Stunden über dem Atlantik im Rahmen eines umfassenden polaren Kaltluftausbruchs (Abb. 1).
Dabei ist „Komplex” ein wichtiges Stichwort. Die Wetterlage gestaltet sich ziemlich dynamisch. Dadurch bekommen wir es mit mehreren Randtiefs zu tun, die bei uns die Musik machen. Ein erstes solches Randtief zieht bereits heute Nachmittag entlang der Küste ostwärts und sorgt dort kleinräumig für die ersten Sturmböen. Die Ausläufer des gesamten Komplexes in Form mehrerer Fronten liegen bereits über uns. Sie sorgen vor allem im Südwesten und Süden aus der Schweiz und Frankreich heraus für reichlich Regen.
Erst in der Nacht zum morgigen Freitag lassen die Regenfälle allmählich nach und verlagern sich mit Vorankommen des Tiefdruckkomplexes und seiner Fronten nord- und ostwärts. Bis Freitagmorgen sollte der Regen fast überall nachgelassen haben. Einzige Ausnahme: Die Nordseeküste. Dort kommt bereits das nächste Randtief ins Spiel. An dieses Randtief ist vorderseitig nach Osten eine neue Warmfront gekoppelt. Dadurch kommt es entlang Nordsee und der westlichen Ostsee zu weiteren kräftigen Niederschlägen. Im Laufe des Freitags intensiviert sich dieses Tief weiter auf seinem Weg nach Osten und nähert sich ebenfalls der Nordseeküste. In den Modellprognosen weist dieses Randtief einen ziemlich scharfen Druckgradienten auf, was zu einer weiteren Verschärfung der Sturmlage im Bereich der Deutschen Bucht führen dürfte. Nicht auszuschließen, dass die Nordfriesischen Inseln und Helgoland morgen auch Böen in orkanartiger Stärke zu spüren bekommen. Orkanartig heißt dabei: Windstärke 11 Bft mit Böen von deutlich über 100 km/h. Dieses Sturmfeld greift auch weiter landeinwärts auf größere Teile des Nordwestens über. Dort liegen Sturmböen von 70 bis 80 km/h im Bereich des Möglichen. Allerdings ist diese Entwicklung insgesamt noch mit gewissen Unsicherheiten behaftet (siehe Abb. 2).
Hinter diesem Tief geht es weiter mit der nachfolgenden Kaltfront. Der Wind dreht dort nun instantan auf nördliche Richtungen und weht weiter in Sturmstärke. Entlang der Kaltfront kommt es zusätzlich zu kräftigen Schauern und Gewittern. Sogar ein gewisses Tornadorisiko lässt sich dabei nicht völlig von der Hand weisen, wobei Tornados im Fall der Fälle vor der Kaltfront auf der „warmen” Seite auftreten würden. Dass derartige Lagen ein Potential bergen, wurde bereits am gestrigen Mittwoch bewiesen, als es in Nordrhein-Westfalen zum Auftreten mehrerer Tornados an eigentlich unscheinbar daherkommenden Schauer- und Gewitterzellen kam.
Nun der Blick auf den Rest des Landes. Dort geht es nicht ganz so „wild” zur Sache. Nördlich der Mittelgebirgsschwelle bleibt es voraussichtlich größtenteils sogar trocken. In der Mitte und im Süden überquert ein Niederschlagsgebiet mit Schauern und Gewittern das Land ostwärts. In dessen Zuge können dort auch bis in tiefe Lagen starke bis stürmische Böen auftreten, im Bergland sind auch Sturmböen bis Stärke 9 Bft möglich. Nachdem dieses Niederschlagsgebiet den Südosten Bayerns erreicht, folgen im Westen nochmals Schauerstaffeln nach, die aber bereits nicht mehr so viel Wind im Gepäck haben. Auch diese ziehen im Laufe der Nacht zum Samstag ostwärts ab.
Der Samstag selber wird dann schon deutlich ruhiger. Im Nordwesten ziehen aus Richtung Nordsee nochmals Regenschauer ins Land und an den Alpen regnet es mit Winddrehung auf Nordwest etwas länger im Zuge einer leichten Staulage. Der Wind spielt kaum noch eine Rolle und weht nur noch an der Küste stürmisch. Der Luftmassenwechsel ist nun abgeschlossen und macht sich bei den Temperaturen bemerkbar. Tagsüber steigen die Werte jetzt nur noch auf Werte um 15 °C. In der Nacht zum Sonntag setzt sich nachfolgend Hochdruck durch und es klart oftmals auf. Insbesondere in der südlichen Hälfte Deutschlands bedeutet das, dass es mit den Temperaturen ordentlich in den Keller geht. Verbreitet sinken die Werte hier auf 4 °C bis 2 °C, in den entsprechenden Mittelgebirgen könnten auch schon die ersten 0 °C-Werte auf dem Programm stehen. In der nächsten Woche zeigt sich dann wieder ein Trend für leicht zunehmende Temperaturen, allerdings gestaltet sich die weitere Wetterentwicklung ausgesprochen unsicher. Nur soviel scheint festzustehen: Die 20 °C-Marke werden wir wahrscheinlich kaum nochmal wiedersehen. Aber man soll ja nie „nie” sagen.
M.Sc. Felix Dietzsch
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 26.09.2024
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst