Die Ruhe vor dem Sturm

Mit Tief KIRSTEN steht uns in Deutschland die erste Sturmlage der Saison ins Haus. Grund genug uns die Entwicklung am morgigen Mittwoch mal etwas genauer anzuschauen.

Erste Sturmlage – wirklich? Mancherorts werden Sie sich vielleicht diese Frage stellen. Immerhin gab es doch in den letzten Wochen schon umgeknickte Bäume. Das waren allerdings nur lokale Ereignisse, da die Böen im Zusammenhang mit Gewittern standen, die von Natur aus sehr kleinräumig auftreten. Am morgigen Mittwoch muss nun aber großflächig mit viel Wind gerechnet werden. KIRSTEN heißt das Tief, das dafür verantwortlich ist.

Moment mal, KIRSTEN? Gab es nicht schon mal einen Sturm, der so hieß? Ja, tatsächlich! Am 12.03.2008 fegte schon einmal ein Sturmtief namens KIRSTEN über Deutschland hinweg und sorgte verbreitet für Sturm- und schwere Sturmböen zwischen 80 und 95 km/h. Trier konnte mit knapp 110 km/h sogar eine orkanartige Böe verbuchen. Vollen Orkan gab es standesgemäß auf den Bergen, Spitzenreiter war der damals noch „messende“ Wendelstein (1832 m) mit 162 km/h, dicht gefolgt vom Feldberg im Schwarzwald (1490 m) mit 161 km/h.

Gleich mal vorweg: Ganz so stark wie 2008 wird KIRSTEN am morgigen Mittwoch zumindest in der Fläche nicht. Heute früh um 8 Uhr lag das Sturmtief mit einem Kerndruck von etwa 979,1 hPa knapp westlich der irischen Küste. Im heutigen Tagesverlauf zieht es weiter ostwärts und erreicht mit seinem Zentrum morgen früh das Seegebiet knapp nördlich der Deutschen Bucht, dann allerdings wohl „nur“ noch mit einem Kerndruck von rund 990 hPa.

Trotz dieser Abschwächung hat KIRSTEN aber noch viel Wind im Gepäck! Los geht es im Westen und Nordwesten bereits in der zweiten Hälfte der Nacht zum Mittwoch mit den ersten stürmischen Böen. Am Mittwoch selbst weitet sich KIRSTENs Sturmfeld dann rasch auf weite Teile des Landes aus. Verbreitet muss dann mit Sturmböen zwischen 60 und 85 km/h (Bft 8-9) gerechnet werden, wobei der Schwerpunkt voraussichtlich etwa vom Emsland und NRW bis nach Sachsen und Nordbayern liegt. An der Nordsee und auf den Bergen bläst der Wind naturgemäß noch ’ne Ecke stärker. Dort sind 85 bis 100 km/h (Bft 9-10), auf exponierten Gipfeln sogar um 120 km/h (Bft 12) drin.

Dazu sind besonders im Norden des Landes einzelne kurze Gewitter nicht ganz ausgeschlossen. Sollten diese auftreten, können sie lokal orkanartige Böen um 110 km/h (Bft 11) im Gepäck haben.

Zum Abend hin lässt der Wind dann von Südwesten her rasch nach und am Donnerstag ist der Spuk auch schon wieder vorbei. Insgesamt betrachtet könnte man nun vielleicht meinen, dass der Sturm nicht die ganz große Nummer ist. Wirft man aber einen Blick in den Kalender und anschließend auf die zum Teil ausgetrockneten Wälder, so ergibt sich rasch eine risikobehaftete Lage.

Denn, wie bereits im gestrigen Thema des Tages geschrieben wurde, sind die Bäume jahreszeitbedingt noch voll belaubt und bieten damit dem Wind eine große Angriffsfläche. Während im laubfreien Winter Bäume im Allgemeinen erst ab Windstärke 10 (etwa 90 km/h) klein beigeben, reicht im Sommer dafür oft schon Windstärke 9 (etwa 80 km/h). Dazu kommt in einigen Regionen noch die Trockenheit der letzten Wochen, sodass dort die Wälder durch Trockenstress ohnehin schon sehr geschwächt in den stürmischen Mittwoch gehen. Bei diesen könnte dann bereits Windstärke 8 reichen (etwa 70 km/h), um zumindest dickere Äste auf den Boden krachen zu lassen.

Passen Sie also gut auf sich auf und genießen Sie heute noch die Ruhe vor dem Sturm.

Dipl.-Met. Tobias Reinartz

Deutscher Wetterdienst Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach, den 25.08.2020

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