Gewitternachlese
Aus einem Höhentiefkomplex über den Britischen Inseln bildete sich bereits am Donnerstag ein Tiefdruckgebiet über der Biskaya. Es wurde auf den Namen FRIEDA getauft, stellte sich aber als wenig friedvoll heraus. FRIEDA zog am Donnerstag unter Verstärkung ost-nordostwärts über Frankreich hinweg und erreichte am Freitagmorgen (12.07.2024) den Westen und Südwesten Deutschlands. Auf ihrer Vorderseite führte sie extrem feuchte Mittelmeerluft ins Land und so bildeten sich bereits in den frühen Morgenstunden erste Schauer und Gewitter im Südwesten.
Die Schauer und Gewitter verlagerten sich in der ersten Tageshälfte nordostwärts, immer an der Vorderseite des Tiefs. Um die Mittagszeit lag FRIEDA über der westlichen Mitte Deutschlands. Die Gewitter zogen langsam in den Osten, wo sie in feucht-warmer und durch die Sonne aufgeheizter Luft Energie tankten und sich zu Unwettern entwickelten. Nördlich des Tiefs verlagerten sich Regenfälle nordwärts, die zunächst nur wenig Unwetterpotenzial hatten.
In der zweiten Tageshälfte zog die Kaltfront des Tiefdruckgebietes von Westen her in die westlichen und südwestlichen Landesteile. Sie labilisierte vorlaufend die eingeflossene feucht-warme Luftmasse und löste so heftige Gewitter im Süden Deutschlands aus. Auch im Norden wurde die Luft zunehmend instabil, sodass sich ebenfalls Gewitter bildeten. Im Osten verlagerten sich die Gewitter weiter ost-nordostwärts und zogen am Abend nach Polen ab.
In den Abendstunden lag die Kaltfront in einem Bogen über Deutschland, der vom Nordwesten über die Mitte bis zum Bodensee reichte. Auf der Vorderseite gab es vor allem im noch mit energiereicher Luft gefluteten Süden heftige Gewitter. Auch im Norden gab es teils kräftige Gewitter, im Osten beruhigte sich die Lage zunehmend. Im Westen floss hinter der Kaltfront stabilere und kühlere Luft ein, dort traten keine Gewitter mehr auf.
In der Nacht zum Samstag verlagerte sich die Kaltfront weiter ostwärts und verdrängte allmählich die feucht-warme Luft ost- und südostwärts. Nach Mitternacht ließen die Gewitter rasch nach. Übrig blieben noch skalige Regenfälle an der Front, die sich erst am Samstagvormittag über den Nordosten verabschiedeten.
Wie bereits geschrieben, war die Luftmasse extrem feucht. Das niederschlagbare Wasser (ppw = potential precipitable water) lag teils über 40 Millimeter pro Stunde. In den Warnkriterien des DWD bedeuten mehr als 40 mm/h extrem heftiger Starkregen. Das Potenzial für Gewitter mit extremem Starkregen war also gegeben.
Die Messungen aus dem Messnetz des Deutschen Wetterdienstes ergaben lokal sogar noch höhere Regenmengen. So wurden in Coesfeld (NRW) am Nachmittag 53,7 Liter pro Quadratmeter in einer Stunde gemessen. Auch in Ostritz (SN) gab es mit 46 Liter pro Quadratmeter und in Kempten (BY) mit 43,7 Liter pro Quadratmeter in einer Stunde am Abend extrem heftigen Starkregen.
Weitere (ausgewählte) Werte zum Starkregen:
Kloster Schäflarn (BY) | 46,0 Liter/Quadratmeter |
Tacherting (BY) | 44,0 Liter/Quadratmeter |
Reken (NRW) | 39,4 Liter/Quadratmeter |
Leipzig-Grünau (SN) | 38,4 Liter/Quadratmeter |
Feistenaich (BY) | 33,0 Liter/Quadratmeter |
Harth-Pöllnitz Neundorf (TH) | 32,5 Liter/Quadratmeter |
Winden (BW) | 29,0 Liter/Quadratmeter |
Köckte (ST) | 26,0 Liter/Quadratmeter |
Neben dem Starkregen gab es auch Hagel, der vom Messsystem leider nicht erfasst werden kann. Nutzermeldungen in der WarnWetter App und Daten aus dem Radarverbund des DWD lassen aber vor allem im Süden auf Hagelkorngrößen bis zu 4 cm schließen. Nach Norden hin war der Hagel meist deutlich kleiner. Meldungen belegten auch größere Hagelansammlungen im Süden Bayerns.
Vom Messnetz erfasst wurden teils schwere Sturmböen. In Baden-Württemberg und Bayern gab es in Verbindung mit Gewittern sogar orkanartige Böen (Stimpfach-Weipertshofen (BW) und Lindau (BY) je 104 km/h und somit Beaufort 11).
Weitere (ausgewählte) Windböen:
Spiekeroog (NI) | 98 km/h (Bft 10) |
Vogtareuth (BY) | 97 km/h (Bft 10) |
Altenstadt (BY) | 94 km/h (Bft 10) |
Schönharting (BY) | 94 km/h (Bft 10) |
Kempten (BY) | 76 km/h (Bft 9) |
Bückeburg (NI) | 72 km/h (Bft 8) |
Lindenberg (BB) | 69 km/h (Bft 8) |
Celle (NI) | 68 km/h (Bft 8) |
An diesem Wochenende liegt FRIEDA über der Nordsee und führt weiterhin feuchte und instabile Luft in den Norden und Nordwesten. Dort kann es weitere Schauer und auch einzelne Gewitter geben, allerdings sind Unwetter unwahrscheinlich.
Im übrigen Bundesgebiet setzt sich allmählich schwacher Zwischenhocheinfluss durch, bevor am Montag ab dem Abend ein neues Tiefdruckgebiet von Westen und Südwesten her wieder verbreitet Schauer und Gewitter bringt. Dann besteht abends und in der Nacht zum Dienstag erneut Unwettergefahr.
Diplom-Meteorologin Jacqueline Kernn
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 13.07.2024
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