Warum der „Wonnemonat Mai“ nur ein ganz großes Missverständnis ist
In dieser Woche starten wir in den Mai, den fünften Monat im gregorianischen Kalender. Er soll nach der römischen Göttin Maia benannt sein, die am ersten Tag dieses Monats dem Priester Volcanalis ein Opfer gebracht haben soll. Nach anderen Quellen leitet sich der Name von Iuppiter Maius ab, dem Wachstum bringenden Jupiter, der obersten Gottheit der römischen Religion.
Landläufig wird der Mai gerne als „Wonnemonat“ bezeichnet. In der heutigen Zeit wird „Wonne“ in diesem Kontext häufig mit sommerlicher Wärme und Sonnenschein assoziiert. Das Bild von einem Mai, der stets sonnig und „mollig warm“ zu sein hat, wird auch allzu gerne von den Medien gezeichnet. Doch dieser übermäßigen Erwartungshaltung wird der Mai selten gerecht. Doch warum ist das so?
Wir wollen uns der Frage zunächst aus sprachhistorischer Sicht nähern. Der Begriff „Wonnemonat“ geht ganz ursprünglich auf das althochdeutsche Wort „wunnimanod“ zurück, was mit „Weidemonat“ übersetzt werden kann. Der Ausdruck wies darauf hin, dass man in diesem Monat das Vieh erstmals nach einem langen Winter wieder auf die Weide lassen konnte – übrigens bei Wind und Wetter! Mit „Wonne“ im heutigen Verständnis hat die Bezeichnung also nichts zu tun. Schon früh wurde das Wort in Richtung des heutigen „Wonnemonats“ umgedeutet. Mit „Wonne“ im ursprünglichen Sinne beschreibt man ein besonders starkes Gefühl von Freude und Glück. Eine spezielle Form davon sind die sogenannten Frühlingsgefühle, die in uns aufkommen, wenn das intensiver werdende Sonnenlicht auf unsere Haut trifft und die Ausschüttung des „Glückshormons“ Endorphin in Gang kommen lässt. Damit wäre der Bogen vom Weide- zum sonnig-warmen Wonnemonat geschlagen.
Dass ganz alleine der Mai als Wonnemonat diese Frühlingsgefühle erwecken soll, damit tut man dem Monat dennoch Unrecht – und damit kommen wir zu den astronomischen und meteorologischen Aspekten. Die Sonne gewinnt im Mai weiter und deutlich spürbar an Kraft, immerhin nähern wir uns schon dem astronomischen Sonnenhöchststand zur Sommersonnenwende am 20. Juni. So erreicht die Sonnenenergie Werte wie im Juli und August. Dennoch ist es lange nicht warm wie im Hochsommer, denn der Temperaturverlauf hinkt dem Verlauf des Sonnenstandes ein bis zwei Monate hinterher. Das liegt daran, dass Land-, insbesondere aber Wassermassen zunächst viel von der Energie „schlucken“, um sich zu erwärmen. Somit können zum einen über dem Kontinent lagernde Kaltluftreservoire bei richtiger Strömung bis zu uns angezapft werden, zum anderen dämpft der kalte Seewind die Erwärmung über Land noch deutlich. Erst wenn sich alles aufgeheizt hat, kommen die höchsten Temperaturen des Jahres. Die Mitteltemperatur auf Basis des Referenzzeitraumes 1991-2020 liegt am 1. Mai bei etwa 11,5 °C, was dem Wert von Anfang Oktober entspricht. Bis zum Monatsende steigt sie aber deutlich auf gut 15 °C an, was dann schon vergleichbar mit den Verhältnissen Anfang September ist.
Auch ein Blick in die Historie zeigt, dass der Mai weniger ein „Wonnemonat“ als ein weiterer „Übergangsmonat“ ist, der von Spätwinter bis Frühsommer alles bieten kann. Die beiden kältesten Mai-Monate seit Beginn regelmäßiger Wetteraufzeichnungen 1902 und 1941 wiesen eine Mitteltemperatur von 8,8 °C und 9,2 °C auf. Frost und Schnee waren vor allem in der ersten Monatshälfte an der Tageordnung, „Sommertage“ mit Temperaturen über 25 °C gab es bis Monatsende dagegen nicht. Die wärmsten Mai-Monate 1898 und 2018 dagegen schafften es auf eine Mitteltemperatur von 16 °C. Sommertage über 25 °C gab es fast überall reichlich und sogar erste Hitzetage mit Temperaturen über 30 °C wurden registriert.
Sie sehen, dass die Erwartungen, die man heute häufig an den sogenannten „Wonnemonat“ Mai stellt, auf linguistischen Missverständnissen beruhen und meteorologisch selten erfüllbar sind. Es wird spannend sein, zu beobachten, welchen Weg der diesjährige Mai einschlagen wird.
Dipl.-Met. Adrian Leyser
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 29.04.2024
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