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Saharastaub und Wolken – eine optisch sehr ansprechende Kombination

Beim Blick auf das Satellitenbild am heutigen Mittwochmorgen stieß einem eine Wolkenformation über Osteuropa förmlich ins Auge. Eine Wolkenspirale mit einer Art Rippenmuster – jetzt schon Anwärter auf das optische Highlight des Tages! Oder was meinen Sie beim Anblick von Abbildung 1? Dahinter steckt die Einbindung von Saharastaub in die Luftzirkulation.

DWD Saharastaub und Wolken eine optisch sehr ansprechende Kombination

Bei bestimmten Strömungsverhältnissen können große Mengen Staub in der Sahara aufgewirbelt werden und in der Troposphäre bis etwa 10 Kilometern Höhe quer über den Globus verteilt werden. Es handelt sich dabei um Mineralstaub, also winzig kleine Schwebeteilchen, sogenannte “Aerosole”. Diese Teilchen sind hygroskopisch. Das bedeutet, dass sie als Kondensationskeime dienen. Wasserdampf aus der Luft kann an den Teilchen also zu kleinen Tröpfchen kondensieren. Wenn durch den zusätzlichen Eintrag von Saharastaub nun mehr hygroskopische Aerosole in die Luft gelangen, kann dadurch die Wolkenbildung angeregt werden.

Nicht selten führen Saharastaubereignisse zu Bildung dichter Schleierwolken, die den Himmel stark eintrüben können. Was für uns also statt eitel Sonnenschein Tristesse bedeuten kann, ist aus Sicht der Meteorologen durchaus problematisch. Denn bis heute haben die Wettermodelle so ihre Schwierigkeiten mit der Vorhersage dieser “staubgeschwängerten” Bewölkung. Daher gab und gibt es auch beim Deutschen Wetterdienst intensive Forschungsarbeiten in dieser Thematik. In Zusammenarbeit mit dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT) hat der DWD in der Folge ein Modellsystem entwickelt, das den Mineralstaub als prognostische Größe behandelt und auch aktuelle Staubausbrüche in der Vorhersage berücksichtigt, das sogenannte ICON-ART. In Abbildung 2 sieht man eine Berechnung der sogenannten optischen Dicke für heute früh 6 UTC. Die optische Dicke beschreibt grob gesagt die Trübung der Atmosphäre durch Mineralstaub. In der Abbildung lässt sich dadurch schön der Transport von Mineralstaub aus Nordafrika in einem Bogen über die Türkei, das Schwarze Meer und die Ukraine bis nach Polen und tatsächlich auch in die Osthälfte Deutschlands nachvollziehen. Zudem findet sich ein Maximum der Optischen Dicke genau in dem Bereich, wo sich im Satellitenbild das Rippenmuster präsentierte.

DWD Saharastaub und Wolken eine optisch sehr ansprechende Kombination 1

Apropos Rippenmuster: Tatsächlich gibt es für seine Entstehung mehrere Theorien, wobei wir uns hier auf die verbreitetste beschränken wollen. Dafür muss man wissen, dass Aerosole nicht nur die Wolkenbildung fördern, sondern auch einen direkten Einfluss auf den Strahlungshaushalt der Atmosphäre haben. Offenkundig ist, dass in der Troposphäre befindlicher Mineralstaub weniger kurzwellige Sonnenstrahlung zum Erdboden durchlässt und dafür sorgt, dass es dort kühler ist. Doch was passiert mit der Sonnenstrahlung, die nicht bis zum Erdboden durchkommt? Nun, ein Teil wird direkt zurück in Richtung Weltraum reflektiert. Der andere Teil wird absorbiert und in langwellige Wärmestrahlung umgewandelt. Diese führt zu einer Erwärmung im Bereich des Staubes beziehungsweise der damit in Verbindung stehenden Wolkendecke. Die Temperatur nimmt also mit der Höhe weniger stark ab. Die Veränderung des Strahlungshaushaltes durch den Staub führt tagsüber daher zu stabileren Verhältnissen im Bereich der Wolkendecke (siehe Abbildung 3 links).

DWD Saharastaub und Wolken eine optisch sehr ansprechende Kombination 2

Wenn die Sonne abends untergeht, wird die Wärme nach oben in Richtung Weltraum abgegeben. Die Wolkendecke kühlt insbesondere an ihrer Oberseite demnach stärker ab. Das wiederum führt zu einer langsamen Labilisierung, also einer zunehmend starken Temperaturabnahme mit der Höhe. Bei labilen Verhältnissen ist ein Luftpaket, das aus der Wolkendecke nach oben steigt, stets wärmer und damit leichter als seine Umgebung. Es bekommt damit wie ein heliumgefüllter Luftballon Auftrieb und steigt ungehindert weiter nach oben. An seinen Flanken kommt es zu einer ausgleichenden Abwärtsbewegung von Luft (siehe Abbildung 3 rechts). Das Resultat ist eine mehr oder weniger gleichmäßige Wellenform an der Oberseite der Wolkendecke, die vom Satelliten aus gesehen wie ein Rippenmuster erscheinen kann. Wenn die Sonne nun wieder aufgeht und sich die Luftschichtung stabilisiert, geht das zumindest vom Weltraum aus schön anzusehende Rippenmuster allmählich wieder verloren.

Dipl.-Met. Adrian Leyser und Tobias Reinartz
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 13.03.2024
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

Unruhige Vorweihnachtszeit, oder gar mehr?

Weihnachten rückt näher und in knapp einer Woche steht die feierliche, besinnliche und ruhige Weihnachtszeit bevor. Doch leider scheint sich die Wetterküche so gar nicht auf eine entspannte (Vor-)Weihnachtszeit einstellen zu wollen, sondern serviert uns ein womöglich sehr stürmisches Gericht. Für Einzelheiten ist es natürlich noch zu früh, doch wollen wir heute mal hinter die Kulissen schauen, wieso es in der Atmosphäre so gewaltig rumort.

Grundsätzlich benötigte Zutaten:

Kurz und knapp bedarf es eines zunehmenden Temperaturunterschieds zwischen Nord und Süd. Je knackiger dieser Temperaturgradient ausfällt, umso heftiger weht der Wind mit der Höhe (Stichwort: thermischer Wind) und umso mehr Dynamik herrscht in der Troposphäre (siehe). Die Höhenwinde sorgen bei günstiger Platzierung zu einem Bodentief, dass dieses von oben dank der deftigen Winde regelrecht “ausgesaugt” wird (Masse wird weggeführt, Druckfall setzt ein), sodass sich das Bodentief rasant intensivieren kann. Dieser Temperaturgegensatz baut sich in der kommenden Woche über dem Nordatlantik auf, wo arktische Luftmassen von Kanada südwärts geführt werden und dort auf (sub)tropische Luftmassen treffen, die polwärts drängen.

DWD Unruhige Vorweihnachtszeit oder gar mehr

Soweit so gut. Mit diesem Wissen kann man früh erahnen, wenn einem die numerischen Wettermodelle eine zunehmend volatile Umgebung präsentieren.

Doch es gibt auch Lagen, wo die innere Alarmglocke eines Meteorologen zu läuten beginnt. Dazu muss man wissen, dass man in der Wettervorhersage sehr gerne mit sogenannten “Anomalievorhersagen” arbeitet. Diese Werte heben Ereignisse hervor, deren Entwicklung im Vergleich zur hinterlegten Klimatologie stark abweichen und damit sehr ungewöhnlich ausfallen können. Nächste Woche ist so eine Lage, wo z.B. das 500 hPa Geopotenzial westlich der Azoren für diesen Zeitraum Rekordwerte erreichen soll. Solche Werte, in Verbindung mit einer sich aufbauenden dynamischen Wetterlage sind immer ein Achtungszeichen, können sie doch (aber müssen nicht) für außergewöhnliche Entwicklungen gut sein. Das nächste Woche so nebenbei auch weitere Anomaliewerte “aufblinken”, wie der “Feuchtefluss”, “Windböen” oder die “850 hPa Temperatur” machen die Sache umso spannender. Doch was sorgt für diese massive positive Geopotenzialanomalie (Antizyklone) westlich der Azoren?

Antizyklone sind Bereiche, wo Luftmassen absinken und für ruhiges Wetter sorgen. Nicht selten verlaufen solche Bodenhochentwicklungen recht progressiv rückseitig einer Kaltfront, wo also kalte Luftmassen südwärts geführt werden. Abseits von winterlichen Landmassen (wo sich strahlungsbedingt daraus eine beständige Hochdrucklage entwickeln kann) sind diese Druckgebilde häufig recht mobil. Stabiler und somit ggf. auch langlebiger werden solche Gebilde, wenn auch noch in der Höhe milde Luftmassen herangeführt werden. Man spricht in dem Fall von warmen und hochreichenden Antizyklonen.

Doch es geht noch weiter. Wenn diese höhenmilde Luftmasse zusätzlich auch noch sehr feucht ist, dann erfolgt noch eine zusätzliche Erwärmung, die sogenannte “diabatische”, wo also zusätzliche Wärme freigesetzt wird. Feuchte und warme Luftmassen steigen auf, kondensieren, es kommt zur Wolkenbildung und dadurch wird latente Wärme freigesetzt. Dabei wird die Luftmasse vorderseitig eines Troges großräumig angehoben und polwärts geführt (Stichwort: warmes Förderband, engl. warm conveyor belt). Dies gilt besonders für Tröge, die sehr weit nach Süden bis in die Subtropen reichen und daher auch mit sehr warmen und feuchten Luftmassen “arbeiten” können. Genau diese Konstellationen sind u.a. von großem Interesse, denn dadurch können sich Antizyklone zu ungeahnten Intensitäten aufplustern.

Aktuelle Entwicklung:

So auch im aktuell bevorstehenden Fall. Im  erkennt man, wie zahlreiche Tiefdruckgebiete tief in den Subtropen (teils auch Tropen) eine nahezu unmodifizierte tropische Luftmasse nach Norden führen, die am Westrand der Antizyklone in die Außertropen eingebunden wird (grüne Pfeile).

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In Bild 3 (linkes Bild) wird dies nochmal schön zusammengefasst. Grüne Werte zeigen sehr feuchte Luftmassen (niederschlagbares Wasser über 20 mm), während die rote Einfärbung den Bereich hervorhebt, wo die Anomaliewerte des Geopotenzials in 500 hPa für diesen Zeitraum ungewöhnlich hohe, wenn nicht sogar Rekordwerte erreichen. Entsprechend groß fallen dadurch die Druckgegensätze von Süd nach Nord aus mit entsprechend viel Wind und Dynamik. Diese Antizyklone verlagert sich dann in der kommenden Woche zunehmend nach Osten. Wie in  (rechts oben und unten) hervorgehoben, wird die tropische Luftmasse von einem großflächig zu warmen (sub)tropischen Nordatlantik beeinflusst, was noch zusätzlich “Musik” bzw. Energie in die Wetterlage bringt.

Was kommt auf uns zu?

Nun stellt sich natürlich die Frage, wo das Sturmpotenzial erhöht ist und ob uns eine ruppige Vorweihnachtszeit bevorsteht. Grundsätzlich muss man sagen, dass eine von mehreren möglichen Ausgangslagen NICHT gegeben ist, die Mitteleuropa immer wieder mal mit deftigen Sturmtiefs versorgt.

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Ein Blick auf drei bemerkenswerte Sturmereignisse in der Vergangenheit zeigen alle Tiefdruckgebiete mit direktem Zugang zur warmen und feuchten Luftmasse, die im Warmsektor eingebunden dank latenter Wärmefreisetzung für besonders explosive Tiefdruckentwicklungen gut sind, sogenannte “diabatische Rossbywellen”. Diese Systeme werden ebenfalls durch einen überbordenden Eintrag feucht/warmer Luftmassen mit angebundener latenter Wärmefreisetzung angefacht und neigen zu rasanten Intensivierungsphasen. Dabei waren bei diesen Lagen die Antizyklonen vergleichsweise schwach ausgeprägt und konnten somit die Zufuhr dieser energiereichen Luftmasse nicht unterbinden.

Im aktuellen Fall ( rechts unten) sorgt das 1045 bis 1050 hPa Azorenhoch, dass sich diese klassische Ausgangslage nicht einstellen kann.
Doch auch Konstellationen wie in der kommenden Woche waren in der Vergangenheit schon für deftige Sturmlagen gut. Man vergleiche nur mal die Lage Ende Februar/Anfang März 1990, wo eine Reihe schwerer Sturmtiefs mit den Namen VIVIAN und WIEBKE Deutschland beeinflussten. Die Ähnlichkeiten sind beeindruckend.

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Doch auch hier gilt: Nicht 1:1 das Potenzial von damals auf das der kommenden Woche projizieren. Diese, unter dem Namen “pattern recognition” bekannte Herangehensweise, führt einem nur EINE mögliche Option vors Auge, doch stellt sich nun eher die Frage, welche Tiefdruckgebiete bzw. Wellen wann und wo in den “Nordatlantikexpress” eingebunden werden. Jede kleinste Verschiebung sorgt in dieser hochdynamischen Ausgangslage für sehr unterschiedliche Resultate mit einem windigen bis stürmischen, milden oder kühlen Verlauf. Aber die Signale innerhalb der Numerik mehren sich, dass unter Umstände eine deftige Sturmlage auch Deutschland betreffen könnte – recht sicher aber vor allem Dänemark, Norddeutschland und Südschweden. Diese Bereiche werden durch die Ensemblevorhersage z.B. des europäischen Wettermodells für das Erreichen bzw. Überschreiten orkanartiger Böen (Bft 11) bereits mit mehr als 50 Prozent hervorgehoben (Vorhersage für Freitag, den 22.12.2023 mit Windgeschwindigkeiten in 1 km über Grund).

Kurzum, in welche Richtung sich alles letztendlich entwickelt werden Sie die kommenden Tage über natürlich in den jeweiligen Übersichten der “Kurzfrist” und der “Mittelfrist” lesen können.

Aber bitte, behalten Sie die nächsten Tage auf jeden Fall die Wetterentwicklung für die kommende Woche im Blick, denn wie gezeigt wurde: Die Atmosphäre ist so gar nicht in vorweihnachtlich ruhiger Stimmung!

Dipl. Met. Helge Tuschy
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 16.12.2023
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

 

 

 

Künstliche Intelligenz in der Wettervorhersage: Was kann GraphCast?

Numerische Wettermodelle arbeiten auf Grundlage physikalischer Gleichungen, die die Atmosphäre beschreiben. Nach Erfassung des Anfangszustandes der Atmosphäre, bei dem sämtliche Beobachtungsdaten in das Wettermodell einfließen, werden die Gleichungen mithilfe von Supercomputern in die Zukunft projiziert, um den zukünftigen Wetterzustand zu ermitteln. Das derzeit beste Vorhersagemodell ist das Integrated Forecast System (IFS), das am Europäischen Zentrum für Mittelfristvorhersage (ECMWF) betrieben wird.

Künstliche Intelligenz-basierte Vorhersagemodelle wie GraphCast, entwickelt von Google DeepMind, arbeiten anders. Sie berechnen keine physikalischen Gleichungen, sondern basieren auf sogenanntem “Machine Learning”, bei dem das Modell mithilfe eines programmierten neuronalen Netzes Wetterentwicklungen aus historischen Wetterlagen lernt. Um das System zu trainieren, wurden Daten aus der Zeit von 1979 bis 2017 aus einer Wetterdatenbank des ECMWF verwendet. KI-Modelle erfordern deutlich weniger Rechenzeit als numerische Wettermodelle. Statt mehrerer Stunden benötigt GraphCast weniger als eine Minute für eine 10-Tagesvorhersage und kann sogar auf einem gewöhnlichen Computer laufen. Doch wie steht es um die Qualität der Vorhersage?

Dies wurde in einer  getestet, in der GraphCast gegen den Hauptlauf des besten Modells IFSHRES, antrat. Es stellte sich heraus, dass GraphCast in den meisten Fällen dem HRES überlegen war und in 90 % der Fälle verschiedene Parameter wie Wind, Temperatur und Luftdruck in verschiedenen Höhen in einer 10-Tagesvorhersage genauer vorhersagen konnte. Auch bei Extremwetterlagen wie Hitzewellen, Hurrikans oder atmosphärischen Flüssen schnitt GraphCast besser ab, obwohl es nicht speziell darauf trainiert wurde. Also doch die beste Wettervorhersage aller Zeiten?

Hier muss man einschränken und genau betrachten, was verglichen wurde. Der HRES hat eine Auflösung von 8×8 km, während GraphCast ein Gitter von etwa 28×28 km besitzt. Die Modelle wurden auf dem gröberen GraphCast Gitter verglichen, wodurch feinere Phänomene wie Gewitter oder kleinräumige Wetterveränderungen nicht richtig erfasst werden können. Lokalmodelle mit höherer Auflösung wie das ICON-D2 mit 2,1 km könnten hier im Vorteil sein. Allerdings könnte man KI-Modelle auch mit einer höheren Auflösung betreiben. Doch wie sieht es im mittelfristigen Zeitraum aus?

Im Rahmen des Themas des Tages vom 14.11.2023 wurde deutlich, dass Meteorologen bei Mittelfristvorhersagen und unsicheren Lagen auf sogenannte Ensembles zurückgreifen. Hierbei wird ein Wettermodell, in diesem Fall das IFS, mehrmals mit leicht variierten Anfangsbedingungen berechnet. Dies berücksichtigt die Tatsache, dass das Wetter ein chaotischer Prozess ist und leichte Abweichungen in den Anfangsbedingungen im Laufe der Zeit zu erheblichen Unterschieden führen können. Obwohl GraphCast besser abschneidet als jeder dieser Einzelläufe, bleibt es gegenüber einem Ensemble-Mittel unterlegen. Das beschriebene Ensemble ermöglicht statistische Aussagen über die Unsicherheit einer Wetterlage und die Vorhersagbarkeit im Allgemeinen, was GraphCast nicht leisten kann. Eine Studie zeigte, dass im Gegensatz zur numerischen Wettervorhersage die Unterschiede in einem KI-Ensemble zu langsam anwachsen. Obwohl KI-Modelle in der Muster- und Verhaltenserkennung von Systemen exzellent sind, können sie das grundlegende chaotische Prinzip der Wettervorhersage, auch als  bekannt, nicht reproduzieren. Somit vermitteln KI-Modelle den Eindruck, dass die Wettervorhersage grenzenlos ist. Zusätzlich “verschmiert” GraphCast die Vorhersage bei unsicheren Wetterlagen.

Zurückblickend auf unser Beispiel vom Thema des Tages am 14.11. Damals war die Vorhersage bezüglich der Passage eines möglichen Sturmtiefs über Süddeutschland äußerst unsicher. In Abbildung 1 werden der Bodendruck und die Windgeschwindigkeit in etwa 1500 m Höhe dargestellt. Links oben befindet sich die 3-Tagesvorhersage des HRES-Laufs, rechts oben der entsprechende GraphCast-Lauf. Unten sind die Analysen für Donnerstag um 18 Uhr (links) und Freitag um 00 Uhr (rechts) zu sehen. Letztendlich traf das Sturmtief etwa 6 Stunden früher ein, jedoch nahezu so, wie es vom HRES vorhergesagt wurde und brachte tatsächlich einen schweren Sturm in Südwestdeutschland und in der Schweiz. Im Vergleich dazu war der Sturm in GraphCast in diesem Beispiel zu schwach ausgeprägt.

DWD Kuenstliche Intelligenz in der Wettervorhersage Was kann GraphCast

Bezüglich der Vorhersage von Wetterextremen muss man ebenfalls von Fall zu Fall differenzieren. Zum Beispiel wurde die explosive Entwicklung des Hurrikans Otis weder vom HRES noch von GraphCast zuverlässig erfasst. Dennoch lässt sich festhalten, dass KI-Modelle wie GraphCast einen Meilenstein in der modernen Wettervorhersage darstellen. Sie sparen erheblich an Rechenzeit und somit Kosten, sind zu herkömmlichen Einzelläufen von Modellen konkurrenzfähig und können sogar an spezifische Kundenanfragen angepasst werden. Der nächste Schritt könnte die Verbindung von KI-Modellen mit herkömmlichen Modellen sein. Alles in allem werden KI-Modelle weder die herkömmliche numerische Wettervorhersage noch den Meteorologen ersetzen, sondern können eher als zusätzliches, sehr gutes Handwerkszeug betrachtet werden, mit dem der Meteorologe seine Arbeit verfeinern kann.

Dipl.-Met. Christian Herold
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 19.11.2023
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst