Einer geht noch…

Nach dem Sturm ist bekanntlich vor dem nächsten Sturm oder ein Sturm- bzw. Orkantief jagt das nächste. So oder so ähnlich kann man wohl die zweite Hälfte der heute zu Ende gehenden Woche zusammenfassen. Den Auftakt machte Orkantief YLENIA, das am Donnerstag aufhorchen ließ. Verbreitet wurden insbesondere entlang einer Kaltfront und einem nachschwenkenden Bodentrog schwere Sturm- bis Orkanböen gemessen. Als wäre das nicht genug gewesen, schlug schon am Freitag Orkantief ZEYNEP vom Atlantik kommend auf den Britischen Inseln auf und zog bis zum Samstagmorgen rasch ins Baltikum. Dessen Sturmfeld erfasste erneut Deutschland und brachte vor allem in der Nordhälfte vielfach Orkanböen um oder über 120 km/h. Hierzulande wurden wohl historische Rekorde nach einer ersten Sichtung kaum übertroffen. Nichtsdestotrotz sorgten beide Ereignisse für einige Behinderungen durch umgestürzte Bäume, umherfliegende Gegenstände oder beschädigte Gebäude. ZEYNEP forderte zudem in Deutschland leider auch drei Menschenleben.

War’s das nun endlich mit Sturm bei uns? – Wer bereits einen Blick auf unsere Warnkarte geworfen hat, wird feststellen: Mitnichten! Auch am heutigen Sonntag und morgigen Montag wird es erneut stürmisch. Doch der Reihe nach.

Alles auf Anfang – zumindest was die alphabetische Benennung des neu folgenden Orkantiefs betrifft. Ein Tief namens ANTONIA zieht bis heute Abend vom Nordatlantik ins Seegebiet nördlich von Schottland. Die korrespondierende Warmfront breitet sich in diesen Stunden schon von West nach Ost unser Land aus und beschert einen ziemlich verregneten Sonntag. Vor allem in den West- und Nordweststaulagen der nördlichen bis zentralen Mittelgebirge schüttet es bis Montag sogar ergiebiger, sodass bis in den Montag hinein bereits Warnungen vor Dauerregen laufen. Nur ganz im Süden bleibt es wohl tagsüber noch trocken, sonst ist das ganze wohl eher Marke “Couchwetter” statt “Sonntagsspaziergang”. Mit der übergreifenden Warmfront kommt auch kräftige Warmluftadvektion über Südskandinavien und Mitteleuropa auf. Im Zusammenspiel mit positiver Vorticityadvektion wird über dem Skagerrak östlich des eigentlich Kernbereichs von ANTONIA kräftiger Druckfall induziert, sodass sich dort rasch ein Teiltief bildet.

Was heißt das nun konkret für den Wind? Die Drängung der Isobaren (der Linien gleichen Luftdrucks) über Deutschland nimmt wieder zu und dementsprechend frischt auch der Wind wieder auf. Tagsüber werden – mit Ausnahme des Nordostens – starke bis zeitweise stürmische Böen (55 bis 70 km/h), im Bergland bei stabiler Schichtung (geringe Temperaturabnahme mit der Höhe) verbreitet Sturmböen oder schwere Sturmböen (80 bis 100 km/h), in den exponierten Gipfellagen zunehmend wieder orkanartige Böen oder Orkanböen (zwischen 100 und 130 km/h) erreicht.

Die Teiltiefbildung über dem Skagerrak hat auch noch einen anderen Effekt. Sie beschleunigt die Kaltfront ANTONIAs, die am späten Abend auf den Nordwesten Deutschlands übergreift und bis zum Montagmorgen den Südosten des Landes erreicht. Mit Passage der Kaltfront legt der Wind in deren Umfeld vorübergehend noch einmal einen Zahn zu. Sturm- und schwere Sturmböen zwischen 80 bis 100 km/h sind im Bereich der von Nordwest nach Südost ziehenden Kaltfront zu erwarten. Zudem kann es entlang der Kaltfront zu schauerartigen Verstärkungen und einzelnen Gewittern kommen. Dann besteht vereinzelt auch Unwettergefahr durch orkanartige Böen bis 115 km/h. Diese Entwicklung wird auch von der aktuellen Böenvorhersage des hochaufgelösten ICON-D2 Modells unterstützt (siehe beigefügte Abbildungen für die Zeitpunkte 01 und 07 Uhr für Montagnacht). Es ist somit wieder Vorsicht geboten! Herabfallende Äste, umherfliegende Gegenstände oder umstürzende Bäume (welche durch die vorangegangenen Sturmereignisse bereits geschwächt sind) können zur Gefahr werden und örtlich zu neuerlichen Einschränkungen im morgendlichen Berufsverkehr führen.

Der Montag selbst – nun ja – er bleibt stürmisch. Nachdem sich die Kaltfront am Morgen nach Österreich verabschiedet und das obengenannte Teiltief als eigenständiges kräftiges Tief ins Baltikum zieht, nimmt der Wind nur vorübergehend etwas ab. Denn nachfolgend quert das ursprüngliche Tief ANTONIA von der Nordsee kommend nun in Form eines Bodentrogs die Nordhälfte des Landes. In den mittleren und südlichen Landesteilen muss man sich dann wieder vermehrt auf Sturmböen, in exponierten Lagen auch auf schwere Sturmböen einrichten.

M.Sc.-Met. Sebastian Altnau

Deutscher Wetterdienst Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach, den 20.02.2022

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