Um die Frage nach „normalem“ Wetter zu beantworten, muss man sich durch die Geschichte wühlen. Das ist glücklicherweise nicht ganz so schwer, immerhin speichert der Deutsche Wetterdienst seit seiner Gründung das aktuelle Wetter und wertet es immer wieder aus. Jeden Monat, zu jeder Jahreszeit und zu jedem Jahr gibt es einen klimatologischen Rückblick, der sich mit der „Normalität“ des jeweiligen Zeitabschnitts befasst.
Zugrunde liegt dem Ganzen immer das langjährige Mittel, das einen Zeitraum von 30 Jahren umfasst und beim DWD im Allgemeinen auf dem Mittel von 1961 bis 1990 beruht. Damit folgen wir der Empfehlung der WMO (Weltmeteorologische Organisation) für die Betrachtung des längerfristigen Klimawandels. Wenn es sich um kurzfristige Analysen handelt, bei denen der rasche Wandel des Klimas in den letzten Jahren und Jahrzehnten eine Rolle spielt, dann wird auf die Klimareferenzperiode von 1991 bis 2020 zurückgegriffen.
Eine genaue Betrachtung des Klimas und dessen Wandel ist für die Frage nach der Normalität weniger entscheidend, als alte Messwerte. Die gemittelten Klimadaten verwaschen oft einzelne Ereignisse. Daher werden wir neben dem Klimamittel auch auf Rekorde und Werte vergangener Jahre schauen.
Die erwarteten Höchstwerte sind zwar ungewöhnlich, aber sie brechen keine Rekorde. Die Rekorde für die höchste Temperatur in der dritten Novemberdekade (21. bis 30.11.) stammen aus den Jahren 2006 und 2016, wo es im Südwesten Deutschlands zu Maxima von über 20 Grad kam. Die Station Müllheim in Baden-Württemberg ist mit 22,1 Grad der Spitzenreiter, dicht gefolgt von Rosenheim in Bayern mit 21,9 Grad. In Sachen Tiefsttemperatur muss man für Rekorde weit ins letzte Jahrhundert zurück. Die meisten Rekorde stammen aus dem Jahr 1965, in dem die Tiefstwerte unter -20 Grad lagen.
Betrachtet man den gesamten November, so springt vor allem die erste Dekade (1. bis 10.11.) ins Auge. 1968 wurde in Piding mit 24,8 und in München mit 24,2 Grad ein Sommertag nur knapp verfehlt. In Kiefersfelden-Gach gab es deutschlandweit den bisher höchsten Wert für November mit 25,2 Grad (entspricht einem Sommertag) im Jahre 1997. Alle drei Orte liegen in Bayern.
In der Klimatologie spielen Tagesmaxima und -minima keine Rolle. Die Temperatur wird über den Tag und die Nacht gemittelt. Dabei ergibt sich aus der Referenzperiode 1961 bis 1990 gemittelt für gesamt Deutschland im November ein Wert von 4,04 Grad, aus der Periode von 1991 bis 2020 ein Durchschnittswert von 4,8 Grad. Im aktuellen November liegen wir gemittelt über alle Wetterstationen bei etwa 5 Grad Mitteltemperatur, was einem leichten Plus entspricht. Das höchste Monatsmittel der Temperatur in einem November liegt bei 10,6 Grad im Jahre 1994 an der Station Duisburg-Baerl/Nordrhein-Westfalen, dicht gefolgt von Helgoland/Schleswig-Holstein mit 10,4 Grad aus dem Jahre 2006. Die Jahre 1994, sowie 2006 und 2009 lassen sich sehr häufig in der Statistik der höchsten Mittelwerte finden. Fast zwei Drittel der Stationen melden in diesen Jahren ein Maximum des Temperaturmittelwertes. Der diesjährige November wird nicht als ungewöhnlich temperiert in die Annalen eingehen.
Beim Schneefall ergeben die Messdaten der Stationen des Deutschen Wetterdienstes im November gemittelt über Gesamtdeutschland und mit Daten seit Messbeginn der Stationen 3,5 Tage mit Schneefall und an 1,5 Tagen eine geschlossene Schneedecke (gemessen am Morgen). Bedenken muss man bei aller Statistik, dass es einen regionalen Unterschied in Deutschland gibt und, dass die Tendenz zu Schneefall seit den 90er-Jahren insgesamt abgenommen hat.
Für die Bundesländer ist die Statistik im November für Schneefall und Schneedecke mit Daten seit Messbeginn wie folgt:
Bundesland |
Tage mit Schneefall |
Tage mit geschlossener Schneedecke |
Schleswig-Holstein |
3,2 |
1,0 |
Niedersachsen, Hamburg und Bremen |
3,7 |
0,4 |
Mecklenburg-Vorpommern |
3,7 |
1,0 |
Berlin und Brandenburg |
3,4 |
0,2 |
Nordrhein-Westfalen |
3,8 |
1,3 |
Rheinland-Pfalz und Saarland |
2,1 |
1,0 |
Hessen |
3,9 |
1,1 |
Baden-Württemberg |
2,6 |
2,2 |
Sachsen |
5,2 |
2,5 |
Sachsen-Anhalt |
4,3 |
0,6 |
Thüringen |
4,1 |
1,5 |
Bayern |
3,9 |
2,6 |
Die höchsten Schneemengen in einem November gab es natürlich in den Bergen. Im Jahre 1952 lagen auf der Zugspitze 460 cm Schnee. Der Feldberg im Schwarzwald kam 1974 auf eine Schneehöhe von 140, der Brocken im Harz auf 122 cm. Wenn man in die tieferen Lagen schaut, dann kristallisiert sich in Sachen Rekorden neben Bayern auch Nordrhein-Westfalen als Spitzenreiter heraus. Ende November 2005 sorgte Tiefdruckgebiet THORSTEN dort für teils kräftigen Schneefall. Bis in die tiefsten Lagen fiel nasser und pappiger Schnee. Das Ereignis ging nicht zuletzt wegen der immensen Schäden an der Infrastruktur als „Münsterländer Schneechaos“ in die Geschichte ein . In Wuppertal und Lüdenscheid wurden am 27.11.2005 40 cm Schnee gemessen.
Das Jahr 2024 taucht in den Stationsdaten bei der höchsten Schneehöhe nicht auf. Es hat in anderen Jahren zuvor mehr oder überhaupt Schnee gegeben. Bei einigen Orten im Norden Deutschlands stellt das Jahr 2023 den Spitzenreiter in Sachen Schneehöhe im November. Im Jahr 2010 hat es über den mittleren Landesteilen ebenfalls mal mehr Schnee gegeben, sonst sind höhere Schneemengen in den Jahren hauptsächlich vor 1990 zu finden. Der Schneefall der vergangenen Woche mag uns vielleicht auch daher als ungewöhnlich oder „unnormal“ erscheinen, in die Geschichtsbücher schafft er es aber nicht.
Dipl. Meteorologin Jacqueline Kernn
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 24.11.2024
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