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Der Schmetterlingseffekt

Gestern erreichte uns wieder eine Anfrage, ob wir weiße Weihnachten bekommen. Natürlich sind solche Vorhersagen für einen so langen Zeitraum nicht möglich. Doch warum ist das so? Um diese Frage zu beantworten, müssen wir uns mit dem Wetter als chaotischen Prozess befassen. Tatsächlich war der Begründer der Chaostheorie Edward N. Lorenz ein Meteorologe Im Jahr 1963 stieß er auf die Chaostheorie, während er Konvektionsströmungen in flachen Flüssigkeiten und Gasen erforschte. (Bei einem Experiment stieg ein Gas auf, das von einer Heizplatte erhitzt wurde, kühlte sich an der Oberfläche ab und sank an den Seiten wieder nach unten. Dabei bildeten sich Rollen oder sogenannte Konvektionszellen.) Dabei entdeckte er, dass winzige Änderungen in den Anfangsbedingungen des Systems zu starken Abweichungen in den Ergebnissen führen können.

Lorenz beschrieb diese Strömungen mithilfe eines Vorhersagemodells, das die Temperatur und die Konvektionsrate in einem Gleichungssystem miteinander verknüpfte.
Zur Lösung dieser Gleichungen benutzte er einen heute vergleichsweise einfachen Computer. Die Entdeckung des chaotischen Verhaltens dieses Systems geschah eher zufällig Als er sein Modell ein zweites Mal berechnete, wollte er Rechenzeit sparen und gab die Anfangsbedingungen nur mit drei Nachkommastellen anstatt vorher mit sechs Nachkommastellen an. Obwohl die Anfangsbedingungen nur geringfügig voneinander abwichen, führte dies zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen. Dies zeigt, dass kleine Variationen in den Anfangsbedingungen in einigen Systemen zu großen Unterschieden führen können.

Der folgende Abschnitt geht noch etwas ins Detail und kann für das Allgemeinverständnis auch übersprungen werden:
Als grafische Lösung der Gleichung erhält man das Gebilde in der Abbildung, was auch Lorenz-Attraktor genannt wird. Die Achsen X, Y und Z stehen für die berechneten Variablen der Gleichungen, die Linie gibt die zeitliche Entwicklung (Verlauf) der jeweiligen Variablen wieder und wird als Trajektorie bezeichnet. Auffällig ist, dass die Trajektorie keiner chaotischen Bahn, sondern vielmehr einer gewissen Ordnung. Sie kreist um zwei verschieden Orbits und schneidet ihre eigene Bahn dabei niemals. Man nennt dieses Gebilde auch einen seltsamen Attraktor. Was allerdings chaotisch ist, ist der Wechsel von einem zum anderen Orbit, der nicht nach einer bestimmten Periode abläuft. Ob die Trajektorie von einem Orbit zum anderen “kippt”, hängt dabei stark von den Anfangsbedingungen ab.
In der Chaostheorie spricht man dann auch von einer “Bifurkation”. In Bezug auf die Wettervorhersage treten solche Bifurkationen häufiger bei Grenzwetterlagen. Dann zeigen verschiedene Wettermodellläufe zwei verschiedene Wetterlagen, (was mit dem Wechsel zwischen den zwei verschiedenen Orbits verdeutlicht werden kann.) Oft springt dann die Prognose zwischen diesen beiden Lösungen hin und her.

DWD Der Schmetterlingseffekt

Zusammenfassend bedeutet die Chaostheorie nicht, dass Systeme unvorhersehbar oder zufällig sind. Chaotische Systeme sind im Grunde berechenbar und werden als “deterministisches Chaos” bezeichnet. Dennoch sind sie äußerst empfindlich gegenüber kleinen Änderungen in den Anfangsbedingungen, die erhebliche Auswirkungen haben können. Edward L. Lorenz drückte dies mit der berühmten Metapher aus: “Kann ein Flügelschlag eines Schmetterlings in Brasilien einen Tornado in Texas auslösen?” Dies ist als der “Schmetterlingseffekt” bekannt und hat unser Verständnis von komplexen Systemen nachhaltig beeinflusst, einschließlich der Wettervorhersage. Die genaue Bestimmung des Anfangszustands der Atmosphäre ist nicht möglich, da nicht für jeden Punkt der Atmosphäre Messungen zur Verfügung stehen und die Messungen fehleranfällig sind. Darüber hinaus sind die Gleichungen in den Wettermodellen nur Näherungen, was die Vorhersagen mit zunehmender Zeitspanne unsicherer macht.

Dipl.-Met. Christian Herold
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 13.09.2023
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