Gegenstrahlung

Der Strahlungshaushalt bzw. die Strahlungsbilanz ist ein wesentlicher Faktor für die in der Atmosphäre ablaufenden Prozesse. Dabei unterscheidet man in einem ersten groben Schritt einerseits die von der Sonne ausgestrahlte kurzwellige und sehr energiereiche Strahlung und andererseits die von der Erde ausgestrahlte langwellige (Wärme-)Strahlung. Bei genauerem Hinsehen werden beide Strahlungsarten auf ihrem Weg durch die Atmosphäre in vielfältiger Weise verändert, teils nur bezüglich ihrer Ausbreitungsrichtung, teils nur bezüglich ihres Wellenlängen-Spektrums – und manchmal auch bezüglich beider Eigenschaften.

Im heutigen Thema des Tages werfen wir einen Blick auf die Wärmestrahlung der Erde. Sie hat einen Energieverlust für den Erdkörper zur Folge, der umso höher ist, je besser die Wärmestrahlung durch die Atmosphäre in den Weltraum gelangen kann. Umgekehrt ist der Energieverlust dann gering, wenn ein großer Teil der irdischen Strahlung, z. B. durch Reflektion, wieder zur Erde zurück gelangt. Diesen Teil der irdischen Wärmestrahlung bezeichnet man als Gegenstrahlung, weil sie dem physikalischen „Drang“ der Erde, Energie abzugeben, entgegensteht.
Sozusagen im „Gegenstrahlungs-Fokus“ stehen aktuell natürlich die Treibhausgase und in der Folge der Klimawandel. Aber auch Wasserdampf und mithin die Wolken sind sehr effektive „Gegenstrahler“. Ein schönes Beispiel dafür zeigte sich am vorvergangenen Wochenende im Rhein-Main-Gebiet.

DWD Gegenstrahlung

In der Abbildung 1 ist dazu der Temperaturverlauf am Messfeld des Instituts für Physik der Atmosphäre der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz vom 29.11. bis 4.12.2024 angegeben. Genau genommen sind es sogar mehrere Temperaturverläufe, nämlich die Temperatur in 2 m Höhe (rot), in 20 cm Höhe (grün) und in 5 cm Höhe (blau). Die vierte Kurve (Taupunkt) ist ein Maß für die Feuchtigkeit. Letztendlich kann man sich für unsere Überlegungen eine der drei erstgenannten Kurven aussuchen, die zugrunde liegenden Prozesse sind bei allen Temperaturkurven gleich.

In der Nacht von Freitag auf Samstag (29.11. auf 30.11.) war der Temperaturverlauf (bzw. sind alle drei Temperaturverläufe) weitgehend so, wie man es erwartet. Die Temperatur sank – abgesehen von einem kleinen Peak nach oben zu Beginn der zweiten Nachthälfte) kontinuierlich ab. Gegen 07 Uhr MEZ am Morgen (Pfeil 1) und damit kurz nach Sonnenaufgang sorgte der solare Strahlungsinput dann für einen Temperaturanstieg bis etwa zur Mittagszeit. Am Nachmittag gewann die Ausstrahlung der Erde dann gegenüber der solaren Einstrahlung die Oberhand und die Temperatur sank wieder ab. Diese Temperaturkurve ist typisch für sogenanntes Strahlungswetter, das sich durch wolkenarme oder wolkenlose Gegebenheiten auszeichnet.

In der Nacht zum Sonntag passierte dann aber Ungewöhnliches. Schon gegen 02 Uhr MEZ (Pfeil 2) begann die Temperatur zu steigen. Eine mögliche Option wäre natürlich Warmluftadvektion gewesen, allerdings war der Wind schwach (Hochdruckeinfluss). Stattdessen kann man die Erklärung aus Abbildung 2 herauslesen.

DWD Gegenstrahlung 1

In dieser ist die tiefe Bewölkung dargestellt, wie sie unser Modell ICONEU für die Nacht vom 30.11. zum 1.12. vorhergesagt hat. Um 21 UTC am 30.11. (22 Uhr MEZ, oben links) war Mainz (roter Kreis) laut Modell noch frei von tiefer Bewölkung. In der frühen zweiten Nachthälfte (00 UTC entsprechend 01 Uhr MEZ), also kurz vor Beginn des Temperaturanstiegs an der Johannes Gutenberg-Universität, verdichtete sich die tiefe Bewölkung (oben rechts). Im weiteren Verlauf der Nacht zog die Bewölkung immer weiter zu (unten, von links nach rechts). Damit verstärkte sich die Gegenstrahlung und der Temperaturanstieg schritt bis in die Morgenstunden voran. Übrigens: Das wird auch der Grund für den kleinen Temperaturpeak in der Nacht zum Samstag gewesen sein.
Mit Tagesbeginn schwang das „Strahlungspendel“ aber zurück. Nunmehr dämpfte die Bewölkung die solare Einstrahlung, entsprechend stieg die Temperatur nur sehr zögerlich an – kein Vergleich zur raschen Temperaturzunahme am Vortag. Dafür hielt der kontinuierliche Temperaturanstieg bis in die Nacht zum Dienstag an. Dies war aber der Warnluftadvektion durch Frontensysteme geschuldet.

DWD Gegenstrahlung 2

In weiten Teilen des Rhein-Main-Gebiets war der 1.12. somit kein freundlicher Tag. Die Betonung liegt auf „in weiten Teilen“. Denn wer sich die Mühe gemacht hat auf den Feldberg im Taunus zu wandern, konnte ein spektakuläres Panorama bewundern (Abbildung 3, mit freundlicher Genehmigung von foto-webcam.eu).

Diplom-Meteorologe Martin Jonas
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 11.12.2024
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Bilanz der Tornadosaison in Deutschland 2024

Tornadozahlen seit 1999

Das Jahr neigt sich allmählich dem Ende zu und so bietet sich eine gute Gelegenheit Bilanz zu ziehen. Doch werfen wir zunächst einen Blick auf die Zahlen der letzten 25 Jahre. Die Darstellung zeigt die sogenannten Tornadostripes, in Anlehnung an die allseits bekannten Warming Stripes. Dabei wird seit 1999 jedem Jahr ein eingefärbter Balken zugewiesen, der abhängig vom Mittelwert eine rötliche Farbe aufweist, wenn die Zahlen überdurchschnittlich hoch waren und eine blaue Farbe für unterdurchschnittliche Werte. Je nach Ausprägung der Abweichung ist der Farbton der Balken mehr oder weniger kräftig. Die durchschnittliche Anzahl an Tornados im Mittel zwischen 2000 bis 2023 liegt bei 45. Man erkennt eine starke Schwankung von Jahr zu Jahr, aber keinen Trend hin zu einer Zunahme der Tornadozahlen. In diesem Jahr sind bisher 40 Tornados offiziell bestätigt worden. Es ist aber davon auszugehen, dass am Ende noch ein paar mehr Verdachtsfälle bestätigt werden. Die Tornadoarbeitsgruppe (TAD) schaut sich immer im Frühjahr des Folgejahres alle Verdachtsfälle nochmal näher an, so dass die endgültige Gesamtzahl erst dann vorliegen wird. Man kann aber schon bilanzieren, dass die Saison 2024 eine recht durchschnittliche Tornadosaison gewesen ist, ähnlich wie in den vorangegangenen Jahren.

DWD Bilanz der Tornadosaison in Deutschland 2024

Stärkeverteilung 2024

Wenn man die Tornados nach Ihrem Auftreten unterscheidet, so waren 15 der 40 Tornados sogenannte Wasserhosen, also Tornados, die über Wasser gezogen sind. Die restlichen 25 sind folglich über Land entstanden und gezogen. Der überwiegende Teil der Wirbel war schwach. Für die Bewertung der Stärke der Tornados wird die internationale Fujita-Skala verwendet (IF-Skala: Bei zwölf der bestätigten Tornados konnte keine Stärkeeinteilung vorgenommen werden. Dies ist meist der Fall, wenn die Tornados über Wasser ziehen oder kein Schaden am Boden gefunden werden konnte. Acht Tornados hatten die Stärke IF0 (2) oder IF0.5 (6). Der größte Anteil mit 19 Fällen ist in der Kategorie IF1 zu finden (IF1: 10, IF1.5: 9). Lediglich ein Fall kann als signifikanter Tornado der Stärke IF2 klassifiziert werden.

DWD Bilanz der Tornadosaison in Deutschland 2024 1

Jahresgang und Tagesgang 2024

Werfen wir nun einen Blick auf den Jahresgang. Der Großteil der Tornados trat in den Sommermonaten auf. Sieben Tornados wurden im Juni, neun im Juli und zehn im August registriert. Im April waren es sechs Fälle und im Frühjahr sind von März bis Mai zusammen acht Fälle aufgetreten. Die Verteilung passt gut zu den vieljährigen Statistiken von 2000 bis 2023. Auch hinsichtlich der Wasserhosen war es ein sehr typisches Jahr, da neun der insgesamt 15 Wasserhosen im August registriert wurden. Immerhin traten fast die Hälfte aller Tornados über Wasser seit 2000 im August auf.
Bei der Betrachtung des Tagesganges lässt sich feststellen, dass der überwiegende Teil aller Tornados in den Nachmittagsstunden gemeldet wurden. Ganze 23 und damit mehr als die Hälfte aller Wirbel traten zwischen 12 und 18 Uhr UTC auf. In den Vormittagsstunden (6 bis 12 UTC) sind elf Tornados registriert worden, wobei der größte Teil Wasserhosen (9) gewesen sind. Die Stunden (+/- 30min) mit den meisten Tornados waren 13 UTC (6) und 14 UTC (7). Auch diese Zahlen passen wieder gut zu den Langzeitstatistiken.

Interessant ist noch die Tatsache, dass die große Mehrheit an Tornados im Jahre 2024 aus Südwest (Südwest, Süd-Südwest, West-Südwest) in Richtung Nordost gezogen sind (immerhin 14 von 40). Von West nach Ost zogen fünf, von Süd nach Nord zwei und von Nordwest in Richtung Südost vier Tornados. Bei den restlichen 25 Wirbeln wurde keine Zugrichtung angegeben.

DWD Bilanz der Tornadosaison in Deutschland 2024 2

Ausgewählte Fälle

Der erste Tornado 2024 trat am 21.03.2024 um 13:40 UTC in Landsberg am Lech auf und hatte eine Stärke von IF1. Der Tornado richtete auf eine Länge von 5.2 km vor allem Schäden in der Vegetation an, beschädigte aber auch ein paar Gebäude in Landsberg. Im März sind Tornados eher unüblich. Nur knapp 2 % aller Tornados in der Datenbank traten in diesem Monat auf.
Der stärkste Tornado mit einer Stärke von IF2 wurde am Abend des 18.06.2023 um 18:15 UTC in Heere in NRW registriert und war einer von drei Tornados an diesem Tag. Dieser Wirbel zog vor allem über Felder und durch Waldgebiete und richtete teils erhebliche Schäden an der Vegetation an.
Der Tag mit den meisten Tornados an einem Tag war der 08.08.2024. An diesem Tag finden sich insgesamt sieben Tornados in der Datenbank. Es handelte es sich dabei um Wasserhosen, die zwischen 07:30 und 08:45 UTC über der Nordsee von Föhr und Borkum aus gesichtet wurden. Eine dieser Wasserhosen zog schließlich an Land und warf zahlreiche Strandkörbe um. Das Video dazu war recht prominent in den Medien zu finden.
Der breiteste Tornado 2024 war wiederum auch der stärkste Tornado 2024 in Heere. Bei der Analyse der Schäden wurde eine maximale Breite von 450 m registriert. Der Tornado in Heere zog über eine Länge von 5.3 km.
Der Tornado mit der längsten Zugbahn fand am 12.07.2024 in Marienfeld in Nordrheinwestfalen statt. Schäden von diesem IF1.5 Tornado konnten auf eine Länge von 8.3 km gefunden werden.
Im Mittel haben starke Tornados eine längere Lebensdauer und sind auch größer als schwache Tornados.

DWD Bilanz der Tornadosaison in Deutschland 2024 3

Ein kurioser Fall

Zu guter Letzt noch ein Wort zum kuriosesten Tornado in diesem Jahr. Dieser fand an einer unscheinbaren Schauerzelle bei Philippsburg in Baden-Württemberg statt. Das kuriose daran war, dass die Zelle, die den Tornado produzierte, kein Gewitter war (es gab also weder Blitz noch Donner). Trotzdem war das Erscheinungsbild auf dem Radar typisch für eine Superzelle (Hakenecho). Wahrscheinlich wäre dieser Tornado nie entdeckt worden, denn er richtete kaum Schäden an. Lediglich abgebrochene Äste und platt gedrückte Felder zeugen von seinem Auftreten. Der Zufall wollte es aber, dass Jannick Fischer vom KIT (Karlsruher Institut für Technologie) die verdächtige Zelle auffiel und er diese mit seiner Kamera verfolgte und den Tornado schließlich filmen konnte.

DWD Bilanz der Tornadosaison in Deutschland 2024

Dieser letzte Fall wirft die Frage auf, wie viele solcher Fälle jedes Jahr durch die Lappen gehen. Weil eben nicht zufällig jemand in der Nähe ist, der sich auskennt, oder weil es dunkel war und man den Tornado nicht sehen konnte. Sicherlich werden nach dem Treffen der TAD im Frühjahr noch ein paar Fälle hinzukommen, eine Dunkelziffer aber wird bleiben – wie jedes Jahr.
Sollten Sie noch einen interessanten Fall haben, der nicht in den Statistiken auftaucht, dann schreiben Sie unserer Tornado-Expertengruppe: tornado@dwd.de

Dipl.-Met. Marcus Beyer
Tornado-Expertengruppe

Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 10.12.2024
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Paradoxe Nordostströmung und Ostseehochwasser

Deutschland liegt derzeit eingezwängt zwischen zwei jeweils umfangreichen Druckgebilden. Von den Britischen Inseln bis nach Südskandinavien erstreckt sich ein Hoch mit einem Kerndruck von über 1040 Hektopascal (hPa). Über Italien liegt ein Tief mit knapp unter 1005 hPa Kerndruck. Die Folge des deutlichen Druckunterschiedes über Deutschland ist ein mäßiger bis frischer, an den Küsten starker bis stürmischer Nordostwind.

Bei dieser Richtung und Stärke des Windes würde man zu dieser Jahreszeit, immerhin haben wir fast den Sonnentiefststand erreicht, wohl winterliches Wetter bis in tiefe Lagen erwarten. Dem ist aber nicht so. Woran liegt es? Dafür gibt es mehrere Gründe. Ein entscheidender Faktor ist die Herkunft der Luftmasse. Diese hat ihren Ursprung nicht im Nordosten Europas, sondern kommt aus völlig anderen Himmelsrichtungen. Woher eine Luftmasse stammt, kann man mithilfe von sogenannten Rückwärtstrajektorien darstellen (siehe Bild 1). So ist der Ursprung der dort vorherrschenden Luftmasse Im Nordosten Deutschlands das Schwarze Meer, im Süden mehrheitlich der Balkan und im Westen Deutschlands Westeuropa oder sogar der Atlantik. Also Regionen mit deutlich milderem Klima. Erst über Mitteleuropa dreht die Strömung bodennah auf Nordost.

 

DWD Paradoxe Nordoststroemung und Ostseehochwasser

Nun könnte zumindest die Luft aus den östlichen Teilen Europas zu dieser Jahreszeit kalt sein, ist sie aber nicht. Die Vorgeschichte dort ist auch vergleichsweise mild und so fehlt dort eine Schneedecke, über der die Luft auskühlen könnte. Nur in den Bergen liegt dort Schnee. Dies ist weniger als im langjährigen Mittel und zu wenig für winterliches Wetter bei uns. Als dritten Punkt kann man das „warme“ Ostseewasser heranführen. Der Wasserkörper reagiert träger und kühlt damit langsamer ab als Landflächen. So fungiert die Ostsee gerade zum Winteranfang noch als Wärmespeicher, diese Wärme gibt sie an die darüber strömende Luft ab. Und auch in diesem Fall gibt es noch einen zusätzlichen Aufschlag, die Ostsee ist großflächig 1 bis 3 Kelvin wärmer als im langjährigen Mittel. An der deutschen Ostseeküste beträgt die Wassertemperatur aktuell 5 bis 7 Grad, weiter abseits der Küste zum Teil noch 8 Grad. Zu viel für wintertaugliche Luftmassen.

So erklärt sich nach einer vielleicht ersten Verwunderung das fehlende Winterwetter in tiefen Lagen. In Lagen ab 600 Meter reicht es aber doch für winterliches Wetter. Für diese Höhenlage ist dies zu dieser Jahreszeit aber auch nicht groß der Rede wert.
Eine markante Folge der aktuellen Wetterlage gibt es dann aber schon: Hochwasser an der Ostsee. Der anhaltende sowie kräftige Nordostwind treibt das Ostseewasser großräumig nach Südwesten und lässt es an der deutschen Küste besonders hoch steigen.

DWD Paradoxe Nordoststroemung und Ostseehochwasser 1

Nach mehreren Erhöhungen der prognostizierten Pegelstände sagt das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrografie (BSH) verbreitet Wasserstände von einem Meter und mehr über dem mittleren Wasserstand für den heutigen Montag voraus. Dies ist der Grenzwert, ab dem von Hochwasser gesprochen wird. Besonders hoch soll das Wasser mit +1,30 Meter in der Lübecker Bucht steigen. Tatsächlich wurden (Stand: Montag, 09.12.2024, 12 Uhr) bereits Pegelstände über 1,20 Meter gemessen. So zum Beispiel in Travemünde.

DWD Paradoxe Nordoststroemung und Ostseehochwasser 2

MSc.-Met. Thore Hansen
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 09.12.2024
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Orkantief ANATOL – Paukenschlag vor 25 Jahren

In den vergangenen Tagen war es zwar windig bis stürmisch in Deutschland. An die Intensität ausgewachsener Stürme reichten die Windgeschwindigkeiten zumindest in Deutschland aber weitem nicht heran. Anders sah dies vor 25 Jahren im Dezember 1999 aus. Aus einem zunächst recht unscheinbaren Tief am 2. Dezember weit westlich von Irland entwickelte sich in nur 24 Stunden ein außergewöhnliches Orkantief. Es bekam den Namen Anatol. In nur rund 36 Stunden vertieft sich der Kerndruck von Anatol von etwa 1030 Hektopascal (hPa) (02.12.1999 01 MEZ) auf 960 hPa (03.12.1999 13 MEZ). Innerhalb von 24 Stunden betrug der Druckabfall immer noch mehr als 50 hPa. Der Grenzwert von 24 hPa in 24 Stunden für eine schnelle Intensivierung eines Tiefs wurde damit deutlich überschritten.

DWD Orkantief ANATOL Paukenschlag vor 25 Jahren 2

Die Zugbahn von Anatol führte vom Seegebiet westlich von Irland über die Britischen Inseln zur Nordsee und weiter über den Norden Dänemarks nach Südschweden. Seinen Höhepunkt erreichte Anatol zwischen Dänemark und Südschweden. Am Abend des 3. Dezember 1999 wurden dort 952 hPa gemessen. In der Folge schwächte sich der Orkan dann ab. Das stärkste Sturmfeld von Anatol befand sich, wie für gewöhnlich üblich, an seiner Süd- bzw. Westflanke. Dort war der horizontale Druckunterschied am größten. Das intensivste Sturmfeld schwenkte somit über die Deutsche Bucht sowie Schleswig-Holstein und Süddänemark nach Osten.

 

DWD Orkantief ANATOL Paukenschlag vor 25 Jahren

Innerhalb Deutschlands war das Sturmfeld folglich umso stärker, je weiter nördlich sich der Beobachtungspunkt befand. Die stärkste Böe wurde wenig überraschend an der Station List auf Sylt registriert. Knapp 185 km/h (Beaufort 12) konnte der Windmesser aufzeichnen, ehe die Stromversorgung aufgrund des Orkans für mehrere Stunden ausfiel. Noch stärkere Böen können aufgrund der Messunterbrechung nicht ausgeschlossen werden. Ähnlich hohe Windgeschwindigkeiten wurden in Dänemark auf der Insel Romoe gemessen. In St.Peter-Ording, Flensburg, Fehmarn, Lübeck und auf Rügen erreichte der Orkan Windgeschwindigkeiten zwischen 140 und 155 km/h. In Hamburg reichte es für 108 km/h (Bft 11).

DWD Orkantief ANATOL Paukenschlag vor 25 Jahren 1

Die Auswirkungen waren dementsprechend immens. Auf der Nordsee gerieten Schiffe in Seenot, Seetonnen wurden fortgerissen und an Land entwurzelte der Sturm Bäume, deckte Dächer ab und ließ Verkehrsschilder durch die Luft fliegen. In Schleswig-Holstein wurden allein dem größten Versicherer insgesamt 35.000 Schadenfälle gemeldet. An der Nordsee kam es zum Teil zu einer sehr schweren Sturmflut, die Insel Romoe wurde dabei überflutet. Mindestens 20 Menschen kamen durch den Sturm in Europa ums Leben.

Anatol sollte aber nicht der einzige außergewöhnliche Sturm im Dezember 1999 bleiben. Am 26.12.1999 erreichte ein sich ebenfalls rasch vertiefender Sturm auf ungewöhnlich südlicher Zugbahn von Frankreich her Süddeutschland. Mit brachialer Gewalt sorgte „Lothar“ für enorme Schäden, vor allem auch in den Wäldern.

In der kommenden Woche sind Sturmtiefentwicklungen in Mitteleuropa sehr unwahrscheinlich. Für den Rest des Winters lassen sich jedoch keine belastbaren Aussagen treffen.

MSc.-Met. Thore Hansen
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 08.12.2024
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Die Hurrikansaison 2024: Eine Bilanzierung

Erneut ist die alljährliche Hurrikansaison zu Ende gegangen und medial war doch das ein oder andere Exemplar besonders bei schadensträchtigen Landgängen präsent. Auch wir haben an dieser Stelle immer wieder über einzelne Hurrikans berichtet. Im Frühjahr legten der staatliche Wetterdienst Nordamerikas, die National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA), sowie diverse wissenschaftliche Institutionen ihre Prognosen für die Saison 2024 vor. Die Prognosen gingen generell von einer überdurchschnittlichen Wirbelsturmsaison auf dem Nordatlantik aus . Vor allem die außergewöhnlich hohen Meerestemperaturen des tropischen Atlantiks und die geringere Windscherung im Zuge von La Niña wurden als fördernde Faktoren benannt. Zur Einordnung: Eine durchschnittliche Saison bringt 14 benannte Stürme (ab einer mittleren Windgeschwindigkeit von 62 km/h), sieben Hurrikans (ab 119 km/h) und drei schwere Hurrikans (ab 178 km/h) hervor (siehe Tabelle in Abbildung 1).

DWD Die Hurrikansaison 2024 Eine Bilanzierung 1

Die diversen Prognoseszenarien sollten in der Endabrechnung auch recht behalten (siehe unterste Zeile der Tabelle in Abbildung 1). Die atlantische Hurrikansaison zeichnete sich dementsprechend durch eine überdurchschnittliche Aktivität aus. Insgesamt wurden im Atlantikbecken 18 benannte Stürme registriert. Elf davon wuchsen zu Hurrikans heran und fünf davon wiederum entwickelten sich zu schweren Hurrikans. Die diesjährige Saison war die erste seit 2019, in der sich mehrere Hurrikans der Kategorie 5 in derselben Saison bildeten: BERYL und MILTON. Fünf der Wirbelstürme landeten auf dem US-amerikanischen Festland an, wobei zwei dabei die Einstufung als schwerer Hurrikan (Kategorie 3 oder höher) führten. Zusätzlich hatte die Saison statistisch gesehen die höchste akkumulierte Energie der Zyklone (ACE – accumulated cyclone energy) seit 2020 mit einem Wert von 161,6 Einheiten. Abbildung 2 veranschaulicht die Zugbahnen inklusive des Intensitätsverlaufs aller tropischen Stürme und Hurrikans der Saison.

DWD Die Hurrikansaison 2024 Eine Bilanzierung

Der saisonale Verlauf lässt sich wie folgt bilanzieren: Der Auftakt ließ zunächst etwas auf sich warten. Das erste System, der Tropensturm ALBERTO, entwickelte sich am 19. Juni und war damit der späteste erstgenannte Sturm seit 2014. Dieser bildete aber den Start für eine recht aktive erste Phase bis Anfang Juli. Nachfolgend verliefen die Sommermonate Juli und August bis über die klimatologische Hochsaison Anfang September hinweg verhältnismäßig ruhig. Es werden mehrere mögliche Faktoren in Betracht gezogen, die zu der Flaute in der Hochsaison beigetragen haben könnten. So schufen etwa besonders intensive Winde und Regenfälle über Westafrika ein Umfeld, welches für die Entwicklung von Stürmen weniger günstig war. Die ruhige Phase wiederum wurde schlussendlich von einem rekordverdächtigen Sprint ab Ende September abgelöst. In nackten Zahlen ausgedrückt bedeutet dies, dass sich zwölf benannte Systeme nach dem klimatologischen Höhepunkt der Saison entwickelten. Ab dem 25. September bis in den November hinein entwickelten sich sogar sieben Hurrikans im Atlantik – so viele wie noch nie in diesem Zeitraum.

In Summe war die atlantische Hurrikansaison 2024 leider auch eine der verheerendsten. Insgesamt 400 Todesopfer waren zu beklagen und mit Schäden in Höhe von mehr als 227 Milliarden US-Dollar war es die zweitteuerste Saison der Geschichte.

Und noch weitere Besonderheiten sind zu erwähnen. Drei der Hurrikans lassen sich in die Kategorie „Die Rekordbrecher“ einsortieren. Da wäre zuallererst Hurrikan BERYL zu nennen. Dieser war der früheste registrierte Hurrikan der Kategorie 5 im Atlantikbecken. Er verursachte erhebliche Sturmfluten in Teilen von Texas und Louisiana, nachdem er in der Nähe von Matagorda (Texas) als Sturm der Kategorie 1 an Land gegangen war.

DWD Die Hurrikansaison 2024 Eine Bilanzierung

Vom Buchstaben B zu H und in die zweite aktive Wirbelstumphase. Hurrikan HELENE traf am 26. September als Sturm der Kategorie 4 an der Golfküste Floridas auf Land (siehe Abbildung 3). Der Sturm verursachte katastrophale Überschwemmungen in den südlichen Appalachen, weitreichende Windschäden von der Golfküste bis zu den Bergen von North Carolina und Sturmfluten in Teilen des westlichen Floridas. Vorläufige Daten deuten darauf hin, dass HELENE der tödlichste Hurrikan auf dem amerikanischen Festland seit KATRINA im Jahr 2005 war, mit mehr als 150 direkten Todesopfern. Die meisten Todesopfer waren dabei in North und South Carolina zu beklagen.

An dritter Stelle bleibt Hurrikan MILTON zu erwähnen. Dieser traf am 9. Oktober als Kategorie 3 Sturm in der Nähe von Siesta Key (Florida) auf Land und löste einen Tornado Outbreak aus, der 46 Tornados erzeugte. Zudem kam es zu sintflutartigen Regenfällen und örtlichen Überschwemmungen bei Gesamtniederschlagsmengen von 250 bis 450 mm (teils auch mehr), wovon ein Großteil in nur wenigen Stunden fiel. MILTON verursachte darüber hinaus eine zerstörerische Sturmflut zwischen Siesta Key und Fort Myers Beach an der südwestlichen Golfküste Floridas. Zudem wies MILTON zuvor über dem Golf von Mexiko eine der schnellsten Intensivierungsraten auf, die je beobachtet wurden. Eine Zunahme der Windgeschwindigkeit um 145 Kilometer pro Stunde (90 Meilen pro Stunde) wurde zwischen den 6. und 7. Oktober innerhalb von 24 Stunden registriert.

M.Sc. (Meteorologe) Sebastian Altnau
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 07.12.2024
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

Schwere Arbeitsbedingungen für den Nikolaus – für das Christkind auch?

Regen, Schnee, Sturm – aktuell ist beim Wetter in Deutschland viel geboten! Schwere Arbeitsbedingungen also für den Nikolaus, vor allem auch, weil der Regen klar den größeren Anteil des heutigen Niederschlags einnimmt. Auch über das Wochenende hinweg bleibt es sehr unbeständig und windig. Grund ist eine regelrechte „Tiefdruckparty“ über Deutschland. Naja, von „Party“ zu sprechen, ist vielleicht etwas übertrieben, da in den kommenden Tagen eigentlich immer nur ein Tief unsere Tanzbühne betritt. Gemeint ist schlichtweg, dass der Tiefdruckeinfluss zumindest einmal bis Anfang nächster Woche anhält. Die Hauptprotagonisten dabei heißen am heutigen Freitag WILHELMINE und am Wochenende XAVERIA (international auch unter DARRAGH bekannt).

Schnee konnte und kann der Nikolaus vergangene Nacht und heute also, wenn überhaupt, nur im (zumeist höheren) Bergland antreffen. In der Folge dürfte er beim Herausschreiten aus dem Walde nur den Wenigsten unter uns ausgerichtet haben, dass es sehr weihnachtet. Da stellt sich natürlich schnell die Frage, ob es das Christkind in Sachen Schnee etwas besser haben wird. Und tatsächlich mehren sich bei uns im Deutschen Wetterdienst die Anfragen hinsichtlich der Chance auf weiße Weihnachten.

Wer hier nun auf eine konkrete Ansage wartet, ob es dieses Jahr weiße Weihnachten gibt, oder nicht, den muss der Autor leider enttäuschen. Denn auch für das Weihnachtswetter gelten die Grenzen der Vorhersagbarkeit. Was man allerdings durchaus machen kann, ist eine Einschätzung zu geben, wie wahrscheinlich weiße Weihnachten mit Blick in die Historie überhaupt sind.

DWD Schwere Arbeitsbedingungen fuer den Nikolaus fuer das Christkind auch 1

Dem Blick auf die nebenstehende Abbildung dürfte bei den meisten recht schnell Ernüchterung folgen. Denn die Wahrscheinlichkeit für weiße Weihnachten, also für eine Schneedecke von mindestens 1 cm an allen drei Tagen vom 24. bis zum 26.12., ist vielerorts sehr gering. In Zahlen umgemünzt bedeutet das eine Chance von bis zu 20 % in weiten Teilen des Landes beziehungsweise sogar nur bis zu 10 % in der norddeutschen Tiefebene sowie in den west- und südwestdeutschen Flussniederungen. Oder umgekehrt ausgedrückt: Maximal alle 5 bis 10 Jahre ist in den angesprochenen Regionen mit weißen Weihnachten zu rechnen. Die Zahlen beziehen sich dabei auf das 30-jährige Mittel zwischen 1991 und 2020.

Etwas höhere Chancen hat man naturgemäß in den Mittelgebirgen und im südlichen Alpenvorland mit immerhin 20 bis 50 %. Über 50 % liegt die Wahrscheinlichkeit nur in den Hochlagen der Mittelgebirge und in den Alpen. Dort ist also rein statistisch mindestens alle zwei Jahre durchweg eine Schneedecke zu erwarten. Die höchste Schneesicherheit mit 90 bis 100 % hat man an Weihnachten in den Gipfellagen des Bayerischen Walds und – wenig überraschend – der Alpen.

Aber wie sagt man so schön: Ausnahmen bestätigen die Regel! Vielleicht trotzt der ein oder andere Landstrich an Weihnachten ja doch der Statistik und hüllt sich in ein weißes Kleid. Sobald das Weihnachtswetter innerhalb des Vorhersagehorizonts rutscht, werden wir Sie sicherlich auch an dieser Stelle darüber auf dem Laufenden halten.

Dipl.-Met. Tobias Reinartz
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 06.12.2024
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Phänomen Nebel – Teil 1: Der Strahlungsnebel

Vor allem im Winterhalbjahr tritt nicht selten Nebel (und Hochnebel) auf. Er kann für eine mystische Stimmung sorgen, wenn die aufgehende Sonne flache Nebelschwaden über Wiesen oder ein dichtes Nebelmeer von oben anstrahlt (Abb. 1). Er kann uns aber auch ziemlich aufs Gemüt schlagen, wenn er sich tagelang hält und uns tristes Wetter ohne Sonnenschein bringt. Einigen unter Ihnen ist sicherlich noch die über mehrere Wochen andauernde Hochdrucklage von Mitte Oktober bis Mitte November in Erinnerung, in der die Niederungen tagelang unter einer dichten Hochnebeldecke lagen oder man sogar ganztägig im Nebel saß. In einer neuen Themenreihe widmen wir uns dem Phänomen Nebel, der durch völlig unterschiedliche meteorologische Phänomene und Situationen entstehen kann.

DWD Phaenomen Nebel Teil 1 Der Strahlungsnebel

Allgemeines

Von Nebel spricht man, wenn die horizontale Sichtweite unter einem Kilometer absinkt und die relative Luftfeuchte nahe 100 % (d.h. Sättigung) liegt. Bei größeren Sichtweiten von einem bis acht Kilometern und einer relativen Luftfeuchte von mehr als 80 % spricht man hingegen von feuchtem Dunst. Nebel entsteht, wenn sich die Lufttemperatur der Taupunktstemperatur (kurz: Taupunkt) annähert oder diese erreicht. Der Taupunkt beschreibt jene Temperatur, bei der die Luft bezüglich des Wasserdampfs gesättigt ist und die relative Luftfeuchte demnach 100 % beträgt. Je höher der Taupunkt, desto mehr Feuchtigkeit kann eine Luftmasse in Form von unsichtbarem Wasserdampf aufnehmen und umgekehrt. Erreicht die Lufttemperatur nun den Taupunkt oder unterschreitet sie diesen, kondensiert überschüssiges Wasser zu flüssigem Wasser, es findet also der Phasenübergang von Wasserdampf zu Flüssigwasser statt. Die dabei in der Luft entstehenden schwebenden und gewöhnlich mikroskopisch kleinen Wassertröpfchen verringern die Sichtweite und es kommt schlussendlich zum Nebel. Er ist folglich nichts anderes als eine gewöhnliche Wolke, die am Boden aufliegt.

Unterschiedliche meteorologische Effekte können dazu führen, dass die Lufttemperatur den Taupunkt erreicht oder unterschreitet. Eine Möglichkeit besteht durch die Abkühlung der bodennahen Luftschicht, wie es beispielsweise beim sogenannten Strahlungsnebel der Fall ist, welchen wir uns heute genauer ansehen.

Strahlungsnebel

Der Strahlungsnebel ist in vielen Regionen Deutschlands die am häufigsten auftretende Nebelart. Er bildet sich, wenn die Temperatur der Erdoberfläche durch nächtliche Ausstrahlung absinkt und im weiteren Verlauf dabei auch die bodennahe Luftschicht unter den Taupunkt abkühlt. Diese Abkühlung kann teils nur die untersten Meter betreffen und sehr flache Nebelbänke bilden. Bei ausreichend turbulenter Durchmischung kann aber auch eine wenige Hundert Meter dicke Luftschicht unter den Taupunkt abkühlen, wodurch dichte Nebelfelder entstehen. Strahlungsnebel kann sowohl im Flachland (z.B. Norddeutsche Tiefebene) als auch im stark gegliederten Bergland auftreten. Dort ist er bevorzugt in Senken, Mulden oder Tälern zu finden, die sich nachts oft mit der von den Hängen abfließenden Kaltluft füllen. Dabei entstehen sogenannte Kaltluftseen, in denen sich durch weitere Strahlungsabkühlung Nebel bilden kann. Die Bergspitzen liegen häufig oberhalb des Nebels. Oft kann man von dort aus bei Sonnenschein auf das Nebelmeer in den Niederungen blicken (Abb.2).

DWD Phaenomen Nebel Teil 1 Der Strahlungsnebel

Zuvor gefallene Niederschläge, die den Erdboden mit Feuchtigkeit versorgen, können die Nebelbildung ebenso begünstigen wie Feuchtgebiete (z.B. Sümpfe, Seenlandschaften). Damit Nebel entstehen kann, sollte es zuvor weitgehend wolkenfrei oder sternenklar sein, um eine starke Auskühlung der Erdoberfläche zu ermöglichen. Zudem sollte es nahezu windstill sein, da zu starker Wind für eine zu starke turbulente Durchmischung sorgen würde, die eine bodennahe Abkühlung der Luftschichten unter den Taupunkt verhindern würde. Daher tritt Nebel meist bei windschwachen Hochdrucklagen auf.

Häufig lässt sich im Spätherbst und Frühjahr beobachten, dass die Sichtweite auch noch eine Stunde nach dem Erreichen des Temperaturminimums, welches sich etwa eine halbe Stunde nach Sonnenaufgang einstellt, schlechter wird, oder dass die Nebelbildung erst zu diesem Zeitpunkt beginnt. Grund hierfür ist die beginnende Sonneneinstrahlung und die damit verbundene Wasserdampfzunahme durch Verdunstung von Tau und die stärkere vertikale Durchmischung der bodennahen Luftschicht.

Ein typischer Strahlungsnebel ist der sogenannte Wiesennebel. Er zeichnet sich durch eine dünne, schwadenförmige Nebelschicht (sog. Nebelbänke) aus, die sich häufig über Wiesen oder in flachen Mulden bilden und sich nach Sonnenaufgang schnell wieder auflösen.

Hochnebel

Auch der Hochnebel ist eine typische Form des Strahlungsnebels. Der Hauptunterschied zum klassischen Bodennebel ist, dass es sich um eine gleichmäßige, tiefliegende Wolkenschicht handelt, die vom Boden abgehoben ist. Unterhalb des Hochnebels beträgt die horizontale Sichtweite mehr als 1000 Meter. Wird diese Nebelschicht an Berghängen oder durch schwache dynamische Prozesse gehoben, kann aus ihr Sprühregen oder bei ausreichend kalten Temperaturen Schneegriesel zu Boden fallen.

Am häufigsten entsteht Hochnebel durch Abkühlung wasserdampfreicher Luft unterhalb einer starken Inversion (d.h. Temperaturzunahme mit der Höhe), die durch das Absinken im Bereich eines Hochdruckgebiets entstanden ist. Aber auch Bodennebel kann sich zu einem Hochnebel umwandeln. Dies ist häufig am Vormittag der Fall, wenn sich die bodennahen Luftschichten entweder durch diffuse Einstrahlung und/oder durch zunehmendem Wind bzw. der dadurch verstärkten turbulenten Durchmischung über den Taupunkt erwärmen. Die relative Luftfeuchte sinkt so unter 100 % und der Nebel löst sich in der Folge vom Boden ausgehend auf.

DWD Phaenomen Nebel Teil 1 Der Strahlungsnebel

Dr. rer. nat. Markus Übel (Meteorologe)
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 05.12.2024
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

Der Winter hat begonnen, doch wo bleibt der Schnee?

Der Herbst 2024 ist vorbei und wie bereits in der Pressemitteilung des DWD zu lesen war, riss die Serie an zu warmen Monaten und Jahreszeiten nicht ab . Der fünftwärmste Herbst seit 1881 ließ nicht viel Spielraum für die ersten winterlichen Gastspiele, wenngleich es natürlich auch in so einem warmen Herbst hin und wieder für nassen Flockenwirbel bis in tiefe Lagen reichte.

Es verwundert nicht, dass der Wunsch nach der weißen Pracht bei vielen Kindern von Tag zu Tag wächst, bei den Autofahrern wohl eher nur dann, wenn sie nicht auf die Straßen müssen. Zudem steht der Nikolaus bald vor der Tür und auch die ersten Weihnachtsmärkte laden ein. Beides behält man gern mit einer Landschaft in weißem Winterkleid in Erinnerung. Vielleicht können wir ein wenig Hoffnung auf weiße Landschaften streuen.

Diesbezüglich könnten trübere Aussichten verfasst werden. Zu viel erwarten darf man dennoch nicht. Aber von vorne: Grundsätzlich müssen wir bei mittelfristigen Ausblicken den nahen Ostatlantik ins Auge fassen. Für winterliche Verhältnisse benötigen wir dort beispielsweise ein umfangreiches und langlebiges Hochdruckgebiet, das – salopp gesagt – zu faul ist, sich von der Stelle zu bewegen. Dabei ist es wichtig, wo sich dieses Hochdruckgebiet festsetzt. Liegt es bei den Azoren, können feucht-milde Luftmassen um das Hochdruckgebiet herumgeführt werden und Deutschland erreichen. Bei einer Lage der Antizyklone bei Island oder Grönland hingegen kann winterlich gereifte Polarluft bis vor unsere Haustür geführt werden. Natürlich ist auch das nicht die ideale Lage, denn die eisige polare Luftmasse muss weiterhin einen milden Nordatlantik, respektive das Nordmeer überqueren. Wenigstens befänden wir uns dann in einem Temperaturbereich, der winterliche Bedingungen im Bergland erlaubt und zeitweise auch in tiefen Lagen für Flockenwirbel gut ist. Genau solch eine Blockierungslage etabliert sich nun in den kommenden Tagen; zunächst über Südwesteuropa, im Verlauf des kommenden Wochenendes aber mit Ausweitung Richtung Island. Somit sind anfangs noch recht milde Luftmassen dominant, bevor es in der Folge kälter wird.

DWD Der Winter hat begonnen doch wo bleibt der Schnee

Nun zu den Details: Nach dem heutigen relativ ruhigen, leicht wechselhaften Mittwoch baut sich ab Donnerstag vorübergehend eine kleine Tiefdruckautobahn zwischen dem Hochdruckgebiet über Südwesteuropa und dem umfangreichen steuernden Sturmtief VIVIEN bei Island auf. Am Rande des Sturmtiefs wird ein weiteres Tief WILHELMINE von Schottland zur Deutschen Bucht gelenkt, welches von Donnerstag zu Freitag mit relativ viel Niederschlag in Deutschland einhergeht. Natürlich, es ist Dezember und so beäugen wir Meteorologen jede Frontpassage argwöhnisch hinsichtlich ihrer Niederschlagsphase. Doch sieht es aus heutiger Sicht eher nur über der Mitte und im Osten besonders im Bergland nach etwas Neuschnee aus. Lange hält die feste Phase nicht, denn mit einem Schwall feucht-milder Atlantikluft steigt die Schneefallgrenze zügig an, zum Teil sogar bis über 2000 m.

Von Freitag zu Samstag folgt ein drittes Tief mit Namen XAVERIA nach, das sich in einer sehr dynamischen Umgebung mit kräftigen Höhenwinden über dem offenen Atlantik entwickelt und in der Folge rasch nach Deutschland geführt wird. Noch gibt es erhebliche Diskrepanzen zwischen den Modellen, was nicht verwundert, da das Tief aktuell über dem vergleichsweise datenarmen Atlantik noch nicht mal in der Entstehung ist. Die gängigen Globalmodelle haben sich zwar schon angeglichen, jedoch gibt es noch erhebliche Unterschiede im Timing und der Stärke der Tiefentwicklung. Von einem kräftigen Sturmtief mit Zugbahn über Norddeutschland bis hin zu einem schwächeren Gesellen über der Mitte ist alles möglich. Spannend wird diese Tiefdruckpassage nicht nur bezüglich des Windes, sondern auch in Hinblick auf die Niederschlagsphase. Nördlich des Bodentiefs ist zwar nicht DIE winterlichste Luftmasse anzutreffen, dennoch sollte diese ausreichen, dass in einem recht schmalen Streifen nördlich des Bodentiefkerns auch in den Niederungen mehrstündiger Schneefall auftreten kann. Wie viel davon am Ende tatsächlich liegen bleibt, müssen wir abwarten.

Nach Abzug von XAVERIA kann sich das Hochdruckgebiet über dem Atlantik gen Island aufwölben und somit der Zustrom atlantischer Luftmassen unterbunden werden. So dürfen wir in Deutschland zunehmend mit winterlichen Bedingungen rechnen. Die Ansprüche sollten nicht zu hoch gestellt werden, in einer Zeit, in der die Oberflächenwassertemperaturen aller Meere um Europa herum zu hoch sind. Doch sollten wir uns ab Sonntag für einige Tage auf winterlich anmutendes Wetter einstellen, unter Umständen auch mit einer Schneedecke im Tiefland und allgemein winterlichen Bedingungen im Bergland. Weitere Informationen finden sich immer in unseren Mittelfristberichten.

Dipl.-Meteorologin Julia Tuschy
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 04.12.2024
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

Deutschlandwetter im Herbst 2024

Erste Auswertungen der Ergebnisse der rund 2000 Messstationen des DWD in Deutschland.

Besonders warme Orte im Herbst 2024*

Platz

Station Bundesland durchschnittliche Temperatur Abweichung
1 Helgoland Schleswig-Holstein 13,1 °C +1,7 Grad
2 Duisburg-Baerl Nordrhein-Westfalen 12,2 °C +0,9 Grad
3 Norderney Niedersachsen 12,2 °C +1,7 Grad

Besonders kalte Orte im Herbst 2024*

Platz

Station Bundesland durchschnittliche Temperatur Abweichung
1 Zinnwald-Georgenfeld Sachsen 6,7 °C +1,7 Grad
2 Carlsfeld Sachsen 7,1 °C +1,9 Grad
3 Kahler Asten Nordrhein-Westfalen 7,5 °C +1,8 Grad

Besonders niederschlagsreiche Orte im Herbst 2024**

Platz Station Bundesland Niederschlagsmenge Anteil
1 Marktschellenberg Bayern 705,7 l/m² 199 %
2 Ruhpolding-Seehaus Bayern 704,1 l/m² 156 %
3 Aschau-Stein Bayern 623,8 l/m² 140 %

Besonders trockene Orte im Herbst 2024**

Platz Station Bundesland Niederschlagsmenge Anteil
1 Hohenreinkendorf Brandenburg 95,1 l/m² 77 %
2 Prenzlau Brandenburg 97,5 l/m² 85 %
3 Berkholz-Meyenburg Brandenburg 98,0 l/m² 83 %

Besonders sonnenscheinreiche Orte im Herbst 2024**

Platz Station Bundesland Sonnenschein Anteil
1 Reit im Winkl Bayern 470 Stunden 116 %
2 Kubschütz Sachsen 423 Stunden 125 %
3 Oschatz Sachsen 423 Stunden 128 %

Besonders sonnenscheinarme Orte im Herbst 2024**

Platz Station Bundesland Sonnenscheindauer Anteil
1 Lahr Baden-Württemberg 239 Stunden 71 %
2 Regensburg Bayern 239 Stunden 75 %
3 Rheinstetten Baden-Württemberg 243 Stunden 75 %

Oberhalb 920 m NHN sind Bergstationen hierbei nicht berücksichtigt.

Die Sonnenscheindauer wird seit August 2024 teilweise aus Satellitendaten abgeleitet.

* Jahreszeitenmittel sowie deren Abweichung vom vieljährigen Durchschnitt
(int. Referenzperiode 1961-1990).

** Prozentangaben bezeichnen das Verhältnis des gemessenen
Jahreszeitenmittelwertes zum vieljährigen Jahreszeitenmittelwert der
jeweiligen Station (int. Referenzperiode, normal = 100 Prozent).

Hinweis:
Einen ausführlichen Rückblick für ganz Deutschland und
alle Bundesländer finden Sie im Internet unter

Meteorologe Denny Karran
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Offenbach, 03.12.2024
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

Deutschlandwetter im November 2024

Erste Auswertungen der Ergebnisse der rund 2000 Messstationen des DWD in Deutschland.

Besonders warme Orte im November 2024*

Platz

Station Bundesland durchschnittliche Temperatur Abweichung
1 Helgoland Schleswig-Holstein 8,9 °C +1,3 Grad
2 Norderney Niedersachsen 7,6 °C +1,3 Grad
3 Borkum-Flugplatz Niedersachsen 7,6 °C +1,3 Grad

Besonders kalte Orte im November 2024*

Platz

Station Bundesland durchschnittliche Temperatur Abweichung
1 Zinnwald-Georgenfeld Sachsen 0,9 °C +0,9 Grad
2 Carlsfeld Sachsen 1,4 °C +1,0 Grad
3 Deutschneudorf-Brüderwiese Sachsen 1,6 °C -0,2 Grad

Besonders niederschlagsreiche Orte im November 2024**

Platz Station Bundesland Niederschlagsmenge Anteil
1 Sankt Blasien-Menzenschwand Baden-Württemberg 174,3 l/m² 90 %
2 Baiersbronn-Mitteltal Baden-Württemberg 169,8 l/m² 90 %
3 Baiersbronn-Ruhestein Baden-Württemberg 168,4 l/m² 94 %

Besonders trockene Orte im November 2024**

Platz Station Bundesland Niederschlagsmenge Anteil
1 Bad Lauchstädt Sachsen-Anhalt 17,3 l/m² 53 %
2 Mücheln/Geiseltal-Stöbnitz Sachsen-Anhalt 18,6 l/m² 54 %
3 Weißenfels-Wengelsdorf Sachsen-Anhalt 19,1 l/m² 57 %

Besonders sonnenscheinreiche Orte im November 2024**

Platz Station Bundesland Sonnenschein Anteil
1 Reit im Winkl Bayern 143 Stunden 165 %
2 Garmisch-Partenkirchen Bayern 132 Stunden 156 %
3 Oberstdorf Bayern 128 Stunden 164 %

Besonders sonnenscheinarme Orte im November 2024**

Platz Station Bundesland Sonnenscheindauer Anteil
1 Helgoland Schleswig-Holstein 21 Stunden 41 %
2 Gießen Hessen 22 Stunden 52 %
3 Norderney Niedersachsen 23 Stunden 41 %

Oberhalb 920 m NHN sind Bergstationen hierbei nicht berücksichtigt.

Die Sonnenscheindauer wird seit August 2024 teilweise aus Satellitendaten abgeleitet.

* Monatsmittel sowie deren Abweichung vom vieljährigen Durchschnitt
(int. Referenzperiode 1961-1990).

** Prozentangaben bezeichnen das Verhältnis des gemessenen
Monatsmittelwertes zum vieljährigen Monatsmittelwert der
jeweiligen Station (int. Referenzperiode, normal = 100 Prozent).

Hinweis:
Einen ausführlichen Monatsrückblick für ganz Deutschland und
alle Bundesländer finden Sie im Internet unter

Meteorologe Denny Karran
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Offenbach, 02.12.2024
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst