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Warum kommt es zu Sturmschäden?

Am morgigen Donnerstag und am Freitag stehen uns zwei sehr stürmische Tage ins Haus. Ursache ist Sturmtief ZOLTAN, das morgen über Südschweden zur Ostsee und bis Freitag zum Baltikum zieht. Es hat ein beachtliches Sturmfeld im Schlepptau, welches morgen und in der Nacht zum Freitag ganz Deutschland erfasst. Wir rechnen daher verbreitet mit stürmischen Böen und Sturmböen zwischen 70 und 85 km/h. In den Mittelgebirgen, im Alpenvorland und nördlich des Erzgebirges kommt es wahrscheinlich sogar zu schweren Sturmböen bis 100 km/h, an den Küsten und auf den Berggipfeln sind auch orkanartige Böen oder Orkanböen (über 105 km/h) zu erwarten. Aber auch abseits der genannten Regionen sind mit Durchzug der Kaltfront, insbesondere bei eingelagerten kräftigen Schauern und Gewittern, örtlich und kurzzeitig schwere Sturmböen bis ins Flachland möglich. Auch wenn es sich um keinen ausgewachsenen Orkan handelt, werden Sturmschäden bei diesen Windgeschwindigkeiten nicht ausbleiben. Dabei stellt sich die Frage, weshalb Wind so gefährlich ist?

Wind ist nichts anderes als bewegte Luft. Bei ihrer Beschleunigung wird Energie erzeugt, die sogenannte kinetische Energie. Trifft die bewegte Luft nun auf ein starres Hindernis, wirkt auf dieses eine Kraft, welche die Energie abbaut. Das Entscheidende dabei ist, dass die kinetische Energie proportional zum Quadrat der Geschwindigkeit zunimmt. Bei einer Verdopplung der Windgeschwindigkeit wird die vierfache, bei einer Verdreifachung sogar die 9-fache kinetische Energie erzeugt usw. Trifft also Luft mit einer Geschwindigkeit von 100 km/h auf einen Gegenstand, so wird auf diesem die vierfache Kraft ausgeübt als bei einer Geschwindigkeit von 50 km/h. Dies macht hohe Windgeschwindigkeiten so zerstörerisch.

Die soeben beschriebene Krafteinwirkung auf einen Körper nennt man „Windkraft“ oder „Winddruck“. Dabei ist dieser neben der Windstärke abhängig von der Ausrichtung des angeströmten Gegenstands. Trifft der Wind senkrecht auf ein Hindernis (z.B. eine senkrechte Hauswand), ist der Winddruck größer als bei einem schräg zugewandten Hindernis (z.B. eine Dachschräge). Hält der Gegenstand dem Winddruck nicht mehr stand, kommt es zum Sturmschaden. Auch die Form des angeströmten Körpers hat Einfluss auf den Winddruck. Hält man beispielsweise eine Schüssel in den Wind, dann wirkt auf ihr ein stärkerer Winddruck, wenn der Wind in die Schüssel hineinweht als wenn der Wind von außen um die Schüssel herum weht (Abb. 1). Auf diesem Prinzip basieren Schalenkreuzanemometer, also die kleinen Windrädchen, die Windgeschwindigkeiten messen. Der Wind übt einen stärkeren Druck auf die dem Wind zugewandten Schalen aus als auf die umgedrehten Schalen auf der gegenüberliegenden Seite, wodurch das Rädchen in Rotation versetzt wird. Um Sturmschäden zu vermeiden, besitzen beispielsweise Baukräne eine drehbare Achse, sodass sich der Kran mit dem Wind drehen kann. So kann die Fläche des Krans, auf die die Windkraft wirkt, minimiert werden. Vor einem erwarteten Sturm werden die Strandkörbe so gedreht, dass der Wind nicht in den Korb hineinwehen und ihn durch den so erhöhten Winddruck umwerfen könnte. Auch elastische Gegenstände sind weniger anfällig als starre, da sich erstere mit dem Wind bewegen bzw. neigen können. Großflächige Waldschäden sind meist eine Folge von starkem Winddruck.

DWD Warum kommt es zu Sturmschaeden

Neben dem Winddruck gibt es noch weitere Effekte, die zu Sturmschäden führen können. Zu nennen ist hauptsächlich die Sogwirkung an überströmten Flächen. Verantwortlich hierfür ist der sogenannte „Bernoulli-Effekt“. Dieses physikalische Gesetz besagt, dass der Luftdruck an überströmten Flächen mit dem Quadrat der Windgeschwindigkeit abnimmt. So entsteht an der Oberfläche des überströmten Körpers ein Unterdruck und es kommt zu einer Sogwirkung. Abgedeckte Dachziegel, Schäden an Wellblechdächern oder wegfliegende Planen werden meist durch die Sogwirkung des Winds und nicht durch den Winddruck verursacht. Der Unterdruck ist auch dafür verantwortlich, dass einem das Atmen im Gegenwind schwerfällt, dass ein Regenschirm im Wind nach oben umklappt und dass die speziell geformten Tragflächen von Flugzeugen diesem den nötigen Auftrieb verleihen.

DWD Warum kommt es zu Sturmschaeden 2

Diese Sogwirkung ist jedoch nicht zu verwechseln mit dem Sog von Tornados. Im Inneren des rotierenden Aufwindschlauchs eines Tornados entsteht ebenfalls ein starker Unterdruck, durch dessen Sog alles, was nicht niet- und nagelfest ist, in die Höhe gewirbelt wird. Die Zerstörungskraft des Sogs von Tornados ist entscheidender als dessen Windgeschwindigkeiten.

Zuletzt ist noch der Einfluss der Böigkeit zu nennen. Weht der Wind nicht mit konstanter Stärke, können Wind- und Sturmböen Objekte in Schwingungen versetzen (z.B. schwankende Bäume im Wind). Entspricht die Frequenz von aufeinanderfolgenden Böen in etwa der Eigenfrequenz des Gegenstands, kann es zu einem Aufschaukelungsprozess (Resonanzkatastrophe) kommen. Diese Böeneinwirkung kann Bäume abknicken oder entwurzeln. In sehr seltenen Fällen kann es sogar zum Einstürzen von Bauwerken kommen. Das bekannteste Beispiel hierfür ist die Tacoma-Narrows-Brücke, die 1940 durch ein Zusammenspiel dieses Resonanzeffekts und der oben beschriebenen Sogeinwirkung einstürzte.

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Bleibt zum Abschluss zu hoffen, dass sich die Schäden in den kommenden Tagen bei uns in Deutschland in Grenzen halten. Um einer bösen Überraschung kurz vor Weihnachten entgegenzuwirken, sichern Sie wenn möglich rechtzeitig lose Gegenstände, parken Sie Ihr Auto nicht unter Bäumen und vermeiden Sie Spaziergänge im Wald oder Parks mit Bäumen. Aktuelle Informationen zu den Warnungen in Ihrer Region erhalten Sie unter oder in der DWD-Warnwetter-App.

Dr. rer. nat. Markus Übel (Meteorologe)
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 20.12.2023
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

Jahresrückblick 2023 | Teil 2

Schon im gestrigen Tagesthema wurde die Statistik der Nutzermeldungen vorgestellt, die uns über die Warnwetter-App tagtäglich erreichen. 3.635 Meldungen waren es im Schnitt zwischen dem 01.01.2023 und dem 12.12.2023 pro Tag. Der Spitzenwert mit 46.464 Meldungen wurde in diesem Jahr am 22.06. erreicht. Im heutigen zweiten Teil des Jahresrückblicks wird die zweite Jahreshälfte ab Juli näher unter die Lupe genommen. Zum besseren Überblick gibt es zunächst noch einmal die Übersichtsgrafik über das gesamte Jahr.

DWD Jahresrueckblick 2023 Teil 2

Monat Juli

Der zweite Sommermonat brachte uns die höchste Monatssumme an Nutzermeldungen. Ganze 217.530 Reports erreichten uns bis Monatsende. Verantwortlich dafür waren zahlreiche Gewitterlagen, die die Trockenheit in einigen Regionen lindern konnten. Besonders stößt der 11.Juli mit rund 22.000 Meldungen ins Auge. Betroffen davon war vor allem der Süden mit heftigem Starkregen und Orkanböen am Bodensee und in Teilen des Voralpengebiets.
Schlussendlich war es ein nasser Juli mit einem satten Plus von 30 % und nur durchschnittlicher Sonnenscheindauer. Die größte Hitze gab es in der ersten Monatshälfte mit dem Höhepunkt von 38,8 Grad in Möhrendorf-Kleinseebach nördlich von Nürnberg am 15.07..
Das letzte Monatsdrittel war hingegen bestimmt von einer unbeständigen Westwetterlage und Maxima die teils nur unter 20 Grad lagen.
Erwähnenswert ist noch der ungewöhnlich starke Sommersturm „Poly“, der zu Monatsbeginn (05.07.) dem Nordwesten vielfach orkanartige Böen und einzelne Orkanböen brachte. Neben umgestürzten Bäumen und Einschränkungen bei der Bahn, gab es auch Todesopfer zu beklagen.

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Monat August

Auch im letzten Sommermonat gab es wieder einiges zu tun für uns Warnmeteorologen und Schuld daran waren wie so häufig Schwergewitterlagen. Vom 12. bis zum 18.08. musste quasi täglich in Deutschland die rote Unwetterkarte gezogen werden. Diese Ballung lässt sich auch gut in den Nutzermeldungen wiederfinden.
Die Meldungen aus der Warnwetter App zeigen nochmal ein Maximum zum Monatsende. Dieses fällt mit der Schwergewitterlage am 24.08. zusammen, die vor allem den Süden fest im Griff hatte. Dort wurden häufig orkanartige Böen und Orkanböen gemessen. In Lindau am Bodensee zeigte der Windmesser enorme 144 km/h.
Insgesamt hatte der August ganz unterschiedlicher Gesichter. Er startete mit Herbstkühle und kaum 20 Grad, ehe tropische Luftmassen Einzug hielten. Zum Monatsende drückte eine signifikante Abkühlung das Monatsmittel nochmal nach unten (+1,8 K im Vergleich zu 1961-90).
Bei den Unwetterlagen im August 2023 finden sich auch ein paar Dauerregenlagen (z.B.: 05./06.08.). Mit einem Plus von +60 % war es der nasseste Augustmonat seit 2010.

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Monat September

Eine ausgeprägte Omegawetterlage bescherte dem September Rekordwärme. Der erste Herbstmonat hatte eher den Charakter eines Hochsommermonats und brachte es auf ein Plus von 3,9 K (im Vergleich zu 1961-90). Vor allem im höheren Bergland und auf den Nordseeinseln war der September der wärmste Monat des Jahres, also wärmer als die eigentlichen Sommermonate Juni, Juli und August.
Beeindruckend war die hohe Anzahl an Sommer- und auch Hitzetagen. Am Oberrhein gab es ganze 10 Hitzetage in Waghäusel-Kirrlach und ein Maximum von 33,3 Grad (12.09.). Auch in Magdeburg wurde mit sieben Hitzetagen ein neuer Rekord für September registriert.
Der 12.09 war es auch, der die höchste tägliche Meldezahl in diesem Monat brachte. Die Ursache lag abermals in einer ausgeprägten Schwergewitterlage, die besonders den Westen und die Mitte traf.
Zu erwähnen ist noch der medienwirksame Eifeltornado in Nusbaum, der es dort am 21.09. auf die Stärke F2 (von 5) brachte.
Sonst war es der zweitsonnigste Septembermonat seit Aufzeichnungsbeginn und im Deutschlandflächenmittel mit nur 50 % Niederschlag (im Vergleich zu 1961-90) außergewöhnlich trocken.

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Monat Oktober

Auch der zweite Herbstmonat startete zunächst sommerlich und wurde nur kurz von einer knackigen Kaltfrontpassage mit schweren Sturmböen und einzelnen orkanartigen Böen unterbrochen (03.10.). Diese Lage brache am Ende auch den Tagesrekord an Nutzermeldungen in diesem Monat.
Der Oktobersommer brachte den spätesten Hitzetag seit Aufzeichnungsbeginn in Rheinfelden und Müllheim am 13.10. mit 30,1 Grad. Auch die Minima gingen in manchen Nächten kaum unter die 20 Grad Marke zurück. Dass der Oktober nicht erneut ein Rekordmonat wurde, hat er einem saftigen Temperatursturz von über 15 Grad zur Monatsmitte zu verdanken. Als Folge gab es die ersten Nachtfröste, die zum Beispiel für die Rhein-Main Region verhältnismäßig früh im Jahr verzeichnet wurden.
Zudem gab es im Gegensatz zum September viel Regen. An der Nordsee war nahezu jeder Tag ein Regentag und es wurden rekordverdächtige 200 l/qm als Monatssumme gemessen. Dort blieb es entsprechend auch häufig grau, während im Süden recht häufig die Sonne schien.
In Erinnerung geblieben ist sicher auch noch die extreme Sturmflut an der Ostseeküste am 20.10. Böen bis Orkanstärke aus östlichen Richtungen brachten der schleswig-holsteinischen Ostseeküste rekordverdächtige Pegelstände mit mehr als 2 m über dem mittleren Wasserstand. Im Gegenzug mussten aufgrund von extremen Niedrigwasser an der Nordseeküste Fährverbindungen zu den Inseln eingestellt werden.

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Monat November

Der letzte Monat des meteorologischen Herbstes war geprägt von atlantischen Tiefausläufern. Diese aktive Westwetterlage bescherte dem November im Mittel fast doppelt so viel Niederschlag wie üblich. Im Süden wurde teils die dreifache Menge erreicht. Zuletzt vergleichbar nass war der November 1944. Die Niederschläge mündeten auch in mehreren Dauerregenunwetterlagen, die mal den Schwarzwald und die Alpen betrafen (12.11. und 16.11.), mal auch den Norden (20.11.).
Ein Sonnenplus gab es nur im Südosten und Osten des Landes, sonst war es vielerorts eine trübe Angelegenheit.
Zum Monatesende schlug dann erstmals der Winter mit kräftigen Schneefällen bis ins Tiefland zu. In den westlichen Mittelgebirgen waren Gegenden durch unwetterartige Neuschneemengen vorübergehend von der Außenwelt abgeschnitten. Im Norden wurden sogar die ersten strengen Nachtfröste gemessen. In Itzehoe gab es in der Nacht auf den 29.11. mit -16,6 Grad, einen neuen Monatsrekord für die seit 1988 aufzeichnende Wetterstation.
Der Wintereinbruch zeigt sich auch gut in den Nutzermeldungen, die es zum Monatsende an mehreren Tagen über die 5.000er Marke an täglichen Meldungen schafften.

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Was bringt der letzte Monat des Jahres – Dezember

„So Einiges“, mag man sagen. Der letzte Monat des Jahres startete bereits sehr ereignisreich mit Rekordschneefällen im Voralpengebiet, die auch vorläufig die höchsten Meldezahlen des bisherigen Monats brachten. In München wurde am Flughafen die höchste Neuschneesumme innerhalb 24 h in einem Dezembermonat seit Aufzeichnungsbeginn gemessen.
Nachdem es in weiterer Folge in einigen Regionen die erste richtige Glatteislage des noch jungen Winters gab, folgten Dauerniederschläge und starkes Tauwetter vor allem in den süddeutschen Mittelgebirgen und Alpen.
Nun beruhigt sich das Wetter dank eines massiven Hochdruckgebiets mit dem Namen „Fiona“, aber schon ab Mitte kommender Woche wird es wieder spannend, auch mit Blick auf das Weihnachtsfest. Es besteht durchaus das Potential für eine ausgeprägte Sturmlage. Auch dann sind wir wieder auf Ihre Nutzermeldungen angewiesen und bedanken uns schon einmal im Voraus dafür!

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Ganz wichtig sind für uns auch immer an die Meldungen angehängte Bilder. Als Schlussbild daher jetzt noch eine Zusammenfassung der Top 3 Wetterbilder für jede Jahreszeit. Die Bewertungen stammen dabei von den Nutzern der Warnwetter App.

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Dipl.-Met. Marcus Beyer
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 15.12.2023
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