Rekordregenreiche Zwölf-Monats-Periode
Auch wenn noch einige Tage fehlen, steht schon jetzt fest, dass im Zeitraum vom 1. August 2023 bis zum 31. Juli 2024 (bisweilen auch als „Winterjahr“ bezeichnet) so viel Niederschlag gefallen sein wird wie noch nie zuvor in Deutschland seit Beginn regelmäßiger und flächendeckender Messungen im Jahre 1881. Bis einschließlich des gestrigen Samstags (20. Juli 2024) sind im deutschlandweiten Mittel in diesem Zeitraum rund 1030 mm Niederschlag gemessen worden. Das entspricht etwa 130 % der durchschnittlichen Niederschlagsmenge von 791 mm in der aktuellen Vergleichsperiode von 1991-2020. Eine Abweichung von knapp einem Drittel zum vieljährigen Mittel (obwohl die Periode noch nicht einmal zu Ende ist) in einem Zeitintervall von einem Jahr ist sehr bemerkenswert und bisher beispiellos.
Zeitlicher Verlauf der Niederschläge
Nach einem bereits recht nassen Juli war auch der August letzten Jahres mit 123 mm (158 %) ein ungewöhnlich regenreicher Sommermonat (Abbildung 1 und 2).
Deutlich weniger Regen kam im September 2023 vom Himmel. Mit nur 33 mm (52 %) war dies auch der trockenste Monat in der betrachteten Zwölf-Monats-Periode. Es folgten fünf überdurchschnittlich nasse Monate in Folge, beginnend mit einem regenreichen Oktober, in dem im deutschlandweiten Flächenmittel 101 mm (159 %) verzeichnet wurden. Weiter ging es mit dem zweitniederschlagreichsten November seit Messbeginn. Mit 124 mm kam rund das Doppelte der üblichen Monatsmenge vom Himmel (Abbildung 2).
Nach diesen beiden Herbstmonaten erlebten wir den viertnassesten Winter seit 1881. Vor allem der Dezember setzte die ungewöhnlich niederschlagreiche Witterung fort. Die Niederschlagsmenge summierte sich auf 120 mm (170 %), von der ein beachtlicher Teil in der zweiten Monatshälfte fiel. Auch die Monate Januar (75 mm, 116 %) und Februar 2024 (81 mm, 152 %) präsentierten sich überdurchschnittlich nass. Erst der März war seit langer Zeit mal wieder ein Monat mit einem Defizit im deutschlandweiten Mittel (46 mm, 80 %). Dies sollte aber nicht das Ende der regenreichen Witterungsperiode darstellen. Schon der darauffolgende April fiel mit 64 mm erneut überdurchschnittlich nass aus (144 %). Darauf folgte schließlich der drittnasseste Mai der letzten 143 Jahre. Stolze 118 mm (169 %) wurden in Deutschland verzeichnet. Der Juni fügte sich nahtlos an und war mit 89 mm (118 %) erneut zu regenreich. Vor allem zum Monatswechsel Mai/Juni wurden in Teilen Süddeutschlands extreme Dauerregenfälle beobachtet. Im aktuellen Juli kamen bisher rund 55 mm zusammen. Ein Blick auf die Prognosen zeigt, dass bis Monatsende verbreitet noch zwischen 10 und 30 mm Niederschlag dazukommen sollen, im Alpenvorland teils auch deutlich mehr (Abbildung 3).
Vergleich mit früheren Jahren
Vergleicht man die diesjährige Zwölf-Monats-Periode (im Folgenden als „Winterjahr“ bezeichnet) mit früheren, wird deutlich, wie ungewöhnlich der Niederschlagsüberschuss sein wird. Noch nie zuvor seit Messbeginn im Jahre 1881 hat es in diesem Zeitraum über 1000 mm Niederschlag gegeben. Das bisher nasseste Winterjahr war 1960/61 mit 993 mm Niederschlag (126 %), welches wir bereits zum heutigen Tage um etwa 35 mm übertroffen haben. Ein weiteres regenreiches Winterjahr war 1925/26 mit 967 mm (122 %). Letztmalig über 900 mm wurde im Winterjahr 2006/07 verzeichnet (930 mm, 117 %). Als Kontrastprogramm kam im bisher trockensten Winterjahr nur etwa halb so viel Niederschlag vom Himmel. Von August 1933 bis Juli 1934 wurden lediglich dürftige 533 mm registriert und damit nur etwa zwei Drittel der sonst üblichen Menge in diesem Zeitraum.
Auswirkungen der hohen Niederschlagsmengen
Die hohen Niederschlagsmengen im Winterhalbjahr hatten und haben sowohl positive als auch negative Auswirkungen auf die Natur. Es ist wenig verwunderlich, dass bei derart großen Regenmengen Hochwasserereignisse nicht ausblieben. Vor allem sehr intensive Regenfälle in der Woche vor Weihnachten 2023 ließen die Pegel in vielen Teilen Deutschlands ansteigen und Talsperren überlaufen. Ein massives Weihnachtshochwasser an mehreren Flüssen, insbesondere in Niedersachsen, war das Resultat. Neben diesem überregionalen Hochwasserereignis gab es im Winterhalbjahr wiederholt Hochwasser, die allerdings nicht so großflächig auftraten und damit weniger in die Schlagzeilen gerieten.
Mitte Mai brachte ein stationäres Tief dem Südwesten Deutschlands langanhaltende und intensive Regenfälle. Vor allem vom Saarland bis zur Pfalz summierte sich die Regenmenge auf 80 bis 120 mm, was an etlichen Bächen und Flüssen in dieser Region – unter anderem der Saar – zu einem großen bis sehr großen Hochwasser führte. An einigen Pegeln wurden die Marken eines 100-jährlichen Hochwassers zum Teil deutlich übertroffen.
Anfang Juni kam es schließlich in Süddeutschland zu einem Jahrhunderthoch-wasser. Eine sogenannte Vb-Wetterlage (sprich: Fünf-b) brachte dem Süden Bayerns und Baden-Württembergs zum Monatswechsel und Anfang Juni extreme Regenfälle. Verbreitet wurden innerhalb von nur vier Tagen 100 bis 200 mm, am Alpenrand lokal sogar um 300 mm Niederschlag gemessen. Entsprechend verheerend waren die Auswirkungen: Überflutete Straßen und Ortschaften, Dammbrüche, Murenabgänge, zahlreiche Evakuierungen, gesperrte Bahnstrecken und leider auch mehrere Vermisste und Tote. An vielen Flüssen südlich der Donau wurden 100-jährliche Pegelmarken überschritten und auch entlang der Donau kam es zu einem großen Hochwasser.
Der erhebliche Niederschlagsüberschuss hat aber auch positive Effekte. Nach vielen Jahren mit sehr niedrigen Grundwasserspiegeln hat sich die Lage in diesem Winter endlich wieder entspannt. Ähnlich sieht es mit der Bodenfeuchte aus. Die seit 2018 andauernde historische Dürreperiode wurde beendet. In allen Bodenschichten ist nun wieder ausreichend Wasser vorhanden. Die Vegetation, insbesondere auch die Wälder, können davon profitieren.
Dr. rer. nat. Markus Übel (Meteorologe)
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 21.07.2024
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