DWD Die Zugspitze wurde sein Schicksal Teil 2

Die Zugspitze wurde sein Schicksal – Teil 2

Aufgaben für die Beobachter auf der Zugspitze

Direktor Erk hatte die künftigen Aufgaben des Meteorologen auf der Hochstation bereits 1898 fixiert (Erk 1898b). Wie damals üblich sollten zu den Mannheimer Stunden (7 Uhr, 14 Uhr, 21 Uhr) Luftdruck, Temperatur, Feuchte, Windrichtung und Geschwindigkeit, Niederschlag und der Bewölkungsgrad sowie die Wolkenart und der Wolkenzug aufgezeichnet werden. Dazu kam insbesondere im Winter die Kontrolle und Instandhaltung der Messinstrumente. Die Messdaten mussten noch mit den geeichten Normalinstrumenten korrigiert werden. Dann galt es Tages- und Monatsmittel von Druck, Temperatur und Feuchte sowie Dampfdruck zu berechnen.
Auch sollte die Sonnenscheindauer bestimmt werden. Schließlich sollte der Meteorologe die Föhnerscheinungen und die Zugstraßen kleiner Teildepressionen am Gebirgsfuß im bayerischen Alpenvorland beobachten. Zur “Fixierung von Wolkenbildern” und anderer Naturerscheinungen wurde sogar ein Fotoapparat bereitgestellt.

Josef Enzensperger – der erste Zugspitzbeobachter

Die Suche nach einem geeigneten Beobachter war für Erk nicht schwierig, denn bereits am 1. Januar 1900 kam der Lehramtskandidat Josef Enzensperger als Hilfskraft an die Meteorologische Centralstation (Lüdecke 2000). Offenbar arbeitete er sehr zur Zufriedenheit des Direktors, denn er wurde bereits am 1. April zum Assistenten ernannt. Seine zusätzlichen bergsteigerischen Fähigkeiten kamen ihm nun zugute, denn er wurde am 1. Juli zum ersten Beobachter auf der Zugspitze ernannt.
Nach der feierlichen Eröffnung im Juli begannen die offiziellen meteorologischen Beobachtungen am 1. August (Enzensperger 1901). Nachdem bei Saisonende die Bergsteiger die Zugspitze endgültig verlassen hatten und das Münchner Haus geschlossen wurde, blieb Enzensperger allein mit seinem Hund Putzi als einzige Ansprache auf dem Gipfel zurück. Menschlichen Kontakt gab es nur per Telefon, falls die Leitung nicht durch Steinschlag oder Lawinen unterbrochen war.

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Nun konnte Enzensperger nicht mehr nach nebenan ins Münchner Haus zum Essen gehen, sondern musste sich nun aus seinen Vorräten selbst versorgen. Das benötigte Koch- und Waschwasser bestand im Sommer aus Regenwasser und wurde im Winter aus der Schneeschmelze gewonnen. In seiner Freizeit brachte er sich auf dem Zugspitzplatt das Skifahren bei. Über Langeweile konnte er nicht jedenfalls klagen.

Bewerbung für die Südpolarexpedition

Enzenspergers Bergfreund Hans Gazert hatte ihm schon vor längerem berichtet, dass er sich auf den Arztposten der ersten deutschen Südpolarexpedition unter der Leitung von Erich von Drygalski beworben habe. Am 1. April 1900 kam die Zusage und er begann sich um die Proviantausstattung der Expedition an Bord der “Gauss” zu kümmern, die am 11. August 1901 aufbrechen würde (Gazert 2023, Drygalski 2013). Während seiner Überwinterung auf der Zugspitze ging Enzensperger die Südpolarexpedition wohl nicht mehr aus dem Kopf. Sicherlich sah er darin eine neue Herausforderung, sodass er sich am 19. Januar 1901 telegraphisch um seine Teilnahme als Meteorologe bewarb (Wege 2000, Lüdecke 2000). Zu diesem Zeitpunkt waren jedoch schon alle Posten besetzt. Als jedoch kurz vor der Abreise der Meteorologe für die Zweigstation auf den Kerguelen im Südatlantischen Ozean ausfiel, wo von der Antarktis unbeeinflusst Vergleichsdaten erhoben werden sollten, wurde Enzensperger am 28 Juli 1901 als Expeditionsmitglied aufgenommen und von der Centralstation für 1 ½ Jahre beurlaubt. Im blieben nur noch zwei Wochen, um die Reise vorzubereiten und sich von seiner Familie zu verabschieden. Zunächst reiste er zusammen mit zwei Begleitern nach Sydney, um dort den Proviant und die Ausrüstung für die Kerguelenstation sowie die Hunde aus Kamtschatka für die Südpolarexpedition zu übernehmen (Enzensperger 1905, Drygalski 2013).

Zweigstation auf den Kerguelen

Mit der vollbeladenen “Tanglin” ging die Reise weiter zu den Kerguelen, wo sie ein Wohnhaus, die meteorologische Station und die Observatorien für magnetische Beobachtungen aufbauten. Allerdings war die chinesische Mannschaft der “Tanglin” durch Beriberi schon zu sehr geschwächt, als dass sie kräftig zupacken konnte. Außerdem starben zwei Chinesen und wurden in der Nähe beerdigt. Die “Gauss” kam um die Jahreswende an und Mithilfe des Schiffszimmermanns und einigen Matrosen wurde die Station schließlich fertiggestellt (Drygalski 1902).

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Als die “Gauss” am 31. Januar 1902 die Kerguelen verließ, blieben drei Wissenschaftler und zwei Matrosen zurück, die nun ihrer wissenschaftlichen Arbeit nachgingen. Zunächst erkrankte der Biologe Emil Werth, der auf der “Gauss” angereist war, an Beriberi und später auch Enzensperger. Damals wusste man noch nicht, was die Ursache für die Erschöpfung und die angeschwollenen Gliedmaßen war, die vor allem den Meteorologen immer mehr beeinträchtigten. Bei Werth waren die Symptome glücklicherweise nicht so gravierend, aber bei Enzensperger wurde es immer schlimmer (Luyken 1903). Nachdem ihm keine Maßnahme zur Entwässerung und auch das einzig vorhandene Herzmittel nicht helfen konnten, starb er am 2. Februar 1903, sechs Tage vor seinem 30. Geburtstag.
Heute weiß man, dass Robert Kochs Theorie, Beriberi sei eine Infektionskrankheit, nicht stimmt, sondern dass Beriberi eine Vitamin B Mangelkrankheit ist. Aber warum starb der durchtrainierte kräftige Bergsteiger? Ihm wurde seine Überwinterung auf der Zugspitze zum Verhängnis, als er sich monatelang nur von Dosenkost ernährte. Dadurch wurde sein Vitamindepot heruntergefahren, das er in der kurzen Zeit bis zu seiner langen Schiffsreise erst nach Australien und dann zu den Kerguelen nicht mehr genügend auffüllen konnte. Das wenige Frischfleisch an gejagten Kaninchen konnte ihm nicht mehr helfen.
Heute erinnert eine Gedenktafel neben dem Eingang in den Meteorologischen Turm mit folgenden Worten an den ersten Beobachter.

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“Zur Erinnerung an den ersten Beobachter auf der Hochstation Zugspitze J. J. Enzensperger 1900/1901”.

* Dieser Artikel ist in leicht verkürzter Form zuerst in den Mitteilungen 2/2023 der Deutschen Meteorologischen Gesellschaft (DMG) erschienen. Wir danken Frau Prof. Dr. Cornelia Lüdecke und Herrn Prof. Dr. Dieter Etling von der Universität Hannover ausdrücklich für die Zusammenarbeit!

Prof. Dr. Cornelia Lüdecke
Ehemals Universität Hamburg
Offenbach, den 29.07.2023
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

Literatur

Deutscher Alpenverein (Hrsg.), 1990, Josef Enzenperger: Meteorologe und Kletterer. Bearbeitet von H. Höfler. Alpine Klassiker 13, J. Berg, München, 304 S.

Erich von Drygalski, 2013, Zum Kontinent des eisigen Südens: Die erste deutsche Südpolarexpedition 1901-1903. Herausgegeben von Cornelia Lüdecke, Edition Erdmann, marixverlag, Wiesbaden, 366 S.

Enzensperger, J.J., 1901: Sieben Monate auf der Zugspitze. – Das Wetter Monatsschrift für Witterungskunde, 18, 66-71.

Enzensperger, J., 1905: Ein Bergsteigerleben: eine Sammlung von alpinen Schilderungen nebst einem Anhang Reisebriefe und Kerguelen-Tagebuch. Hrsg. vom Akad. Alpenverein München. Vereinigte Kunstanstalten in Komm., München, 276 S.
Erk, F. 1898a, Ein meteorologisches Observatorium auf der Zugspitze. Mitteilungen des Deutsch-Österreichischen Alpenvereins 10, 121-123.

Erk, F. 1898b, Ein meteorologisches Observatorium auf der Zugspitze. Mitteilungen des Deutsch-Österreichischen Alpenvereins 11, 133-136.

Gazert, 2023, Hans Gazert, angesehen 12.4.2023.

Lüdecke, C., 2000, Hundert Jahre meteorologische Hochstation auf der Zugspitze – Der Deutsch-Österreichische Alpenverein als Förderer der alpinen Meteorologie, Meteorologische Zeitschrift, 9 (6), 381-391.

Lüdecke, C., 2001, …die meteorologische Hochstation Zugspitze als glänzender Appendix. 100 Jahre meteorologischer Turm auf der Zugspitze. Heidelberg, Berg 2001 Alpenvereinsjahrbuch “Zeitschrift” Band 125, 136-148.

Lüdecke, C. 2015, Deutsche in der Antarktis: Expeditionen und Forschungen vom Kaiserreich bis heute. Chr. Links, Berlin, 224 S.

Schmitt, Fritz, “Enzensperger, Josef” in: Neue Deutsche Biographie 4 (1959), S. 541 [Online-Version];

Wege, K., 2000, Die Geschichte der Wetterstation auf der Zugspitze. Geschichte der Meteorologie in Deutschland 4, Selbstverlag des Deutschen Wetterdienstes, Offenbach am Main, 104 S.

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