Ist es wirklich so kalt wie gefühlt?
Dick anziehen sowie Kopf und Hände vor der eisigen Kälte schützen, so lautet derzeit die Devise. Der Winter hat Deutschland fest im Griff, wenngleich oftmals eine Schneedecke fehlt. Dennoch konnten die Temperaturwerte auch in der vergangenen Nacht wieder ordentlich in den Keller rauschen. Spitzenreiter in Bezug auf das nächtliche Minimum ist dabei Bad Berka (Thüringen) mit -17,2 Grad, dicht gefolgt von Harzgerode (Sachsen-Anhalt) mit -16,2 Grad. Am wenigsten kalt war es mit -0,5 Grad in der vergangenen Nacht in List auf Sylt (Schleswig-Holstein). Doch nicht nur nachts ist es eisig kalt, sondern auch tagsüber herrscht oftmals leichter, teils mäßiger Dauerfrost. Am gestrigen Dienstag betrug der Tageshöchstwert beispielsweise in Neuhaus am Rennweg (Thüringen) gerade einmal -9,5 Grad. Aber selbst in größeren Städten wie Berlin, München oder Hamburg schaffte es das Quecksilber nicht auf oder über die Null-Grad-Marke zu steigen. Damit gab es also in einigen Regionen des Landes einen.
Wer dabei einen Spaziergang in der Wintersonne gemacht hat, musste feststellen, dass diese einen noch nicht so richtig wärmen kann. Zudem fühlte sich die Temperatur irgendwie noch kälter an, als sie es tatsächlich war. Doch warum ist das so und gibt es eine logische Erklärung dafür?
Um diese Fragestellung zu klären, muss man mehrere Faktoren betrachten. Der Mensch reagiert nicht nur auf die Lufttemperatur, sondern das menschliche Empfinden hängt auch von der Windgeschwindigkeit, der Luftfeuchtigkeit, der Sonnenstrahlung und der Wärmestrahlung der Atmosphäre ab. Die größte Rolle spielt dabei sicherlich der Wind. Hierfür wird der Windchill-Effekt betrachtet, denn durch erhöhte Windgeschwindigkeiten gibt der Körper schneller und mehr Wärme ab, als bei windschwachen Bedingungen. Beispielsweise liegt die Windchill-Temperatur, also die Lufttemperatur die ohne Wind den gleichen Abkühlungseffekt hätte, bei einer Windgeschwindigkeit von 25 km/h und einer gemessenen Lufttemperatur von -5 Grad, bei etwa -12 Grad. Treten steife Böen (Bft 7) um 50 km/h auf, liegt die Windchill-Temperatur bei derselben Lufttemperatur von -5 Grad bereits bei -15 Grad. Es drohen daher also viel schneller Erfrierungen und man muss sich entsprechend schützen.
Beim Deutschen Wetterdienst wird aber, um die gefühlte Temperatur zu ermitteln, nicht nur die Windgeschwindigkeit herangezogen, sondern man beruft sich auf das. Dies ist ein Wärmehaushaltsmodell für den Menschen, das zur Bewertung der thermischen Umgebungsbedingungen benutzt wird. Genauere Informationen dazu finden sich unter.
Die gefühlte Temperatur nutzt man nun, um das thermische Empfinden und die thermophysiologische Beanspruchung darzustellen. Beispielsweise löst eine gefühlte Temperatur zwischen 0 und -13 Grad schwachen Kältestress beim Menschen aus. Je größer die Abweichungen vom “Behaglichkeits- bzw. Komfortbereich” abweichen, der bei einer gefühlten Temperatur zwischen 0 und +20 Grad angesiedelt ist, umso mehr nimmt der Kältestress oder die Wärmebelastung zu.
Dabei entsteht unter Umständen eine zunehmende Belastung für Herz, Kreislauf und periphere Gefäße. Beispielsweise können auch Asthmapatienten bei anstrengenden Tätigkeiten im Winter (z.B. Schneeschaufeln) Beschwerden und Probleme bekommen. Aber das derzeitige kalte Wetter kann auch einen günstigen Wettereinfluss ausüben, denn die Wintersonne trägt dazu bei die Vitamin-D-Bildung anzuregen. Ein ausgiebiger Winterspaziergang stärkt bei angemessener Kleidung auch Herz, Kreislauf und die Abwehrkräfte.
Also worauf warten Sie noch? Mantel an, Schal um, Mütze auf und dann raus an die frische Luft. Ihr Körper wird es Ihnen danken.
Dipl.-Met. Marcel Schmid
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 10.01.2024
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