Auch Aktien sind wetterfühlig – Teil 3
Sind Aktien etwa wetterfühlig? Kann das Wetter tatsächlich die Kurse an der Börse beeinflussen? In einem weiteren Artikel zu diesem Thema stellen wir eine Studie vor, die besagt, dass es einen Zusammenhang zwischen der Luftverschmutzung in der Nähe der Wall Street und dem amerikanischen Aktienindex Standard and Poor’s 500 gibt.
Auf den großen Börsenparketts in den Finanzzentren der Welt ging es im vergangenen Jahr 2020 sehr volatil zu. Nach einem historischen “Crash” im Frühjahr zog (und zieht auch weiterhin) die vorherrschende Niedrigzinspolitik sowohl Groß- als auch Kleininvestoren magisch an, was die Preise für Aktien weiter ansteigen lässt. Aber nicht nur die Corona-Pandemie, die sich daraus ergebenden wirtschaftlichen Folgen oder die Politik beeinflussen die Aktienkurse. Auch das Wetter scheint auf dem “Parkett” eine Rolle zu spielen.
So veröffentlichten der Ökonomieprofessor Anthony Heyes von der kanadischen Universität Ottawa und seine Kollegen im Oktober 2016 eine interessante Studie mit der These: Luftverschmutzung lässt die Börsenkurse sinken. Diese Studie wurde dann im August 2017 in einem Interview mit dem “Harvard Business Manager” genauer unter die Lupe genommen. Bei ihrer Studie verglichen die Wissenschaftler Messdaten der amerikanischen Umweltbehörde EPA (engl. “Environmental Protection Agency”) in Manhattan (New York) mit Daten des Standard and Poor’s 500, einem Aktienindex, der die Aktien von 500 der größten börsennotierten US-amerikanischen Unternehmen umfasst. Dabei stießen sie auf eine Korrelation zwischen dem Grad der Luftverschmutzung und negativen Kursentwicklungen.
Dass sich die Luftverschmutzung negativ auf unsere Gesundheit auswirkt, war bereits vielfach Thema diverser Forschungsarbeiten. Es ist bekannt, dass schlechte Luftqualität das Auftreten von Schlaganfällen, Herzinfarkten, Depressionen usw. begünstigt. Heyes, der die “verhaltensorientierte Finanzwirtschaft” als spannenden Trend sieht, wollte die Auswirkungen von schlechter Luft untersuchen, die über gesundheitliche Aspekte hinausgehen. Ihn trieben Fragen nach der Produktivität oder Leistungen der Menschen.
Laut Heyes zeigt die Forschung bereits, dass Menschen an Tagen mit hoher Luftverschmutzung schlechtere Leistungen erzielen als an Tagen mit geringer Luftverschmutzung. Ist man einen Tag lang stark verschmutzter Luft ausgesetzt, verschlechtert sich der emotionale Zustand, die Folge ist eine depressivere Stimmung und eine schlechtere Wahrnehmung, das Denkvermögen wird negativ beeinflusst. Daraus wiederum resultiert eine abnehmende Risikofreudigkeit, die laut Heyes auch mit niedrigeren Renditen an der Börse einhergeht.
Diesen Effekt sahen die Wissenschaftler in ihrer Studie, die Mess- und Kursdaten über 15 Jahren hinweg beinhaltete, recht deutlich. An Tagen, an denen die Luftqualität in Form von Feinstaub mit einem aerodynamischen Durchmesser kleiner als 2,5 Mikrometer (in Fachkreisen kurz als PM2.5 bezeichnet) signifikant schlechter ausfiel, d.h. die Feinstaubpartikelkonzentration um eine Standardabweichung (Maß für die durchschnittliche Abweichung vom Mittelwert) höher ausfiel, erkannten sie einen Rückgang bei den täglichen Kursgewinnen des Standard and Poor’s 500 von durchschnittlich 11,9 %.
Natürlich stehen dem Einen oder der Anderen sicher einige Fragezeichen im Gesicht. Lösen womöglich “nur” die vorherrschenden Wetterbedingungen diesen Effekt aus? Denn bereits in den vorangegangenen Artikeln zu diesem Thema (veröffentlicht am 17.07. und 01.08.2019) wurde der mögliche Zusammenhang zwischen meteorologischen Parametern wie der Sonnenscheindauer und den Börsenkursen erläutert. Wie sieht es mit Stress durch den Berufsverkehr aus, der sich ebenfalls negativ auf die Laune auswirken könnte? Und handeln nicht Menschen aus der ganzen Welt an der New Yorker Börse? Heyes und seine Kollegen untersuchten diese und einige weitere zusätzlich Faktoren, die sie nach und nach jedoch kategorisch ausschließen konnten.
Auf andere Börsenplätze lässt sich die Studie aber nicht so einfach übertragen. Zwar erzielte die gleiche Studie an der Börse in Toronto ähnliche Ergebnisse, vor Ort können jedoch weitere Faktoren, wie beispielsweise der Anteil des elektronischen, also computergestützten Handels, maßgeblich eine Rolle spielen.
Egal, ob es jetzt lediglich die Luftverschmutzung ist, die Einfluss auf die Kursgewinne an der New Yorker Wall Street nimmt oder doch eher das Zusammenspiel diverser luftchemischer Komponenten (nicht nur PM2.5) und deren Interaktion mit den vorherrschenden Wetterbedingungen (z.B. Sonneneinstrahlung und die sich daraus ergebenden fotochemischen Reaktionen). Der grundsätzliche Einfluss dieser meteorologischen Parameter auf die Kursgewinne sollte meist doch sehr beschränkt ausfallen und eher von kurzfristiger Natur sein. Mittel- und langfristig sind es sicherlich andere, komplex zusammenhängende Faktoren wie Unternehmensstrategie, die Rentabilität, das Branchenumfeld, Inflation usw., die einen wesentlich bedeutenderen Einfluss auf die Rendite nehmen.
MSc.-Met. Sebastian Schappert
Deutscher Wetterdienst Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach, den 22.01.2021