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Knapp Zwanzig Zentimeter

Hagelschlag kann enorme Schäden verursachen. Besonders großer oder extrem großer Hagel hat vor allem in Verbindung mit Wind erhebliches Zerstörungspotential. Davor schützen kann man sich kaum. Da die Hagelereignisse sehr kleinräumig auftreten, ist eine frühzeitige Vorhersage nahezu unmöglich. Man kann lediglich das Potential für (großkörnigen) Hagel abschätzen. Ob es einen dann trifft oder nicht, lässt sich erst sagen, wenn das Ereignis schon kurz bevorsteht.

Ein Hagelkorn entsteht, wenn um ein bereits vorhandenes Eisteilchen andere kleine Eispartikel zusammenwachsen. Das Hagelkorn ist dann weißlich, milchig und weist Lufteinschlüsse vor. Teilweise frieren aber auch unterkühlte Wassertröpfchen langsam an. Diese Eisschichten sind dann durchsichtig. (Hagel und seine Entstehung siehe Thema des Tages vom 28.08.2020). Man unterteilt Eiskörner auch nach ihrer Größe. Kleine Eiskörner mit einem Durchmesser zwischen 2 und 5 Millimetern werden als Graupel bezeichnet. Erst wenn die Eiskörner größer werden, spricht man von Hagel. Große Hagelkörner bewegen sich dabei in einer Größenordnung zwischen 2 und 5 Zentimetern. Ab 5 Zentimetern spricht man dann von sehr großem Hagel. Aber es geht auch noch eine Nummer größer. Ab einem Durchmesser von 10 Zentimetern beginnt der extrem große Hagel. Solch extrem großen Hagelkörner sind auch extrem selten. Doch am vergangenen Montag, den 24. Juli 2023 fiel in Azzano Decimo, einer Gemeinde etwa 70 km nordöstlich von Venedig, ein 19 Zentimeter großer Eisklotz vom Himmel. Wie können solche Riesen unter den Hagelkörnern entstehen?

 

Um großen Hagel produzieren zu können, müssen verschiedene Voraussetzungen erfüllt sein. Zum einen braucht man ein Gewitter mit starkem Aufwind. Je energiereicher ein Gewitter ist, umso stärker können die Aufwinde innerhalb des Gewitters ausfallen. Der Aufwind ist nötig, damit das Hagelkorn lange genug im Gewitter gehalten werden kann, ohne dass es einfach der Schwerkraft folgend zu Boden fällt. Die zur Verfügung stehende potentielle Energie (Convective available potential energy) wird in der Meteorologie kurz als CAPE bezeichnet. Aus dem CAPE-Wert lässt sich durch eine empirische Formel die maximale Aufwindgeschwindigkeit in einer Gewitterzelle berechnen. Diese maximale Vertikalgeschwindigkeit wird in der Realität nie erreicht, da es in einem Gewitter zu Reibungsverlusten und Turbulenzen kommt, wo sich Auf- und Abwinde gegenseitig behindern. Für die Entstehung von extrem großen Hagel sind also sehr energiereiche Superzellen notwendig. Eine Superzelle ist eine rotierende Gewitterzelle (siehe Thema des Tages vom 28.07.2023). Durch die Rotation werden Auf- und Abwinde voneinander getrennt und die Energie des Gewitters kann effektiver für Aufwindgeschwindigkeiten genutzt werden.

Um ein Hagelkorn zum Wachsen zu bringen benötigt man ebenfalls einen hohen Wassergehalt in der Gewitterzelle. Der effektivste Temperaturbereich zur Bildung und Vergrößerung von Hagelkörnern ist um minus 20 Grad. In diesem Bereich befinden sich in der Wolke sowohl unterkühltes Wasser als auch Eispartikel. Bei niedrigeren Temperaturen gibt es kaum noch Flüssigwasser in der Atmosphäre. In Verbindung mit starken Aufwinden kann aber auch ein hoher Wasserdampfgehalt in unteren Schichten zu einem erhöhten Wasserdargebot im Hagelwachstumsbereich führen. Bei hohen Feuchtigkeitswerten in unteren Luftschichten hat also das Hagelkorn, das sich im Aufwind befindet, immer genug Nachschub an Feuchtigkeit.

Ein weiterer Aspekt ist die Verweildauer der Hagelkörner in der Atmosphäre. Die Lebensdauer von Superzellen ist sehr lange und kann mehrere Stunden betragen. Damit hat das Hagelkorn viel Zeit für seinen Wachstumsprozess. Ideale Voraussetzungen zur Bildung von extrem großen Hagelkörnern sind also sehr hochreichende, energiereiche Superzellen in einer feuchten Atmosphäre.

Diese idealen Voraussetzungen zur Bildung von extrem großen Hagelkörnern treten in den letzten Jahren immer häufiger in Norditalien auf. In den letzten Wochen gab es dort einige Großhagelereignisse. Aber nicht nur in Norditalien, sondern auch in Deutschland treten immer wieder Gewitter mit großen Hagelkörner auf. Vor allem Süddeutschland ist davon betroffen.

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Bei dem Rekordereignis letzte Woche in Italien hat sich die Wetterlage wie folgt dargestellt: In der Höhenströmung schwenkte ein Kurzwellentrog über den nordwestlichen Mittelmeerraum hinweg. Trogvorderseitig herrschte eine heiße und auch feuchte Luftmasse über dem nördlichen Mittelmeerraum vor. In Norditalien herrschten Höchstwerte von 30 Grad und Taupunkte über 20 Grad vor. Von der adriatischen Küste sorgt ein schwacher Südwind für weitere Zufuhr von feuchter Luft in den bodennahen Schichten. Durch den herannahenden Trog nahm die hochreichende Windscherung im Tagesverlauf zu. Ab dem Nachmittag sah die Wettervorhersage bereits erste Superzellenentwicklungen über den Alpen vor. Über Norditalien war die Luftmasse sehr labil geschichtet, die CAPE-Werte lagen laut den Modellprognosen zwischen 2000 und 4000 J/kg. Der Radiosondenaufstieg von San Pietro, etwa 150 km südwestlich von Azzano Decimo, vom 25. Juli 2023 um 00 UTC zeigt die sehr energiereiche Luftmasse in der Region (siehe Abbildung 3). Ein Gewitter bildete sich bereits am Abend an den Alpen nordwestlich von Mailand. In der ersten Nachthälfte intensivierte es sich dann über Venetien deutlich. Im Niederschlagsradar war ein hakenförmiges Echo zu erkennen. Eine Charakteristik des Radarbildes, das eindeutig auf Superzellen hindeutet. Gegen 23 Uhr MESZ traf die Superzelle dann Azzano Decimo.

Ob es in Zukunft noch größeren Hagel geben wird, oder ob solche Ereignisse öfter auftreten werden, ist nicht eindeutig zu sagen. Auch ein eindeutiger Trend der letzten Jahrzehnte lässt sich nur mit äußerster Vorsicht ableiten. Es gibt nämlich keine homogenen Messreihen für Hagel. Da dieser nur sehr lokal auftritt, ist es eher unwahrscheinlich, dass meteorologische Instrumente den Hagel direkt messen. Vielmehr ist man auf Augenbeobachtungen durch Hobbymeteorologen oder andere Privatpersonen angewiesen, die den Hagel fotografieren und melden. Während der Smartphone-Generation wurden also viel mehr Hagelereignisse gemeldet, als dass noch vor 30 Jahren der Fall war. Aufgrund der prognostizierten höheren Temperaturen und damit höheren Luftfeuchtigkeit in der unteren Troposphäre steigt jedoch in den kommenden Jahrzehnten das Potential zur Gewitterbildung und auch das Potential für schwere Gewitter.

Der aktuelle Deutschlandrekord der Hagelkorngröße liegt übrigens bei 14,1 Zentimetern. Gefunden wurde das Hagelkorn am 06.08.2013 in Undingen (Reutlingen) in Baden-Württemberg.

MSc Sonja Stöckle
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 30.07.2023
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

 

Regen, Regen, Regen…

Die Tiefs geben sich derzeit die Klinke in die Hand. ‚…und die Hochs geben sich die Kugel?‘ könnte man fragen, angesichts der derzeitigen Chancenlosigkeit der Hochdruckgebiete gegenüber den Vertretern des tiefen Luftdrucks, bei uns in Deutschland Fuß zu fassen. Okay, am heutigen Montag streckt das Azorenhoch seine Fühler bis in den Süden des Landes aus und sorgt dort für die ein oder andere Sonnenstunde, von Dauer ist das aber nicht. Denn in der weiterhin recht flotten westlichen Höhenströmung, die vom Atlantik bis nach Mitteleuropa reicht, wird ein Tiefausläufer nach dem nächsten über uns hinweg gesteuert.

Waren es gestern noch die Ausläufer von Tief VENTUR, sind es am heutigen Montag die von Tief WENZESLAUS, die unser Wetter beeinflussen und das bedeutet: viel Regen! Zunächst einmal steht dabei heute tagsüber besonders der äußerste Norden im Fokus. Dort liegt nämlich die Warmfront von WENZESLAUS, die heute Mittag ganz grob von Nordostengland südostwärts bis in den Hamburger Raum verläuft. Damit liegt sie fast schon mehr parallel als senkrecht zur westlichen Strömung und kommt daher nur schleppend ostwärts voran. In der Folge können bis Dienstagfrüh gebietsweise durchaus 20 bis 40, lokal auch bis 50 l/qm in 24 Stunden fallen.

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Ähnlich hohe Mengen stehen – mit Übergreifen der nachfolgenden Kaltfront von WENZESLAUS – auch über Teilen der Mitte und des Südwestens in der Nacht zum Dienstag auf der Karte, dann allerdings häufig sogar innerhalb von 12 Stunden oder sogar noch kürzerer Zeit. Denn hier verläuft der Ausläufer nicht nur zunehmend strömungsparallel, sondern wird vorübergehend sogar rückläufig. Innerhalb der Kaltfront hat sich nämlich ein kleinräumiges Tief entwickelt, das aktuell noch über dem nahen Atlantik zu finden ist. Damit geht die Kaltfront von WENZESLAUS in die Warmfront dieses kleinen Randtiefs über. So eine „Wellen“-Entwicklung, wie man im Fachjargon sagt, ist häufig mit zum Teil kräftigen und anhaltenden Niederschlägen verbunden, die erst mit Durchzug des Rand- bzw. Wellentiefs weiter nach Süden vorankommen.

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Diesen Mix aus Dauer- und Starkregen bekommt ab der Nacht zum, vor allem aber am Dienstag selbst dann auch der heute meist trockene Süden ab. Das meiste davon dürfte dabei in den Weststaulagen des Schwarzwaldes zu verzeichnen sein, wo bis Dienstagabend zum Teil über 50 l/qm innerhalb von 24 Stunden zusammenkommen können. Insgesamt sind sich die Modelle allerdings noch nicht so richtig einig, was die genauen Mengen und auch Schwerpunkte der Niederschläge angeht. Es bestehen also noch gewisse Unsicherheiten. Über den großen Rest des Landes ziehen am Dienstag dagegen zahlreiche Schauer und auch einzelne Gewitter.

Eine kurze Regenpause gibt es für viele in der Nacht zum Mittwoch. ‚Kurz‘ deshalb, weil mit XAN bereits das nächste Tief in den Startlöchern steht und weite Teile des Landes am Mittwoch sowie auch am Donnerstag mit neuen Regenfällen versorgt. Doch damit nicht genug: XAN bringt zusätzlich noch einen recht starken bis stürmischen Wind mit sich. Alles in allem wird einem wohl spätestens der Donnerstag eher an den Herbst erinnern als an Anfang August.

Apropos: Was macht eigentlich die Temperatur? Die schafft es tagsüber meist nur knapp über die 20-Grad-Marke, bei Dauerregen bleibt sie sogar darunter. Daran ändert sich wohl auch am kommenden Wochenende nichts, auch nicht an der weiterhin unbeständigen Witterung. Eine sonnenscheinreiche Hochdruckphase oder gar verbreitet sommerliche Höchstwerte von 25 Grad und mehr sind nach derzeitigem Stand nicht in Sicht.

Dipl.-Met. Tobias Reinartz
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 31.07.2023
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

Die Zugspitze wurde sein Schicksal – Teil 1

Ein Meteorologiestudent und Bergsteiger

Als 1873 auf dem 1. Internationalen Meteorologen-Kongress in Wien angeregt wurde, die höheren Luftschichten mit Fesselballonen und von isolierten hohen Berggipfeln zu untersuchen, kam im selben Jahr Johann Josef Enzensperger in Rosenheim auf die Welt (Lüdecke 2000, Schmitt 1959). Als die Familie 1887 nach Sonthofen ins Allgäu zog, wurde seine Liebe zum Bergsteigen geweckt. Seine hervorragenden Abiturnoten verschafften ihm ein Stipendium am Maximilianeum in München und er begann an der Ludwig-Maximilians-Universität Jura zu studieren. Während des Studiums führte er einige sehr schwierige Erstbesteigungen in den Alpen durch und gründete 1892 mit anderen bergbegeisterten Kommilitonen den Akademischen Alpenverein München (AAM), in den auch der spätere Arzt Hans Gazert kurz nach der Gründung aufgenommen wurde (Deutscher Alpenverein 1990, Lüdecke 2015). Von 1895 an hatte Enzensperger für fünf Semester selbst den Vorsitz des AAM inne.

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Diese erfolgreichen Freizeitaktivitäten im Hochgebirge verleiteten ihn wohl dazu, das Jurastudium aufzugeben und fortan Mathematik und Physik mit der Spezialisierung Meteorologie zu studieren (Enzensperger 1905).

Bau des Münchner Hauses

In dieser Zeit wurde das Bergsteigen immer beliebter. Es entstanden viele neue Alpenvereinssektionen und es wurden zunehmend Unterkunftshäuser in den Alpen errichtet. Die Sektion München des Deutsch-Österreichischen Alpenvereins (DÖAV) war damals die größte Sektion und die Zugspitze als höchster deutscher Gipfel wurde immer mehr zum Ziel der Bergsteiger (Lüdecke 2000, 2001). So wundert es nicht, dass vor der Wende zum 20. Jahrhundert einerseits der Wunsch der Bergsteiger nach eine Unterkunftshütte auf der Zugspitze und andererseits nach einer guten Wettervorhersage für eine Tour auf den höchsten Berg immer dringender wurde. Letzteres wünschten auch die Meteorologen, die gerade anfingen auf mehreren Bergstationen „Höhenwetter“ zu untersuchen (Wege 2000). So hatte man in Österreich bereits 1886 auf dem Hohen Sonnblick ein Observatorium in 3105 m Höhe eingerichtet.

Eine der treibenden Kräfte für den Ausbau der alpinen Unterkunftshütten war die Sektion München des DÖAV (Lüdecke 2000, 2001). Zunächst wurde 1897 das Münchner Haus als Unterkunftshütte in 2959 m Höhe auf dem Westgipfel der Zugspitze eröffnet. Zusätzlich hatte man damals schon auf der Südwestseite der Hütte ein weiteres Plateau für den künftig zu errichtenden Meteorologischen Turm vorgesehen. Die Münchner Bergsteiger konnten damals im Schaufenster der Lindauer Buchhandlung in der Münchner Kaufingerstraße 16 den aktuellen Wetterbericht vom Gemeindehaus in Tegernsee und von der Hirschberghütte bekommen, was für die Tourenplanung sehr hilfreich war. Aber diese Informationen stammten aus dem Alpenvorland südöstlich von München und gaben keine Auskunft über westlich gelegene Gebiete wie z. B. die Wettersteinregion mit der Zugspitze.

Gutachten für den Meteorologischen Turm

Bis zum Baubeginn des Meteorologischen Turmes mussten noch Gutachten eingeholt werden, um finanzielle Unterstützung durch das Königlich Bayerische Staatsministerium des Innern für Kirchen- und Schulangelegenheiten zu erhalten. Zunächst äußerte sich Professor Wilhelm von Bezold, der bis 1885 der erste Direktor der K. b. Bayerischen Meteorologischen Centralstation in München gewesen ist und nun Direktor des Preußischen Meteorologischen Instituts in Berlin war. Bezold schrieb „Obgleich sich nicht bestreiten lässt, dass man aus den Aufzeichnungen der Hochstationen noch lange kein richtiges Bild von den Zuständen der freien Atmosphäre gewinnt, so bietet doch gerade die Vergleichung der auf den Gipfel ermittelten Zahlen mit den im Luftballon erhaltenen die Möglichkeit, die Fehler derartiger Rückschlüsse auf ein geringes Maass zurückzuführen.“ (Erk 1898a: 122).

Das zweite Gutachten kam von Hofrat Julius von Hann, damals Professor für Meteorologie in Graz, der die außerordentliche günstige Lage in der Mitte zwischen den Bergobservatorien auf dem Säntis am Bodensee und dem Hohen Sonnblick in den Hohen Tauern hervorhob (Erk 1898a). Schließlich äußerte sich auch der amtierende Direktor der K. b. Meteorologischen Centralstation Friedrich Erk und forderte in seinem Gutachten vor allem einen wissenschaftlichen Beobachter für die wissenschaftliche Aufgabe. Schließlich konnte der Meteorologische Turm auf der Zugspitze mit staatlichen Geldern gebaut werden.

Eröffnung der Meteorologischen Hochstation auf der Zugspitze

Der Meteorologische Turm wurde am 8. November 1899 fertiggestellt. Er hat eine Grundfläche von 4 m x 4 m und eine Höhe von 9 m. Die beiden Stockwerke mit Schlaf/Wohn- und Arbeits/Vorratsraum sind jeweils 2,20 m hoch (Lüdecke 2000). Für den ersten Meteorologen hatte die Münchner Firma Dallmayer 40 Zentner Lebensmittel geliefert, denn es sollte an nichts fehlen (Lüdecke 2001). Vom Arbeitsraum geht es weiter auf die Plattform mit den Messgeräten.

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Der Turm war zum Schutz vor starken Winden mit dicken Drahtseilen abgespannt. Als Blitzableiter diente das 5,5 km lange Telefonkabel, das in das Höllental hinabführte. Durch das Telefon war die Hochstation direkt mit der Centralstation in München verbunden.

Die Innereinrichtung erfolgte im Sommer 1900 und die feierliche Eröffnung am 19. Juli 1900. Die Honoratioren und Gäste waren über das Reintal mit Übernachtung in der Knorr Hütte aufgestiegen. In einem feierlichen Akt überließ die Alpenvereins-Sektion München den von ihr gebauten Meteorologischen Turn dem Staat zur „unentgeltlichen Benützung“. Erst wenn die Hochstation aufgegeben werden sollte, würde sie wieder an die Alpenvereins-Sektion München zur „freien Verfügung“ zurückfallen.

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* Dieser Artikel ist in leicht verkürzter Form zuerst in den Mitteilungen 2/2023 der Deutschen Meteorologischen Gesellschaft (DMG) erschienen. Wir danken Frau Prof. Dr. Cornelia Lüdecke und Herrn Prof. Dr. Dieter Etling von der Uni Hannover ausdrücklich für die Zusammenarbeit! Freuen Sie sich auf den zweiten Teil des Artikels am kommenden Samstag!

Prof. Dr. Cornelia Lüdecke
Ehemals Universität Hamburg
Offenbach, den 27.07.2023
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

Literatur
Deutscher Alpenverein (Hrsg.), 1990, Josef Enzenperger: Meteorologe und Kletterer. Bearbeitet von H. Höfler. Alpine Klassiker 13, J. Berg, München, 304 S.

Erich von Drygalski, 2013, Zum Kontinent des eisigen Südens: Die erste deutsche Südpolarexpedition 1901-1903. Herausgegeben von Cornelia Lüdecke, Edition Erdmann, marixverlag, Wiesbaden, 366 S.

Enzensperger, J.J., 1901: Sieben Monate auf der Zugspitze. – Das Wetter Monatsschrift für Witterungskunde, 18, 66-71.

Enzensperger, J., 1905: Ein Bergsteigerleben: eine Sammlung von alpinen Schilderungen nebst einem Anhang Reisebriefe und Kerguelen-Tagebuch. Hrsg. vom Akad. Alpenverein München. Vereinigte Kunstanstalten in Komm., München, 276 S.
Erk, F. 1898a, Ein meteorologisches Observatorium auf der Zugspitze. Mitteilungen des Deutsch-Österreichischen Alpenvereins 10, 121-123.

Erk, F. 1898b, Ein meteorologisches Observatorium auf der Zugspitze. Mitteilungen des Deutsch-Österreichischen Alpenvereins 11, 133-136.

Gazert, 2023, Hans Gazert.

Lüdecke, C., 2000, Hundert Jahre meteorologische Hochstation auf der Zugspitze – Der Deutsch-Österreichische Alpenverein als Förderer der alpinen Meteorologie, Meteorologische Zeitschrift, 9 (6), 381-391.

Lüdecke, C., 2001, …die meteorologische Hochstation Zugspitze als glänzender Appendix. 100 Jahre meteorologischer Turm auf der Zugspitze. Heidelberg, Berg 2001 Alpenvereinsjahrbuch „Zeitschrift“ Band 125, 136-148.

Lüdecke, C. 2015, Deutsche in der Antarktis: Expeditionen und Forschungen vom Kaiserreich bis heute. Chr. Links, Berlin, 224 S.

Schmitt, Fritz, „Enzensperger, Josef“ in: Neue Deutsche Biographie 4 (1959), S. 541 [Online-Version]; .

Wege, K., 2000, Die Geschichte der Wetterstation auf der Zugspitze. Geschichte der Meteorologie in Deutschland 4, Selbstverlag des Deutschen Wetterdienstes, Offenbach am Main, 104 S.

Kleine Gewitterkunde – Teil 3: Die Superzelle

Gewitter können große Schäden verursachen und für Menschen im Freien sogar lebensgefährlich werden. Extreme Unwetter in Norditalien mit riesigem Hagel zeigten dies erst vor ein paar Tagen sehr eindrucksvoll. Dabei handelte es sich um sogenannte „Superzellen“.

Superzellen sind vielen vor allem aus dem mittleren Westen der USA bekannt. Jährlich reisen hunderte Gewitterjäger (Stormchaser) aus aller Welt in diese Region, um die majestätisch anmutenden Gewitter zu verfolgen und zu fotografieren. Durch die meteorologischen Voraussetzungen und das flache Terrain können sich Superzellen dort ungehindert entwickeln und ihre größte Stärke entfalten. Sie sind durch ihre zerstörerischen Tornados bekannt, die dort jedes Jahr über das Land ziehen und alles, was ihnen in die Quere kommt, dem Erdboden gleich machen.

DWD Kleine Gewitterkunde Teil 3 Die Superzelle 2

Was viele nicht wissen, auch bei uns in Deutschland sind Superzellen gar nicht so selten und kommen jedes Jahr an mehreren Tagen vor. Bisweilen verursachen Superzellen auch bei uns in Deutschland eine Schneise der Verwüstung. Am 10. Juni 2019 beispielsweise entstand im Allgäu eine Superzelle und produzierte auf ihrem Weg nach Nordosten vor allem am Ammersee und im Münchner Norden Hagelbrocken von 4 bis 8 cm Durchmesser . Am 28. Juli 2013 brachte 8 cm großer Hagel einer Superzelle rund um Reutlingen mit 2,8 Mrd. Euro den bisher größten Hagelschaden der Geschichte Deutschlands und mehrere Hundert Menschen wurden verletzt. Nur ein paar Tage später, am 8. August, fand man ebenfalls bei Reutlingen mit 14 cm den größten Hagelbrocken Deutschlands. Auch beim Münchner Hagelunwetter vom 12. Juli 1984 handelte es sich um eine Superzelle. Damals kamen über der Millionenstadt bis zu 9,5 cm große und 300 g schwere Hagelgeschosse vom Himmel! Superzellen können nicht nur Hagel, sondern auch extreme Böen bis in den Orkanbereich erzeugen. Solche holzten an einer Superzelle im südlichen Rhein-Main-Gebiet auf einer etwa 25 km langen und 1 km breiten Schneise große Waldgebiete komplett ab.

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Eine detaillierte Beschreibung der komplexen Luftströmungen in einer Superzelle (Abb. 1) würde an dieser Stelle den Rahmen sprengen, sodass nur die grundlegenden Merkmale erläutert werden. Die markanteste Eigenschaft der Superzelle ist ihr rotierender Aufwindschlauch (Updraft). Wie bereits im Thema des Tages vom 22. Juli erklärt wurde, entscheidet vor allem die Stärke der vertikalen Windscherung (Zunahme der Windgeschwindigkeit und Änderung der Windrichtung mit der Höhe), welche Gewitterform sich bildet. Superzellen entstehen in einer Region, in der eine hochreichende und starke Windscherung vorherrscht und bodennah Warmluft einfließt. Bei uns in Deutschland sind diese Voraussetzungen beispielsweise an der Vorderseite eines Höhentiefs mit Zentrum über Westeuropa gegeben. Dabei erreicht uns in tieferen Luftschichten feuchte subtropische Warmluft, also eine sehr energiereiche Luftmasse (hohe CAPE), und der Wind erfährt eine deutliche Rechtsdrehung mit der Höhe. Durch die starke Windzunahme in der unteren Atmosphäre beginnt die Luft horizontal zu rotieren. Der Updraft (rote Pfeile, Abb. 1+2) kippt nun den rotierenden Wirbel in die Senkrechte und verstärkt ihn weiter. So entsteht ein rotierender Aufwindschlauch mit einem Durchmesser von zwei bis zehn Kilometern. Diese sogenannte „Mesozyklone“ ist der eigentliche Motor der Superzelle. Durch die aufsteigende Luft erzeugt sie am Boden einen Unterdruck (kleinräumiges Tief), wodurch beständig Warmluft in die Gewitterwolke gesaugt werden und aufsteigen kann. Man erkennt diesen Vorgang oft an der sogenannten „Wallcloud„, einer Absenkung der Wolkenbasis (Abb. 2+4). Die Scherung sorgt zudem dafür, dass die ausfließende Kaltluft des Downdrafts (hellblaue Pfeile, Abb. 1+3) hinter der in die Superzelle aufsteigenden Warmluft bleibt (Böenlinie in Abb. 1). Somit kann die Superzelle kontinuierlich mit der energiereichen Warmluft gefüttert werden. Durch die Langlebigkeit und die massive Power des rotierenden Updrafts können Hagelkörner lange im Aufwindbereich verbleiben und zu immer größeren Brocken heranwachsen, bis sie aufgrund ihrer Schwere schließlich zu Boden fallen. Vor allem an der Böenlinie kann es extreme Fallböen (Downbursts) geben, die Orkanstärke erreichen können. Man erkennt sie an der sogenannten „Shelfcloud“ (Abb. 3+4). Auch durch absinkende Kaltluft aus dem Amboss (dunkelblaue Pfeile, inAbb. 1) kann es am Boden zu Sturmböen kommen.

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Zwar ist eine isolierte Superzelle streng genommen auch eine Einzelzelle, sie ist aber weitaus mächtiger und langlebiger als ihr nicht-rotierendes Pendant. Im unteren Teil hat das Gewitter oft eine Ausdehnung von 20 bis 50 Kilometern, der Cirrusschirm im oberen Bereich der Wolke kann sogar einen Durchmesser von über 100 Kilometern besitzen. Superzellen existieren meist über mehrere Stunden, im Extremfall sogar sechs bis zwölf Stunden. Daher können sie über hunderte von Kilometern ziehen und selbst ohne Tornados eine Schneise der Verwüstung hinterlassen. Die Rotation der Superzelle erklärt auch die Bildung von Tornados. So majestätisch schön sie für den Beobachter aus der Ferne wirken, so gefährlich und angsteinflößend sind sie also, wenn man von ihnen getroffen wird.

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Dr. rer. nat Markus Übel (Meteorologe)
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 28.07.2023
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

Die Zugspitze wurde sein Schicksal – Teil 2

Aufgaben für die Beobachter auf der Zugspitze

Direktor Erk hatte die künftigen Aufgaben des Meteorologen auf der Hochstation bereits 1898 fixiert (Erk 1898b). Wie damals üblich sollten zu den Mannheimer Stunden (7 Uhr, 14 Uhr, 21 Uhr) Luftdruck, Temperatur, Feuchte, Windrichtung und Geschwindigkeit, Niederschlag und der Bewölkungsgrad sowie die Wolkenart und der Wolkenzug aufgezeichnet werden. Dazu kam insbesondere im Winter die Kontrolle und Instandhaltung der Messinstrumente. Die Messdaten mussten noch mit den geeichten Normalinstrumenten korrigiert werden. Dann galt es Tages- und Monatsmittel von Druck, Temperatur und Feuchte sowie Dampfdruck zu berechnen.
Auch sollte die Sonnenscheindauer bestimmt werden. Schließlich sollte der Meteorologe die Föhnerscheinungen und die Zugstraßen kleiner Teildepressionen am Gebirgsfuß im bayerischen Alpenvorland beobachten. Zur „Fixierung von Wolkenbildern“ und anderer Naturerscheinungen wurde sogar ein Fotoapparat bereitgestellt.

Josef Enzensperger – der erste Zugspitzbeobachter

Die Suche nach einem geeigneten Beobachter war für Erk nicht schwierig, denn bereits am 1. Januar 1900 kam der Lehramtskandidat Josef Enzensperger als Hilfskraft an die Meteorologische Centralstation (Lüdecke 2000). Offenbar arbeitete er sehr zur Zufriedenheit des Direktors, denn er wurde bereits am 1. April zum Assistenten ernannt. Seine zusätzlichen bergsteigerischen Fähigkeiten kamen ihm nun zugute, denn er wurde am 1. Juli zum ersten Beobachter auf der Zugspitze ernannt.
Nach der feierlichen Eröffnung im Juli begannen die offiziellen meteorologischen Beobachtungen am 1. August (Enzensperger 1901). Nachdem bei Saisonende die Bergsteiger die Zugspitze endgültig verlassen hatten und das Münchner Haus geschlossen wurde, blieb Enzensperger allein mit seinem Hund Putzi als einzige Ansprache auf dem Gipfel zurück. Menschlichen Kontakt gab es nur per Telefon, falls die Leitung nicht durch Steinschlag oder Lawinen unterbrochen war.

DWD Die Zugspitze wurde sein Schicksal Teil 2

Nun konnte Enzensperger nicht mehr nach nebenan ins Münchner Haus zum Essen gehen, sondern musste sich nun aus seinen Vorräten selbst versorgen. Das benötigte Koch- und Waschwasser bestand im Sommer aus Regenwasser und wurde im Winter aus der Schneeschmelze gewonnen. In seiner Freizeit brachte er sich auf dem Zugspitzplatt das Skifahren bei. Über Langeweile konnte er nicht jedenfalls klagen.

Bewerbung für die Südpolarexpedition

Enzenspergers Bergfreund Hans Gazert hatte ihm schon vor längerem berichtet, dass er sich auf den Arztposten der ersten deutschen Südpolarexpedition unter der Leitung von Erich von Drygalski beworben habe. Am 1. April 1900 kam die Zusage und er begann sich um die Proviantausstattung der Expedition an Bord der „Gauss“ zu kümmern, die am 11. August 1901 aufbrechen würde (Gazert 2023, Drygalski 2013). Während seiner Überwinterung auf der Zugspitze ging Enzensperger die Südpolarexpedition wohl nicht mehr aus dem Kopf. Sicherlich sah er darin eine neue Herausforderung, sodass er sich am 19. Januar 1901 telegraphisch um seine Teilnahme als Meteorologe bewarb (Wege 2000, Lüdecke 2000). Zu diesem Zeitpunkt waren jedoch schon alle Posten besetzt. Als jedoch kurz vor der Abreise der Meteorologe für die Zweigstation auf den Kerguelen im Südatlantischen Ozean ausfiel, wo von der Antarktis unbeeinflusst Vergleichsdaten erhoben werden sollten, wurde Enzensperger am 28 Juli 1901 als Expeditionsmitglied aufgenommen und von der Centralstation für 1 ½ Jahre beurlaubt. Im blieben nur noch zwei Wochen, um die Reise vorzubereiten und sich von seiner Familie zu verabschieden. Zunächst reiste er zusammen mit zwei Begleitern nach Sydney, um dort den Proviant und die Ausrüstung für die Kerguelenstation sowie die Hunde aus Kamtschatka für die Südpolarexpedition zu übernehmen (Enzensperger 1905, Drygalski 2013).

Zweigstation auf den Kerguelen

Mit der vollbeladenen „Tanglin“ ging die Reise weiter zu den Kerguelen, wo sie ein Wohnhaus, die meteorologische Station und die Observatorien für magnetische Beobachtungen aufbauten. Allerdings war die chinesische Mannschaft der „Tanglin“ durch Beriberi schon zu sehr geschwächt, als dass sie kräftig zupacken konnte. Außerdem starben zwei Chinesen und wurden in der Nähe beerdigt. Die „Gauss“ kam um die Jahreswende an und Mithilfe des Schiffszimmermanns und einigen Matrosen wurde die Station schließlich fertiggestellt (Drygalski 1902).

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Als die „Gauss“ am 31. Januar 1902 die Kerguelen verließ, blieben drei Wissenschaftler und zwei Matrosen zurück, die nun ihrer wissenschaftlichen Arbeit nachgingen. Zunächst erkrankte der Biologe Emil Werth, der auf der „Gauss“ angereist war, an Beriberi und später auch Enzensperger. Damals wusste man noch nicht, was die Ursache für die Erschöpfung und die angeschwollenen Gliedmaßen war, die vor allem den Meteorologen immer mehr beeinträchtigten. Bei Werth waren die Symptome glücklicherweise nicht so gravierend, aber bei Enzensperger wurde es immer schlimmer (Luyken 1903). Nachdem ihm keine Maßnahme zur Entwässerung und auch das einzig vorhandene Herzmittel nicht helfen konnten, starb er am 2. Februar 1903, sechs Tage vor seinem 30. Geburtstag.
Heute weiß man, dass Robert Kochs Theorie, Beriberi sei eine Infektionskrankheit, nicht stimmt, sondern dass Beriberi eine Vitamin B Mangelkrankheit ist. Aber warum starb der durchtrainierte kräftige Bergsteiger? Ihm wurde seine Überwinterung auf der Zugspitze zum Verhängnis, als er sich monatelang nur von Dosenkost ernährte. Dadurch wurde sein Vitamindepot heruntergefahren, das er in der kurzen Zeit bis zu seiner langen Schiffsreise erst nach Australien und dann zu den Kerguelen nicht mehr genügend auffüllen konnte. Das wenige Frischfleisch an gejagten Kaninchen konnte ihm nicht mehr helfen.
Heute erinnert eine Gedenktafel neben dem Eingang in den Meteorologischen Turm mit folgenden Worten an den ersten Beobachter.

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„Zur Erinnerung an den ersten Beobachter auf der Hochstation Zugspitze J. J. Enzensperger 1900/1901“.

* Dieser Artikel ist in leicht verkürzter Form zuerst in den Mitteilungen 2/2023 der Deutschen Meteorologischen Gesellschaft (DMG) erschienen. Wir danken Frau Prof. Dr. Cornelia Lüdecke und Herrn Prof. Dr. Dieter Etling von der Universität Hannover ausdrücklich für die Zusammenarbeit!

Prof. Dr. Cornelia Lüdecke
Ehemals Universität Hamburg
Offenbach, den 29.07.2023
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

Literatur

Deutscher Alpenverein (Hrsg.), 1990, Josef Enzenperger: Meteorologe und Kletterer. Bearbeitet von H. Höfler. Alpine Klassiker 13, J. Berg, München, 304 S.

Erich von Drygalski, 2013, Zum Kontinent des eisigen Südens: Die erste deutsche Südpolarexpedition 1901-1903. Herausgegeben von Cornelia Lüdecke, Edition Erdmann, marixverlag, Wiesbaden, 366 S.

Enzensperger, J.J., 1901: Sieben Monate auf der Zugspitze. – Das Wetter Monatsschrift für Witterungskunde, 18, 66-71.

Enzensperger, J., 1905: Ein Bergsteigerleben: eine Sammlung von alpinen Schilderungen nebst einem Anhang Reisebriefe und Kerguelen-Tagebuch. Hrsg. vom Akad. Alpenverein München. Vereinigte Kunstanstalten in Komm., München, 276 S.
Erk, F. 1898a, Ein meteorologisches Observatorium auf der Zugspitze. Mitteilungen des Deutsch-Österreichischen Alpenvereins 10, 121-123.

Erk, F. 1898b, Ein meteorologisches Observatorium auf der Zugspitze. Mitteilungen des Deutsch-Österreichischen Alpenvereins 11, 133-136.

Gazert, 2023, Hans Gazert, angesehen 12.4.2023.

Lüdecke, C., 2000, Hundert Jahre meteorologische Hochstation auf der Zugspitze – Der Deutsch-Österreichische Alpenverein als Förderer der alpinen Meteorologie, Meteorologische Zeitschrift, 9 (6), 381-391.

Lüdecke, C., 2001, …die meteorologische Hochstation Zugspitze als glänzender Appendix. 100 Jahre meteorologischer Turm auf der Zugspitze. Heidelberg, Berg 2001 Alpenvereinsjahrbuch „Zeitschrift“ Band 125, 136-148.

Lüdecke, C. 2015, Deutsche in der Antarktis: Expeditionen und Forschungen vom Kaiserreich bis heute. Chr. Links, Berlin, 224 S.

Schmitt, Fritz, „Enzensperger, Josef“ in: Neue Deutsche Biographie 4 (1959), S. 541 [Online-Version];

Wege, K., 2000, Die Geschichte der Wetterstation auf der Zugspitze. Geschichte der Meteorologie in Deutschland 4, Selbstverlag des Deutschen Wetterdienstes, Offenbach am Main, 104 S.

Tag der Freude

Die größte Freude für Meteorologen und Meteorologinnen ist natürlich eine korrekt eingetroffene Prognose. Aber man freut sich auch schonmal über Regen, der gegen die Büroscheiben platscht. Gerade wenn es tage- oder wochenlang trocken war. Auch der Aufzug von Gewitterzellen, die sich vom Büro im 6. Stock in Offenbach aus sehr gut beobachten lassen, bringt den ein oder anderen Freudejauchzer hervor. Da werden gestandene Männer zu kleinen Kindern, die sich die Nase am Fenster platt drücken, so wie früher am Schaufenster eines Spielzeugladens.
Freude bereiten auch die kleinen Gesten, die uns per Mail oder Nachricht in den sozialen Medien erreichen. Wenn Menschen uns von ihren Erlebnissen mit der Natur berichten, Bilder oder kurze Videos schicken. Von Zeit zu Zeit erreichen uns auch Karten oder Briefe, im Zuge der Digitalisierung hat das allerdings stark abgenommen. Manch einer hat sogar Freude daran, am Telefon der alten Dame zum zehnten Mal zu erklären, dass das Gewitter heute nicht bei ihr am Ort auftreten wird.
Ins Leben gerufen wurde der Tag der Freude wahrscheinlich in den 80er-Jahren. Von wem und aus welchem Anlass ist nicht überliefert. Im Jahre 2012 hat die UNO auch einen Weltglückstag beschlossen. Dieser wird jedes Jahr am 20 März begangen. Er steht quasi in Konkurrenz zum Tag der Freude, die wir uns aber nicht nehmen lassen wollen.
Grund zur Freude hat in dieser Woche jeder, der sich von Schauern und Gewittern begeistern lässt und dem Temperaturen über 25 Grad ein Gräuel sind. Tief UNAI über Skandinavien lenkt nämlich feuchte und kühle Luft zu uns.

DWD Tag der Freude

Dabei ist es am heutigen Montag noch am wärmsten mit Höchstwerten bis 30 Grad in der Lausitz. Im weiteren Wochenverlauf gibt es tagsüber maximal 24 Grad, oft auch unter 20 Grad. Nachts kühlt es teils unter 10 Grad ab. Erst am Freitag dieser Woche sind wieder sommerliche Maxima der Temperatur zu erwarten. Dann werden im Süden und über der Mitte 25 bis 29 Grad erwartet. Im Norden ist es naturgemäß etwas kühler.
Schauer und Gewitter bringen bis zum Ende der Woche überall etwas Regen. Vor allem im Süden, aber auch im Norden regnet es mitunter längere Zeit. Das bereitet der Natur besondere Freude, denn das Niederschlagsdefizit, das vor allem im Osten und über Teilen der Mitte Deutschlands immer noch besteht, kann so etwas gemildert werden.

DWD Tag der Freude

Die obige Grafik veranschaulicht das Niederschlagsdefizit. Sie vergleicht die bisher gefallene Regenmenge im Juli (links, ermittelt aus Radardaten) mit den normierten Niederschlagsmengen aus vergangenen Messungen der Jahre 1971 bis 2000. Zu erkennen ist, dass im Osten im Juli am wenigsten Niederschlag fällt. Das lässt sich auch aus den bisherigen Messungen lesen, allerdings fehlen zur Norm von 25 bis 50 Liter pro Quadratmeter im Monat noch gut 20 bis 30 Liter, und der Monat hat nur noch 7 Tage.

Dipl. Met. Jacqueline Kernn
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 24.07.2023
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

Ein Islandtief auf Island

Unser geschätzter Kollege Sven Plöger war vor einiger Zeit im Auftrag des Wetters unterwegs. In mehreren Dokumentationen (je nach Thematik in mehrere Doppelfolgen aufgeteilt) ging er verschiedenen Fragestellungen zum Thema Wetter nach. In der ersten Doppelfolge ging es darum, wo unser Wetter entsteht und wie die Meere unser Wetter beeinflussen. Hierfür reiste er unter anderem nach Island und auf die Azoren und sprach dort mit Menschen über ihre Lebensgewohnheiten. In der zweiten wurde hauptsächlich der Wind und dessen verschiedene Strömungen thematisiert. Und in der dritten Doppelfolge ging es dann schließlich um die Alpen. Die Dokumentationen wurden im Auftrag der ARD ab 2015 produziert, in den Jahren 2016, 2018 und 2020 erstausgestrahlt und können in der Mediathek noch bis 2025 nachgeschaut werden (Link siehe unten). In der Zwischenzeit wurden auch bereits Bücher zur Sendung herausgegeben.

Speziell in der ersten Folge geht es um das Thema Hoch- und Tiefdruckgebiete und deren bevorzugte „Entstehungsgebiete“. Für das europäische Einzugsgebiet sind an dieser Stelle das Azorenhoch und das Islandtief zu nennen.

Unter dem Azorenhoch versteht man ein mehr oder weniger stark ausgeprägtes Hochdruckgebiet, welches man häufig im Bereich der Azoren antrifft und Bestandteil des subtropischen Hochdruckgürtels ist Thema des Tages vom 27.07.2016.

Sein Gegenspieler ist das Islandtief. Zwischen 60 und 70 Grad Nord zeigen mittlere globale Luftdruckverteilungen im Meeresniveau eine Zone tiefen Drucks. Diese als subpolare Tiefdruckrinne bezeichnete Zone ist besonders im Winter deutlich ausgeprägt. Über dem Nordatlantik wird im Seegebiet um Island häufig ein ausgeprägtes Tiefdruckgebiet angetroffen, woher auch der Name des Islandtiefs rührt .

Als Meteorologe oder Meteorologin hat man von Natur aus Interesse daran, wo die Druckgebilde entstehen, mit denen man sich so im Alltag auseinandersetzt. Da Island sowieso spannende Landschaften und vielseitige Natur zu bieten hat, gehört das Land sicherlich zu den absoluten Traumzielen in der meteorologischen Community und bei allen, die sich für Wetter, Vulkanismus, Wale, Vögel usw. begeistern. Daher war es absehbar, dass in einem Urlaub Island angesteuert werden MUSS. Da auch der Wettergott niemanden enttäuschen wollte, gab es nicht „nur“ Sonnenschein, sondern am Ende einer eindrücklichen Rundreise sorgte das Islandtief NIKOLAUS an der Südküste für Regen und vor allem Sturm.

Das Tief entwickelte sich östlich von Neufundland und wurde am 25.06.2023 auf den Namen NIKOLAUS getauft. Am 27.06.2023 erreichte das okkludierende Frontensystem mit Regen und vor allem Sturm die Südküste Islands, während die dazugehörige Warmfront ab dem 28.06.2023 allmählich Einfluss auf das Wettergeschehen in Deutschland nahm. Viel Regen kam hierbei nicht zusammen, doch sorgte die dazugehörige Bewölkung für teils ganztägig bedeckten Himmel im Nordwesten. Im Zusammenhang mit der Kaltfront konnten dann ab dem 29.06.2023 schauerartige Regenfälle und einzelne Gewitter verzeichnet werden.

DWD Ein Islandtief auf Island

Doch nun zurück nach Island und zum 27.06.2023. An diesem Morgen konnte man wahrlich von „Ruhe vor dem Sturm“ sprechen. Man muss an dieser Stelle zwar etwas differenzieren: Wenn wir hier von Sturm sprechen, dann kann es sich aus isländischer Sicht auch nur um ein mehr oder weniger laues Lüftchen handeln. Doch was für diesen Tag vorhergesagt war, war dann doch auch mehr als ein laues Lüftchen und der isländische Wetterdienst gab eine „gelbe“ Windwarnung heraus. Zum Vergleich: In Deutschland wird eine gelbe Windwarnung herausgegeben, wenn die Windböen Geschwindigkeiten von 50 km/h erreichen und/oder überschreiten. In den Hochlagen passiert das natürlich schneller als in tieferen Lagen, weswegen hierbei gerne separiert wird, wobei das an dieser Stelle nun etwas weit führen würde. Jedenfalls wurde an besagtem 27.06.2023 an Islands Südküste vor mittleren Windgeschwindigkeiten (nicht die Geschwindigkeiten der Böen!) von 55 bis 81 km/h gewarnt.

DWD Ein Islandtief auf Island

DWD Ein Islandtief auf Island 1

Bei einer Bootsfahrt auf der Gletscherlagune Jökulsárlón um 9 Uhr konnte man noch nichts erahnen, doch richtigerweise wurde die Gletscherwanderung, die für die Mittagsstunden angesetzt war, abgesagt. Tatsächlich ging dann auch alles sehr schnell. Als Alternative zur abgesagten Gletscherwanderung wurde die Gletscherzunge Svínafellsjökull besucht, die relativ leicht zugänglich ist. Dies war gerade einmal drei Stunden später und man konnte sich (fast) nicht mehr auf den Beinen halten. Natürlich ist es immer sehr schwer, lokal die Böen abzuschätzen, aber zu dieser Zeit konnten entlang der Südküste bereits 80 km/h und mehr gemessen werden. Im Nachmittagsverlauf nahm der Wind dann weiter zu und die Busfahrt gestaltete sich etwas ruppig, doch wie oben erwähnt, ist Wind in Island nicht gleich Wind in Deutschland, weswegen sich der Busfahrer nicht aus der Ruhe bringen ließ. Manche Straßen waren aber doch vorsorglich von einer Sperrung betroffen. Letztendlich waren dann die ein oder andere orkanartige Böe und Orkanböe dabei, mit den Spitzenwerten von 152 km/h in Reynisfjall und 176 km/h in Steinar.

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Auch Regen kam etwas zusammen, wobei die Mengen meist bei unter 20 l/qm in 24 Stunden lagen. Der gefühlt waagrecht fallende leichte Regen machte das Ganze in Kombination mit den Windböen noch unangenehmer. Doch noch unangenehmer war es sicherlich an so manchem Strand, an denen man mit schwarzem Sand quasi gesandstrahlt werden konnte.

 

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Isländisch, aber nicht ganz so stürmisch ist das Deutschlandwetter am heutigen Dienstag. Zwar ist heute kein Islandtief wetterbestimmend, aber ein Tiefdruckgebiet über Südskandinavien. Schauerartiger Regen über der Südhälfte, Höchsttemperaturen von teilweise keinen 20 Grad und teils böig auffrischender West- bis Nordwestwind vermitteln den Eindruck von typischem Wetter auf Island. Einzelne Gewitter stehen in der Südhälfte zwar ebenfalls auf der Agenda, die haben allerdings nicht wirklich was mit Island zu tun…

M.Sc. (Meteorologin) Tanja Sauter
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 25.07.2023
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

Hitze, Trockenheit und Waldbrände dominieren den östlichen Mittelmeerraum!

Während sich über Nord- und Nordwest- sowie Mitteleuropa eine zyklonale Westlage eingestellt hat, sodass unter Tiefdruckeinfluss wiederholt atlantische Luft in die Nordhälfte Europas strömt, sorgt ein Tief westlich des Schwarzen Meeres dafür, dass heiße Luft von Ägypten nach Griechenland und in die Türkei weht. Zudem kann sich auch von Israel, Syrien und dem Libanon bis zum Iran und Irak weiter die heiße Luft einnisten. Nachdem die Iberische Halbinsel bei Höchstwerten unter 36 Grad vorübergehend etwas „durchschnaufen“ konnte, soll sich zum Wochenende auch dort die Lage bei Hochdruckeinfluss und recht viel Sonnenschein wieder etwas verschärfen, indem die Werte wieder um 40 Grad liegen.

DWD Hitze Trockenheit und Waldbraende dominieren den oestlichen Mittelmeerraum

Am heutigen Mittwoch wird der Hitzehöhepunkt in Griechenland erwartet. Vor allem im Süden und Osten des Landes sollen die Temperaturen tagsüber auf Werte zwischen 39 und 46 Grad steigen. Aber auch im Nordwesten Griechenlands bleibt es bei Maxima von 34 bis 38 Grad heiß. Schwitzen ist am heutigen Mittwoch zudem in der Türkei angesagt. Auch dort simulieren die Modelle Höchsttemperaturen von 37 bis 44 Grad. Gleichermaßen steht die Hitze auch auf Zypern bei Werten um 40 Grad, in Syrien mit 37 bis 46 Grad, in Israel mit 32 bis 42 Grad, oder in Ägypten abseits der Küste mit 38 bis 50 Grad voll im Fokus. Aber die Hitze kommt nicht allein!

DWD Hitze Trockenheit und Waldbraende dominieren den oestlichen Mittelmeerraum 1

Neben der Hitze sorgen auch die starke Sonneneinstrahlung und die mit Feuchte angereicherte Luft für eine zusätzliche Belastung. Aufgrund der Sonne kann viel Mittelmeerwasser verdunsten und sich als Wasserdampf in der Luft aufhalten. Umso wärmer die Luft, desto mehr Wasserdampf kann diese aufnehmen. Je höher die Lufttemperatur ist, desto geringer wird die notwendige relative Feuchte um Schwüle zu erzeugen. Bei einer aktuellen Temperatur von ca. 17 Grad beträgt der Sättigungsdampfdruck gerade 18.8 hPad.h. es müssen etwa 100 % relative Feuchte herrschen, um Schwüle zu erreichen. Bei 20 Grad werden immerhin 80 %, bei 30 Grad noch 44 % und bei 40 Grad nur ca. 25 % relative Luftfeuchte benötigt, um das Milieu als schwül zu empfinden. Vor allem im Küstenumfeld der Mittelmeerstaaten beträgt die spezifische Feuchte derzeit aber 40 bis 80%, was auf eine extreme Schwüle schließen lässt. Der Körper leidet daher stark unter der Hitze und der Schwüle. Auch die Nächte können bei Tiefstwerten zwischen 27 und 20 Grad kaum für Entlastung sorgen.

DWD Hitze Trockenheit und Waldbraende dominieren den oestlichen Mittelmeerraum 2

Trotz der hohen Feuchte in der Luft sind Niederschläge rar. Allenfalls lokal begrenzt können einzelne heftige Gewitter ausgelöst werden und dort zu heftigem Starkregen, Hagel und Sturmböen führen. Diese örtlichen Schauer und Gewitter mindern daher kaum die anhaltende Trockenheit und sorgen auch nicht für eine natürliche Unterstützung beim Löschen der zahlreichen Wald- und Flächenbrände. Bis über das kommende Wochenende hinweg sind im Umfeld des Mittelmeeres kaum signifikante Regenfälle zur erwarten. Allenfalls im Norden Spaniens, in der Balkanregion oder rund ums Schwarze Meer sind in diesem Kontext nennenswerte Niederschlagsmengen möglich.

DWD Hitze Trockenheit und Waldbraende dominieren den oestlichen Mittelmeerraum 3

Statt den zahlreichen Feuerwehrleuten und freiwilligen Helfern eine Stütze zu sein, präsentiert sich das Wetter eher als launischer Partner, der die Brände anfacht. Verantwortlich dafür ist der stark böige, teils stürmische Wind, der vielerorts herrscht.

Dipl.-Met. Lars Kirchhübel
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 26.07.2023
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

Sommerhalbzeit

Genau heute wird im meteorologischen Sommer zur Halbzeit gepfiffen. Das ist ein guter Zeitpunkt, die ersten 45 der 91 Tage des Sommers Revue passieren zu lassen. Für eine kurze Halbzeitbilanz schauen wir uns die Abweichungen von Temperatur, Niederschlag und Sonnenscheindauer in Bezug auf die Klimareferenzperiode 1961-1990 an.

Der meteorologische Sommer 2023 startete im Juni mit viel Hochdruckeinfluss. Am Rande blockierender Hochdruckgebiete über Nordwest- und Nordeuropa wurde mit vorwiegend östlicher Strömung oft trockene und kontinental geprägte Luft zu uns geführt, die Sonne schien nicht selten von früh bis spät. Erst zur Junimitte nahm die Tiefdruckaktivität zu, in zeitweise schwül-heißer Luft kam es teils zu heftigen Gewittern, die allerdings selten flächigen Niederschlag brachten. Nach erneutem Hochdruckeinfluss im Laufe der dritten Dekade stellte sich die Wetterlage zum Monatswechsel um. Statt Hochdruckgebieten brachten sich über Nordwest- und Nordeuropa Tiefdruckgebiete in Stellung. An dessen Rand setzte sich mit vorwiegend westlicher Strömung im Norden mal mehr, mal weniger warme, nach Süden zu öfter heiße und bisweilen auch zu teils heftigen Gewittern neigende Luft durch. Flächiger Landregen blieb aber weiterhin aus.

Und was bedeutet das nun unterm Strich für die gemittelten Temperaturen, die Niederschläge und die Summe der Sonnenscheindauer?

Bezogen auf die Klimareferenzperiode von 1961-1990 kann man ganz klar festhalten, dass der bisherige Sommer deutlich zu warm ausfiel (siehe Abbildung 1, links). In der Südhälfte war es besonders warm, dort liegen die Tagesmitteltemperaturen verbreitet 3 bis 4 Grad über dem Durchschnitt. Nach Norden zu gehen die positiven Anomalien zwar zurück, sind meist +2 bis +3 Grad aber immer noch nennenswert. Mit einem Deutschlandmittel der Tagesmitteltemperatur von rund 19 °C und einer Abweichung von etwa +3,1 Grad würde der Sommer auf Platz 4 der wärmsten seit Beginn der Wetteraufzeichnungen landen. Bezogen auf die neue Referenzperiode 1991-2020, die dem subjektiven Empfinden wohl noch etwas näherkommt, ist der Sommer mit +2,1 Grad übrigens bisher ebenfalls deutlich zu warm!

DWD Sommerhalbzeit

Beim Niederschlag zeigt sich ein sehr heterogenes Bild, bedingt durch die eher kleinräumig aufgetretenen Schauer und Gewitter (siehe Abbildung 2, mittig). Teilweise war es extrem trocken, zum Beispiel vom Saarland über Rheinland-Pfalz bis nach Hessen, wo zur Hälfte des Sommers nicht selten weniger als 20 %, also erst ein Fünftel der zu erwartenden Gesamtmengen gefallen sind. Kleinräumig blieben die Regenfässer sogar fast komplett leer. Ansonsten liegen wir in den Mittelgebirgen, wo bevorzugt Schauer und Gewitter entstehen, mit 30-50 % des Niederschlags zumindest etwas näher am Soll. Mehr als 50 % und damit mehr als bis zum jetzigen Zeitpunkt üblich sind in Teilen Nordwest- und Ostdeutschlands gefallen. Die Gebiete mit unterdurchschnittlichen Niederschlägen überwiegen aber, sodass im Deutschlandmittel nur knapp 35 % des gesamten Sommersolls an Niederschlag zu Buche schlagen, es also signifikant zu trocken war.

Passend dazu liegen wir bei der Sonnenscheindauer meist über 50 %, es war also quasi überall zu sonnig bisher (siehe Abbildung 1, rechts). Allerdings zeigt sich auch hier ein mehr oder weniger deutliches Südwest-Nordost-Gefälle.

Und wie geht es weiter?

Zumindest bezogen auf die Temperatur sehr schwankend, denn die durch nordeuropäische Tiefdruckgebiete geprägte, unbeständige „Westwindwetterlage“ setzt sich fort. In der Abbildung 2 erkennt man, dass die gemessene Mitteltemperatur im bisherigen Sommerverlauf (grün) immer über der Mitteltemperatur der Referenzperiode 1961-1990 (schwarz) lag. Bis Ende des Monats setzen sich diese Temperaturschwankungen auf insgesamt etwas niedrigerem Niveau als zuletzt fort, teilweise könnte es sogar mal leicht zu kühl werden. Damit dürften die starken Abweichungen der Mitteltemperaturen des Sommers zumindest etwas abschmelzen.

DWD Sommerhalbzeit 1

Dipl.-Met. Adrian Leyser
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 17.07.2023
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

Das Christkind im Juli

Bereits in den vergangenen Wochen waren die anormal hohen Meeresoberflächentemperaturen ein mediales Thema. Davon betroffen ist unter anderem der äquatoriale Pazifik, vor allem im zentralen und östlichen Bereich. Üblicherweise liegen die Wassertemperaturen in diesem Bereich relativ betrachtet im eher niedrigen Bereich. Von Zeit zu Zeit aber verändern sich die Temperaturverhältnisse im dortigen Ozean derart, dass sehr warmes Wasser an die Oberfläche transportiert wird; bis hin an die peruanische und ecuadorianische Küste.

DWD Das Christkind im Juli

Diese veränderten Temperaturverhältnisse wirken durch die Kopplung von Ozean und Atmosphäre in der Folge auch weitreichend auf Wetter und Klima. So ist durch den steigenden Wärmeeintrag mit einer noch stärkeren Zunahme des globalen Temperaturmittelwerts über die nächsten 1 bis 2 Jahre zu rechnen. Zu erwarten sind dabei zum Beispiel noch ausgeprägtere Hitzewellen in Regionen, die davon ohnehin bereits betroffen sind. Dies ist vor allem in den tropischen und subtropischen Breiten der Fall.

DWD Das Christkind im Juli 1

Diese Zunahme an Wärmeperioden und Hitzewellen geht Hand in Hand mit starken Veränderungen der Niederschlagsverteilung über Raum und Zeit. Einerseits führt El Niño in den Wintermonaten (Dezember bis Februar) zu ausgeprägten Dürreperioden (z.B. im westpazifischen Raum), andererseits aber auch zu extremen Starkregenereignissen, die weiterhin zu Überflutungen führen (z.B. in Teilen Nordamerikas).

DWD Das Christkind im Juli

Aber nicht überall sind diese Veränderungen zu erwarten. Zwar lassen sich auch für Europa mögliche Temperatur- und Niederschlagsanomalien nicht ausschließen, aber es gibt diesbezüglich keine statistisch robuste Systematik. Oder mit anderen Worten: Etwaige Wetter- und Klimaextreme lassen sich nicht einfach auf ein stattfindendes El Niño-Ereignis zurückführen. Hier bedarf es der Anstrengungen der Attributionsforschung, um einzelne Ereignisse einer konkreten Ursache – wie eben El Niño oder der anthropogen verursachten Erderwärmung im Allgemeinen – zuordnen zu können.

Mögliche Auswirkungen sind in den nächsten Jahren eher auf indirekte Art und Weise im sozioökonomischen Bereich zu erwarten. Ernte- und Fischereiausfälle machen sich auch hierzulande durch steigende Preise bemerkbar. Potenziell zunehmende Dürren und Hungersnöte lassen auch keine Erwartung hinsichtlich der Abnahme des bestehenden Migrationsdrucks zu.

Welche weiteren Auswirkungen das gegenwärtige El Niño-Ereignis haben wird, lässt sich insgesamt kaum beziffern. Mit einem schnellen Ende sollte man aber nicht rechnen – die Saisonalprognosen des DWD zeigen in den kommenden Monaten weiter zunehmende Meerestemperaturen im Zentral- und Ostpazifik.

Felix Dietzsch, M.Sc
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 18.07.2023
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst