Bjerknes und die Rückkopplungen
Jacob Aall Bonnevie Bjerknes wurde 1897 in Stockholm (Schweden) geboren. Sein Vater war der norwegische Meteorologe Vilhelm Bjerknes, einer der Pioniere der modernen Wettervorhersage. Sein Großvater väterlicherseits war der norwegische Mathematiker und Physiker Carl Anton Bjerknes.
Bjerknes gehörte zu einer Gruppe von Meteorologen unter der Leitung seines Vaters, Vilhelm Bjerknes an der Universität Leipzig. Gemeinsam entwickelten sie ein Modell, das den Lebenszyklus von Zyklonen (Tiefdruckgebieten) in mittleren Breiten erklärt, wobei sie die Idee der Fronten, d. h. von scharf definierten Grenzen zwischen verschiedenen Luftmassen, einführten. Dieses Konzept ist als norwegisches Zyklonenmodell bekannt.
Ab 1917 war Bjerknes vorrangig im Geophysikalischen Institut der Universität Bergen tätig, welches sein Vater zuvor gegründet hatte. Zum wissenschaftlichen Team in Bergen gehörten unter anderem die schwedischen Meteorologen Carl-Gustaf Rossby und Tor Bergeron. Wie Jacob Bjerknes und Halvor Solberg 1922 in einer wegweisenden Schlüsselarbeit feststellten, war die Dynamik der Polarfront in Verbindung mit dem Zyklonenmodell der wichtigste Mechanismus sowie Ausdruck des meridionalen (Süd-Nord) Wärmetransports in der Atmosphäre. Für diese und andere Forschungen erhielt Jacob Bjerknes 1924 den Doktortitel der Universität zu Oslo.
Im Jahr 1926 unterstützte Jacob Bjerknes als Meteorologe den Polarforscher Roald Amundsen bei der ersten Überquerung der Arktis mit dem Luftschiff Norge. Im Jahr 1931 wurde er Professor für Meteorologie am Geophysikalischen Institut der Universität von Bergen. Im Jahre 1940 wanderte er in die Vereinigten Staaten aus, wo er am Fachbereich Physik der „University of California“ in Los Angeles eine von der regionalen Regierung geförderte meteorologische Abteilung für Wettervorhersagen leitete.
Bjerknes gründete das „UCLA Department of Meteorology“ (das heutige „Department of Atmospheric and Oceanic Sciences“).
Als Professor an der „University of California“ stellte er unter anderem fest, dass die Standardwerte der Meeresoberflächentemperaturen (SST) im äquatorialen Ostpazifik für so niedrige Breitengrade zuweilen bemerkenswert kalt sind. Da der westliche Pazifik relativ warm ist, besteht entlang des äquatorialen Pazifiks ein großer SST-Gradient. Infolgedessen muss eine direkte thermische Zirkulation in der Atmosphäre entlang des äquatorialen Pazifiks existieren. Die kühle, trockene Luft über den kalten Gewässern des östlichen Äquatorialpazifiks strömt westwärts entlang der Oberfläche in Richtung des warmen Westpazifiks. Dort wird die Luft erwärmt, mit Feuchtigkeit aus dem warmen Wasser angereichert und steigt schließlich auf. Diese systematische äquatoriale Zirkulation, die mit einem vorherrschenden zonalen Druckgradienten (entlang des Äquators) verbunden ist, wurde von Bjerknes als „Walker-Zirkulation“ bezeichnet. Bjerknes ging davon aus, dass Schwankungen in dieser Zirkulation Impulse in der so genannten Südlichen Oszillation (oder Southern Oscillation, SO) auslösen und schließlich zu einem ENSO-Ereignis (siehe unter Suchbegriff ENSO im führten.
Während die Oberflächenwinde durch den zonalen SST-Gradienten entlang des Äquators nach Westen getrieben werden, bewirken sie den kalten Auftrieb von Ozeanwasser im östlichen äquatorialen Pazifik.
Bjerknes bezeichnete die sich wiederholenden Rückkopplungen der ozeanischen und atmosphärischen Zirkulation über dem tropischen Pazifik als „Kettenreaktion“ und stellte fest, dass „eine sich verstärkende Walker-Zirkulation auch für eine Zunahme des Ost-West-Temperaturkontrasts sorgt, der die Walker-Zirkulation überhaupt erst hervorruft“. Bjerknes stellte außerdem fest, dass die Wechselwirkung auch umgekehrt funktionieren könnte: Eine Abnahme der äquatorialen Ostwinde verringert dagegen die Zufuhr von auftreibendem kaltem Wasser, und der verringerte Ost-West-Temperaturgradient führt zu einer Verlangsamung der Walker-Zirkulation. Damit lieferte er eine Erklärung für den Zusammenhang zwischen niedrigen Werten (oder Niedrigphase) der Südlichen Oszillation (SO) und dem El Niño-Phänomen sowie für den Zusammenhang zwischen hohen Werten der SO und dem normalen kalten Zustand des Ostpazifiks.
Jacob Bjerknes starb 1975 im Alter von 77 Jahren in Los Angeles (USA). Mit seinen teils fundamentalen Erkenntnissen schuf er wichtige Voraussetzungen für die Vorhersagbarkeit von regionalen Klimaphänomenen wie z.B. des ENSO-Zyklus. Damit waren die Grundlagen für längerfristige Wettervorhersagen in bestimmten Bereichen mit periodisch wiederkehrender Klimavariabilität gelegt.
Dipl.-Met. Dr. Jens Bonewitz
Deutscher Wetterdienst Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach, den 15.08.2021
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