Wassersport sicherer machen: Neue Erkenntnisse zu Risiken und Ausbildung
Sicherheit auf dem Wasser: Warum Erfahrung allein nicht schützt
Die Zahl der Menschen, die in Deutschland einen Sportbootführerschein erwerben, steigt seit Jahren. Über 90.000 neue Scheine werden laut Bundesministerium für Digitales und Verkehr jährlich ausgestellt. Damit wächst auch die Zahl der Boote, die auf Binnen- und Küstengewässern unterwegs sind. Gleichzeitig mehren sich Berichte über gefährliche Situationen und Unfälle – ein Hinweis darauf, dass wachsende Begeisterung für den Wassersport immer auch ein erhöhtes Sicherheitsrisiko mit sich bringt.
Selbstbild und Realität klaffen auseinander
Eine aktuelle Untersuchung unter Bootsführerscheinanwärtern und erfahrenen Skippern macht deutlich, dass zwischen dem subjektiven Gefühl von Sicherheit und dem tatsächlichen Verhalten eine deutliche Lücke klafft. Viele Bootsführer halten ihre eigene Einschätzung von Risiken für verlässlich, bewerten andere jedoch als unvorsichtig oder unzureichend vorbereitet. Fachleute sprechen hier von einer kognitiven Verzerrung, die in der Psychologie als „Bias Blind Spot“ bezeichnet wird: Man traut sich selbst mehr zu, während man bei anderen strenger urteilt.
Dieses Muster ist keineswegs harmlos. Wer überzeugt ist, die eigene Sicherheit im Griff zu haben, kontrolliert oft weniger konsequent die Ausrüstung oder verzichtet auf regelmäßige Notfallübungen. Die Studie zeigt: Während nahezu alle Befragten Rettungswesten als unverzichtbar ansehen, prüft nur etwa die Hälfte diese vor jeder Fahrt.
Erfahrung schützt nicht automatisch
Erstaunlich ist auch, dass die Länge der Erfahrung kein verlässlicher Schutzfaktor ist. Routiniers auf dem Wasser neigen eher dazu, Gefahren zu unterschätzen. Wo zu Beginn noch eine kritische Aufmerksamkeit vorhanden war, tritt mit den Jahren Gewohnheit ein. Das zeigt sich auch bei Unfallanalysen der Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung: Menschliche Fehler stehen an erster Stelle, deutlich vor technischen Defekten.
Damit bestätigt sich ein Befund, den auch internationale Sicherheitsbehörden wie die Europäische Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs seit Jahren hervorheben: Technik kann helfen – entscheidend bleibt das Verhalten des Menschen.
Psychologische Faktoren gewinnen an Bedeutung
Ein interessantes Ergebnis der aktuellen Untersuchung ist die Rolle psychologischer Kompetenzen. Themen wie Kommunikation innerhalb der Crew, Entscheidungen unter Stress oder der Umgang mit Unsicherheit werden von den Befragten als wichtig erkannt. Gleichzeitig fehlen sie bislang in vielen Ausbildungskonzepten. Der Fokus liegt nach wie vor auf Theorie und klassischen Prüfungsfragen – weniger auf Soft Skills, die im Ernstfall über den Ausgang entscheiden können.
Dass dieser Aspekt künftig mehr Gewicht bekommen sollte, liegt auf der Hand. Wer unter Druck ruhig bleibt, klare Anweisungen gibt und die eigenen Grenzen realistisch einschätzt, erhöht die Sicherheit an Bord erheblich. Deshalb plädieren Experten dafür, psychologische Trainings systematisch in die Bootsausbildung zu integrieren.
Ausbildung im Wandel: Was braucht es für verbesserte Sicherheit?
Neben psychologischen Bausteinen rückt auch die Form der Ausbildung stärker in den Fokus. Viele Teilnehmer wünschen sich praxisnähere Inhalte, die Notfallszenarien realistisch abbilden. Übungen wie „Mann über Bord“, der Einsatz von Funkgeräten oder pyrotechnischen Notsignalen gehören in der Theorie zu den Standards, werden in der Praxis aber selten trainiert.
Ein Ansatz, der sich bereits abzeichnet, sind hybride Ausbildungsmodelle. Sie verbinden digitale Lernmodule mit praktischen Einheiten auf dem Wasser. Dadurch lassen sich theoretische Inhalte flexibel und ortsunabhängig vermitteln, während reale Trainingssituationen für Routine und Handlungssicherheit sorgen. Dieser Mix erleichtert nicht nur den Zugang zur Ausbildung, sondern trägt auch dazu bei, dass Sicherheitsstandards überall auf demselben Niveau vermittelt werden.
Fazit: Sicherheit auf dem Wasser erfordert mehr als funktionierende Technik
Die Begeisterung für den Wassersport wächst – und mit ihr die Verantwortung, Sicherheit nicht dem Zufall zu überlassen. Moderne Boote sind mit GPS, Funk und Rettungsmitteln ausgestattet. Doch Geräte allein verhindern keine Unfälle, wenn sie nicht beherrscht oder regelmäßig überprüft werden.
Die Lehren aus aktuellen Untersuchungen sind eindeutig: Menschliche Faktoren bleiben das größte Risiko auf dem Wasser. Wer sich nicht nur auf Routine oder Technik verlässt, sondern aktiv trainiert, reflektiert und psychologische Aspekte einbezieht, macht den entscheidenden Unterschied.