Schlagwortarchiv für: Orkantief

Wie hoch sind die Wellen?

Am gestrigen Samstag ist schon das zweite Orkantief innerhalb einer Woche über die Britischen Inseln zur Nordsee gezogen. Vor allem an der Südflanke der Tiefs traten stürmische Winde mit teils extremen Orkanböen auf. Vor allem die Bretagne war davon betroffen. Auf Land sorgten die starken Winde für umherfliegende Gegenstände und abbrechende Äste. Auf See generierte der starke Wind hohe Wellen.

Die Wellenhöhe hängt maßgeblich von drei Dingen ab. Zum einem von der Windgeschwindigkeit. Zum anderen von der Wirkdauer des Windes, also wie lange die höchsten Windgeschwindigkeiten anhalten. Und zuletzt noch von der Windstreichlänge, auch Fetch genannt. Der genaue Zusammenhang zwischen den drei Parametern und der signifikanten Wellenhöhe wird in Abbildung 1 dargestellt. In den vergangenen Tagen waren für die Biskaya alle drei Faktoren in ausreichendem Maße gegeben. Es gab über mehrere Stunden Windgeschwindigkeiten zwischen Sturm- und Orkanstärke, die aus westlicher Richtung über den Nordatlantik fegten. Dies alles führte zu einer sogenannten ausgereiften See. Die See gilt als ausgereift, wenn eine Erhöhung der Wirkdauer und der Streichlänge zu keinem höheren Seegang führen würde.

DWD Wie hoch sind die Wellen

Der Seegang, der in Abbildung 1 abgelesen werden kann, ist die sogenannte signifikante See. Der signifikante Seegang oder die signifikante Wellenhöhe ist eine Größe, die in ihrer Definition erst mal sehr theoretisch klingt. In der Praxis lässt sich dieser aber für geübte Seefahrer gut beobachten. Laut Definition ist der signifikante Seegang die mittlere Wellenhöhe des höchsten Drittels aller Wellen in einem Seegebiet. Dabei ist das Seegebiet mindestens 10 auf 10 Kilometer groß. Die Wellen werden zudem in einem repräsentativen Zeitraum beobachtet. Das heißt, wenn man 300 Wellen beobachtet, werden die kleinsten 200 Wellen ignoriert. Aus den höchsten 100 Wellen wird der Mittelwert gebildet.

Bei längerer Betrachtung des Wellenbildes auf See kann man mehrere Wellen beobachten. Zum einen gibt es die Windsee. Das sind die Wellen, die direkt von der Kraft des Windes generiert werden und sich immer in Windrichtung ausbreiten. Da es Schwankungen in der Windgeschwindigkeit gibt, weist die Windsee selbst bereits eine Wellenverteilung auf. Keine Welle gleicht exakt der anderen. Zum anderen sieht man unter Umständen auch Dünungswellen, die aus unterschiedlicher Richtung und mit unterschiedlichen Wellenlängen kommen können. Die Dünung ist quasi eine “alte” Windsee. Von entfernten Sturmgebieten laufen die Dünungswellen unabhängig von der Windrichtung über das Meer. Dünungswellen sind zudem in ihrer Höhe unabhängig vom lokalen Wind vor Ort. Alle Wellen zusammen ergeben ein Wellenspektrum. Wenn man die Wellenhöhen des Spektrums zusammenträgt, ergibt sich eine Verteilung der Wellenhöhen, die in etwa einer Rayleigh-Verteilung entspricht (Abbildung 2).

DWD Wie hoch sind die Wellen 1

Nach der theoretischen Rayleigh-Verteilung der Wellenhöhen sind also ein Großteil der tatsächlich auftretenden Wellen niedriger als der signifikante Seegang und nur wenige Wellen höher. Doch warum wird dann trotzdem der signifikante Seegang als Mess- und Vorhersagegröße herangezogen?

Operationelle Seegangsmessungen erfolgen mit verschiedenen Messinstrumenten beispielsweise an festen Bauwerken wie Offshore-Windenergieanlagen oder Ölplattformen. Traditionell gibt es auch Seegangsmessbojen die ihre Daten an Land funken. Zudem erfolgt die Beobachtung von Seegang noch manuell von erfahrenen Seeleuten auf Schiffen. Bei allen Beobachtungs- und Messmethoden wird zum einen der signifikante Seegang, wie auch die maximale Wellenhöhe erfasst. Dies wird bereits seit Jahrzehnten so praktiziert, sodass der signifikante Seegang zu einer Größe wurde, unter der sich jeder Seemann was vorstellen konnte. Der Theorie zu Folge lässt sich mit dem signifikanten Seegang auch die maximalen Einzelwellen und ihre Wahrscheinlichkeit ableiten. Jede hundertste Welle ist etwa 60 Prozent höher als die signifikante Wellenhöhe, jede tausendste Welle ist 80 Prozent höher. Gibt es in einem Seegebiet Kreuzsee, kann sich die Verteilung der Wellen nach rechts verschieben. Das heißt, wenn Windsee und Dünung im senkrechten Winkel aufeinandertreffen, kommt es häufiger zu höheren Einzelwellen, als es bei einer Rayleigh Verteilung statistisch möglich wäre. (siehe )

Nach der vielen Theorie, folgt jetzt der Blick auf die Praxis. Am vergangenen Donnerstag, den 02. November 2023 hat eine Boje vor der Küste Bretagne einen signifikanten Seegang von 11,7 Metern gemessen. Die höchste Welle maß um 20 Meter. Leider gab es einige Datenausfälle, was bei Bojen im Sturm häufiger vorkommt. Doch auch in der vergangenen Nacht hat die Messboje Oléron in der Biskaya knapp 10 Meter signifikante See gemessen. Dabei war die höchste Einzelwelle 18 Meter hoch. Ein Großteil der höheren Einzelwellen 14 bis 15 Meter hoch. In beiden Fällen entspricht die maximale Einzelwelle dem 1,8-fachem der signifikanten See. Der Großteil der Einzelwellen war 1,6 mal so hoch, wie die signifikante Wellenhöhe. Kreuzsee wurde an beiden Tagen nicht beobachtet. Es wäre schön, wenn Theorie und Praxis immer so gut übereinstimmen würden.

DWD Wie hoch sind die Wellen 2

MSc Sonja Stöckle
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 05.11.2023

Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

Nach dem Sturm ist vor dem Sturm!

Erst Orkantief EMIR (int: CIARAN) und nun Orkantief FRED. In Teilen von West- und Mitteleuropa ist momentan einiges los. Während am Donnerstag EMIR vor allem in Frankreich und Benelux teils für extreme Orkanböen über 150 Kilometer pro Stunde sorgte, rauscht am heutigen Samstag schon das nächste markante Tief heran.

Verantwortlich hierfür ist ein starker Polarfront-Jetstream über Westeuropa, welcher warme Luftmassen über den Subtropen von kalter Luft über den polaren Breiten trennt. Dieses Starkwindband befindet sich in einer Höhe von etwa 9 bis 10 Kilometern und ist vor allem im Spätherbst und im Winter besonders stark ausgeprägt. Zu dieser Jahreszeit sind Temperaturunterschiede zwischen den Polargebieten und den Subtropen besonders markant ausgeprägt, da durch die sehr kurzen Tage in den polaren Breiten sich dort eine großes Kältereservoir ausbildet, während die Subtropen auch im Winterhalbjahr noch relativ warme Luftmassen haben.

Aktuell befindet sich ein Jetstreak (Windgeschwindigkeitsmaximum innerhalb des Polarfront-Jetstream) über Südfrankreich mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 300 km/h (siehe Abbildung 1). Im Bereich von diesem Windband kommt es zu hohen horizontalen und vertikalen Geschwindigkeitsscherungen. Diese haben großen Einfluss auf Tiefdruckgebiete und können diese in einigen Fällen deutlich intensivieren. Momentan befindet sich Orkantief FRED über der Bretagne. Im Laufe des Wochenendes verlagert er sich in Richtung Mitteleuropa. Dabei kann sich FRED allerdings nicht mehr verstärken. Er füllt sich langsam auf und ist in der Vorhersage zu Wochenbeginn nur noch als schwaches Tief über Südskandinavien erkennbar. Grund dafür ist seine für die weitere Intensivierung ungünstige Position relativ zum Polarfront-Jetstream.

DWD Nach dem Sturm ist vor dem Sturm

Viele rasch entwickelnde Sturm- und Orkantiefs kreuzen den Jetstream. Ein Beispiel hierfür ist Orkantief Kyrill aus dem Jahre 2007, welches sich von der rechten Seite im Eingangsbereich des Starkwindbands auf die linke Seite des Ausgangbereiches verlagerte. Dabei kam es zu einer raschen Intensivierung, da in diesen Bereichen in der Höhe die Winde jeweils auseinanderströmen, wodurch es am Boden zu Druckfall kommt. KYRILL sorgte daraufhin in weiten Teilen Deutschlands bis ins Flachland für schweren Sturm, teils waren sogar auch in den Niederungen Orkanböen über 120 Kilometer pro Stunde dabei.

FRED kreuzte dagegen den Jetstream nicht und erreichte bereits vor Frankreich seinen Höhepunkt der Entwicklung. Die Zündung für seine starke Entwicklung über dem Atlantik war ein markanter nach Süden gerichteter Polarluftvorstoß im Bereich zwischen Grönland und Neufundland. Nun befindet sich der Sturm aber nördlich der Frontalzone. Dabei fehlt ihm der synoptische Antrieb. Deshalb wird sich FRED wie auch sein Vorgänger EMIR auf dem Weg in Richtung Mitteleuropa in den nächsten Tagen abschwächen.

Trotzdem werden am morgigen Sonntag in Süddeutschland Sturmböen bis in die Niederungen erwartet. Auf den Bergen des Schwarzwaldes und der Alpen weht der Wind teils sogar in Orkanstärke. Nähere Infos dazu gibt es auf unserer Warnseite(siehe “Weitere Informationen zum Thema”) oder in unserer Warn Wetter App.

M.Sc.-Meteorologe Nico Bauer
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 04.11.2023
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

Ex-Tropenstürme in Europas Wetterküche

Recht turbulent geht es aktuell im Wettergeschehen zu. Auch wenn sich nicht alle Facetten des Geschehens bei uns in Deutschland bemerkbar macht, so ist man auch hierzulande von dem ein oder anderen Unwetterereignis nicht verschont geblieben. An vorderster Stelle sei dabei der am vorgestrigen Donnerstag aufgetretene Tornado in der Eifel genannt Dieser stand im Zusammenhang mit Ex-Hurrikan „Lee”, dessen Überreste sich zu jenem Zeitpunkt als kräftiges Tiefdruckgebiet über dem europäischen Nordmeer befanden, und dessen ausgeprägte Kaltfront uns überquerte. An der Kaltfront kam es dann zur Bildung einer ausgeprägten Gewitterlinie, in die auch die tornadoproduzierende Superzelle eingelagert war.

Hier hatte also schon einer der ehemaligen Tropenstürme seine Finger im Spiel. Aber auch danach geht die Geschichte noch weiter: Rückseitig führt Ex-„Lee” aktuell relativ kühle Polarluft nach Deutschland, während bereits der nächste Ex-Tropensturm bzw. -Hurrikan auf dem Atlantik herannaht. Dazu gleich mehr. Zunächst aber führt dieses „Sitzen zwischen den Stühlen” dazu, dass aktuell ein neues Hochdruckgebiet namens „Rosi” von den Azoren seinen Einflussbereich bis zu uns nach Mitteleuropa ausweitet und sich dabei noch verstärkt. Die Folge: Zunehmend trockenes und sonnenscheinreiches Wetter, wobei gerade anfangs noch einige Wolkenfelder mit von der Partie sind, die dem Sonnenschein im Wege stehen.

Interessant wird es auch zu Beginn der neuen Woche. Dann kommt mit Ex-„Nigel” der nächste, bereits schon erwähnte, ehemalige Hurrikan ins Spiel. Dieser zieht im Laufe der kommenden Tage vom Atlantik voraussichtlich an Schottland vorbei Richtung Nordmeer und saugt dabei aus Südwesten jede Menge Warmluft an, die uns im Anschluss auch in Deutschland erreicht. Gleichzeitig bleibt mit der Warmluftzufuhr der Hochdruckgürtel erhalten, der sich in der neuen Woche von den Azoren bis nach Nordosteuropa erstreckt, wo Hoch „Rosi” zu diesem Zeitpunkt liegen wird. Damit bleibt Deutschland zunächst auch vom Einfluss etwaiger Tiefausläufer – sprich: Fronten – verschont. Ins Wettergeschehen übersetzt bedeutet das: Eine ganze Menge Sonnenschein und nochmals spätersommerlich warme Temperaturen. Laut aktuellen Modellprognosen könnte es demnach Mitte der kommenden Woche in einigen Landesteilen nochmals auf bis zu 27 °C hochgehen mit den Temperaturen.

Aber auch der Blick über die Grenzen sollte nicht unbeachtet bleiben: Ex-„Nigel” soll dann als ausgewachsenes Orkantief über die Britischen Inseln ziehen. Je nach Variante wären entweder Schottland, oder aber auch England inklusive Großraum London betroffen, die die volle Orkanwucht zu spüren bekämen. Einige Szenarien könnte man durchaus als „wild” bezeichnen, aber die Prognosen sind auch dementsprechend derart unsicher, dass erstmal weiteres Abwarten angesagt ist. Für Details ist es ohnehin noch zu früh.

DWD Ex Tropenstuerme in Europas Wetterkueche 1

DWD Ex Tropenstuerme in Europas Wetterkueche 2

M.Sc . Felix Dietzsch
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 23.09.2023
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst