Der etwas andere Niederschlag

Regen auf der Sonne? – Was paradox klingt, lässt sich tatsächlich in der Atmosphäre der Sonne beobachten. Was sich hinter dem sogenannten „koronalen Regen“ verbirgt, klären wir im heutigen Thema des Tages.

Unter dem Begriff „Weltraumwetter“ werden Prozesse zusammengefasst, die sich im erdnahen Bereich der Magnetosphäre (bis 50.000 km Abstand zur Erde) abspielen und einen Einfluss auf die menschlichen Aktivitäten haben. Ähnlich wie beim irdischen Wetter nehmen auch hier im Wesentlichen Vorgänge auf der Sonnenoberfläche einen zentralen Einfluss auf das Geschehen. Insbesondere die Aktivitäten des Sonnenwindes bestimmen das Weltraumwetter. Darunter fallen beispielsweise auch die Polarlichter. Doch auch auf der Sonne selbst gibt es „Wetter“.

Auf der Erde gelangt Wasserdampf durch Verdunstung oder Sublimation in die Atmosphäre. Dort steigt der Wasserdampf auf und kondensiert mit Hilfe von Kondensationskeimen wie Staub-, Ruß- oder Salzpartikel zu Wolken. Damit die flüssigen oder festen Teilchen als Niederschlag zum Erdboden fallen, müssen sie eine bestimmte Größe erreicht haben.

Der koronale Regen auf der Sonne ähnelt auf bemerkenswerte Art dem Regen auf der Erde. Die äußerste und heißeste Schicht der Plasma-Atmosphäre der Sonne wird Korona genannt. Das Plasma ist ein elektrisch geladenes Gas und besteht aus Protonen, Elektronen und Ionen. Das Plasma folgt aufgrund seiner Ladung dabei den starken magnetischen Bögen, die aus der Sonnenoberfläche um die Sonnenflecken und -eruptionen auftauchen. Zunächst ging man davon aus, dass die Plasmaausbrüche nur an den größten Magnetschleifen, den sogenannten „Helmströmen“, auftreten. Diese ragen bis zu eine Million Kilometer ins All und sind beispielsweise bei Sonnenfinsternissen auch von der Erde aus sichtbar. Neuere wissenschaftlichere Untersuchungen der NASA deuten jedoch darauf hin, dass überwiegend an kleineren Schleifen von nur 50.000 Kilometern häufiger Plasmaregen zu finden ist.

Egal ob nun groß oder klein – an den Fußpunkten der Magnetbögen, wo sie mit der Sonnenoberfläche verbunden sind, wird das Plasma von etwa 5000 Grad auf über eine Million Grad Kelvin aufgeheizt. Die äußere Sonnenatmosphäre wird somit etwa 300 Mal heißer als ihre Oberfläche. Das extrem heiße Plasma breitet sich dann über die großen Magnetbögen aus und kühlt sich unter den richtigen Bedingungen an deren Spitze rapide auf 10.000 Kelvin ab und kondensiert zu Wolken. Dabei verdichten sich die Teilchen stark und mit der Gravitation zieht es den koronalen Regen wieder hinab zu den Fußpunkten des Magnetbogens. Die verdichteten Plasmatropfen stürzen dabei mit einer Geschwindigkeit von etwa 200.000 km/h der Sonnenoberfläche entgegen und können etwa die flächenhaften Ausmaße eines kleineren Staates – vergleichsweise die Größe von Irland – erreichen. Auf der Erde hingegen ist ein typischer Regentropfen im Vergleich im Mittel 1-2 Millimeter groß und fällt im Schnitt mit 20 km/h der Erde entgegen. Große Tropfen in Schauern oder Gewittern können immerhin 30-40 km/h erreichen. Die koronalen Regenschauer in der Sonnenatmosphäre dauern laut Beobachtungen etwa 10 bis 30 Stunden. Dabei wirken sie auf Aufnahmen im ultravioletten Bereich wie ein surrealer, dreidimensionaler und quellenloser Wasserfall. Wer sich ein solches Spektakel einmal in bewegten Bildern anschauen möchte, findet bei der NASA ein Zeitraffervideo eines koronalen Regenereignisses vom Juli 2012: Jede Sekunde des Videos dauert dabei in Echtzeit etwa 6 Minuten.

Wissenschaftler vermuten, dass ein Kreislauf zwischen Sonneneruptionen und koronalem Regen eine wichtige Rolle im Materie-Zyklus der Sonnenatmosphäre spielen könnte. Warum sich die Korona so stark aufheizt, ist noch nicht genau geklärt. Allerdings zeigen die Magnetschleifen mit koronalem Regen an, dass an deren Basis eine koronare Aufheizung stattfindet. Der koronale Regen gleicht dabei die entstehenden großen Temperaturschwankungen in der Korona wie eine Art Thermostat aus. Dieser hätte somit für das solare Klima eine ähnlich hohe Bedeutung wie Regen für unser Erdklima.

M.Sc.-Met. Sebastian Altnau

Deutscher Wetterdienst Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach, den 27.04.2021

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