Starke Regenfälle in der Südschweiz

Die gestrige Wetterlage über dem Alpenraum und auch Teilen Deutschlands wurde geprägt von einer sehr feuchten und warmen Luftmasse. Vorderseitig eines Höhentroges, der sich von der Nordsee über Frankreich bis in den Mittelmeerraum erstreckte, wurde diese sehr schwüle Luft über die Alpen geführt. Dabei kam es im Tagesverlauf wiederholt aufgrund konvektiver Einlagerungen zu teils schauerartig verstärktem Regen über der Schweiz. Zudem sorgte orographische Hebung durch den Anstau entlang des Alpenbogens für zusätzliche Verstärkung. Ausschlaggebend für die lokalen Überschwemmungen waren aber die in die Luftmasse eingelagerten Gewitter, die vorderseitig einer Kaltfront vom Nachmittag an bis in die Nacht hinein über die Kantone Wallis, Tessin und Graubünden zogen.

DWD Starke Regenfaelle in der Suedschweiz

Vergleicht man die gemessenen 24-stündigen Niederschlagswerte, fällt ins Auge, dass die gefallenen Regenmengen in Zermatt deutlich geringer ausgefallen sind als in den Regionen des Tessin und Graubünden. Bei solchen Darstellungen des Messnetzes ist aber immer Vorsicht geboten. Bei konvektiven Lagen hängt es immer davon ab, ob „ein Topf getroffen“ wurde oder nicht. Die starke räumliche Variabilität des Niederschlags muss daher durch andere Messsysteme überprüft werden. Aber auch nach der Durchschau von Radarbildern lässt sich feststellen, dass die Niederschlagswerte im Tessin und Graubünden höher waren als im Wallis. Trotzdem wurde Zermatt aufgrund stark ansteigender Flusspegel von der Außenwelt abgeschnitten. Der rasant ansteigende Pegel des Flusses Mattervispa war dort nicht nur Resultat der gefallenen Niederschläge, sondern auch des zusätzlichen Wasserdargebots aufgrund der Schneeschmelze. Dieses Jahr liegt auf den Alpengipfel noch deutlich mehr Schnee als es letztes Jahr um die Zeit der Fall war.

DWD Starke Regenfaelle in der Suedschweiz 1

In den Medien wird neben von Erdrutschen, Schlammlawinen, Murenabgänge, Sturzfluten und Hochwasser in den betroffenen Gebieten berichtet. Da stellt sich dem ein oder anderen die Frage, was das alles ist. Bei der Unterscheidung zwischen den einzelnen Begriffen ist unter anderem der Feststoffgehalt entscheidend.

Ein Erdrutsch entsteht, wenn durch Regenfälle oder auch starke Schneeschmelze der Erdboden so aufgeweicht und durchnässt ist, dass sich einzelne Bodenschichten lösen, und der Schwerkraft folgend hangabwärts gleiten. Bei Erdrutschen ist meist eine Abrisskante erkennbar. Bei Murenabgängen (auch Murgänge oder Schlammlawinen genannt) ist der Wassergehalt deutlich erhöht. Es handelt sich dabei um einen Strom aus Wasser gemischt mit Erde, Gestein und Geröll. Die Fließgeschwindigkeit kann je nach Gelände bis zu 60 Kilometer pro Stunde betragen. Aufgrund der hohen Dichte des fließenden Materials hat ein Murgang ein erhebliches Schadenspotential. Eine Sturzflut ist eine plötzlich auftretende Überschwemmung von tiefer gelegenen Regionen als Folge heftiger Starkregenfälle teils auch in Verbindung mit Schmelzwasser. Sind die Böden sehr trocken oder bereits wassergesättigt, fließen gerade bei Starkregenereignissen große Wassermassen oberflächlich ab und weiter hangabwärts zusammen. Das ist auch der Grund, warum Sturzfluten häufig nicht dort auftreten, wo das Gewitter am stärksten tobt, sondern „talwärts“ oder auch stromab eines Baches. Von einer Sturzflut spricht man allerdings erst dann, wenn zwischen verantwortlichem Niederschlagsereignis und hereinbrechender Flut weniger als sechs Stunden vergehen. Sturzfluten können aufgrund ihrer Kraft, Gegenstände bis hin zu Häusern mitreißen. An sich ist der Feststoffgehalt aber im Vergleich zu Murgängen geringer. Ob es also zu einem Erdrutsch, einem Murgang oder einer Sturzflut kommt ist nicht nur von der Regenmenge abhängig, sondern auch von der Bodenbeschaffenheit und der Topographie.

DWD Starke Regenfaelle in der Suedschweiz 2

Entlang der, einem Nebenfluss des Ticino (deutsch: Tessin), ist eine solche Sturzflut letzte Nacht aufgetreten. Dabei betrug die Abflussmenge kurzzeitig mehr als das zehnfache des monatlichen Mittels für Juni. So schnell wie die Flut kam, so schnell geht sie auch wieder. Aufgrund der Oberflächenstruktur ist die Fließgeschwindigkeit einer Sturzflut in den Schweizer Alpen sehr schnell. Das Wasser fließt in tiefere Regionen ab und kann auch dort nochmal für Überschwemmungen oder Hochwasser sorgen. Aktuell muss unter anderem noch mit erhöhtem Wasserstand am Bodensee gerechnet werden.

MSc Sonja Stöckle
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 22.06.2024
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Gewittertief „Xandria“ im Fokus

Wir schreiben den 21. Juni 2024 und es ist Sommer in Deutschland. Der gestrige Donnerstag notierte dabei als der längste Tag des Jahres, wie interessierte Leser der Rubrik „Thema des Tages“ bereits lesen konnten . Allerdings muss man an dieser Stelle durchaus hervorheben, dass wir bisher einen wechselhaften und recht nassen Frühsommer 2024 erleben. Und auch die hierzulande stattfindende Fußball-Europameisterschaft konnte sich bisher nicht zu einem „Sommermärchen 2.0“ entwickeln. Im Gegenteil: Vor der Partie Türkei gegen Georgien kam es in Dortmund beispielsweise zu heftigen Regenfällen. Und auch einige Fan-Zonen mussten bereits wegen erhöhter Unwettergefahr geschlossen bleiben.

Auch am heutigen Freitag wird sich an der regenreichen Witterung nichts ändern. Tief „Xandria“ zieht heute über den Norden Deutschlands hinweg und erreicht in der kommenden Nacht die Ostsee. Dabei schwenkt das zugehörige Frontensystem über uns hinweg und sorgt für viel Regen und nach Osten zu auch teils für schwere Gewitter.

DWD Gewittertief Xandria im Fokus

Bereits am Freitagvormittag verlagerte sich im Bereich einer sogenannten Tiefdruckrinne, die von Tief „Xandria“ ausgeht, ein Regenband mit eingelagerten Gewittern von Südwesten bis zur Mitte. Aber auch abseits kam es bereits zu kräftigeren Entwicklungen. Im Norden Nordrhein-Westfalens traten kleinräumig Gewitter auf, die sogar direkt über einen Niederschlagsmesser zogen. In Rheinberg am Niederrhein wurden so um 08 Uhr MESZ 40 Liter pro Quadratmeter (kurz: l/m²) innerhalb einer Stunde registriert, in Lienen-Kattenvenne eine Stunde später 29 l/m². Diese Messwerte verdeutlichen bereits den Feuchtegehalt der Luftmasse, die heute über Deutschland hinwegzieht.

Im weiteren Tagesverlauf bilden sich dann vielerorts im Bereich der Tiefdruckrinne, die weiter in die Osthälfte vorankommt, aber auch an der von Westen herannahenden Kaltfront weitere Schauer und Gewitter aus. Lokal eng begrenzt kann dabei durchaus auch der Unwetterbereich bezüglich Starkregen mit mehr als 25 l/m² in kurzer Zeit erreicht werden.

Das Hauptaugenmerk liegt allerdings im Osten Deutschlands. Insbesondere vom Oberpfälzer Wald bis in die Lausitz, wo die energiereichste Luft zu finden ist, treten ab den Mittagsstunden einzelne schwere Gewitter mit Hagel mit Korngrößen zwischen 3 und 5 cm, schweren Sturm- bis Orkanböen mit Windgeschwindigkeiten zwischen 90 und 130 km/h (Bft 10 bis 12) und heftigem Starkregen mit Mengen bis 40 l/qm in kurzer Zeit auf. Zudem kann im Osten ein vereinzelter Tornado nicht ganz ausgeschlossen werden. Zwar sollten sich nur einzelne Gewitter mit dieser Intensität entwickeln, dort, wo diese jedoch auftreten, bietet sich dann jedoch ein hohes Unwetter- und Schadenspotenzial.

DWD Gewittertief Xandria im Fokus 1

Auch bei den heute anstehenden Partien der Euro 2024 muss wieder mit Regen gerechnet werden. Beim Nachmittagsspiel um 15 Uhr in Düsseldorf (Slowakei gegen Ukraine) besteht durchaus ein hohes Schauerrisiko. Einzelne Gewitter können dabei ebenfalls nicht ausgeschlossen werden. Auch bei der Abendpartie um 18 Uhr in Berlin (Polen gegen Österreich) müssen durchaus kräftigere Regengüsse eingeplant werden. Dort kann bei kräftigeren Entwicklungen sogar vorübergehend unwetterartiger Starkregen nicht ganz ausgeschlossen werden. Besonders ins Auge fällt allerdings das Spiel Niederlande gegen Frankreich in Leipzig. Dieses befindet sich inmitten der bereits ausgegebenen Vorabinformation vor schweren Gewittern. Da der Anpfiff dort allerdings für 21 Uhr geplant ist, sollten die Unwetter bereits durch- bzw. vorbeigezogen sein, sodass die Schauer- und Gewitterneigung nur sehr gering ist.

DWD Gewittertief Xandria im Fokus

In der kommenden Nacht zum Samstag räumt die Kaltfront von „Xandria“ die warme und feuchte Luft dann ostwärts aus Deutschland aus. Das Wetter kann sich zum Samstag hin somit beruhigen. Bei wolkigen Verhältnissen sind am Samstag dann lediglich im Nordosten und Osten noch einzelne Schauer möglich. Im Süden sorgen Hebungsantriebe aus höheren Atmosphärenschichten hingegen nochmals für einige Schauer und einzelne Gewitter. Über wenige Stunden kann dort Starkregen auftreten, örtlich auch bis in den Unwetterbereich. Der in München am Samstag stattfindende Christopher Street Day sollte aber weitgehend trocken verlaufen.

Tief „Xandria“ zieht in der Folge weiter in Richtung Baltikum und verliert rasch an Einfluss auf Deutschland. Vom Atlantik streckt dagegen Hoch „Bie“ seine Fühler nach Mitteleuropa aus und sorgt voraussichtlich bis Mitte nächster Woche für ruhiges Hochdruckwetter. Dabei kann sich die Luft bei meist nur wenigen Wolken und vielerorts sonnigen Verhältnissen hierzulande allmählich auf sommerliche Werte mit 25 bis 30 Grad erwärmen. Ab der Wochenmitte gestaltet sich das Wetter dann voraussichtlich in einer von Südwesten einfließenden feuchteren Luft wieder wechselhafter. Bis dahin können wir jedoch zumindest vorübergehend ein Hauch von „Sommermärchen 2.0“ genießen.

DWD DWD Gewittertief Xandria im Fokus

MSc.-Meteorologe Sebastian Schappert
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 21.06.2024
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Der längste Tag des Jahres

In Skandinavien ist der längste Tag des Jahres ein Grund zum Feiern. In Schweden (und hier in Deutschland bei IKEA) begeht man das Midsommar-Fest, in Finnland heißt das Fest „Juhannus”, in Norwegen feiert man Midtsommer und auf Island die „Jónsmessa”. Bei uns ist man da eher nüchterner unterwegs – sowohl im übertragenen als auch im wörtlichen Sinne.

Besonders genießen lässt sich die Tageslänge logischerweise im äußersten Norden. Ein Blick nach Sylt verrät: Sonnenaufgang war hier heute um 4:46 Uhr, Sonnenuntergang ist um 22:09. Theoretisch sind also laut diesen Zeiten 17 Stunden und 23 Minuten Sonnenschein möglich. Im äußersten Süden Deutschlands (hier stellvertretend Oberstdorf/Allgäu) dagegen nur fast 16 Stunden (Sonnenaufgang 5:22 Uhr, Sonnenuntergang 21:19), was aber immer noch ein guter Wert ist. Alle diese Angaben können allerdings etwas schwanken, je nachdem welche Berechnungsmethode für diese astronomischen Größen verwendet wird.

Allerdings macht vor allem dem Süden das Wetter ein Strich durch die Rechnung. Regen und eventuell einzelne Gewitter am Abend vermiesen den Blick auf die Sonne, während man sich im hohen Norden über einen Mix aus Sonne und Wolken bis zum späten Abend freuen darf – ohne Regen.

Interessant ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass die Zeiten des frühesten bzw. spätesten Sonnenauf- bzw. -untergangs nicht mit der Sonnenwende zusammenfallen, sondern gegeneinander versetzt sind. Tatsächlich war der Tag des frühesten Sonnenaufgangs bereits am 16. Juni. Der Tag des spätestens Sonnenuntergangs ist dagegen erst sechs Tage nach der Sonnenwende am 26. Juni. Die Ursache dieses Effektes liegt in der Ekliptik (Schiefe) der Umlaufbahn der Erde um die Sonne. Dieser Effekt führt am Ende zu den beschriebenen Abweichungen.

Mit der heutigen Sonnenwende beginnt nun auch der astronomische Sommer, nachdem der meteorologische Sommer bereits am 1. Juni seinen Anfang gefunden hat. Zumindest erweckt auch das Wetter den Eindruck, der Jahreszeit entsprechend im Laufe der nächsten Woche etwas sommerlicher daherzukommen. Dann erwartet uns zumindest bis kommenden Mittwoch verbreitet Hochdruckwetter mit warmen bis heißen Temperaturen von meist 25 bis 30°C. Bis dahin gilt es, noch eine unbeständige Phase abzuwarten. Insbesondere am morgigen Freitag erwartet uns eine überregionale Schwergewitterlage im Osten Deutschlands. Erst am Sonntag beruhigt sich das Wettergeschehen zusehends.

M.Sc. Felix Dietzsch
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 20.06.2024
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Unwetterrückschau

Am gestrigen Dienstag war in Sachen Wetter einiges geboten! Wie bereits im Thema des Tages vom vergangenen Montag beschrieben, konnte sich über der nördlichen Mitte des Landes eine Luftmassengrenze ausbilden. Sie trennt feucht-warme Subtropikluft im Süden von deutlich trockenerer und kühlerer subpolarer Meeresluft. Im Bereich und am südlichen, warmen Rand der Luftmassengrenze konnten sich schwere Gewitter entwickeln, die über die breite Mitte des Landes zogen. Darunter war auch die ein oder andere Superzelle zu finden. Bei Superzellen handelt es sich um rotierende Gewitter, die aufgrund ihres hohen Organisationsgrades oft sehr langlebig sind. Nicht selten gehen sie mit Böen bis Orkanstärke, großem Hagel, heftigem Starkregen und manchmal auch Tornados einher. Daher gilt die Superzelle als eine der gefährlichsten Gewitterarten.

DWD Unwetterrueckschau 1

Ähnliche Begleiterscheinungen waren auch am gestrigen Dienstag dabei: Neben lokal heftigem Starkregen kam es zum Teil auch zu großem Hagel mit Korngrößen von rund 5 cm und schweren Sturm- bis mindestens orkanartigen Böen. „Mindestens“ deshalb, da die höchste gemessene Böe 110 km/h betrug (Neu-Ulrichstein, Hessen). Es ist aber davon auszugehen, dass vereinzelt auch noch etwas höhere Böen auftraten, die aber nicht vom DWD-Messnetz erfasst wurden.

Zudem gab es mehrere Meldungen zu potentiellen Tornados, die unter anderem auch über die DWD-WarnWetter-App abgesetzt wurden – an dieser Stelle ein riesiges Dankeschön für die zahlreichen (Un-)Wettermeldungen! Während es von einem Fall im Raum Hildesheim (Niedersachsen) Videoaufnahmen gibt, die den Tornado gegen 20 Uhr zeigen, ist dies bei zwei anderen Fällen in Kirtorf (Hessen, gegen 14.15 Uhr) und Gröditz (Sachsen, gegen 18.45 Uhr) zumindest bisher nicht der Fall. Ein Tornado kann im Allgemeinen nur bestätigt werden, wenn Bild- oder Videomaterial vorliegen, das eindeutig den Tornado zeigt, oder nach einer gründlichen Analyse der aufgetretenen Schäden. Aufgrund der vorherrschenden atmosphärischen Bedingungen und den vorliegenden Radardaten wäre aber zumindest der Tornado in Kirtorf plausibel. Der Fall in Gröditz deutet nach aktuellem Stand dagegen eher auf eine heftige Fallböe der Gewitterzelle hin. Aber egal ob Tornado oder Fallböe – es traten in beiden Fällen enorme Schäden auf.

DWD Unwetterrueckschau

Die ersten Gewitterzellen griffen gegen 11 Uhr von Frankreich und Belgien auf Rheinland-Pfalz und das Saarland über und zogen im weiteren Verlauf nordostwärts. Über Mittelhessen entwickelte sich dann gegen 14 Uhr die erste heftige Zelle, die sich weiter ost-nordostwärts bewegte und über Kirtorf schließlich zu dem Tornadoverdacht führte. Sie war eingebettet in einen Multizellencluster (Konglomerat mehrerer Gewitterzellen), der gegen 17.30 Uhr Leipzig erreichte und gegen 18.45 Uhr – wie angesprochen – Gröditz. Gegen 20.30 Uhr zog der Komplex nach Polen ab.

Doch damit nicht genug denn über Thüringen und Sachsen-Anhalt schossen bereits die nächsten Gewittertürme in die Höhe, die vor allem in der ersten Nachthälfte auch Sachsen und die Südhälfte Brandenburgs mit einer „Lichtershow“ versorgten. Gegen 1.30 Uhr waren aber auch diese Gewitter nach Polen abgezogen. Im Westen kam derweil bereits das nächste Gebiet mit schauerartigen Regenfällen und einzelnen kräftigen Gewittern auf, das unter Abschwächung bis in die Mitte vorankam. Auch im Südwesten ging es in der vergangenen Nacht los mit der Blitzerei: Vom Oberrhein bis nach Oberfranken und ins Vogtland entwickelte sich eine Schauer- und Gewitterlinie, die sich erst im heutigen Vormittagsverlauf auflöste.

Auch in den kommenden Tagen bleibt es unruhig beim Wetter. Morgen stehen vor allem die Südwesthälfte, am Freitag dann weite Teile Deutschlands im Fokus kräftiger Gewitter.

Dipl.-Met. Tobias Reinartz
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 19.06.2024
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Wie entsteht Hagel?

Hagel verursacht oftmals erhebliche Schäden und gehört in Deutschland zu den schadensträchtigsten Wetterereignissen überhaupt, allerdings sind die Ereignisse mit besonders schlimmen Auswirkungen eher selten. Vor allem die hohe Bewegungsenergie (kinetische Energie) der Hagelgeschosse führt an Gebäuden, Fahrzeugen und landwirtschaftlichen Flächen zu großen Schäden. Beispielsweise verursachte das „Münchner Hagelunwetter“ am 12.07.1984 Versicherungsschäden von mehreren hundert Millionen Euro.
Am heutigen Dienstag und in der kommenden Nacht zum Mittwoch sind die Bedingungen für die Hagelbildung in Deutschland sehr günstig. Vor allem in einem breiten Streifen quer über der Mitte des Landes können sich einzelne Superzellen samt großem Hagel mit Korngrößen um 5 cm entwickeln. In der nachfolgenden Grafik sind die Bereiche, in denen die Wahrscheinlichkeit für die Bildung schwerer Gewitter deutlich erhöht ist, dargestellt.

DWD Wie entsteht Hagel

Großer Hagel bildet sich dabei nur in hochreichenden organisierten Gewitterzellen wie beispielsweise Superzellen, Multizellen, Gewitterlinien oder mesoskaligen konvektiven Systemen. Der Grund dafür ist, dass sich nur bei hohen Vertikalgeschwindigkeiten, bei einer langen Aufenthaltsdauer in der Wolke und einem hohen Flüssigwassergehalt große Hagelkörner bilden können.

Damit sich im ersten Schritt ein Hagelkorn entwickeln kann, setzt das voraus, dass sich kleine Eispartikel in der Atmosphäre bilden. Dies nennt man Nukleation. Dabei können sich die Eisteilchen bereits bei Temperaturen knapp unter 0 °C formieren, indem Wassertröpfchen an Eiskeimen anfrieren. Damit das kleine Hagelkorn (Nuklei) weiter anwachsen kann, müssen sich weitere Tröpfchen oder Eisteilchen anlagern. Diesen Vorgang nennt man Akkreszenz. In der Grafik wird der Vorgang der Entstehung aufgezeigt.

DWD Wie entsteht Hagel 1

Um ein weiteres Wachstum des Hagelkorns zu erreichen, müssen sich weitere unterkühlte Wassertröpfchen an das Hagelembryo anlagern. Dies geschieht besonders im Bereich des Aufwindes, denn hier können durch den Vertikalwind besonders viele unterkühlte Tröpfchen herangeführt werden. Für das Wachstum des Hagelkorns ist es dabei maßgeblich entscheidend, wie lange sich das Hagelembryo im Bereich der unterkühlten Tröpfchen halten kann. Besonders in Superzellen können sich sehr große Hagelsteine bilden, denn durch die lange Verweildauer im spiralförmigen Aufwindschlauch können sich sehr viele unterkühlte Wassertröpfchen an ein Hagelkorn anlagern. Das bedeutet, dass die Akkreszenzrate relativ hoch ist.

Sicherlich haben Sie auch schon festgestellt, dass Hagelkörner unterschiedlich aussehen und aufgebaut sind. Verantwortlich dafür ist, ob das Anwachsen des Hagelkorns trocken oder feucht erfolgt. Beim trockenen Wachstum werden kleine Luftbläschen in das Hagelkorn eingeschlossen und die entstehende Hagelschicht erscheint opak (undurchsichtig). Durchsichtig hingegen wird das Hagelkorn beim feuchten Wachstum. Oftmals kommt es bei der Hagelentstehung zu einem Wechsel der angesprochenen Wachstumsarten, sodass ein Hagelkorn aus durchsichtigen und undurchsichtigen Schichten besteht.

Ist das Hagelkorn schwer genug geworden und überwiegt die Gravitationskraft (Erdanziehungskraft) gegenüber der Auftriebskraft, die das Hagelkorn durch starke Aufwinde erfährt, fällt das Hagelkorn zu Boden und kann die eingangs erwähnten großen Schäden verursachen.

Diplom Meteorologe Marcel Schmid
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 18.06.2024
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

Eine turbulente Wetterwoche mit teils schweren Gewittern steht uns bevor!

Nach einer kurzen Verschnaufpause steht uns am morgigen Dienstag in einigen Teilen Deutschlands eine Schwergewitterlage bevor. Nachdem sich das Wochenende zumindest wettertechnisch recht ruhig und meist kühl gestaltetet hatte, stellt sich die Wetterlage zum Start in die neue Woche um. Das wetterbestimmende Tiefdruckgebiet VALESCA bei den Britischen Inseln verlagert sich unter weiterer Abschwächung nach Skandinavien. Gleichzeitig spaltet sich vor der Küste Nordspaniens ein Höhentief von der Höhenströmung ab und verlagert sich langsam in Richtung Iberische Halbinsel. Dabei werden auf der Vorderseite des Tiefs sehr warme bis heiße Luftmassen über den westlichen Mittelmeerraum nach Norden bis in die Südhälfte Deutschlands transportiert. Durch die Überströmung des Mittelmeeres kommt es zu einer signifikanten Anfeuchtung, sodass die vorherrschende Luftmasse am Dienstag in der Süd- und Osthälfte des Landes einen sehr hohen Feuchtegehalt aufweist. Gebietsweise liegen dort die  bei über 20 Grad.

DWD Eine turbulente Wetterwoche mit teils schweren Gewittern steht uns bevor

Zur selben Zeit strömt auf der Rückseite von VALESCA weiterhin kühle Meeresluft in den Nordwesten Deutschlands ein. Dadurch entsteht quer über Deutschland eine Luftmassengrenze, die sich nach aktuellem Stand in einem Bereich von Nordrhein-Westfalen bis nach Südbrandenburg erstreckt. Im Bereich der Luftmassengrenze kommt es zu kräftigen schauerartigen Niederschlägen und vor allem südlich davon auch zu schweren Gewittern. Da in dieser Zone sowohl eine stark ausgeprägte Windgeschwindigkeits- als auch Richtungsänderung mit der Höhe vorhanden ist, können sich stellenweise Superzellen ausbilden. Dabei handelt es sich um langlebige, gut organisierte Gewitter, die häufig ein hohes Gefahrenpotential aufweisen. Morgen liegt die größte Wahrscheinlichkeit für solche Gewitter in einem Bereich, der südlich an die Luftmassengrenze angrenzt. Dieses Gebiet erstreckt sich voraussichtlich von der Eifel über Nordhessen bis nach Südbrandenburg. Dort muss örtlich mit heftigem Starkregen, größerem Hagel von 3 bis 5 Zentimeter Korndurchmesser und Böen bis in den Orkanbereich gerechnet werden. Auch die Ausbildung einzelner Tornados ist nicht ganz ausgeschlossen.

DWD Eine turbulente Wetterwoche mit teils schweren Gewittern steht uns bevor 1

Südlich des Mains fehlt zur Auslösung von Gewittern der Hebungsantrieb. Dort sind zunächst lediglich im Bereich der Mittelgebirge einzelne heftige Gewitter möglich. Diese können aber durchaus auch mit ähnlichen Begleiterscheinungen einhergehen. Lediglich die Ausbildung von Tornados ist aufgrund einer zu hohen Wolkenbasis und schwächerer in der unteren Troposphäre unwahrscheinlich. Im Südwesten kommen voraussichtlich in der Nacht zu Mittwoch häufiger, teils kräftige Gewitter auf. Nur südlich der Donau werden unter anderem aufgrund des Föhns an den Alpen keine Niederschläge erwartet. Auch im äußersten Nordwesten bleibt es in der deutlich kühleren Meeresluft ruhig. Dort liegen die Höchsttemperaturen zudem nur bei etwa 20 Grad, während im Süden in der schwülwarmen Luftmasse bis zu 33 Grad erreicht werden.

In den darauffolgenden Tagen stehen hauptsächlich im Süden weiterhin stellenweise kräftige Gewitter mit Unwetterpotenzial an. Vor allem am Freitag deutet sich nach jetzigem Stand eine neue Unwetterlage durch schwere Gewitter an. Eine genauere Eingrenzung der Schwerpunkte ist zum jetzigen Zeitpunkt aber noch nicht möglich. Aktualisierte Informationen zur Unwettersituation erhalten Sie jederzeit auf der oder in der Warn-Wetter-App.

M.Sc. Meteorologe Nico Bauer
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 17.06.2024
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

Extremwettervorhersagen des DWD nicht nur für Deutschland

In den letzten 50 Jahren hat sich die Zahl der extremen Wetterphänomene weltweit in einigen Fällen verfünffacht. Mehr als zwei Millionen Menschen haben ihr Leben verloren (Quelle: WMO). Auch das im Zusammenhang mit dem Extremwetterkongress 2021 aktualisierte Faktenpapier fasst den aktuellen Kenntnisstand zu Extremwetterereignissen in Deutschland zusammen und kommt zu folgender Aussage: „In Folge der globalen Erwärmung starke Veränderungen bei extremen Wetterereignissen. Dabei kommt es sowohl zu regionalen Verlagerungen, in deren Folge extreme Wetterereignisse in Gebieten auftreten, in denen diese bisher nicht aufgetreten sind. Ebenso kommt es innerhalb von Regionen – wie Deutschland – zu einer Zunahme von extremen Wetterereignissen wie Hitzewellen und eine Abnahme anderer extremer Wetterereignisse wie beispielweise strenge Fröste.“

Im Bereich der Niederschläge und der Winde sind die Aussagen differenzierter und weniger eindeutig. Dennoch wurden im Rahmen eines insgesamt etwa zweijährigen Forschungsprojektes der Behördenallianz aus BBKTHWUBA und DWD einige wichtige Erkenntnisse gewonnen. Demnach ist für den Winter in Deutschland mit einer Zunahme der Auftrittswahrscheinlichkeit der heute 100- tägigen Niederschlagsereignisse um rund 25 % bis 50 % zu rechnen. Beim Wind ergibt sich lediglich für die Wintermonate deutschlandweit weitestgehend einheitlich eine Zunahme der Überschreitungswahrscheinlichkeit der rezenten 100- tägigen Spitzenböen je nach Modell um 25 % bis 100 %.

Die Zunahme an Extremereignissen ist aktuell schon national als auch im weltweiten Fokus deutlich zu beobachten. Aufgrund der zunehmenden Anforderungen bezüglich dieser extremen Wetterereignisse erweitern viele Wetterdienste ihre Beratungs- und Produktvielfalt.

Beim DWD wurde in der Vorhersagezentrale vor einigen Jahren ein Dienst installiert, der sich überwiegend mit den nationalen und internationalen schadensträchtigen Ereignissen beschäftigt und auch teilweise die Beratungstätigkeiten mit nationalen Behörden und Nutzern übernimmt.
Eine besondere Herausforderung stellen dabei die Produkt- und Beratungsanforderungen dar. Das Ziel eines Kundenprodukts in der Extremwettervorhersage ist es, wichtige Informationen auf einfache und verständliche Weise zu vermitteln, die dem Kunden vertraut ist. Je nach Nutzergruppe oder Behörde sind die Anforderungen vielschichtig. Räumlich und zeitlich stark variierende Punkt-Termin-Prognosen für einzelne Standorte wie z.B. Flughäfen oder räumlich und zeitlich stark variierende Prognosen für Gebiete oder topographisch strukturierte Gebiete wie Flusseinzugsgebiete stehen teilweise im Kontrast zu streckenbezogenen Prognosen (für Flugrouten, Straßen, Wasserstraßen etc.) oder regionale und globale Prognosen z.B. für Hilfsorganisationen bzw. die Bundeswehr.

Um diesen Anforderungen ausreichend zu genügen, nutzen die Mitarbeiter in der Vorhersagezentrale neben der normalen Modellvielfalt auch Extremwettertools wie z.B. EFas oder GloFas (Europäisches bzw. globales Hochwasserwarnsystem). Zusätzlich wurde im DWD auch ein einfacher Extremwetterindex (EWI) entwickelt. Um ein globales Vorhersageprodukt zu generieren, das weltweit Hinweise auf extreme Wetterereignisse im kurz- und mittelfristigen Bereich liefert, werden die Vorteile von Ensemble-Methoden sowie von klimatologischen Parametern genutzt und beide Verfahren kombiniert.

„EWI“ identifiziert homogen und konsistent Regionen, in denen Extremwetterereignisse sowohl auf Basis klimatologischer Informationen (EFISOT) als auch unter Berücksichtigung von Wahrscheinlichkeiten (Ensemble) simuliert werden. Das 90 %-Perzentil entspricht einem „reasonable worst case„. Das Endprodukt enthält absolute Werte für die Schwere der erwarteten Ereignisse im bewährten 3-Farben-Stil, wobei in den hervorgehobenen Regionen mindestens ein 20-jähriges Ereignis (für den Referenzzeitraum +/-14 Tage) erwartet wird (siehe Abbildung 1).

DWD Extremwettervorhersagen des DWD nicht nur fuer Deutschland

Als Kundenprodukt wird vor signifikanten nationalen Warnlagen eine schematische Grafik konfiguriert und z.B. dem GMLZ (Gemeinsame Lagezentrum des Bundes) oder der Deutschen Bahn zur Verfügung gestellt. Eine einfache Form dieser Grafik wird dann auch häufiger über
die verschiedenen Social-Media-Kanäle des DWD bereitgestellt (siehe Abbildung 2).

DWD Extremwettervorhersagen des DWD nicht nur fuer Deutschland 1

Wie schon erwähnt, liegt der Schwerpunkt der Extremwettervorhersage nicht mehr nur auf Deutschland. Aufgrund der Globalisierung sowie der internationalen Vernetzung gelangen auch extreme Wetterereignisse im globalen Fokus zunehmend auf die Agenda.
Nahezu weltweit können Bundesbürger oder expandierte Firmen von Extremereignissen bedroht werden. Zudem ist der humanitäre Sektor stark von globalen Extremwettervorhersagen abhängig. Gleichermaßen wird die Arbeit der Meteorologen der Bundeswehr in dieser Hinsicht unterstützt. Für das GMLZ und die Bundeswehr wird dabei täglich für interne Zwecke eine sogenannte Weltwettergefahrenkarte erstellt (siehe Abbildung 3).

Bei der Produktion richtet sich der Blick auf mögliche internationale Hilfeleistungen von DRK und THW. Dabei werden Regionen mit geringerer Infrastruktur inklusive Katastrophenschutz bevorzugt behandelt. Hitze und Dürre werden in der Regel nicht in die Vorhersage aufgenommen. Auch sonst wird mit Blick auf die speziellen Anforderungen bei diesem Produkt auf Vollständigkeit verzichtet.

DWD Extremwettervorhersagen des DWD nicht nur fuer Deutschland 2

Seit einigen Jahren unterstützen die WMO-Mitglieder (Meteorologische Weltorganisation) humanitäre Organisationen und die Vereinten Nationen bei der frühzeitigen Planung von Schutzmaßnahmen sowie bei der Reaktion auf extreme Wetter- und Klimaereignisse.

Der DWD beteiligt sich mit großem Engagement am WMO Coordination Mechanism, da hiermit ein wichtiger Beitrag zur Minderung der Folgen von globalen Extremwetterereignissen geleistet wird (siehe Link 2). Die Unterstützung der Arbeit globaler humanitärer Hilfsorganisationen und auch der Vereinten Nationen mit bestmöglichen Vorhersagen ist eine sehr bedeutende und somit motivierende Tätigkeit für unsere MitarbeiterInnen. Diese stärken im Rahmen der Tätigkeit zudem ihr hochkompetentes Expertenwissen in der Vorhersage, Klimatologie und des Impacts der global zunehmenden Extremereignisse. Hiervon profitiert der DWD auch national, da selbst die Bundesrepublik Deutschland durch den Klimawandel bereits mit nie dagewesenen Extremereignissen konfrontiert wird.

Die WMO stellt in diesem Sinne mit Hilfe von Wetterdiensten einzelner Mitgliedsstaaten globale und regionale Wochenvorhersagen z.B. für UNHCR (UN-Flüchtlingskommissariat) oder UN-OCHA (Büro der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten) bereit. Teile der globalen Wochenvorhersage für das UNHCR (UN-Flüchtlingskommissariat) werden von Mitarbeitern der Vorhersagezentrale des DWD jeden Donnerstag produziert (siehe Abbildung 4 und Link 3). Dabei ist der DWD derzeit für Südamerika, Mittelamerika und die Karibik sowie Süd- und Südwestasien verantwortlich. Zudem hat die Vorhersagezentrale die Backup-Funktion inne und unterstützt das WCM-Team in Genf koordinierend. Bei den Wochenvorhersagen steht der Impact im Vordergrund und keine meteorologischen Schwellenwerte. Um die Qualität der Vorhersagen zu überprüfen und zukünftige Prognosen zu optimieren, werden die Produkte verifiziert.

DWD Extremwettervorhersagen des DWD nicht nur fuer Deutschland 3

Mit einem veränderten Klima und der fortschreitenden Automatisierung und Digitalisierung verändert sich auch das Aufgabenspektrum der Meteorologen im DWD. Der Fokus wandert zunehmend zu nationalen Unwetterlagen und internationalen Extremwetterereignissen sowie der Kommunikation dieser. Dabei stellt der Wissens- und Faktentransfer in der Beratung eine bedeutende Herausforderung dar, der in Zukunft weiter an Wichtigkeit gewinnt.

Dipl.- Met. Lars Kirchhübel
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 16.06.2024
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

Jetzt also doch: Der Sommer naht – oder?

Mittlerweile schon seit einigen Wochen ist die Großwetterlage mehr oder weniger festgefahren. Ausgedehnte Hochdruckgebiete sowohl über dem Atlantik als auch über Russland bzw. Westasien blockieren die Westdrift und sorgen dafür, dass stattdessen kühle Luft aus polaren Breiten nach Süden gen Mitteleuropa ausbricht – der einzige Weg, der übrig bleibt. Manifestiert hat sich das vor allem in einem persistenten, d.h. über einen langen Zeitraum bestehenden Langwellentrog, in dessen Umfeld es immer wieder zur Ausbildung neuer Tiefdruckgebiete kam. Dementsprechend gestaltete sich auch der Wettercharakter: Nass und oftmals zu kühl. Unrühmlicher Höhepunkt waren die extremen Niederschläge vom Allgäu über Schwaben bis nach Oberbayern, die zu heftigen Überschwemmungen führten.

Jetzt wollen wir aber nicht nur auf Vergangenes schauen, sondern den Blick auf die nahe Zukunft richten. Und da zeigt sich eine deutliche Änderung: Der wetterbestimmende Langwellentrog löst sich über Mitteleuropa auf und regeneriert sich erst wieder neu über dem östlichen Atlantik. Damit stellt sich die Strömung bei uns um auf südwestliche Richtung. Bahn frei für die warme und feuchte sommerliche Luftmasse aus Südwesteuropa (Illustration siehe Abbildung 1)!

Jetzt also doch Der Sommer naht – oder

Damit steigen die Temperaturen bereits ab Montag spürbar an. Vor allem im Süden Deutschlands, wo die Warmluft als erstes ankommt, steigen die Werte auf teils über 25 °C an. Nur an der Nordsee, die weiterhin nah an der Frontalzone und damit an der kühleren Luft liegt, bleibt es bei Werten von 20 °C. Am Dienstag und Mittwoch geht es dann weiter steil bergauf. Dann klettern die Höchstwerte im Süden und gegen Mitte bis Ende der kommenden Woche wohl auch im Osten auf 30 °C. Dadurch stellt sich zwischen Süden und Norden ein veritabler Temperaturunterschied ein, der nicht folgenlos bleibt.

DWD Jetzt also doch Der Sommer naht – oder

Bereits am Dienstag deuten die Vorhersagemodelle eine erste unwetterträchtige Schwergewitterlage an. Diese steht in Zusammenhang mit der uns überquerenden Trogachse des sich mittlerweile regeneriert habenden Langwellentroges, der anfangs noch auf dem Ostatlantik zu finden war. Dieser sorgt für den nötigen Antrieb in der labil geschichteten Warmluftmasse, die sich über Deutschland breit gemacht hat.

DWD Jetzt also doch Der Sommer naht – oder 1

Nicht nur ist diese Luftmasse anfällig für Gewitterbildung. Vielmehr weht im Zuge des Trogdurchgangs auch ein starker Höhenwind. Entsprechend hoch sind dadurch die Scherungswerte – also die Änderung des Windes mit der Höhe – die Werte um 50 kt (um 90 km/h) erreichen. Das ganze wird garniert durch hohe CAPE-Werte von 1000 bis 1500 J/kg (siehe Abbildung 3). In der Summe also ordentlich atmosphärischer Zündstoff für die Bildung organisierter Gewittersysteme wie Superzellen oder sogenannten „Squall Lines”. In diesen Fällen muss mit Begleiterscheinungen wie heftigem Starkregen, schweren Sturm- bis Orkanböen und großem Hagel gerechnet werden. Ob es am Ende wirklich so kommt, wird sich zeigen müssen. Für detailliertere Prognosen gehen noch ein bis zwei Tage ins Land.

Wie es nach dem Dienstag weitergeht, scheint aktuell noch offen. Während das deutsche ICON-Modell bereits wieder kältere Luft die Oberhand gewinnen lässt, zeigen sowohl das europäische Modell ECMWF als auch das amerikanische GFS am Donnerstag den Vorstoß einer Heißluftblase mit Temperaturen im 850 hPa-Niveau (etwa 1,5 km Höhe) von mehr als 20 °C über die Alpen bis in den Süden Deutschlands. Bei diesem Szenario stände gleich die nächste ziemlich heftig anmutende Gewitterlage ins Haus. Wie es am Ende kommt, wird sich zeigen müssen. Es bleibt also auch in der kommenden Woche aus meteorologischer Sicht ziemlich spannend.

M.Sc. Felix Dietzsch
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 15.06.2024
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

Fußballturniere und ihr Wetter

Die Fußballfans in Deutschland fiebern dem Start der Fußball-Europameisterschaft entgegen. Endlich wieder ein großes Turnier im eigenen Land! Viele fühlen sich erinnert an das legendäre Sommermärchen 2006, als Poldi, Schweini und Co. die deutsche Nationalmannschaft bis ins Halbfinale führten. Doch nicht nur der gute Fußball blieb in Erinnerung, sondern auch das Wetter zu jener Zeit. Sonnenschein, hochsommerliche Hitze und laue Sommerabende hatten einen gewichtigen Anteil an der ausgelassenen Stimmung, die sich landauf, landab breitmachte. Doch wie schneidet das Wetter in Deutschland zur Fußball-Weltmeisterschaft 2006 im Vergleich zu den Wetterlagen während anderer Fußballturniere ab? Wann war es besonders warm und trocken, wann eher kühl und nass?

Dazu werten wir Daten der DWD-Wetterstationen Berlin-Dahlem, Düsseldorf, Frankfurt/Main, Hamburg-Fuhlsbüttel, München-Stadt und Stuttgart-Echterdingen aus, die repräsentativ für den generellen Wettercharakter in Deutschland sein sollen. Wir starten mit der Europameisterschaft 2021, die „Winter-WM“ 2022 als Ausnahme berücksichtigen wir in diesem Kontext nicht. Wir gehen zurück bis zur Europameisterschaft 1980, da frühere Turniere eine oft viel zu kurze Laufzeit hatten. Als charakteristische Größen verwenden wir die mittlere Höchsttemperatur, die mittlere Sonnenscheindauer und die Regentage bzw. die relative Anzahl der komplett trockenen Tage während des jeweiligen Turnierverlaufs. Die Ergebnisse sind in Abbildung 1 dargestellt.

Tatsächlich nimmt die WM 2006 bei der Temperatur und der Sonnenscheindauer die Spitzenposition ein, aber auch die WM 1994 in den USA (deutsche Niederlage im Viertelfinale gegen Bulgarien) und die WM 2010 in Südafrika (Niederlage im Halbfinale gegen Spanien) mischen in den Top-3 mit. Im Hinblick auf die Trockentage kommt die EM 1988 in Deutschland ins Spiel (Niederlage im Halbfinale gegen die Niederlande), dafür fällt die WM 2006 aus dem Ranking, wahrscheinlich bedingt durch eine etwas stärkere Gewitterneigung in teils schwül-warmer Luft.

 

DWD Fussballturniere und ihr Wetter

Eine nicht nur sportlich, sondern auch wettertechnisch eher triste Angelegenheit war die EM 2004 in Portugal (Vorrundenaus), die in den Flop-3 für die Temperatur und Regentage auftaucht. Für einige sicher erstaunlich, aber auch die WM 1990 in Italien, als Deutschland durch ein spätes Elfmetertor von „Andi“ Brehme zum dritten Mal Weltmeister wurde, fiel hierzulande nicht gerade durch sonniges und sonderlich warmes Wetter auf. Ebenfalls im Negativ-Ranking gelistet werden durch zeitweise sehr kühles Wetter die EM 1984 (Vorrundenaus), und durch besonders feuchtes Wetter die EM 1980 (Europameister).

Abschließend lässt sich festhalten, dass die Variabilität des mitteleuropäischen Sommerwetters auch nicht vor den Fußballturnieren haltmacht. Durchweg sonniges Hochsommerwetter während eines gesamten Turniers sind definitiv kein Standard, sogar eher Seltenheit. Zwar verbinden wir seit der WM 2006 ein „Fußball-Sommermärchen“ immer auch mit super sonnigem und beständigem Sommerwetter, doch sollte man den Einfluss des Wetters auf die generelle Stimmungslage nicht überbewerten. Es kann nämlich auch anders gehen, wie die WM 1990 beweist. Also lassen wir das Wetter Wetter sein und freuen uns auf ein hoffentlich sportlich erfolgreiches Turnier, für wen auch immer Sie die Daumen drücken.

Dipl.-Met. Adrian Leyser
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 14.06.2024
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

EarthCARE – Den Wechselwirkungen in der Atmosphäre auf der Spur

Es ist zwar schon ein paar Tage her, aber am 29. Mai 2024 war es so weit. Genauer gesagt um 0:20 Uhr mitteleuropäischer Sommerzeit hob im fernen kalifornischen Vandenberg (28. Mai, 15:20 Uhr Ortszeit) der neue Erdbeobachtungssatellit an Bord einer Falcon-9 Trägerrakete mit einem Bilderbuchstart ab. Nur wenig später um 1:14 Uhr hat der etwa zwei Tonnen schwere Satellit, der aufgrund seines Aussehens auch „Weißer Drache“ genannt wird, seine Bereitschaft für den Einsatz im All zum Kontrollzentrum signalisiert.

Ob extreme Starkregenereignisse wie in den vergangenen Wochen in Teilen Deutschlands oder Dürre und Hitze in Südeuropa – die Sonneneinstrahlung ist die maßgebliche Größe für die Wetterdynamik und auf längeren Zeitskalen auch das Klimageschehen auf unserer Erde. Sie treibt die Zirkulation in der Atmosphäre an. Allerdings ist die Strahlung der Sonne sehr unterschiedlich in der Erdatmosphäre verteilt und tritt zudem in Wechselwirkungen mit Wolken, Aerosolen (z.B. Schwebeteilchen wie Vulkanasche, Saharastaub oder Industrieemissionen) oder anderen Spurenelementen.

Um den Strahlungshaushalt unserer Erde zeitlich und räumlich viel genauer zu erfassen und die erwähnten Wechselwirkungen der Wolken- und Aerosolprozesse in unserer Atmosphäre global besser zu kennen und zu entschlüsseln, wurde EarthCARE ins Leben gerufen. EarthCARE ist ein Akronym und steht für Earth Cloud, Aerosol and Radiation Explorer. Die Mission ist eine Kooperation der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) mit der japanischen Weltraumagentur (JAXA – Japan Aerospace Exploration Agency).

Für diese Aufgabe sind auf EarthCARE vier sich gegenseitig ergänzende Messinstrumente untergebracht. Mit dieser Kombination ist es möglich gleichzeitig die Wolken- und Aerosolwechselwirkungen mit der kurzwelligen als auch langwelligen Strahlung in der Atmosphäre zu messen.

DWD EarthCARE – Den Wechselwirkungen in der Atmosphaere auf der Spur

Zunächst wäre das Atmosphären-Lidar ATLID zu nennen. Das Atmosphären Lidar sendet dabei Lichtimpulse aus und analysiert die reflektierten Signale. Daraus wird ein hochaufgelöstes vertikales Profil der Erdatmosphäre von Aersolen und Wolken einschließlich ihrer Eigenschaften wie Dichte und Aerosoltyp erstellt. Die bisher nie erreichte Genauigkeit des Lidars wird entscheidend das Verständnis der Rolle von Aerosolen und Wolken in der Energiebilanz der Erde voranbringen.

Mit dem von der JAXA bereitgestellten Wolkenprofilradar CPR (Cloud Profiling Radar) kann EarthCARE das „Innenleben“ von Wolken beobachten. Dabei können detaillierte Informationen zu deren vertikaler Struktur und Geschwindigkeit, Partikelgrößenverteilung und Wassergehalt gewonnen werden. Damit lassen sich zum Beispiel die Erkenntnisse zur Bildung und Auflösung von Wolken vertiefen.

Das dritte Instrument an Bord von EarthCARE ist ein Multi-Spektral-Imager (MSI). Dieses nimmt hochauflösende Bilder in mehreren Spektralbändern des sichtbaren und infraroten Lichtspektrums auf. So können die Wissenschaftler zwischen verschiedenen Arten von Wolken, Aerosolen und der Erdoberfläche unterscheiden und zudem zusätzliche Informationen über die optischen Eigenschaften von Wolken und Aerosolen erhalten, um mehr über ihre Zusammensetzung und Verteilung zu erfahren. Während das Atmosphären-Lidar und das Wolkenradar Profile der Atmosphäre in einem eher dünnen Streifen direkt unter dem Satelliten erfassen, misst der Multi-Spektral-Imager in einem viel größeren Sichtfeld. Durch die Zusammenführung der Lidar-, Radar- und Multispektraldaten werden hochaufgelöste dreidimensionale Informationen über Wolken und Aerosole vorliegen.

Zu guter Letzt ist noch ein Breitbandradiometer BBR (Broad Band Radiometer) an Bord des Satelliten. Dieses Instrument vermisst die reflektierte Strahlung der Sonne aber auch die von der Erde ausgehende Wärmestrahlung in der Atmosphäre. Diese Messungen werden kombiniert mit den aus anderen Instrumenten abgeleiteten Strahlungsinformationen. So lässt sich das Verständnis der Energiebilanz unseres Planeten in Wechselwirkung mit den Aerosolen und Wolken voraussichtlich zusätzlich vertiefen.

Wie geht es nun weiter? EarthCARE durchläuft nun eine halbjährige Inbetriebnahme, bevor dann die routinemäßigen Messungen starten. Während dieser Periode müssen die Instrumente mit weiteren Messdaten aus der Luft und vom Boden verglichen und richtig eingestellt werden. Bei der Validierungskampagne kommt unter anderem auch das Forschungsflugzeug HALO (High Altitude and Long range Research Aircraft) des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) zum Einsatz. Der Flieger ist mit vier Instrumenten bestückt, die mit denen von EarthCARE vergleichbar sind.

Nach Abschluss der Validierungskampagne geht EarthCARE in den operationellen Modus und liefert den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern neue Datensätze. Man darf gespannt sein, welche neuen Erkenntnisse über die Beziehung zwischen Wolken, Aerosolen und Strahlung gewonnen werden.

M.Sc. (Meteorologe) Sebastian Altnau
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 13.06.2024
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst