Eine brisante Wetterlage geht zu Ende
In den vergangenen Tagen war insbesondere in der Südhälfte Deutschlands einiges geboten: Dauerregen und Tauwetter, schwerer Sturm und Gewitter. Wir ziehen Bilanz.
Los ging es bereits am Samstag. Mit einer westlichen Strömung zogen Frontensysteme über Deutschland und bescherten vor allem den mittleren und westlichen Landesteilen einen verregneten Samstag. Auch im Schwarzwald setzte intensiver Regen ein. Am Abend formierten sich schließlich entlang einer Kaltfront knapp südlich der Mosel kurz hintereinander zwei kräftige Schauer- und Gewitterlinien. Diese überlebten bis Sonntagmorgen und zogen von der Pfalz über Südhessen und den Norden Baden-Württembergs weiter nach Mittelfranken und erreichten nach Mitternacht Niederbayern. Entlang dieser Linie schüttete es kurzzeitig heftig, sodass es zu mehreren Unfällen wegen Aquaplaning kam. Noch markanter war allerdings der Sturm. Schwere Sturmböen um oder über 90 km/h lösten Dachpfannen von Hausdächern, große Äste brachen ab und etliche Bäume stürzten um. Sogar Stromleitungen wurden beschädigt. Stolze 2000 Mal blitzte es innerhalb von 6 Stunden – ein im Winter beachtlicher Wert!
Am Sonntag übernahmen dann die Frontensysteme des Tiefs OTTILIA nordwestlich von Irland das Wetterregime in Deutschland. Von Südwesten setzte neuer Regen ein und breitete sich nordostwärts aus. Die nachfolgende Kaltfront fühlte sich in der Nacht zum Montag und am gestrigen Montag über Süddeutschland anscheinend richtig wohl. Da sie als Luftmassengrenze zonal und damit fast strömungsparallel quer über Süddeutschland zum Liegen kam, sorgte sie dort für kräftigen Dauerregen. Besonders ergiebig schüttete es in Weststaulagen der südlichen Mittelgebirge sowie im südlichen Alpenvorland. Dort kamen innerhalb von 24 Stunden bis Montagfrüh vielerorts bereits 30 bis 40 Liter pro Quadratmeter (l/qm), am Alpenrand und im Oberallgäu sogar 50 bis 70 l/qm zusammen. Noch mehr Regen fiel im Schwarzwald, der sich den von West nach Ost durchziehenden Regenwolken förmlich in den Weg stellte und die Wolken zu einem noch stärkeren Abregnen zwang. So prasselten dort innerhalb von nur 24 Stunden verbreitet 40 bis 100 l/qm vom Himmel. Spitzenreiter war Baiersbronn-Ruhestein mit 106 l/qm.
Da auf der Südseite der Luftmassengrenze zudem sehr milde subtropische Luftmassen zu uns geführt wurden, stieg die Schneefallgrenze auf über 2000 Meter, sodass zudem im Hochschwarzwald und in den Alpen Tauwetter für einen zusätzlichen Wassereintrag in die Bäche und Flüsse führte. Da ist es kaum verwunderlich, dass bereits am gestrigen Vormittag an zahlreichen Pegeln im Schwarzwald, entlang der Alb und teils auch im Alpenvorland erhöhte Wasserstände registriert wurden. Tagsüber regnete es entlang der schleifenden Kaltfront in Süddeutschland unaufhörlich weiter, wodurch vor allem die Pegel der Bäche und Flüsse südlich der Donau weiter anstiegen.
Das sollte es aber noch nicht gewesen sein. Am gestrigen Montagabend entwickelte sich an der Luftmassengrenze das kleinräumige, aber giftige Tief PETRA, das in der Nacht ausgehend vom Saarland über Nord-Württemberg rasch ostwärts nach Tschechien zog. Im Bereich der Zugbahn des Tiefkerns und an der nachfolgenden Kaltfront intensivierten sich die Niederschläge abermals erheblich, sodass dann auch in Rheinland-Pfalz, Südhessen und Franken einige Pegel rasch anstiegen. Noch gefährlicher wurde die Wetterlage, je weiter sich die Kaltfront den Alpen näherte. Eingekeilt zwischen Kaltfront und Alpen wurde der Wind wie in einer Düse stark beschleunigt (sogenannter Leitplankeneffekt), sodass es südlich der Donau verbreitet zu schweren Sturmböen kam. Zudem wehten in etwa einem Kilometer über dem Grund extreme Orkanwinde.
Da sich über Baden-Württemberg und der Südhälfte Bayerns an der Kaltfront eine schmale Schauerlinie bildete, konnten die hohen Windgeschwindigkeiten bis zum Boden heruntergemischt werden. Dadurch kam es bis in tiefe Lagen stellenweise zu orkanartigen Böen (z.B. Heilbronn: 107 km/h, Harburg: 110 km/h, Mühldorf am Inn: 110 km/h, Lindau: 115 km/h), in höheren Lagen sowie im südlichen Alpenvorland wehte der Wind teils mit voller Orkanstärke (z.B. Stötten: 121 km/h, Altenstadt: 122 km/h, Zugspitze: 145 km/h). Folglich mussten die Feuerwehren vielerorts wegen umgestürzten Bäumen und abgedeckten Dächern ausrücken, in Oberbayern mussten mehrere Zuglinien wegen umgestürzter Bäume gesperrt werden und der Münchner S-Bahn-Verkehr wurde eingestellt.
In den letzten 48 bis 72 Stunden kamen teils immense Regensummen zusammen. So fielen im Schwarzwald zwischen 100 und knapp 200 l/qm (z.B. Baiersbronn-Ruhestein: 193 l/qm, Dachsberg-Wolpadingen: 181 l/qm), im Alpenvorland kamen verbreitet 60 bis 120 l/qm, stellenweise auch mehr zusammen (z.B. Balderschwang/Allgäu: 139 l/qm, Marktschellenberg/Berchtesgadener Land: 127 l/qm). Auch in weiteren Weststaulagen der südlichen und westlichen Mittelgebirge summierten sich die Mengen vielerorts auf 50 bis 80 l/qm.
Mittlerweile ist hinter der Kaltfront mit einer nordwestlichen Strömung kältere Meeresluft polaren Ursprungs eingeflossen und die Wetterlage hat sich entspannt. Schneeregen-, Schnee- und Graupelschauer erinnern wieder mehr an Winter, wenngleich sich im Flachland keine Schneedecke ausbilden kann. Nur im Stau vom Erzgebirge sowie in den Alpen schneit es anhaltend und teils kräftig. An den Nordhängen des Erzgebirges können durchaus über 30 cm, in den Alpen sogar ein halber Meter Neuschnee fallen. Bis Mittwochabend lässt auch dort der Schneefall nach. Dann können Winterurlauber bei ruhigem Hochdruckwetter den Neuschnee genießen.
Dr. rer. nat. Markus Übel (Meteorologe)
Deutscher Wetterdienst Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach, den 04.02.2020
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