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Erneute Eruption auf Island

Nach dem 18. Dezember 2023, 14. Januar 2024 und dem 8. Februar 2024 öffnete sich am Samstagabend, dem 16. März 2024 um 20:23 Uhr isländischer Zeit (identisch mit der Weltzeitzone UTC) nahe Grindavík erneut die Erde. Mit der mittlerweile vierten Spalteneruption zeichnet sich nun dabei allmählich ein Muster ab, nach dem es während der aktuellen Phase etwa im monatlichen Turnus zu einer Eruption kommt. Alle vier Eruptionen hielten dabei grob gesagt etwa 24 bis 48 Stunden an. Die sich öffnenden Spalten waren dabei oft um drei Kilometer lang. Eine Ausnahme bildet hier die Eruption vom 14. Januar. Hier betrug die Länge der Fissur nur 1,5 km, allerdings gab es gleichzeitig einen zweiten Eruptionsherd unmittelbar an der Siedlungsgrenze. Die dort ausfließende Lava zerstörte im Anschluss drei Häuser am Rande Grindavíks.

Auch die neue Spalte ist wieder etwa drei Kilometer lang. Im Unterschied zu vorher war die Vorwarnzeit allerdings diesmal nur sehr kurz. Nachdem sich die vorherigen Ausbrüche mit zahlreichen, teils starken Schwarmbeben ankündigten, setzte die Bebenaktivität diesmal verhältnismäßig plötzlich und unvermittelt erst 40 Minuten vor Beginn der Eruption ein. Der Lavafluss findet in südöstliche Richtung statt. Damit bewegt sie sich direkt auf die Erdwall-Barrieren zu, die in Windeseile in den Wochen zuvor errichtet wurden, um die Stadt Grindavík zu schützen. Erreicht hat sie diese aber noch nicht. Ob sie das tut, scheint fraglich, da nach aktuellstem Stand die Aktivität und damit die Ausflussmenge an Lava bereits wieder nachlässt. Die Länge des aktiven Spaltenbereichs beträgt nunmehr nur noch 500 Meter (Stand: Abend des 17. März 2024).

DWD Erneute Eruption auf Island

Die Gefahrenlage vor Ort ist dabei im Großen und Ganzen unverändert. Problematisch sind zum Einen natürlich der Lavafluss selbst, als auch die ausgestoßenen Gasmengen, die in unmittelbarer Nähe in gesundheitsschädlichen Konzentrationen auftreten können (insbesondere Schwefeldioxid SO2). In der Stadt besteht die Hauptgefahr vor allem durch Erdbeben und sich auftuende Hohlräume und Spalten. Eine neue Gefahrenquelle stellt das mögliche Erreichen des Meeres dar. Trifft die heiße Lava auf das kalte Meerwasser, so erstarrt zum Einen die flüssige Lava auf der Stelle. Zum Anderen kommt es zu Explosionen, weil das kalte Meerwasser schlagartig verdampft. Diese Explosionen können die fragmentierten Lavateile (sogenanntes Tephra) über mehrere hunderte Meter bis teilweise kilometerweit schleudern. Die kritischste Gefahrenquelle stellt aber die Entstehung von Chlorwasserstoff-Wolken dar, die sich durch die Reaktion der Lava mit dem Meerwasser bilden. Dieses Gas wirkt stark ätzend und kann in höheren Konzentrationen sogar tödlich sein, da in der Lunge Salzsäure gebildet wird. Der isländische Wetterdienst schätzt diesen Vorgang in einer Zone mit Radius 500 Meter an dem betreffenden Küstenabschnitt als lebensgefährlich ein (Abbildung 2). Ob es die Lava aber wirklich bis ins Meer schafft, ist aktuell nicht abzusehen.

DWD Erneute Eruption auf Island

M.Sc. Felix Dietzsch
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 18.03.2024
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

Steht Island ein neuer Vulkanausbruch bevor?

Auf Island braut sich etwas zusammen…es bebt und brodelt mal wieder heftig! Island – die Insel aus Feuer und Eis – ist nämlich nicht nur bekannt für seine Geysire, facettenreichen Wasserfälle und ausgedehnten Gletscher, sondern auch berühmt für ihre vulkanische Aktivität. Spätestens nach dem explosiven Ausbruch des „Eyjafjallajökull“ im Jahr 2010, der den Flugverkehr in Europa tagelang massiv störte, ist diese Tatsache wohl den meisten bekannt. Seit März 2021 rückt vor allem die Halbinsel „Reykjanes“ südwestlich der Hauptstadt Reykjavík in den Fokus, auf der sich auch der internationale Flughafen „Keflavík“ (KEF) befindet.

Vulkanserie am Fagradalsfjall

Bevor wir uns den aktuellen Ereignissen widmen, blicken wir kurz auf die Vulkanserie der letzten Jahre zurück. Anfang 2021 bebte es auf der Halbinsel Reykjanes mehrere Wochen, was am 19. März in den ersten Vulkanausbruch seit fast 800 Jahren in dieser Region mündete. Die anfangs als „winzig kleiner Ausbruch“ bezeichnete Eruption hielt schließlich mehrere Monate an. Jene bildete einen stattlichen Vulkankrater und ein 4,85 Quadratkilometer großes Lavafeld aus. Da von diesem Ausbruch keine größere Gefahr ausging und die Stelle zudem leicht zugänglich war, entwickelte sich der Ort schnell zur Touristenattraktion. Auch der heutige Autor bewunderte Anfang Juli das beeindruckende Naturschauspiel. Seitdem kam es dort zu zwei weiteren Eruptionen. Im August 2022 ereignete sich ein kleiner und nur gut zwei Wochen andauernder Ausbruch. Im Juli dieses Jahres tat sich die Erde erneut auf und aus einer ca. 200 m breiten Spalte trat Lava aus. Diese Eruption hielt immerhin knapp 4 Wochen an und formte ein etwa 1,5 Quadratkilometer großes Lavafeld. Alle bisherigen Ausbrüche bedrohten keine kritische Infrastruktur und waren vor allem ein Highlight für abenteuerlustige Island-Touristen.

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Was passiert aktuell auf Reykjanes?

Seit dem 24. Oktober bebt es erneut auf der Halbinsel. Seither wird die Region mal stärker, mal etwas weniger stark von zahllosen Erdbeben, sogenannten Schwarmbeben, erschüttert. Bisher haben sich rund 25.000 Beben ereignet. Zahlreiche dieser erreichten Stärken über Magnitude 3 (ab der man Beben in der Regel spüren kann), einige sogar Magnitude 4 (M4) und stärker. Anfangs gingen Experten lediglich von Spannungsänderungen aufgrund der Verformung der Halbinsel durch die früheren Eruptionen aus. Bereits nach einigen Tagen ließen aber Messungen darauf schließen, dass in der Erdkruste in einer Tiefe von 4 bis 5 Kilometern Magma einfließt und sich dort ansammelt. Die Erdbeben sind eine Reaktion auf Erdspannungen, die durch das Eindringen des Magmas entstehen. Satelliten- und GPS-Messungen belegen, dass die Magmaansammlung zu einem Anheben der Landmasse von einigen Zentimetern geführt hat. Dabei entstehen Risse in der Erdkruste und Erdbeben, die für einen Abbau der Spannungen sorgen, sind die Folge. Solche Magmaansammlungen münden nicht immer in einen Vulkanausbruch. Oft lassen die Schwarmbeben nach einiger Zeit wieder nach. Bis Freitagmittag gab es keine eindeutigen Hinweise, dass sich das in rund 4-5 km Tiefe befindliche Magma auf den Weg Richtung Erdoberfläche machte.

Freitagnachmittag spitze sich die Situation aber schlagartig zu. Die Erdbeben nahmen sowohl in ihrer Anzahl als auch in ihrer Heftigkeit rapide zu (siehe Abbildung 1). Zahlreiche Beben der Stärke M4 erschütterten die Region um den Ort Grindavík. Am frühen Abend ereignete sich sogar ein Beben der Stärke M5.2, welches unter anderem die Verbindungsstraße zwischen Flughafen und Grindavík teilweise zerstörte. Auch in Grindavík wurden Straßen und Häuser beschädigt. Experten zufolge waren dies Anzeichen, dass sich das Magma allmählich der Erdoberfläche nähert. Ein Vulkanausbruch wurde wahrscheinlicher.

DWD Steht Island ein neuer Vulkanausbruch bevor

Was unterscheidet die aktuelle Situation von vorherigen Ausbrüchen?

Anders als bei den vorherigen Ereignissen, treten bzw. traten die meisten Erdbeben weiter westlich auf. Bei einem Ausbruch in dieser Region könnte auch kritische Infrastruktur betroffen sein. Daher haben die aktuellen Ereignisse eine deutlich höhere Brisanz. Zum einen befindet sich dort die bereits erwähnte Verbindungsstraße zwischen dem Norden (wo sich z.B. der Flughafen befindet) und dem Süden der Halbinsel. An dieser Straße liegt auch das bei Touristen beliebte Geothermalbad „Blaue Lagune“, das am Freitag vorsorglich bis auf Weiteres geschlossen wurde. Direkt nebenan befindet sich ein Kraftwerk, das u.a. den Flughafen mit Strom versorgt. Besonders dramatisch könnte es allerdings für den Küstenort Grindavík (ca. 4000 Einwohner) werden. In der Nacht zum gestrigen Samstag verlagerte sich die seismische Aktivität nach Süden Richtung Grindavík. Von den Behörden wurde am Freitagabend der Notstand für den Zivilschutz ausgerufen und die Bewohner des Ortes wurden evakuiert.

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Basierend auf Satellitenbildern und GPS-Messungen wurden gestern Modelle erstellt. Sie zeigen einen etwa 15 km langen Magmatunnel unter der Erde, in dem das Magma fließt (siehe Abbildung 2). Zudem nähert sich das Magma der Oberfläche. Bereits gestern lag die geschätzte geringste Tiefe des Magmas bei nur noch 800 m und das Magma dürfte bis heute weiter aufgestiegen sein. Experten zufolge ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass es in den kommenden Tagen jederzeit zu einem Vulkanausbruch entlang des Magmatunnels kommen könnte. Zwar hat die Erdbebenaktivität seit gestern Nachmittag stark abgenommen (siehe Abbildung 3), was aber vor einer beginnenden Eruption nicht ungewöhnlich ist. Zudem geht man davon aus, dass das starke Erdbeben vom Freitagabend für einen Spannungsabbau in der Erdkruste gesorgt hat, wodurch zum einen die Erdbebenaktivität abnimmt und zum anderen das Magma wahrscheinlich einfacher aufsteigen kann. Die Modelle deuten ebenfalls darauf hin, dass auch am südlichen Ende des Magmatunnels Magma austreten könnte. Es besteht also eine erhöhte Wahrscheinlichkeit eines Vulkanausbruchs auf dem Meeresboden. Dies würde einen explosiven Ausbruch zur Folge haben.

Es bleibt abzuwarten, ob, wann und wo eine Eruption stattfindet. Den Bewohnern von Grindavík wünschen wir, dass sie nicht ihr Zuhause verlieren und Island auch dieses Mal mit einem blauen Auge davonkommt.

Dr. rer. nat. Markus Übel (Meteorologe)
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 12.11.2023
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst