Blick über den großen Teich

Wetterprognosen können Organisatoren von Freiluftveranstaltungen ganz schön ins Schwitzen bringen. Ob dazu auch am morgigen Mittwoch in Washington, D.C. Anlass besteht, lesen Sie im heutigen Thema des Tages.

Alle vier Jahre, meistens am 20. Januar, steht Washington, D.C. im besonderen Fokus der politischen und teils auch gesellschaftlichen Berichterstattung. Es ist jener Tag, an dem der neu oder wiedergewählte US-Präsident in sein Amt eingeführt wird und seinen Amtseid vor dem Kapitol und den Augen höchster Prominenz sowie vieler Zuschauerinnen und Zuschauern feierlich ablegt. Aufgrund der gesundheitlichen Krisensituation und den Vorkommnissen der vergangenen Wochen werden zwar die Zuschauermassen dieses Mal ausbleiben, jedoch wird weiterhin auf eine Feier unter freiem Himmel gesetzt.

Nun kann man sich natürlich die Frage stellen, warum man solch große und wichtigen Zeremonien mit normalerweise vielen tausenden und zehntausenden Teilnehmern mitten im Hochwinter abhält und damit den größeren meteorologischen Unwägbarkeiten aussetzt. Dazu bedarf es eines kurzen Blickes in die Geschichte: Nach der ursprünglichen Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika war der „Inaugurationstag“ nicht der 20. Januar, sondern der 4. März. Dies ist natürlich ein Termin, der dem Frühling schon sehr nahe kommt und damit winterliche Temperaturen und Schneetreiben unwahrscheinlicher sind als im Januar. Allerdings entschied man sich im letzten Jahrhundert, die Zeit zwischen Wahl und Amtseinführung zu verkürzen und nach der 37. Inauguration im Jahr 1933 fortan den regelmäßigen Amtsbeginn auf den 20. Januar vorzuverlegen. Zwangsläufig nahm man damit auch die potentiellen winterlichen Bedingungen bei diesem Festakt in Kauf.

Was sind aber nun die genauen klimatologischen Randbedingungen für Washington, D.C.? Für diese Analyse starten wir zunächst mit der Geographie: Die Hauptstadt der USA liegt auf 38,85 Grad nördlicher Breite und damit auf einem ähnlichen Breitengrad wie beispielsweise Südspanien oder Kalabrien und Sizilien. Bedeutet dies nun zwangsläufig milde Winter? Kenner der USA werden diese Frage ohne Probleme sofort beantworten können, denn die Unterschiede zwischen der Ostküste der USA und Südwesteuropa sind natürlich aufgrund der unterschiedlichen kontinentalen Einflüsse immens. In klimatologischer Hinsicht wird in Washington, D.C. im Januar eine Monatsmitteltemperatur von etwa 1 Grad erreicht, während in Messina ein Mittelwert von 12 Grad in den langjährigen Statistiken steht. Hier machen sich die Kaltlufteinbrüche aus dem Norden, den kontinentalen Bereichen Nordamerikas, deutlich bemerkbar. Sucht man in Europa eine größere Stadt mit ähnlichen Temperaturmittelwerten, wird man erst deutlich weiter im Norden fündig, beispielsweise im auf gleicher Seehöhe gelegenen Kopenhagen. Der mittlere Januarniederschlag ist zudem in Washington, D.C. mit 69 l/qm etwas höher als mit 59 l/qm in der dänischen Hauptstadt. Man darf also nicht überrascht sein, wenn man beim winterlichen Spaziergang um das Kapitol die eine oder andere Jacke und einen Schirm benötigt, selbst Schneefall kann ab und zu auftreten.

Der amerikanische Wetterdienst (National Weather Service) verlautbarte außerdem, dass an einem 20. Januar ein mittlerer Höchstwert der Lufttemperatur von etwa 6 Grad erreicht wird, der erwartbare Tiefstwert liegt bei knapp unter -2 Grad (hier jeweils Grad Celsius, in den USA sind hingegen Grad Fahrenheit gebräuchlich). Die Niederschlagswahrscheinlichkeit wird mit etwa einem Drittel angegeben (33 %), an einem von 10 Amtseinführungstagen fällt normalerweise Schnee.

Die aktuellen Prognosen für die amerikanische Ostküste im Bereich Washington, D.C. zeigen, dass dieses Jahr ein Höchstwert von etwa 3 bis 5 Grad erreicht wird und zeitweise Wolken über den Himmel hinwegziehen. Diese stehen in Verbindung mit einer relativ schwach ausgeprägten Kaltfront, die im Tagesverlauf von Nordwesten her über die Stadt hinwegzieht. Der damit verbundene Niederschlag sollte gering ausfallen, allerdings frischt der Wind etwas auf. Damit ist aber trotzdem unwahrscheinlich, dass die Zeremonie in das Innere des Kapitols verlegt werden muss (zumindest aufgrund des Wetters) – dies passierte beispielsweise bei der zweiten Amtseinführung von Ronald Reagan im Januar 1985, als Höchstwerte um -15 Grad und frischer Wind erwartet wurden. Zum Schutz aller Beteiligten verzichtete man damals auf eine Freiluftveranstaltung.

Mag.rer.nat. Florian Bilgeri

Deutscher Wetterdienst Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach, den 19.01.2021

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