Schwere Sturmlage – Ablauf und Windgeschwindigkeiten
Die Medien überschlagen sich dieser Tage mit Schlagzeilen zu Sturmtief „Sabine“. Im heutigen Tagesthema werden der genaue Ablauf, die Sturmhöhepunkte und die Ursachen dafür erläutert.
Von „Monster- und Megasturm“ ist in einigen Medien die Rede. Sturm „Sabine“ soll ab dem Vormittag mit Gewittern, Starkregen und Orkanböen auf Deutschland treffen. „Sabine bringt Böen bis 180 km/h“. Das mediale Feuerwerk überschlägt sich dieser Tage. Im heutigen Thema des Tages soll etwas Klarheit geschaffen werden, wie der genaue Ablauf der schweren Sturmlage in etwa sein wird.
Derzeit ist in vielen Regionen Deutschlands die Windsituation noch entspannt, oftmals ist es sogar noch windschwach. Je weiter man im Südosten des Landes lebt, desto länger wird dies auch so bleiben. Südlich der Donau, beispielsweise, wird man den auflebenden Wind sogar erst in der zweiten Hälfte der kommenden Nacht zum Montag wahrnehmen. Anders im Westen und Nordwesten, wo im Laufe des Vormittags bereits schon die ersten stürmischen Böen gemessen werden. Warum ist das so? Zunächst einmal muss man sich die Zugbahn von Tief „Sabine“ vor Augen führen. Das Zentrum von „Sabine“ befindet sich derzeit knapp nördlich von Schottland und wird sich im Laufe des Tages und der kommenden Nacht zur Norwegischen Küste verlagern. Damit wird klar, dass der Nordwesten viel näher am Tiefzentrum liegt und damit auch eher in den Bereich des Sturms gelangt.
Dazu kommt noch ein zweiter Aspekt, wofür man wissen muss, dass knapp über unseren Köpfen der Wind oft viel stärker weht, als direkt am Boden. Interessant können vor allem die Höhenbereiche zwischen 500 und 1500 m sein. Allerdings braucht es dafür einen Impuls, der die hohen Windgeschwindigkeiten auch zum Boden bringt. Aufgrund der stabilen Verhältnisse klappt das tagsüber noch nicht. Es sei denn man begibt sich auf die Berge, in den besagten Höhenbereich. So werden auf dem Brocken bereits jetzt Orkanböen von mehr als 120 km/h gemessen. Das ist wohl auch der Grund, warum in manchen Medien bereits vom Sturmbeginn am Sonntagvormittag die Rede ist. Davon merkt aber der Großteil der Bevölkerung vorerst noch nichts.
Richtig interessant wird es dann im Laufe des Nachmittags zunächst im Westen und Nordwesten, wo die ersten Sturmböen und schweren Sturmböen (also 80 bis 100 km/h) in tiefen Lagen zu erwarten sind. Auch weiter im Osten und Süden wird dann der Wind etwas aufleben, aber noch mit „angezogener Handbremse“ (50 bis 70 km/h). Auf den Bergen weht dann voller Orkan mit mehr als 120 km/h, auf dem Brocken (und nur dort!) nähern wir uns den angesprochenen 180 km/h.
Der Höhepunkt der Windlage ist in vielen Teilen des Landes in der Nacht auf Montag zu erwarten, wenn die Kaltfront von Tief „Sabine“ südostwärts vorankommt. Und da kommen wir nochmal zurück auf den Wind in etwa 500 bis 1500 m. Mit der Kaltfront und den damit eingelagerten Gewittern ist es möglich, die hohen Windgeschwindigkeiten bis zum Boden herunterzumischen. Entsprechend treten mit der Kaltfrontpassage nicht überall, aber eben gehäuft Windgeschwindigkeiten zwischen 100 und 130 km/h auf.
Die Regionen südlich der Donau werden von den stärksten Winden erst ausgangs der Nacht erreicht. Dort ist dann bis zu den Mittagsstunden mit Windgeschwindigkeiten zwischen 100 und lokal 130 km/h zu rechnen. Die lange Andauer ist einem weiteren lokalen Phänomen geschuldet, dass wir Leitplankeneffekt nennen. Verantwortlich dafür sind die Alpen: Mit Annäherung der Kaltfront wird die Luft zwischen ihr und den Alpen quasi eingequetscht, was zu einer Verstärkung des Windes führt. Man kann sich das wie bei einem Gartenschlauch vorstellen, wenn man die Öffnung immer mehr schließt, um beispielsweise weiter entfernt liegende Gartenbereich zu bewässern. Auch sonst muss in den Vormittagsstunden in der gesamten Südhälfte in Verbindung mit Schauern und Gewittern noch mit schweren Sturmböen und einzelnen orkanartigen Böen gerechnet werden (90 bis 110 km/h). In den Nachmittagsstunden beruhigt sich die Windsituation dann auch dort.
Kurz zusammengefasst: Die Windgeschwindigkeiten steigern sich im Tagesverlauf von Nordwest nach Südost allmählich. Der Höhepunkt wird mit der Passage der teils gewittrig durchsetzen Kaltfront in der Nacht auf Montag erwartet. Im äußersten Südosten kommt der Wind erst ausgangs der Nacht richtig in Fahrt. In der Südhälfte hält die Unwettergefahr bis Montagmittag an.
Für viele der (Horror)schlagzeilen in den Medien ist indes einzig und allein der Brocken mit seiner exponierten Lage verantwortlich.
Dipl.-Met. Marcus Beyer
Deutscher Wetterdienst Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach, den 09.02.2020
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