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Erste Frühlingsgewitter samt lokalem Starkregen

Das vergangene vorletzte Märzwochenende war meteorologisch betrachtet deutlich ereignisreicher als die Woche zuvor, die vor allem durch das beständige Hochdruckgebiet „Konstantina“ geprägt war. Verantwortlich dafür war vor allem das Tiefdruckgebiet „Volker“, das sich vom Ostatlantik her auf den Weg nach Mitteleuropa gemacht hat und nun am heutigen Montagmorgen mit seinem Kern über Ostpolen lag. Auf der Vorderseite des Tiefs wurde sehr milde Mittelmeerluft herangeführt, sodass es am Freitag bei in weiten Landesteilen strahlendem Sonnenschein für Höchstwerte über 20 Grad gereicht hat. Spitzenreiter war Rheinstetten (Baden-Württemberg) mit frühlingshaft warmen 24,0 Grad. 

Erste Fruehlingsgewitter samt lokalem Starkregen teil 1

Höchstwerte in Deutschland von Freitag, den 21.03.2025 bis Sonntag, den 23.03.2025 (Quelle: DWD) 

Auch am Samstag und Sonntag war es noch sehr mild, wenngleich die Höchsttemperaturen nicht mehr an das Niveau vom Freitag heranreichten. Dies lag vor allem an der zunehmenden Bewölkung als auch daran, dass der Wind im Norden und Osten des Landes aus östlichen Richtungen wehte. Dieser war besonders am Samstag recht ruppig unterwegs und nordöstlich einer Linie Münsterland-Westerzgebirge reichte es verbreitet bis ins Flachland für steife Böen zwischen 50 und 60 km/h (Bft 7). 

Erste Fruehlingsgewitter samt lokalem Starkregen teil 2

Maximale Windböen in km/h am Samstag, den 22.03.2025 (Quelle.DWD) 

An den Küsten sowie auf den Bergen und vereinzelt auch im Binnenland traten stürmische Böen und Sturmböen zwischen 65 und 80 km/h (Bft 8-9) auf. In den Alpen gab es Föhn. 

Ein besonderes Augenmerk gilt nun noch dem Niederschlag. Besonders in der Südwesthälfte gab es am Samstag, aber insbesondere ab der Nacht zum Sonntag und am Sonntag selbst, schauerartige Regenfälle sowie einzelne Gewitter. Örtlich trat auch Starkregen auf. Von Samstagfrüh bis Sonntagfrüh fielen im Westen 3 bis 10, lokal um 15 l/m². Am Sonntag gab es dann vorrangig in einem Streifen vom Sauerland über Teile der Mitte bis in die Donauregion sowie vom Ammergebirge bis ins Chiemgau gebietsweise 5 bis 15, lokal auch über 20 l/m². Punktuell wurden mittels Radarauswertungen auch noch höhere Mengen von etwa 40 l/m² gemessen. Die höchste gemessene Niederschlagsmenge gab es in Sassendorf, Bad Beusingsen (NRW) mit 25,8 l/m² zwischen Sonntagmorgen und Montagmorgen. 

Erste Fruehlingsgewitter samt lokalem Starkregen teil 3

Aus Radardaten abgeleitete 24-stündige Niederschlagsmenge zwischen Samstagmorgen und Sonntagmorgen (linkes Bild) und zwischen Sonntagmorgen und Montagmorgen (rechtes Bild) (Quelle: DWD) 

Diese kräftigen Niederschläge traten teilweise in Verbindung mit Gewittern auf. Dabei handelte es sich um sogenannte Einzelzellen. Sie sind die kleinsten konvektiven Systeme mit einer relativ kurzen Lebensdauer von 30 bis 60 Minuten und entstehen häufig an Sommertagen durch bodennahe Aufheizung als sogenannte Wärmegewitter. Dabei muss die Auslösetemperatur erreicht werden, damit ein Luftpaket ungehindert aufsteigen kann und es somit zur Quellwolken- bzw. Gewitterbildung kommt. Die Auslösetemperatur ist die Temperatur, die man in Bodennähe benötigt, damit ein Luftteilchen aufgrund seiner geringeren Dichte, verglichen mit der Umgebungsluft, aufsteigen kann. Die vertikale Scherung des Horizontalwindes, die die Richtungsänderung und die Geschwindigkeitsänderung des Windes in unterschiedlichen Höhen beschreibt, ist bei Einzelzellen gering. Zuerst entsteht bei der Zellneubildung ein einzelner Aufwindbereich (der Updraft), in dem bodennahe feuchtwarme Luftmassen aufsteigen. Die Gewitterwolke durchläuft in ihrem Lebenszyklus dabei drei Entwicklungsstadien. Das erste Entwicklungsstadium wird „Cumulusstadium“ genannt. Hier bildet sich ein Cumulus Congestus (eine Wolkenart), in dem es zu starken Aufwinden kommt, was dazu führt, dass feuchtwarme Luftmassen in höhere Luftschichten gelangen. Danach folgt das „Reifestadium“, in dem sich starke Abwinde (der Downdraft), hervorgerufen durch ausfallenden und verdunstenden Niederschlag, entwickeln. Durch das rasche Herabfallen von kälterer Luft aus größeren Höhen, kommt es im Bereich des Downdrafts am Boden zu einem symmetrischen horizontalen Auseinanderströmen und kräftige Böen sind die Folge. Im letzten Stadium, dem „Dissipationsstadium“, stirbt die Gewitterwolke quasi ab. Anfangs ist die Niederschlagsintensität der Zelle zwar am stärksten, aber durch fehlende Windscherung dreht der Downdraft dem Updraft quasi „den Hahn zu“. Damit wird der Nachschub an feuchter und warmer Luft abgeschnitten und die Zelle stirbt. Einzelzellen bringen kurzzeitigen Starkregen und bei stärkeren Entwicklungen auch stürmische Böen oder kleinkörnigen Hagel hervor.

Auch heute und morgen treten vorrangig in der Südwesthälfte noch einzelne Schauer und Gewitter mit punktuellem Starkregen auf.

Dipl.-Met. Marcel Schmid
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 24.03.2025
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst 

 

Extreme Wetterbedingungen in den USA

Ein Tief über den zentralen Teilen der USA zieht heute nordostwärts zu den großen Seen. Dies allein ist nicht ungewöhnlich. Ungewöhnlich ist der tiefe Luftdruck im Kern des Tiefs von unter 980 Hektopascal. Dieser ist für März nicht weit entfernt von den Rekordwerten für diese Jahreszeit und die Region in den USA, siehe Link 1.

Besonders im Frühling können in den USA sehr unterschiedliche Luftmassen aufeinandertreffen. So ist es auch dieses Mal. Von Süden werden feuchte und warme Luftmassen vom Golf von Mexiko herangeführt. Von Westen werden warme und trockene Luftmassen nach Osten gelenkt und von Norden fließt arktische Kaltluft über Kanada nach Süden. Gepaart mit diesem sehr kräftigen Tief waren und sind Wetterphänomene am „oberen Rand“ des Möglichen zu erwarten. 

Extreme Wetterbedingungen in den USA teil 1

Satellitenbild von Teilen der USA vom 14.03.2025 21:21 MEZ. 

Die Bandbreite der Wetterphänomene im Zusammenhang mit dieser Wetterlage sind selbst für nordamerikanische Verhältnisse ungewöhnlich und in Europa kaum vorstellbar. In der feucht-warmen Luftmasse kam es gestern zu kräftigen Gewittern, die teilweise neben Großhagel und Orkanböen auch Tornados entwickelten. In Missouri kamen durch Tornados drei Menschen ums Leben. Für den heutigen Samstag ergeben sich für den Südosten der USA besonders „gute“ Bedingungen für schwere Gewitter mit Tornados. Der US-amerikanische Wetterdienst hat deswegen zur höchsten Vorwarnung gegriffen. Ein „high risk“ (Stufe 5 von 5) gilt für Teile von Mississippi und Alabama, siehe Abbildung 2. Zudem kam und kommt es in dieser mit Feuchtigkeit angereicherten Luft zum Teil zu kräftigen Regenfällen und Überflutungen. 

Extreme Wetterbedingungen in den USA teil 2

Abbildung 2: Vorhersage des Storm Prediction Centers der NOAA für den 15.03.2025 https://www.spc.noaa.gov/products/outlook/ 

Weiter westlich waren es starker Wind und eine sehr trockene Luftmasse, die zu Problemen führten. In Amarillo im Norden von Texas erreichte der Sturm zum Beispiel 133 km/h. Für diese Station nicht nur ein Märzrekord, sondern auch ein Allzeitrekord für „nichttornadische“ Böen. Die genannten Bedingungen hatten zudem im Vorfeld den Wetterdienst zur höchsten Warnung vor „wildfires„, also Flächenbränden veranlasst. Die Befürchtungen bewahrheiteten sich, als im gestrigen Tagesverlauf zahlreiche Brände in Texas und Oklahoma entstanden. Allein in Oklahoma waren es mehr als 130 Stück. Als Folge kam es zu Evakuierungen. Damit noch nicht genug kam es über den trockenen und staubigen Böden zu gewaltigen Staubstürmen. Bei nahezu null Sicht kam es zu zahlreichen Unfällen. 

Extreme Wetterbedingungen in den USA teil 3

Satellitenfilm vom 15.05.2025 nachmittags, abends US-amerikanischer Zeit. 

Damit noch nicht genug kam und kommt es im Norden der USA, vornehmlich im Bundesstaat Minnesota zu einem Blizzard. Sturm und heftige Schneefälle sorgen dort für Probleme. Am Sonntag verschiebt sich das Risiko für heftige Gewitter in den Osten der USA, wahrscheinlich aber nicht mit der Häufigkeit und Intensität wie heute. Ansonsten beruhigt sich in weiten Teilen der USA die Wetterlage. 

Extreme Wetterbedingungen in den USA teil 4

Warnkarte des US-amerikanischen Wetterdienstes vom 15.03.2025 https://www.weather.gov/ 

MSc.-Met. Thore Hansen
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 15.03.2025
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst 

 

Hurrikan BERYL

Bereits vor einigen Wochen wurde eine ereignisreiche Hurrikan-Saison für dieses Jahr prognostiziert (siehe dazu Thema des Tages vom 25.06.2024). Nach Tropensturm ALBERTO, der am 20.06.2024 auf Mexiko traf, sind nun gleich zwei tropische Stürme gleichzeitig aktiv und ein dritter könnte weiter östlich im Nordatlantik in den nächsten Tagen entstehen. Der tropische Sturm CHRIS ist verhältnismäßig schwach ausgeprägt und sehr kurzlebig. Er befindet sich momentan an der Küste Mexikos und wird bereits in den nächsten Stunden zur tropischen Depression herabgestuft werden. Er bringt dem zentralamerikanischen Land vor allem viel Regen und an der Küste auch orkanartige Böen.

Anders verhält es sich mit dem Hurrikan BERYL, der schon einige Rekorde geknackt hat. Gestern wurde der extrem gefährliche Tropensturm auf der Saffir-Simpson Skala zu einem Kategorie 4 Hurrikan hochgestuft. Er gilt damit als der erste Kategorie 4 Hurrikan der jemals im Juni im Nordatlantik aufgetreten ist. Zudem ist die Entwicklung von BERYL ungewöhnlich, da er für die Jahreszeit untypisch, sehr weit im Osten entstanden ist (bei 49,3° westlicher Länge). Bis jetzt gab es vermutlich keinen Hurrikan der im Juni östlicher seinen Ursprung fand. Den aktuellen Rekord hielt bis jetzt der Trinidad Hurrikan aus dem Jahr 1933 inne. Dieser entstand etwa auf dem 59. Längengrad westlicher Länge.

DWD Hurrikan BERYL

Grund für die Entwicklung des Hurrikans waren die außergewöhnlich hohen Meeresoberflächentemperaturen im Nordatlantik und der damit verbundenen sehr feuchten Atmosphäre. Durch geringe Windscherung konnten sich initiierte Gewitter gut organisieren und formierten eine tropische Depression. Diese entwickelte sich rapide innerhalb von nur wenigen Stunden zum Tropischen Sturm. Die rasante Entwicklung setzte sich weiter fort und führte schließlich zum stärksten Juni-Hurrikan im Nordatlantik. Damit wurde Hurrikan Audrey aus dem Jahr 1957 von ihrem Platz verdrängt.

DWD Hurrikan BERYL

Am heutigen Montag beeinflusst Hurrikan BERYL Barbados, die südlichen karibischen Inseln Grenada sowie St. Vincent und die Grenadinen. Dabei treten Windgeschwindigkeiten von bis zu 215 Kilometern pro Stunde auf. Der tiefste Druck im Zentrum des Sturms lag bis jetzt bei 958 Hektopascal. Es werden für die südliche Karibik Regenmengen zwischen 80 und 150 Litern erwartet. Im weiteren Verlauf verlagert sich der Sturm mit etwa 30 Kilometern pro Stunde westwärts weiter über die Karibische See hinweg. Das Einflussgebiet umfasst einen Bereich mit Radius von 200 Kilometern um das Auge des Sturms. Dabei werden neben extremen Orkanböen, Sturmfluten, extrem heftigem Starkregen auch hoher Seegang erwartet.

Der Hurrikan befindet sich wahrscheinlich bereits auf seinem Höhepunkt. Bis Dienstagabend, soll er laut Prognosen „nur noch“ maximal Kategorie 2 auf der Saffir-Simpson Skala erreichen. Doch auch als nur noch mäßiger Hurrikan werden noch in Böen Windgeschwindigkeiten bis zu 170 Kilometern pro Stunde prognostiziert. Zum Wochenende erreicht der Sturm dann voraussichtlich die südliche Küste Mexikos oder die nördliche Küstenlinie Belizes.

DWD Hurrikan BERYL 1

Der Höhepunkt der Hurrikan-Saison liegt statistisch zwischen Mitte August und Ende September. In diesem Zeitraum traten am häufigsten Hurrikans der Kategorie 5 auf, was auch an den Wassertemperaturen liegt, die im Mittel vergleichbar mit den aktuellen Meeresoberflächentemperaturen sind. Es bleibt also abzuwarten, wie sich die diesjährige Hurrikan-Saison weiterentwickelt.

MSc Sonja Stöckle
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 01.07.2024
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

Eine turbulente Wetterwoche mit teils schweren Gewittern steht uns bevor!

Nach einer kurzen Verschnaufpause steht uns am morgigen Dienstag in einigen Teilen Deutschlands eine Schwergewitterlage bevor. Nachdem sich das Wochenende zumindest wettertechnisch recht ruhig und meist kühl gestaltetet hatte, stellt sich die Wetterlage zum Start in die neue Woche um. Das wetterbestimmende Tiefdruckgebiet VALESCA bei den Britischen Inseln verlagert sich unter weiterer Abschwächung nach Skandinavien. Gleichzeitig spaltet sich vor der Küste Nordspaniens ein Höhentief von der Höhenströmung ab und verlagert sich langsam in Richtung Iberische Halbinsel. Dabei werden auf der Vorderseite des Tiefs sehr warme bis heiße Luftmassen über den westlichen Mittelmeerraum nach Norden bis in die Südhälfte Deutschlands transportiert. Durch die Überströmung des Mittelmeeres kommt es zu einer signifikanten Anfeuchtung, sodass die vorherrschende Luftmasse am Dienstag in der Süd- und Osthälfte des Landes einen sehr hohen Feuchtegehalt aufweist. Gebietsweise liegen dort die  bei über 20 Grad.

DWD Eine turbulente Wetterwoche mit teils schweren Gewittern steht uns bevor

Zur selben Zeit strömt auf der Rückseite von VALESCA weiterhin kühle Meeresluft in den Nordwesten Deutschlands ein. Dadurch entsteht quer über Deutschland eine Luftmassengrenze, die sich nach aktuellem Stand in einem Bereich von Nordrhein-Westfalen bis nach Südbrandenburg erstreckt. Im Bereich der Luftmassengrenze kommt es zu kräftigen schauerartigen Niederschlägen und vor allem südlich davon auch zu schweren Gewittern. Da in dieser Zone sowohl eine stark ausgeprägte Windgeschwindigkeits- als auch Richtungsänderung mit der Höhe vorhanden ist, können sich stellenweise Superzellen ausbilden. Dabei handelt es sich um langlebige, gut organisierte Gewitter, die häufig ein hohes Gefahrenpotential aufweisen. Morgen liegt die größte Wahrscheinlichkeit für solche Gewitter in einem Bereich, der südlich an die Luftmassengrenze angrenzt. Dieses Gebiet erstreckt sich voraussichtlich von der Eifel über Nordhessen bis nach Südbrandenburg. Dort muss örtlich mit heftigem Starkregen, größerem Hagel von 3 bis 5 Zentimeter Korndurchmesser und Böen bis in den Orkanbereich gerechnet werden. Auch die Ausbildung einzelner Tornados ist nicht ganz ausgeschlossen.

DWD Eine turbulente Wetterwoche mit teils schweren Gewittern steht uns bevor 1

Südlich des Mains fehlt zur Auslösung von Gewittern der Hebungsantrieb. Dort sind zunächst lediglich im Bereich der Mittelgebirge einzelne heftige Gewitter möglich. Diese können aber durchaus auch mit ähnlichen Begleiterscheinungen einhergehen. Lediglich die Ausbildung von Tornados ist aufgrund einer zu hohen Wolkenbasis und schwächerer in der unteren Troposphäre unwahrscheinlich. Im Südwesten kommen voraussichtlich in der Nacht zu Mittwoch häufiger, teils kräftige Gewitter auf. Nur südlich der Donau werden unter anderem aufgrund des Föhns an den Alpen keine Niederschläge erwartet. Auch im äußersten Nordwesten bleibt es in der deutlich kühleren Meeresluft ruhig. Dort liegen die Höchsttemperaturen zudem nur bei etwa 20 Grad, während im Süden in der schwülwarmen Luftmasse bis zu 33 Grad erreicht werden.

In den darauffolgenden Tagen stehen hauptsächlich im Süden weiterhin stellenweise kräftige Gewitter mit Unwetterpotenzial an. Vor allem am Freitag deutet sich nach jetzigem Stand eine neue Unwetterlage durch schwere Gewitter an. Eine genauere Eingrenzung der Schwerpunkte ist zum jetzigen Zeitpunkt aber noch nicht möglich. Aktualisierte Informationen zur Unwettersituation erhalten Sie jederzeit auf der oder in der Warn-Wetter-App.

M.Sc. Meteorologe Nico Bauer
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 17.06.2024
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

Jahrhunderthochwasser in Süddeutschland – eine Nachlese

Entwarnung?

Die aktuelle Hochwasserlage im Süden – insbesondere im Bereich der unteren Donau – ist weiterhin als äußerst kritisch zu bezeichnen. Etliche Pegelstände haben noch immer die höchste Meldestufe 4 überschritten. Der erwartete Scheitel erstreckt sich aktuell zwischen Donauwörth-Regensburg-Passau beziehungsweise steht dort unmittelbar bevor. In Regensburg an der Eisernen Brücke steht das Wasser aktuell bei 615 cm. Vor genau 11 Jahren waren es zum Allzeitrekord 682 cm. In Passau sind 991 cm erreicht und die 10 Meter-Marke könnte laut Prognosen im Tagesverlauf überschritten werden. Für den morgigen Mittwoch wird der Scheitel in Vilshofen erwartet. Bis die Pegel der nur sehr zögernd vorankommenden Welle an der unteren Donau abschwellen, wird es voraussichtlich bis zum Wochenende dauern. Von Baden-Württemberg her gehen die Pegelstände derweil langsam zurück. Dort ist das Schlimmste überstanden.

DWD Jahrhunderthochwasser in Sueddeutschland eine Nachlese

Nun sind wir ja keine Hydrologen, sondern Meteorologen und können daher zumindest aus unserer Perspektive festhalten, dass der große Regen erstmal vorbei ist. Nachdem es gestern gerade am unmittelbaren Alpenrand nochmals heftigst geschüttet hatte, ist mit Zwischenhoch WILLI inzwischen deutlich trockenere Luft auch in den Süden des Landes eingeflossen, womit nun erstmal trockenes Wetter überwiegt. Das ermöglicht uns, ein kleines Resümee der vergangenen Tage zu ziehen.

Was ist passiert?

Die bevorstehende Unwetterlage hatte sich aufgrund der Großwetterlagenkonstellation mehrere Tage im Vorfeld mit ausreichender Sicherheit angekündigt, so dass wir entsprechend handeln konnten und neben den üblichen Vorabinformationen gefolgt von Unwetterwarnungen (ausgegeben am Donnerstagmittag, 30.05.2024) noch vor den ersten Tropfen frühzeitig unter anderem auch mit dem Bevölkerungs- und Katastrophenschutz sowie Hochwasserzentralen in Kontakt waren. Unsicherheiten gab es jedoch bezüglich der genauen Niederschlagsschwerpunkte und insbesondere der gewittrigen Einlagerungen, die eine genaue Prognose erheblich erschwerten.

Es begann in der Nacht zum Freitag, wo zunächst nur einzelne Schauer in Süddeutschland unterwegs waren, ausgehend von den Alpen nordwärts bis zur Donau ausgreifend stärker und länger andauernd zu regnen. Darin eingelagert waren bereits erste kleinräumige Zellen mit Starkregen und zweistelligen Litersummen pro Quadratmeter und Stunde. Dieses großräumige Regengebiet dehnte sich tagsüber bis in die Osthälfte Baden-Württembergs und in den Raum Nürnberg aus, wohingegen der Regen im östlichen Alpenvorland vorübergehend pausierte. Neue Modellberechnungen und bereits gefallene Summen veranlassten uns am Freitagmittag, einige Bereiche von der Alb bis ins Oberallgäu auf extremes Unwetter hochzustufen (Stufe 4 von 4, violett). Bis Samstagvormittag, den 01. Juni 2024 blieb das Regengebiet dann nahezu ortsfest und auch von Niederbayern bis ins Berchtesgadener Land setzte erneut teils kräftiger Regen ein.

So zog es sich noch bis in die Mittagsstunden des Samstags, bevor dann ganz klar der konvektive Charakter (wiederholt auftretende Schauer und teils kräftige Gewitter) die Oberhand gewann. Bis dahin beliefen sich die 36 Stunden-Summen allerdings schon auf 50 bis 100, vom Allgäu bis nach Augsburg auf 100 bis 150 l/m². Erste Pegel hatten zu diesem Zeitpunkt bereits die Schwelle für ein 100-jähriges Hochwasser in Teilen Bayerns und Baden-Württembergs überschritten. Wäre zu diesem Zeitpunkt die Lage beendet gewesen, es wäre wohl weit weniger dramatisch geworden. Es folgten jedoch zahlreiche Gewitter, die sich teilweise weit nördlich über Sachsen und Brandenburg bildeten, mit einer nördlichen Strömung aber fortwährend in die Hochwassergebiete geführt wurden.

Am Sonntag traten diese vorübergehend weniger zahlreich und vor allem in Teilen Mittelfrankens auf, was aber erneut den Zustrom kleinerer Flüsse in die Donau (diesmal aus Norden) befeuerte. Am finalen Tag, dem gestrigen Montag, zogen sich die Regenfälle, die zunehmend ungewittrig, aber noch immer schauerartig verstärkt, auftraten, zum Alpenrand zurück. Dort verharrten sie nahezu ortsfest und brachten nochmals teils über 100 Liter auf den Quadratmeter binnen 12 Stunden!

DWD Jahrhunderthochwasser in Sueddeutschland eine Nachlese 1

So steht in der Bilanz der letzten 4 Tage eine akkumulierte Niederschlagssumme von verbreitet 100 bis 200 l/m², am Alpenrand lokal um 300 l/m². Zur Einordnung: Die im monatlichen Mittel zu erwartenden Regensummen liegen beispielsweise in Stuttgart bei rund 80 l/m², in Augsburg bei rund 90 l/m² und in Kempten im Oberallgäu bei knapp 150 l/m². Damit ist im Schwerpunktbereich der Niederschläge teilweise die zweifache Monatssumme binnen weniger Tage gefallen!

Entsprechend verheerend waren und sind die Auswirkungen: Überflutete Straßen und Ortschaften, Dammbrüche, Murenabgänge, zahlreiche Evakuierungen, zig-tausende Hilfskräfte im Einsatz, gesperrte Bahnstrecken, entgleister ICE, leider auch mehrere Vermisste und Tote.

Warum ist es passiert?

Es fängt an mit einer überaus nassen Vorgeschichte, dem Frühjahr 2024. Im landesweiten Durchschnitt hat es mit rund 235 l/m² bezogen auf das langjährige Mittel zwischen 1991 und 2020 rund 137% der zu erwartenden Niederschlagssummen gegeben. Auch in Süddeutschland war es insgesamt zu nass. Die Böden waren im Vorfeld also vergleichsweise gut gesättigt, Flüsse und Bäche gut gefüllt.

DWD Jahrhunderthochwasser in Sueddeutschland eine Nachlese 2

Dann stellte sich bezogen auf Hochwassersituation leider Gottes eine klassische Großwetterlage ein: Die Vb-Lage. Dabei bildet sich über der Adria und Norditalien ein Tief, das auf ungewöhnlicher Zugbahn zunächst nordostwärts, dann häufig leicht westwärts über Tschechien und Polen eindrehend viel Feuchtigkeit über dem Mittelmeer aufnehmen kann und in der Folge zu intensiven Regenfällen führt. Dabei kommt es häufig zu anhaltenden Aufgleitvorgängen, bei denen die leichtere Warmluft in höheren Luftschichten aus Südosten durch bodennahe kühlere Luftmassen aus Nordwesten zum Aufsteigen gezwungen werden und dadurch abregnen. Diese Wetterlage war unter anderem auch für das Elbehochwasser 2002 verantwortlich; in ähnlicher Ausführung mit einem umfangreichen Höhentief über Mitteleuropa auch beim Hochwasser 2013 sowie bei der Ahrtalkatastrophe.

Was in der jüngeren Vergangenheit allerdings auffällig ist, ist die Neigung zu mehr stationären und damit eingefahrenen Strömungsmustern (langandauernde Hitze/Trockenheit auf der einen und Überschwemmungen auf der anderen Seite) sowie die durch den Klimawandel befeuerte Tatsache, dass wärmere Luft mehr Feuchtigkeit speichern kann. Wenn, bildlich gesprochen, der Schwamm über uns immer mehr Wasser speichern kann, kommt unten auch mehr Wasser an. Ein zusätzlicher Faktor sind die schauerartigen, teils gewittrigen Einlagerungen, die diesen Effekt mit eingebetteten Starkregenereignissen nochmal potenzieren. Um im Bilde zu bleiben, drückt man den Schwamm über gewissen Orten nicht gleichmäßig, sondern ruckartig und fest aus. Selbst die Kollegen der skandinavischen Wetterdienste berichten, dass diese sehr gefährlichen Hybridformen aus Landregen und Gewittern immer häufiger auftreten und in der Vorhersage auch bezüglich des Warnmanagements große Probleme bereiten. Wie lange dauert das Ereignis insgesamt? Wo sind die Schwerpunkte? Wie lange müssen die Regenpausen sein, dass sich die Ereignisse nicht mehr beeinflussen? Das sind alles ebenfalls brennende Fragen für die Kollegen der Hochwasserzentralen.

Nicht zuletzt zogen auch weit entfernt entwickelte Gewitterzellen mit der nördlichen Zugbahn in das Hochwassergebiet, ohne sich dabei wesentlich abzuschwächen. Bezüglich der Maxima spielten ebenso auch Staueffekte an den Nordrändern der Schwäbischen Alb und der Alpen eine gewisse Rolle.

Wie ist das einzuordnen?

Nicht nur die Bilder im Fernsehen und die Aussagen der Betroffenen, die schon viele Hochwasser, aber noch nicht in solchen Dimensionen in Teilen Süddeutschlands erlebt haben, belegen die Einordnung als ein Jahrhundertereignis. Auch die Wiederkehrzeit eines solchen Niederschlagsereignisses – sprich der Zeitraum, in dem eine gefallene Niederschlagsmenge statistisch gesehen einmal auftritt – lag in großen Gebieten bei über 100 Jahren.

DWD Jahrhunderthochwasser in Sueddeutschland eine Nachlese 3

Im Zeitraum von 48 Stunden lagen die Mengen bei der Ahrtalkatastrophe mit 100 bis 150, lokal bis an die 200 l/m² in ähnlicher Größenordnung – allerdings in einem Gebiet, wo dies klimatologisch gesehen deutlich seltener vorkommt und zudem durch die eng geschnittenen Täler und den im Vergleich deutlich kleinräumigeren Schwerpunkt die entsprechend verheerenden Folgen mit einer riesigen Flutwelle hatten. Bei der aktuellen Lage waren zunächst die vielen kleinen Flüsse mit sehr stark ansteigenden Pegeln das Problem, wohingegen sich nun verzögert alles zunehmend auf die Donau konzentriert.

Nachdenklich stimmt es, wenn selbst ein Feuerwehrmann im ARD-Brennpunkt trotz Hochwasserschutzmaßnahmen konsterniert wirkt, dass das letztlich doch nichts gebracht hat. Aus Sicht der Wettervorhersage stimmt die immer engere Taktung: Ahrtalkatastrophe Juli 2021, Niedersachsenhochwasser Januar 2024, Hochwasser im Saarland Mai 2024 ebenfalls nachdenklich. Und es muss ganz klar gesagt werden, dass die bei der aktuellen Lage beteiligte Luftmasse Ende Juli/Anfang August nochmal eine potentielle stärkere Wucht in Form von noch mehr Wassergehalt entfaltet hätte.

Immerhin bleibt es nun in den kommenden Tagen bis auf vereinzelte Schauer und Gewitter im Süden erstmal größtenteils trocken. Erst zum Wochenende hin steigt die Gefahr von gewittrigem Starkregen wieder an, allerdings wohl größtenteils unterhalb des Unwetterbereichs.

Dipl.-Met. Robert Hausen
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 04.06.2024
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

Wettergegensätze

Die Großwetterlage über Europa ist eingefahren, die dominierenden Druckgebilde äußerst immobil. Über Nordeuropa hat sich ein sehr umfangreiches und kräftiges Hochdruckgebiet etabliert, das von zwei Tiefdruckgebieten über West- und Osteuropa flankiert wird. Der Jetstream über Europa wird dabei zu großen „Ausholbewegungen“ gezwungen und zeichnet dabei einen Weg nach, der dem griechischen Buchstaben Omega ähnelt (siehe Abbildung 1). Deswegen wird diese sich als sehr stabil erweisende Großwetterlage in Fachkreisen gerne auch als „Omegalage“ bezeichnet. Solche Omegalagen sind prädestiniert für Extremwetter unterschiedlichster Couleur. Während sich im Einflussbereich des Hochs Trockenheit einstellt, sorgen die flankierenden Tiefs für ergiebige Niederschläge. Deutschland befindet sich in den nächsten Tagen im Übergangsbereich dieser beiden Wetterregime. Während sich das trocken-warme und sonnige Wetter der vergangenen Tage im Norden und Osten fortsetzt, breitet sich in der Südwesthälfte schwül-warme Gewitterluft aus.

DWD Wettergegensaetze

Das verdeutlicht auch die Vorhersage des Gesamtniederschlags von verschiedenen Modellen bis Samstagabend (18.05.2024, siehe Abbildung 2). Während die Modelle für den Norden und Osten wenig bis nichts an Niederschlag im Angebot haben, werden etwa südwestlich einer Linie Emsland-Erzgebirge verbreitet 30 bis 50 l/m², vor allem im Südwesten und in der Mitte gebietsweise sogar 50 bis 80 l/m² und örtlich um 100 l/m² simuliert. Diese Mengen werden einerseits durch eher kleinräumige, aber mit teils heftigem Starkregen einhergehende Schauer und Gewitter bereitgestellt, die vor allem am Montag und Dienstag (13./14.05.) im Westen und Südwesten auftreten. Andererseits bilden sich ab Mittwoch (15.05.) wahrscheinlich auch größere, mit Gewittern durchsetzte Niederschlagsgebiete, die flächigeren, mehrstündigen Stark- oder Dauerregen bringen. Dann ist neben lokalen Sturzfluten, Überflutungen und vollgelaufenen Kellern auch Hochwasser an kleineren Flüssen und Bächen möglich. An dieser Stelle muss aber darauf hingewiesen werden, dass die Prognose von konvektivem, also zumindest teilweise schauerartigem und gewittrigem Niederschlag generell größeren Unsicherheiten unterliegt.

DWD Wettergegensaetze 1

Während in der Südwesthälfte in Laufe der Woche die Überflutungs- und Hochwassergefahr also ansteigt, wird im Norden und Osten ein ganz anderes Problem auf den Plan gerufen: Die Waldbrandgefahr! Im Mai hat es in weiten Teilen des Ostens wenig oder gar nicht geregnet (siehe Abbildung 3, links), auch davor war es mitunter deutlich zu trocken, sodass zumindest in den oberen Bodenschichten bereits wieder Trockenheit Einzug halten konnte (siehe Abbildung 3, rechts). In den nächsten Tagen kommt dazu ein in Böen starker bis stürmischer Wind, der zum einen die Abtrocknung nochmal beschleunigt, zum anderen potenziell brandfördernd wirkt.

DWD Wettergegensaetze 2

Der Waldbrandgefahrenindex des DWD erreicht bis Ende der Woche in weiten Bereichen des Nordostens und Ostens die höchste Stufe (siehe Abbildung 4). In der Natur ist vor allem dort größte Vorsicht geboten! Jegliche Zündquellen wie beispielsweise eine weggeschmissene Zigarette, illegale Lagerfeuer oder auf Wiesen abgestellte Autos sollten tunlichst vermieden werden! Die allermeisten Waldbrände sind nämlich auf unachtsames, fahrlässiges oder gar mutwilliges Verhalten von Menschen zurückzuführen.

DWD Wettergegensaetze 3

Dipl.-Met. Adrian Leyser
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 13.05.2024
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

Gewitter mit heftigem Starkregen am Donnerstag!

Viel Sonnenschein nur einzelne harmlose Wolkenfelder und frühsommerliche Temperaturen. So gestaltet sich der heutige Tag der Arbeit. Lediglich im Bereich der westdeutschen Mittelgebirge sind ab dem Nachmittag einzelne Gewitter mit lokalem Starkregen, kleinem Hagel und stürmischen Böen möglich. Verantwortlich dafür ist eine über Westdeutschland, die sich im Tagesverlauf etwas nach Westen verschiebt.

Da die Luftmasse vor allem in höheren Schichten recht trocken ist und ein markanter synoptischer Hebungsimpuls zunächst fehlt, sind nur vereinzelte Gewitter im Bereich der Mittelgebirge möglich. Die Osthälfte liegt dagegen unter dem Einflussbereich einer Hochdruckzone über Nord- und Osteuropa. Deshalb sind dort in der stabil geschichteten Luftmasse keine Gewitter möglich und wir dürfen uns bei angenehmen Temperaturen häufig auf einen lupenreinen Maifeiertag freuen. Zum Donnerstag kommt die Tiefdruckrinne in Verbindung mit einem über Westeuropa liegenden nach Nordosten voran.

DWD Gewitter mit heftigem Starkregen am Donnerstag

DWD Gewitter mit heftigem Starkregen am Donnerstag 1

Dabei bildet sich eine Konvergenzlinie aus, die am Nachmittag in etwa von Schwaben über Südhessen bis nach Nordrhein-Westfalen reicht. Dadurch wird die recht feuchte Luftmasse zum Aufsteigen gezwungen und es bilden sich im Vergleich zum Vortag deutlich häufiger teils kräftige Schauer und Gewitter. Durch die relativ schwachen Höhenwinde verlagern sich diese nur langsam und können in Verbindung mit zunehmender Feuchte große Regenmengen produzieren.

DWD Gewitter mit heftigem Starkregen am Donnerstag 2

Somit nimmt die Gefahr von unwetterartigem Starkregen deutlich zu. Örtlich können dabei Niederschlagsmengen um 30 Liter pro Quadratmeter innerhalb kurzer Zeit fallen. Aufgrund der zur Konvergenzlinie nahezu parallelen Verlagerung ist teils auch mehrstündiger Starkregen mit noch höheren Mengen nicht ausgeschlossen. Örtliche Überflutungen sind deshalb am Donnerstag durchaus möglich.

Zudem ist lokal auch Hagel mit von der Partie. Aufgrund der geringen vertikalen  können die Gewitter am morgigen Tag nicht zu Superzellen heranwachsen. Deshalb ist großer Hagel sehr unwahrscheinlich. Größere Hagelansammlungen sind aber gerade auch aufgrund eines recht hohen Energie- und Flüssigwassergehalts dennoch lokal nicht auszuschließen. Auch der Wind wird morgen eine eher untergeordnete Rolle spielen. In kräftigeren Entwicklungen und auf der Vorderseite der Rinne im Osten sind zwar stürmische Böen, in kräftigen Gewittern auch Sturmböen mit dabei, schwere Sturmböen oder gar Orkanböen sind aber nicht zu erwarten. Somit liegt das Hauptaugenmerk eindeutig auf den Starkregen!

Das Tiefdruckzentrum (FLURINA) der Rinne verlagert bis zum Abend über Westdeutschland nach Benelux. Dadurch überquert die Kaltfront des Tiefs den Südwesten Deutschlands, weshalb eine Stabilisierung eintritt und die Schauer und Gewitter im Süden in Regen übergehen. Zudem fließt deutlich kältere Luft ein. Die Bewohner der Nordosthälfte dürfen sich dagegen auch morgen wieder über viel Sonnenschein und frühsommerliche Temperaturen freuen. Dort nimmt die Gewitterwahrscheinlichkeit erst am Freitag deutlich zu.

M.Sc. (Meteorologe) Nico Bauer
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 01.05.2024
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

Zu den Überflutungen in Dubai und deren Hintergründen

Allerhand wurde in den letzten Tagen über die Überschwemmungen in Dubai berichtet. Nicht zu Unrecht, denn insgesamt fielen 164 Liter auf den Quadratmeter innerhalb von 24 Stunden. Nicht gerade ein Wert, den man in einer Wüstenregion erwarten würde.

Grund dafür war ein ungewöhnlich weit südlich ziehendes Höhentief im Zuge einer Austrogung über Westasien. Durch diesen dynamischen Antrieb bildete sich auch bodennah ein markantes Tiefdruckgebiet. Durch die damit einhergehenden Hebungsprozesse konnte die dort üblicherweise vorhandene Feuchte in diesem Falle recht effizient in Niederschlag umgesetzt werden. Dazu sei gesagt, dass die Luftmassen am Persischen Golf generell immer recht feucht sind, diese Luftfeuchte aber durch nahezu permanent wirkenden Hochdruck keinen Effekt – z.B. in Form von Regen – hat.

DWD Zu den Ueberflutungen in Dubai und deren Hintergruenden

Einen dementsprechenden „Knalleffekt” hatte das besagte Tiefdruckgebiet, das am Dienstag über die Region hinweg zog. Dieses führte zusätzlich extrem feuchtheiße Luft aus Süden heran. Das spiegelte sich unter anderem in Werten der äquivalentpotentiellen Temperatur (ein kombiniertes Maß aus Feuchte und Temperatur) von deutlich über 70 °C wider – ein für mitteleuropäische Gefilde schon undenkbarer Wert (siehe Abbildung 1, „Synoptische Übersicht”). Dementsprechend hoch war das Potential für anhaltenden Starkregen, zumal das entsprechende Tief auch eine relativ niedrige Zuggeschwindigkeit aufwies. Das wurde auch von den Vorhersagemodellen so erkannt (Abbildung, „Niederschlag 6stündig”).

Aber nicht in den Niederschlagsmengen alleine ist der Grund für die großflächigen Überschwemmungen zu suchen. Eine Hauptursache dafür liegt auch darin, dass die Infrastruktur der Stadt überhaupt nicht auf derartige Niederschlagsmengen ausgelegt ist. Die gefallenen Regenmengen konnten nirgendwo hin abfließen. Einrichtungen wie Kanalisationen o.ä. kennt man in diesen Regionen nicht. Folgerichtig stand das Wasser überall in den Straßen.

Cloud-Seeding

Abschließend muss noch auf das Thema des „künstlich erzeugten Regens” eingegangen werden. Diese These hielt sich (und hält sich auch weiterhin) vor allem in den sozialen Medien. Dabei wurde vermutet, dass aktives sogenanntes „Cloud Seeding” – also das Einbringen von Partikeln in Wolken, damit diese abregnen – aktiv betrieben wurde. Aus meteorologischer Sicht ergibt das überhaupt keinen Sinn. Cloud Seeding wird höchstens betrieben, um Wolken, die sonst „trocken” über eine Region ziehen würden, zum Abregnen zu bringen. Die dabei eingebrachten Partikel (meistens verschiedene Arten von Salzen) dienen dabei als Kondensationskerne, die die Niederschlagsbildung begünstigen sollen. Dieser Effekt ist, sofern überhaupt nachvollziehbar, bis jetzt in qualitativ höchstens marginalen Mengen nachgewiesen. Bei einem derartigen Starkregenereignis dagegen hat es überhaupt keinen Effekt, weil bereits von vornherein genug Niederschlag in der Bewölkung umgesetzt wird, somit auch genug Kondensationskerne vorhanden sind. Zusätzlich eingebrachtes Material hätte quasi keinen Effekt. Des Weiteren stellt sich die Frage, warum man Wolken „impfen” sollte, von denen man ohnehin weiß, dass sie genug Niederschlag bringen werden. Die Vorhersagemodelle hatten das Ereignis schon Tage vorher auf dem Schirm und haben in etwa die Größenordnung an Niederschlagsmenge prognostiziert, die am Ende auch gefallen ist. Effekte wie ebenjenes Cloud Seeding spielen dabei in der Numerik ohnehin keine Rolle, weil sie in der Software gar nicht implementiert sind.

Es bleibt am Ende festzuhalten, dass das, was man diesbezüglich aktuell zu lesen bekommt, reine Spekulation und Gerüchte sind. Substantiierte Belege dafür sucht man dagegen vergeblich. Derartige Phänomene sind nun leider generell gerade im Bereich der Meteorologie nichts neues, aber dieser Frage muss nochmal ein ganz eigenes „Thema des Tages” gewidmet werden.

M.Sc. Felix Dietzsch
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 19.04.2024
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Start der Gewittersaison?

In der zweiten Hälfte vergangener Woche setzten sich bei uns in Deutschland mit einer südwestlichen Strömung sehr milde Luftmassen durch. So zeigte das Thermometer am vergangenen Donnerstag im Süden und Westen verbreitet Temperaturen über 15 Grad an. Am Oberrhein gab es Höchstwerte nahe 20 Grad. Spitzenreiter war die Station Ohlsbach in der Ortenau mit 19,7 Grad. Am Freitag schwenkte anschließend ein  von den Britischen- Inseln nach Deutschland. Die Kaltfront des damit verbundenen Bodentiefs zog im Laufe des Tages über Deutschland hinweg. Wie bei einer klassischen sommerlichen Gewitterlage bildeten sich dabei im Vorfeld der Kaltfront in der relativ gesehen wärmeren und feuchteren Luftmasse erste kräftige Schauer und einzelne Gewitter. Dabei zündelte es ausgehend von der Ostalb und teils auch im Norden Deutschlands. Die Gewitter im Süden verlagerten sich im weiteren Verlauf über Schwaben bis zum Bayrischen-Wald. Örtlich kam es dabei zu Starkregen und stürmischen Böen. Lokal eng begrenzt war auch kleinkörniger Hagel mit dabei.

DWD Start der Gewittersaison

Direkt hinter der Kaltfront wurde die konvektive Aktivität zunächst durch absinkende Luftbewegungen gedämpft. Mit zunehmender Entfernung hinter der Kaltfront strömten vor allem in der Höhe etwas kühlere Luftmassen mit ein, wodurch es von Frankreich ausgehend gegen Abend zu einem erneuten Aufleben der Schauer und Gewitteraktivität kam. Grund dafür sind die großen Temperaturunterschiede zwischen den bodennahen Luftschichten und der mittleren Atmosphäre, wodurch es zu einer zunehmenden Labilisierung der Atmosphäre kommt. Gerade in Westfrankreich traten am Abend deshalb vermehrt Gewitter auf. Vereinzelt kam es dort auch zu kräftigen Entwicklungen samt Starkregen, kleinem Hagel und Sturmböen. Diese verlagerten sich im Laufe des Abends unter Abschwächung auch in den äußersten Südwesten Deutschlands. Auf dem Weg nach Osten wurden daraus aber aufgrund der fortschreitenden Tageszeit in der energieärmeren Luftmasse schauerartige Regenfälle.

Diese hybride Gewitterlage vom vergangenen Freitag verdeutlicht sehr schön den synoptischen Unterschied zwischen sommerlichen und winterlichen Gewittern. Im Sommerhalbjahr treten starke Gewitter häufig im Vorfeld von Kaltfronten in einer sehr warme bis heiße und feuchte Luftmassen auf. Bei einer günstigen Überlappung von starker mit der energiereichen Luftmasse können Superzellen entstehen, die teils unwetterartige Begleiterscheinungen wie heftigen Starkregen, großen Hagel und schwere Sturmböen mit im Gepäck haben können.

Im Winter treten dagegen Gewitter häufig hinter der Kaltfront auf. Durch die großen Temperaturunterschiede zwischen dem Erdboden und der mittleren Atmosphäre können sich hochreichende Wolken mit Blitz und Donner entwickeln. Diese Gewitter sind allerdings nur kurzlebig, können aber dennoch Sturmböen und teilweise auch Graupel oder kleinen Hagel produzieren. Außerdem werden im Winterhalbjahr vor allem in Verbindung mit Sturm- und Orkantiefs starke Gewitter an Kaltfronten durch kräftige Hebungsvorgänge beobachtet. Aufgrund der starken Windscherung gehen diese häufig mit Sturm- oder sogar Orkanböen einher. Zudem sind in einigen Fällen auch Tornados möglich. Ein bekanntes Beispiel hierfür war die Kaltfront von Orkantief KYRILL, welche am 18.01.2007 über Deutschland zog. An dessen Kaltfront bildete sich eine markante Gewitterlinie aus. Dabei gab es in Mitteleuropa insgesamt 11 bestätigte Tornadofälle.

Großer Hagel und Starkregen mit hohen Niederschlagssummen ist dagegen zu dieser Jahreszeit sehr selten. Vor allem für heftigen Starkregen benötigt es eine Luftmasse mit sehr hohem Feuchtegehalt, was im Winterhalbjahr aus physikalischen Gründen nicht möglich ist. Dazu kommt bei unwetterartigen Starkregenereignissen auch noch eine langsame Verlagerung hinzu. Da im Winter stärkere Gewitter sehr häufig an dynamische Wetterlagen mit einer kräftigen Höhenströmung gekoppelt sind, ist dies äußerst selten der Fall.

M.Sc. Nico Bauer
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 17.03.2024
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Ruhiges Altweibersommerwetter – aber nicht überall…

ROSI heißt das Hochdruckgebiet, dass uns derzeit das ruhige und zumeist sonnenscheinreiche Wetter in Deutschland beschert. Alles andere als ruhig geht es aktuell aber über den Britischen Inseln zu. Sturmtief KILIAN, auf internationalem Parkett unter dem Namen AGNES bekannt, fegt am heutigen Mittwoch und in der kommenden Nacht über Irland und Schottland hinweg.

Besonders im Süden Irlands kommt es dabei heute verbreitet zu Sturm- und schweren Sturmböen, im dortigen Küstenumfeld auch zu Orkanböen. Zwischen 10 und 11 Uhr verzeichnete die Station Sherkin Island an der Südwestspitze Irlands eine orkanartige Böe mit 112 km/h. In der darauffolgenden Stunde meldete dieselbe Station mit 94 km/h und etwas weiter östlich Roches Point mit 104 km/h jeweils eine schwere Sturmböe als höchste aufgetretene Windgeschwindigkeit.

DWD Ruhiges Altweibersommerwetter aber nicht ueberall

In der Folge muss an den Küsten mit zum Teil meterhohen Wellen gerechnet werden. Im Binnenland sind unter anderem umgestürzte Bäume zu erwarten, da diese derzeit noch voll belaubt sind und dem Wind daher eine große Angriffsfläche bieten. Sehr stürmisch wird es dann zum Abend hin auch besonders an der Westküste der britischen Hauptinsel und im dortigen Bergland, wenngleich das Tief beginnt, sich aufzufüllen und der Wind daher langsam schwächer wird.

Am Donnerstag liegt KILIAN dann bereits über dem Europäischen Nordmeer, vor allem von Irland bis nach Nordengland und Schottland bleibt es aber stürmisch. Denn die Region verbleibt an der Südostflanke des nordostatlantischen Tiefdruckkomplexes, in dem sich auch KILIAN bewegt.

Springen wir von West- nach Südosteuropa, genaugenommen nach Griechenland: Dort ist weniger der Wind als vielmehr unwetterartige Regenfälle gerade Thema – schon wieder… Vergangenen Sonntag konnte sich über dem zentralen Mittelmeerraum ein vor allem in höheren Luftschichten ausgeprägtes Tief aus der großräumigen Zirkulation lösen und bis heute ins Seegebiet zwischen Griechenland und Libyen ziehen. Von den damit verbundenen heftigen Starkregenfällen sind dieses Mal erneut vor allem Mittelgriechenland und der Norden und Osten der Halbinsel Peloponnes betroffen, Thessalien dagegen wohl nicht. Der griechische Wetterdienst rechnet bis in die Nacht zum Freitag in diesen Regionen gebietsweise mit 150 bis 300 l/qm innerhalb von knapp zwei Tagen (ausgehend von heute früh 2 Uhr MESZ).

DWD Ruhiges Altweibersommerwetter aber nicht ueberall 1

 

Lokal dürfte es aber noch ein ganzes Stück mehr werden. Im Norden der Insel Euböa wurden heute bereits bis zu 235,6 l/qm in rund 12 Stunden gemessen!
Damit sind Überschwemmungen und Erdrutsche leider vorprogrammiert und wurde teilweise auch schon gemeldet. Auch am Freitag muss zwar weiterhin mit Schauern und Gewittern gerechnet werden, die dann aber eher lokaler Natur sein dürften, sodass sich die Lage – zumindest was das Wetter angeht – entspannen sollte.

DWD Ruhiges Altweibersommerwetter aber nicht ueberall

Da ist man dann doch sehr froh um das sehr ruhige Wetter bei uns in Deutschland. Hoch ROSI verabschiedet sich zwar am Freitag, sodass Tiefausläufer vorübergehend einige Regenwolken über Deutschland hinwegziehen lassen. Mit Blick Richtung Britische Inseln oder Griechenland ist das aber alles andere als erwähnenswert.

Dipl.-Met. Tobias Reinartz
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 27.09.2023
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