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Wetterrückblick: Der eisige Februarstart 2012

Bereits Ende Januar 2012 floss mit östlicher Strömung kalte Festlandluft nach Deutschland. Verbreitet blieben die Höchstwerte unter dem Gefrierpunkt. Eistage an sich sind nichts Ungewöhnliches zu dieser Jahreszeit. Die an den folgenden Tagen gemessenen Temperaturen waren es dann aber schon.
Ein sehr intensives und umfangreiches Hochdruckgebiet mit Schwerpunkt über dem Nordwesten Russlands erstreckte sich über Skandinavien bis zu den Britischen Inseln und noch etwas weiter westlich auf den Atlantik. An seiner Südflanke strömte sibirische Arktikluft (Kürzel cA) nach Mitteleuropa. Um eine Luftmasse zu klassifizieren, wird typischerweise die Temperatur auf einer Druckfläche von 850 Hektopascal (hPa), etwa 1500 Meter Höhe, herangenommen. Die Luftmasse Anfang Februar 2012 zeichnete sich durch sehr tiefe Temperaturen und einen sehr geringen Wassergehalt aus. In 850 hPa lag die Temperatur über Deutschland vom 2. bis 7. Februar 2012 zeitweise zwischen -15 und -20 Grad, örtlich war die Luft sogar noch etwas kälter.

Temperatur in 850 Hektopascal und Höhe dieser Druckfläche über Europa. (Quelle www.wetterzentrale.de)

Farbflächen: Temperatur in 850 Hektopascal (etwa 1500 Meter). Weiße Linien: Geopotenzial. Höhe der 850 HPa Druckfläche in Dekametern. 

 Nicht nur in der Höhe war es außerordentlich kalt, auch am Boden, besser gesagt in 2 Meter Höhe, wurden Werte gemessen, wie sie selten vorkommen. Besonders kalt waren der 6. und 7. Februar, wobei die tiefsten Werte jeweils im Osten und Süden Deutschlands registriert wurden. Am 6. Februar lag die Tiefsttemperatur verbreitet im strengen Frostbereich, nur am Niederrhein und auf manchen Nordseeinseln blieb es „wärmer“ als -10 Grad. Sonst lag die Temperatur verbreitet zwischen -10 und -20 Grad, im Osten und Süden gebietsweise auch noch tiefer. Die kältesten Werte wurden am Morgen an der Station Ueckermünde in Vorpommern mit -28,7 Grad und in Oberstdorf am Alpenrand mit -29,4 Grad, gemessen. Die Höchsttemperatur lag zwar etwas höher, eisig blieb es aber auch am Tage. An der Station Berlin-Tempelhof war beispielsweise bei -10,5 Grad, an der Station Leipzig/Halle bei -13,6 Grad und in Augsburg bei -11,2 Grad Schluss mit der tageszeitlichen Erwärmung.

Wetterrueckblick Der eisige Februarstart 2012 teil 2

Oben: Anzahl an Eistagen in Europa zwischen dem 25.01. und 16.02.2012, Unten: Mittlere Anzahl an Eistagen für 1961-1990 

Die Folgenacht zum 07. Februar war dann in der Fläche noch kälter. Nur an wenigen Stationen auf den Nord- oder Ostseeinseln lagen die Tiefstwerte nicht unter -10 Grad. Selbst ansonsten recht milde Regionen Deutschlands rutschten tief in den strengen Frostbereich. Beispielhaft St. Peter-Ording an der Nordsee mit -16,8 Grad, Frankfurt/Main mit -15,8 Grad oder Köln-Bonn mit -17,6 Grad. Diese tiefen Werte sind umso erstaunlicher, da sie ohne das Vorhandensein einer Schneedecke zustande kamen. Eine Schneedecke verhilft, vor allem wenn die Schneedecke frisch ist, zu einer tieferen Temperatur aufgrund einer verbesserten langwelligen Ausstrahlung und ein Blockieren des Boden-Wärme-Stroms. Im Osten und Süden des Landes lag zwar gebietsweise eine, wenn auch dünne Schneedecke, die für sehr niedrige Minima sorgte. Doch auch abseits davon traten extrem niedrige Werte auf, mit dem negativen Spitzenreiter Baruth südlich von Berlin mit -23,7 Grad. Diese sogenannten Kahlfröste gehören zu den strengsten, die jemals in Deutschland aufgetreten sind. Als Folge drang der Frost bis 80 cm Tiefe in den Boden. Weitere Folgen waren zugefrorene Seen und Flüsse bzw. Eisgang auf den Flüssen. Auf der Alster in Hamburg erreichte die Eisdicke 15 bis 22 cm am 8. Februar. Dort konnte damit letztmalig das Alstereisvergnügen mit Buden auf der Alster stattfinden.
 

Wetterrueckblick Der eisige Februarstart 2012 teil 4

Tägliche Temperaturabweichung im Februar 2012 für Nord- und Süddeutschland.  

An den Folgetagen setzte sich die sehr kalte Witterung zunächst fort, erst ab dem 13. Februar kam es von Nordwesten her zu einer deutlichen Milderung. Vom 1. bis 12. Februar lag die Mitteltemperatur in Deutschland bei -10,3 Grad und damit streckenweise im Bereich strenger Winter wie 1963, 1956 oder 1929. Anders als in den genannten strengen Wintern war die Kälte 2012 zwar heftig, aber nicht so langanhaltend, bereits die Nacht zum 17. Februar war fast überall frostfrei und am 24. Februar wurden bei Mittenwald am Alpenrand sogar 17,3 Grad Plus gemessen.
Nicht nur in Deutschland war diese Kältewelle 2012 bemerkenswert. Weite Teile Europas wurden von der Kaltluft erreicht und verzeichneten ungewöhnlich tiefe Temperaturmesswerte. Über dem nördlichen Mittelmeerraum und Südosteuropa sorgte Tiefdruckaktivität zum Teil für Sturm in Orkanstärke und teils ergiebige Schneefälle.

Wetterrueckblick Der eisige Februarstart 2012 teil 5

Großwetterlage für Mitteleuropa im Februar 2012. 

Trotz der derzeit auf den ersten Blick ähnlichen Großwetterlage liegt die Temperatur aktuell auf einem ganz anderen Niveau als vor 13 Jahren. Der Grund ist, dass die Luftmasse nicht aus Sibirien, sondern aus Europa stammt. Anders als 2012 liegt zudem selbst in Osteuropa derzeit kaum Schnee. Dies sind schlechte Voraussetzungen für tiefe Temperaturen. 

MSc.-Met. Thore Hansen
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 07.02.2025
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst 

 

Aktuelle Winterbilanz

Der meteorologische Winter (1. Dezember bis 28./29. Februar) neigt sich so langsam seinem Ende zu und verkleidet sich derzeit auch eher als Vorfrühling – die Fastnachtsumzüge wird es freuen. Dass wir uns bereits mit großen Schritten in Richtung der Vegetationsperiode bewegen, kann man gut mit der Maßzahl der Grünlandtemperatur visualisieren. Für diese Maßzahl werden alle positiven Tagesmitteltemperaturen seit Jahresbeginn aufaddiert. Aufgrund des geringeren Sonnenstandes werden diese allerdings im Januar noch mit dem Faktor 0.5 und im Februar mit 0.75 multipliziert. Eine wichtige Schwelle ist die 200 K Marke, die allgemein als Vegetationsbeginn angesehen wird. In der Grafik sieht man die Verläufe der Grünlandtemperatursumme zwischen 1. Januar und 31. März für die Jahre 1988 bis 2023 an der Wetterstation Frankfurt. Dabei wurden einige interessante Jahre farblich hervorgehoben. Auch der bisherige Verlauf 2024 ist eingezeichnet. Wenig überraschend bewegt sich 2024 aktuell ganz weit oben, genau genommen sogar auf Platz zwei seit 1988 für einen 10.Februar.

DWD Aktuelle Winterbilanz

Die aktuelle Bilanz bei Frost- und Eistagen

Aber abgesehen von der aktuellen Mildphase, wie schaut der Winter 2023/24 so kurz vor Ende statistisch aus? Für die Bewertung des meteorologischen Winters bieten sich verschiedene Maßzahlen an. Das sind zum einen die Anzahl der Frosttage (Minimumtemperatur unter 0 Grad) und Eistage (Maximumtemperatur unter 0 Grad). Auch die mittlere Temperatur (Tagesmitteltemperatur über den gesamten Winter hinweg) und die Kältesumme (Aufsummierung aller negativen Tagesmitteltemperaturen) sind gute Maßzahlen.

Blicken wir zunächst auf die Zahl an Frost- und Eistagen. Zunächst einmal lässt sich ganz allgemein feststellen, dass die Anzahl der Frost- bzw. Eistage im Vergleich von der alten Klimareferenzperiode 1961-1990 zur neuen Referenzperiode 1991 bis 2020 deutlich zurückgegangen ist. Schaut man auf den bisherigen Winter, so sieht man, dass die Werte nochmal unter den Werten der aktuell gültigen Referenzperiode liegen. Im Mittel fehlen noch 15 bis 20 Frosttage und 5 bis 10 Eistage. Mit Blick auf die weiteren Aussichten, kann man schon jetzt sagen, dass die Mittelwerte recht sicher nicht erreicht werden.

Schaut man ganz konkret auf Frankfurt, dann sieht man, dass die Anzahl der Frost- und Eistage in den letzten gut zehn Jahren im Vergleich zu 1991-2020 nochmals deutlich zurückgegangen sind. Den letzten richtig kalten Winter der aktuell gültigen Klimareferenzperiode gab es 1996/97. Da schaffte es Frankfurt auf 31 und Sylt auf 19 Eistage – also Tage, an denen die Temperatur nicht über den Gefrierpunkt gestiegen ist! Kann man sich das heutzutage noch vorstellen?

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Die aktuelle Mitteltemperatur und Kältesumme

Werfen wird noch einen Blick auf die bisherige Mitteltemperatur und Kältesumme. Gerade letztere eignet sich sehr gut für die Einordnung der Strenge des Winters, da sie auch die Absolutwerte der täglichen Temperatur mit einbezieht.

Die aktuelle Mitteltemperatur liegt in vielen Regionen knapp 2 K über den vieljährigen Mittelwerten von 1991 und 2020. Nimmt man die Periode von 1961 bis 1990 als Basis, betragen die Abweichungen sogar über 3 K. Dabei sind die positiven Anomalien am größten im Süden und Südosten des Landes. Zwar war der Rekordwinter 2006/07 nochmal ein 1 K wärmer, trotzdem bewegt sich auch der Winter 2023/24 auf ziemlich hohem Niveau.

Die Kältesumme liegt im Deutschlandmittel gerade einmal bei 56 K und damit weit entfernt von richtig kalten Wintern. Um von einem normalen Winter zu sprechen, sollte die Summe hingegen eher im dreistelligen Bereich zu finden sein. Blicken wir doch nochmal auf den Winter 1996/97. In Frankfurt gab es damals eine Kältesumme von 186 Kelvin (2023/24: 40 K), in Essen von 161 Kelvin (2023/24: 27 K). In kälteren Regionen wie beispielsweise in Erfurt, wurden 296 Kelvin erzielt (2023/24: 75 K).

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Die niedrigsten Minima und Maxima

Neben all den Temperturmaßen darf eines nicht fehlen: Die niedrigsten Minima und Maxima im Laufe eines Winters. Blickt man stellvertretend auf die Wetterstation Frankfurt Flughafen, so erkennt man, dass die winterliche Frosthärte in den letzten Jahrzehnten immer mehr zurückgegangen ist. Während es früher in aller Regelmäßigkeit strenge Nachtfröste gab, ist dies mittlerweile nicht mehr unbedingt ein winterliches Kennzeichen. Die gleiche Entwicklung ist auch bei den Maxima zu erkennen. Diese grundlegende Aussage lässt sich auch auf andere Wetterstationen in Deutschland übertragen.

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Epilog – Wie geht es weiter

Nachdem sich die sehr milden Maxima in den nächsten Tagen auf hohem Niveau etwas konsolidieren, greift der Vorfrühling in der zweiten Wochenhälfte erneut an. Noch unsicher, aber nicht ausgeschlossen, dass dann zum ersten Mal in diesem Jahr die 20 Grad in der Hitliste aufleuchtet. Damit wird es immer schwieriger, noch entscheidend an den aktuellen statistischen Zahlen zu drehen. Der Winter geht also wieder als ein sehr milder in die Geschichtsbücher ein. Bei der Mitteltemperatur im Flächenmittel über ganz Deutschland liegt er derzeit in den Top10 der wärmsten Winter seit Aufzeichnungsbeginn 1882.
Für alle Statistikfans nochmal eine ausführliche Tabelle mit allen Maßzahlen für ausgewählte Städte in Deutschland.

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Dipl.-Met. Marcus Beyer
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 10.02.2024
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst