Der deutsche Radarverbund – Teil 2
Das Wetterradar ist heutzutage unverzichtbar geworden. Gerade im Nowcasting, also bei einer Vorhersage von bis zu zwei Stunden, spielt es eine große Rolle. Dabei kann beispielsweise die Verlagerung von Niederschlagsgebieten abgeschätzt werden. Besonders im Sommer können sich innerhalb von wenigen Minuten auch kleinräumige Gewitterzellen mit starkem Niederschlag bilden. Diese können flächendeckend nur über das Wetterradar erkannt werden. Außerdem hilft das Wetterradar bei der Abschätzung der Stärke der einzelnen Gewitter. Damit gehört es zu einem der wichtigsten Bausteine des DWD-Warnmanagements.
Ein Wetterradar besteht aus einer Antenneneinheit, einem Radom als Wetterschutz, Sender und Empfänger, Signal- beziehungsweise Datenverarbeitungsprozessoren und einem Radarrechner. Über ein lokales Netzwerk werden Komponenten gesteuert und überwacht sowie Daten aufgenommen. Die Abbildungen zum Thema des Tages unter zeigen den Radarturm am Standort Memmingen (links) sowie das “Innenleben” (Teile der Antenneneinheit und des Empfängers) im Radom bei einer Wartung (rechts).
Vom Wetterradar aus wird ein sehr kurzer elektromagnetischer Impuls mit einer Frequenz von ungefähr 5 GHz in eine bestimmte Richtung ausgesendet. Dieser Impuls breitet sich nun mit Lichtgeschwindigkeit aus. Auf seinem Weg durch die Atmosphäre trifft der Impuls auf Niederschlagspartikel, von denen jeweils ein geringer Anteil zum Wetterradar zurückgestreut wird. Aus dem vom Wetterradar empfangenen Signal kann aus der Laufzeit des Impulses auf die Entfernung eines Niederschlagsgebietes und aus der Stärke des rückgestreuten Signals auf die Niederschlagsart und -intensität geschlossen werden. Gibt das Wetterradar von seinem Standort aus Impulse in verschiedene Höhen und Richtungen ab, können Niederschlagsgebiete im Umkreis dreidimensional analysiert werden.
Die genaue Vorhersage der Art und Größenverteilung der Niederschlagspartikel stellt aber durchaus eine Herausforderung dar. Um diese zu ermöglichen und zu verbessern, wurden die Radarstandorte des Deutschen Wetterdienstes bis 2015 auf sogenannte dual-polarimetrische Radarsysteme umgerüstet. Dabei sendet die ständig rotierende Antenne sowohl vertikal als auch horizontal polarisierte elektromagnetische Wellen (Impulse) aus. Im Fachjargon heißt das dann Dual-Polarisation. Aber wie kann ich mir das genau vorstellen?
Beschreiben wir den vom Radargerät ausgesendeten Impuls als schwingende Welle mit gleichmäßigen Wellenbergen und -tälern, so kann bei einem dual-polarimetrischen Wetterradarsystem zwischen einer horizontal und einer vertikal schwingenden Welle unterschieden werden. Während der ausgesendete Impuls beim “einfachen” Wetterradar nur eine Schwingungsrichtung (zumeist die horizontale) aufweist, werden beim Dualpolarisationsradar im Allgemeinen gleichzeitig vertikal und horizontal polarisierte Impulse ausgesendet. Damit lassen sich zusätzliche Informationen über bestimmte Eigenschaften der Streukörper – also der Niederschlagspartikel – gewinnen.
Da große Regentropfen beispielsweise im Vergleich zu Schneekristallen oder Hagel durch den Luftwiderstand beim Fallen eine ovale, abgeplattete Form besitzen und somit breiter als hoch sind, weisen die zurückgestreuten horizontal polarisierten Signale eine höhere Intensität als die vertikal polarisierten Signale auf. Über das Verhältnis der zurückgestreuten Intensität beider lässt sich dann eine Aussage über die Form der Streukörper treffen. Der Vergleich von mehreren hintereinander ausgesendeten, polarisierten Impulsen zeigt die zeitliche Änderung der räumlichen Orientierung der Streukörper. Diese Informationen können dann für die Bestimmung der Art der Niederschlagspartikel (Regentropfen, Schneekristalle, Hagelkörner) verwendet werden.
Alle fünf Minuten liefert das Radar einen Scan (Abtastung) mit den aktuell gemessenen Werten der Niederschlagsechos mit einer räumlichen Auflösung von 250 m zur Auswertung. Die Abtastung beginnt mit dem sogenannten “Precipitation-Scan”, der geländefolgend den bodennahen Niederschlag bis zu einer Entfernung von 150 Kilometern rund um den jeweiligen Radarstandort erfasst. Danach wird die gesamte Atmosphäre in zehn verschiedenen Höhenwinkeln, auch “Elevationswinkel” genannt, bis zu einer Entfernung von 180 Kilometern abgetastet. Damit werden Informationen über die vertikale Ausdehnung der Niederschlagsfelder gesammelt.
Die elektromagnetischen Wellen werden jedoch nicht nur vom Niederschlag, sondern auch von anderen Objekten reflektiert wie z. B. von Gebäuden, Schiffen, Flugzeugen und Bergen. Daher kann man keinen Niederschlag messen, der sich hinter einem Gebäude befindet, da die Radarstrahlen dort gar nicht erst hinkommen. Handelt es sich um unbewegte Objekte, so kann dieses unerwünschte Signal in der Regel direkt im Radarsignalprozessor herausgefiltert werden. Bewegen sich die Objekte aber, wie beispielsweise Vogelschwärme oder auch Flugzeuge, so funktioniert diese Filterung nur bedingt. Je nachdem, welche Filtermethode angewandt wird, kann dies zu “Löchern” in den Daten führen oder es verbleiben unerwünschte Störechos in den Radarprodukten.
Die Funktionsweise der Radarsysteme ist sicherlich nicht einfach zu verstehen, liefert jedoch zuverlässig Daten, die im Warnmanagment des DWD eine große Rolle spielen. Die Dual-Polarisations-Technik verbessert die Qualität der Radarprodukte und wird jetzt schon für eine Niederschlagsklassifikation verwendet. Diese Messtechnik besitzt darüber hinaus noch großes Potenzial, um in den nächsten Jahren noch präzisere Wettervorhersagen- und Warnungen für die Öffentlichkeit bereitzustellen. Daran arbeitet der DWD intensiv im Rahmen von Forschungs- und Entwicklungsprojekten.
Darüber hinaus wird auch der sogenannte Dopplereffekt von den Radargeräten ausgenutzt. Wie dies funktioniert und wie die Daten genutzt werden können, wird in einem dritten Teil im Rahmen der Rubrik “Thema des Tages” in den kommenden Wochen erläutert.
MSc.-Met. Sebastian Schappert
Deutscher Wetterdienst Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach, den 19.08.2021
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