Phänomen Nebel – Teil 2: Der Advektionsnebel
Im Thema des Tages vom 5. Dezember 2024 (siehe unten angefügter Link) widmeten wir uns dem Strahlungsnebel, der häufigsten Nebelart in Deutschland. Vor allem bei ruhigen Hochdrucklagen im Winterhalbjahr ist dieser ein häufiger Begleiter und war in diesem Jahr beispielweise von Mitte Oktober bis Mitte November sehr präsent. Er ist eine Art des Abkühlungsnebels. Wie der Namen sagt, entsteht dieser durch die Abkühlung einer Luftmasse aufgrund nächtlicher Ausstrahlung unter den Taupunkt (Temperatur, bei der die Luftmasse gesättigt ist und eine relative Luftfeuchte von 100 % beträgt). Auch der sogenannte Advektionsnebel, den wir heute im zweiten Teil dieser Themenreihe erläutern, gehört zum Typ des Abkühlungsnebels. Er ist insbesondere Küstenbewohnern und in der Seeschifffahrt bekannt.
Advektionsnebel
Advektionsnebel bildet sich, wenn feuchtwarme Luftmassen horizontal über eine kalte Oberfläche verfrachtet werden. Über dem kälteren Untergrund kühlt sich die dem Erdboden aufliegende Luftschicht schnell ab und bei Erreichen des Taupunkts kondensiert überschüssiger Wasserdampf zu winzigen Nebeltröpfchen. Demnach ist die Entstehung des Nebels dieselbe wie beim Strahlungsnebel, nur dass die Abkühlung der Luftmasse nicht durch thermische Ausstrahlung, sondern durch den horizontalen Transport (d.h. Advektion) verursacht wird. Während Wind beim Strahlungsnebel hinderlich für dessen Entstehung ist, ist er beim Advektionsnebel eine zwingende Voraussetzung, da nur so die feuchtwarme Luft von ihrer Ursprungsregion zum kälteren Untergrund transportiert werden kann. Bei ausreichend starkem Wind (etwa 10 bis 25 km/h, 2 bis 4 Beaufort) kann durch turbulente Durchmischung eine mehr oder minder mächtige bodennahe Luftschicht unter den Taupunkt abkühlen, sodass der Advektionsnebel vertikale Mächtigkeiten von einigen 100 und in Extremfällen bis zu 1000 Metern erreichen kann. Er kann zu jeder Tageszeit auftreten und mitunter tagelang anhalten, sodass er nicht nur die mächtigste, sondern auch die dauerhafteste Nebelart darstellt.
Die bekannteste Form des Advektionsnebels ist der See- bzw. Meernebel. Dieser kann unter anderem entstehen, wenn die Wasseroberflächen deutlich kühler als die Landoberflächen sind und feuchtwarme Luftmassen vom Festland aufs Meer verfrachtet werden. Durch deren Abkühlung kann sich eine Nebelschicht über der Wasseroberfläche bilden. Bevorzugte Regionen sind kalte Meeresgebiete der höheren Breiten, Seegebiete mit großen Temperaturunterschieden wie im Bereich von kalten Auftriebswassern (siehe Abschnitt: „Karl the Fog“ in Kalifornien), Grenzzonen von warmen und kalten Meeresströmungen und Gebiete mit driftenden Eisbergen. Auch in den Küstenbereichen der gemäßigten Breiten entwickelt sich in Jahreszeiten, in denen die Temperaturgegensätze zwischen Land und Meer markant ausgeprägt sind, häufig Advektionsnebel. Dies ist einerseits im Frühjahr der Fall, wenn feuchte, erwärmte Festlandsluft auf das noch kalte Wasser übertritt (siehe Abschnitt: Küstennebel an der Ostsee). Andererseits entsteht im Herbst und Winter Küstennebel bei auflandiger Strömung, wenn erwärmte Meeresluft auf das kalte Festland trifft. Letzterer ist jedoch meist nur in einem schmalen Band entlang der Küste ausgeprägt. Auf ähnliche Weise kann Advektionsnebel entstehen, wenn feuchte Warmluft in höhere Breiten gelangt und über dem kalten winterlichen Festland zur Ruhe kommt.
„Karl the Fog“ in Kalifornien
Ein bekanntes Beispiel ist der Seenebel vor und entlang der Küste von Kalifornien, der in San Francisco und Umgebung so häufig auftritt, dass man ihm sogar einen eigenen Namen gegeben hat – „Karl the Fog“. Hauptursache ist die Wechselwirkung zwischen dem kalifornischen Festland, dem Pazifischen Ozean und bestimmten Meeresströmungen. Die Meeresluft, die durch Verdunstung vom Ozean mit viel Feuchtigkeit angereichet ist, wird Richtung Kalifornien geführt. Unmittelbar entlang der Küste kommt es im Ozean zu einem starken Auftrieb, der kalte unterirdische Gewässer nach oben befördert. Diese kalten Meeresströmungen kühlen die Meeresluft entlang der Küstenlinie ab und es bildet sich Nebel. Gleichzeitig kann sich im Sommer das kalifornische Festland stark aufheizen, wodurch dort ein Hitzetief entsteht. Dadurch wird die Nebelluft angesaugt und kann entlang der Küste landeinwärts „schwappen“ (siehe Abbildung). Dieser Nebel beeinflusst maßgeblich das Mikroklima in San Francisco und hat eine stark kühlende Wirkung.
Weitergehende Informationen zu Eigenschaften von „Karl the Fog“ und deren Auswirkungen können im gleichnamigen nachgelesen werden.
Küstennebel an der Ostsee
In Deutschland ist Seenebel unter anderem im Spätfrühling an der Ostsee anzutreffen und wird durch Warmluftzufuhr aus dem südeuropäischen Raum bedingt. Hat sich der Seenebel einmal gebildet, ist er insbesondere dann bedeutungsvoll, wenn es am Folgetag durch eine Erwärmung im Landesinneren zu Seewind kommt, also wenn der Wind von der See Richtung Küste weht. Der eigentlich über dem Wasser lagernde Nebel wird dann an die Küsten transportiert und kann mehrere Kilometer ins Landesinnere reichen. Man spricht dann vom sogenannten Küstennebel. Ein solcher Küstennebeleinbruch ist mit erheblichen und oft plötzlich auftretenden Veränderungen der Sichtweite und einer spürbaren Abkühlung verbunden.
Seenebel ist nicht mit See- oder Flussrauch zu verwechseln, die wir neben weiteren Nebelarten im dritten Teil dieser Serie erläutern.
Dr. rer. nat. Markus Übel (Meteorologe)
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 15.12.2024
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