Phänomen Nebel – Teil 1: Der Strahlungsnebel
Vor allem im Winterhalbjahr tritt nicht selten Nebel (und Hochnebel) auf. Er kann für eine mystische Stimmung sorgen, wenn die aufgehende Sonne flache Nebelschwaden über Wiesen oder ein dichtes Nebelmeer von oben anstrahlt (Abb. 1). Er kann uns aber auch ziemlich aufs Gemüt schlagen, wenn er sich tagelang hält und uns tristes Wetter ohne Sonnenschein bringt. Einigen unter Ihnen ist sicherlich noch die über mehrere Wochen andauernde Hochdrucklage von Mitte Oktober bis Mitte November in Erinnerung, in der die Niederungen tagelang unter einer dichten Hochnebeldecke lagen oder man sogar ganztägig im Nebel saß. In einer neuen Themenreihe widmen wir uns dem Phänomen Nebel, der durch völlig unterschiedliche meteorologische Phänomene und Situationen entstehen kann.
Allgemeines
Von Nebel spricht man, wenn die horizontale Sichtweite unter einem Kilometer absinkt und die relative Luftfeuchte nahe 100 % (d.h. Sättigung) liegt. Bei größeren Sichtweiten von einem bis acht Kilometern und einer relativen Luftfeuchte von mehr als 80 % spricht man hingegen von feuchtem Dunst. Nebel entsteht, wenn sich die Lufttemperatur der Taupunktstemperatur (kurz: Taupunkt) annähert oder diese erreicht. Der Taupunkt beschreibt jene Temperatur, bei der die Luft bezüglich des Wasserdampfs gesättigt ist und die relative Luftfeuchte demnach 100 % beträgt. Je höher der Taupunkt, desto mehr Feuchtigkeit kann eine Luftmasse in Form von unsichtbarem Wasserdampf aufnehmen und umgekehrt. Erreicht die Lufttemperatur nun den Taupunkt oder unterschreitet sie diesen, kondensiert überschüssiges Wasser zu flüssigem Wasser, es findet also der Phasenübergang von Wasserdampf zu Flüssigwasser statt. Die dabei in der Luft entstehenden schwebenden und gewöhnlich mikroskopisch kleinen Wassertröpfchen verringern die Sichtweite und es kommt schlussendlich zum Nebel. Er ist folglich nichts anderes als eine gewöhnliche Wolke, die am Boden aufliegt.
Unterschiedliche meteorologische Effekte können dazu führen, dass die Lufttemperatur den Taupunkt erreicht oder unterschreitet. Eine Möglichkeit besteht durch die Abkühlung der bodennahen Luftschicht, wie es beispielsweise beim sogenannten Strahlungsnebel der Fall ist, welchen wir uns heute genauer ansehen.
Strahlungsnebel
Der Strahlungsnebel ist in vielen Regionen Deutschlands die am häufigsten auftretende Nebelart. Er bildet sich, wenn die Temperatur der Erdoberfläche durch nächtliche Ausstrahlung absinkt und im weiteren Verlauf dabei auch die bodennahe Luftschicht unter den Taupunkt abkühlt. Diese Abkühlung kann teils nur die untersten Meter betreffen und sehr flache Nebelbänke bilden. Bei ausreichend turbulenter Durchmischung kann aber auch eine wenige Hundert Meter dicke Luftschicht unter den Taupunkt abkühlen, wodurch dichte Nebelfelder entstehen. Strahlungsnebel kann sowohl im Flachland (z.B. Norddeutsche Tiefebene) als auch im stark gegliederten Bergland auftreten. Dort ist er bevorzugt in Senken, Mulden oder Tälern zu finden, die sich nachts oft mit der von den Hängen abfließenden Kaltluft füllen. Dabei entstehen sogenannte Kaltluftseen, in denen sich durch weitere Strahlungsabkühlung Nebel bilden kann. Die Bergspitzen liegen häufig oberhalb des Nebels. Oft kann man von dort aus bei Sonnenschein auf das Nebelmeer in den Niederungen blicken (Abb.2).
Zuvor gefallene Niederschläge, die den Erdboden mit Feuchtigkeit versorgen, können die Nebelbildung ebenso begünstigen wie Feuchtgebiete (z.B. Sümpfe, Seenlandschaften). Damit Nebel entstehen kann, sollte es zuvor weitgehend wolkenfrei oder sternenklar sein, um eine starke Auskühlung der Erdoberfläche zu ermöglichen. Zudem sollte es nahezu windstill sein, da zu starker Wind für eine zu starke turbulente Durchmischung sorgen würde, die eine bodennahe Abkühlung der Luftschichten unter den Taupunkt verhindern würde. Daher tritt Nebel meist bei windschwachen Hochdrucklagen auf.
Häufig lässt sich im Spätherbst und Frühjahr beobachten, dass die Sichtweite auch noch eine Stunde nach dem Erreichen des Temperaturminimums, welches sich etwa eine halbe Stunde nach Sonnenaufgang einstellt, schlechter wird, oder dass die Nebelbildung erst zu diesem Zeitpunkt beginnt. Grund hierfür ist die beginnende Sonneneinstrahlung und die damit verbundene Wasserdampfzunahme durch Verdunstung von Tau und die stärkere vertikale Durchmischung der bodennahen Luftschicht.
Ein typischer Strahlungsnebel ist der sogenannte Wiesennebel. Er zeichnet sich durch eine dünne, schwadenförmige Nebelschicht (sog. Nebelbänke) aus, die sich häufig über Wiesen oder in flachen Mulden bilden und sich nach Sonnenaufgang schnell wieder auflösen.
Hochnebel
Auch der Hochnebel ist eine typische Form des Strahlungsnebels. Der Hauptunterschied zum klassischen Bodennebel ist, dass es sich um eine gleichmäßige, tiefliegende Wolkenschicht handelt, die vom Boden abgehoben ist. Unterhalb des Hochnebels beträgt die horizontale Sichtweite mehr als 1000 Meter. Wird diese Nebelschicht an Berghängen oder durch schwache dynamische Prozesse gehoben, kann aus ihr Sprühregen oder bei ausreichend kalten Temperaturen Schneegriesel zu Boden fallen.
Am häufigsten entsteht Hochnebel durch Abkühlung wasserdampfreicher Luft unterhalb einer starken Inversion (d.h. Temperaturzunahme mit der Höhe), die durch das Absinken im Bereich eines Hochdruckgebiets entstanden ist. Aber auch Bodennebel kann sich zu einem Hochnebel umwandeln. Dies ist häufig am Vormittag der Fall, wenn sich die bodennahen Luftschichten entweder durch diffuse Einstrahlung und/oder durch zunehmendem Wind bzw. der dadurch verstärkten turbulenten Durchmischung über den Taupunkt erwärmen. Die relative Luftfeuchte sinkt so unter 100 % und der Nebel löst sich in der Folge vom Boden ausgehend auf.
Dr. rer. nat. Markus Übel (Meteorologe)
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 05.12.2024
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