Der Einfluss von Wetter und Klima auf die Menschheitsgeschichte – Teil 1
Am 06. August 1945 zerstörte eine amerikanische Atombombe mit dem harmlos klingenden Namen “Little Boy” die Stadt Hiroshima und tötete 70.000 bis 90.000 seiner Bewohner sofort. Die Wahl des Ziels fiel mehr oder weniger zufällig auf Hiroshima. Weitere Optionen waren Kokura und Nagasaki. Wenige Tage zuvor musste der Start des Flugzeugs aufgrund schlechter Wetterbedingungen noch verschoben werden, da die Bombe nur bei Sichtflugbedingungen eingesetzt werden durfte. Für den 06. August wurden dann gute Wetterbedingungen für Japan vorhergesagt. Kurz nach 7 Uhr meldete ein amerikanisches Wetterbeobachtungsflugzeug, der Wolkenbedeckungsgrad über Hiroshima betrage drei Zehntel bei guter Sicht und somit war das Ziel für den Einsatz dieser Atombombe gefunden.
Da das japanische Kaiserreich aber trotz der verheerenden Zerstörungsgewalt dieser neuartigen Bombe nicht kapitulieren wollte, entschieden die amerikanischen Befehlshaber, eine zweite Atombombe mit dem Namen “Fat Man” einzusetzen. Das primäre Ziel war Kokura als ein Zentrum der japanischen Rüstungsindustrie. Nagasaki war ursprünglich nicht einmal auf der Liste der engeren Auswahl gewesen, wurde dann aber als Ersatz für Kyoto hinzugefügt. Zunächst war der 11. August als Abwurfdatum vorgesehen, da aber schlechtes Wetter vorhergesagt war, wurde der Einsatz um zwei Tage vorgezogen. Als der Bomber an besagtem 09. August über Kokura ankam, lag die Stadt allerdings unter dichten Wolken sowie Rauchschwaden eines Brandbombenangriffs vom Vortag. Weitere zwei Anflüge folgten, aber nachdem die Sicht nicht besser wurde und zudem das Flugbenzin zur Neige ging, entschied man sich, das Ausweichziel Nagasaki anzusteuern. Es sollte ein Direktangriff auf die Schiffswerften erfolgen, allerdings herrschten auch über Nagasaki schlechte Sichtverhältnisse. Eigentlich hätte der Angriff unter solchen Umständen abgebrochen werden müssen, aber der Pilot entschied sich zu einem Radaranflug, um die Bombe letztlich doch noch abwerfen zu können. Der eigentliche Zielpunkt wurde zwar verfehlt, dafür explodierte die Bombe über dicht bewohntem Gebiet und ließ wie bereits in Hiroshima nur wenige Überlebende zurück.
Ein weiteres Ereignis zur Zeit des Zweiten Weltkrieges war der sogenannte “D-Day” (Decision Day), der erste Tag der Invasion der Alliierten (USA, Kanada, Großbritannien und weitere Verbündete) an der französischen Atlantikküste in der Normandie. Kalendarisch handelte es sich hierbei um den 06. Juni 1944. Diese groß angelegte Militäraktion startete unter dem Decknamen “Overlord” und beinhaltete die Einnahme deutscher Stellungen in der Normandie und die Errichtung mehrerer Brückenköpfe, um den Nachzug weiterer Truppen zu ermöglichen. Von dort aus sollte dann die Befreiung des westlichen Europas von der Naziherrschaft erfolgen. Da diese Militäraktion die Überquerung des unberechenbaren Ärmelkanals mit teils nur bedingt hochseetauglichen Transportbooten erforderte, war eine erfolgreiche Landung somit maßgeblich vom Wetter abhängig. Die Prognose eines geeigneten Zeitfensters mehrere Tage im Voraus war zur damaligen Zeit fast nicht möglich, denn bereits die Vorhersage des nächsten Tages gestaltete sich schwierig. Zumal es sich bei dieser Region um eine handelt, in der das Wetter sehr variabel ist. Aufgrund dieser Variabilität ist eine Vorhersage über mehrere Tage auch heute noch nur begrenzt möglich. Es kann also mit Fug und Recht behauptet werden, dass diese Wettervorhersage im Jahr 1944 eine der wichtigsten in der Geschichte werden sollte. Zumal das Militär mehrere Grundvoraussetzungen festlegte:
– Ebbe, um mögliche Unterwasserhindernisse des Feindes erkennen zu können;
– Trockener und für schwere Fahrzeuge tragfähiger Boden, somit sollte es in den Tagen zuvor wenig bis gar nicht geregnet haben;
– Kein Morgennebel für gute Sichtbedingungen der Fallschirmjäger und
– Auflandiger Wind von maximal 20 km/h, aber keine Windstille.
Im Mai 1944 wurde der D-Day auf den Morgen des 05. Juni terminiert. Anfang Juni war das Wetter sehr wechselhaft, da über dem Atlantik ein Tiefdruckgebiet dem nächsten folgte. Nun sollte der D-Day verschoben werden, aber um den Moment eines Überraschungsangriffs nicht zu versäumen, wurde der D-Day nur um einen Tag verschoben.
Die Vorhersagen wichen damals stark voneinander ab, sowohl bei den Alliierten untereinander als auch im Vergleich zur deutschen Vorhersage. Für den 05. Juni sollte der Chefmeteorologe Eisenhowers recht behalten, denn eine Kaltfront sorgte für viel Wind und Regen und hätte die Militäraktion unmöglich gemacht. Hinter der Kaltfront zeichnete sich für den 06. Juni vorübergehende Wetterberuhigung im Zusammenhang von Zwischenhochdruckeinfluss ab und somit eröffnete sich ein kurzes Zeitfenster für eine mögliche Invasion. Auf deutscher Seite rechnete man weiterhin mit wechselhaftem und stürmischem Wetter. Somit wurde das Überraschungsmoment vonseiten der Alliierten genutzt, auch wenn sich das Wetter erst im Tagesverlauf besserte und dadurch viele Soldaten bereits zu Beginn der Landung ihr Leben lassen mussten.
M.Sc. (Meteorologin) Tanja Sauter
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 07.08.2023
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