Dauerregenlage durch VB-Tief
Das Wetter kommt nicht zur Ruhe. Nach einer unbeständigen Wetterwoche mit teils kräftigen Schauern und Gewittern zeigt sich auch der Start in den meteorologischen Sommer häufig sehr nass. In der Südosthälfte fällt das erste Wochenende im Juni sprichwörtlich ins Wasser. Dort besteht gebietsweise sogar erhöhte Hochwassergefahr.
Grund dafür ist ein Tiefdruckgebiet, welches nicht die für mittlere Breiten typische West-Ost-Zugbahn einnimmt. Ausgangspunkt sind dabei zwei sich nur langsam bewegende, blockierende Hochdruckgebiete. Ein solches befindet sich aktuell über Nordwestrussland. Gleichzeitig erstreckt sich ein weiteres Hoch über den Ostatlantik bis nach Nordspanien. Darin eingekeilt bildet sich von Norditalien bis zur Ostsee eine Tiefdruckrinne aus. Durch das Zusammenspiel von warmen und sehr feuchten Luftmassen aus dem Mittelmeerraum und kühler Nordatlantikluft entstehen im Grenzbereich kräftige und langanhaltende Niederschläge.
Vor allem Tiefdruckgebiete, die im Mittelmeerraum entstehen und anschließend über dem westlichen Osteuropa nach Norden ziehen, bergen häufig erhöhtes Unwetterpotenzial durch langanhaltende und kräftige Niederschläge. Ein Grund dafür ist das Mitführen von sehr feuchten und warmen Luftmassen von dort. Förderlich ist aber auch die oftmals nur sehr langsame Verlagerung der Druckgebilde gegen die vorherrschende Strömungsrichtung.
Ein bekanntes Beispiel einer solchen ist die Lage, die zur Jahrhundertflut an der Elbe im August 2002 geführt hat. Auch damals hatte sich ein Tiefdruckgebiet über der nördlichen Adria entwickelt und ist darauf auf einer typischen Vb-Zugbahn über Österreich und Tschechien nach Norden gezogen. Dabei wurde auf der Ostseite des Tiefs extrem feuchte Luft vom östlichen Mittelmeerraum in die Zirkulation miteinbezogen. Dadurch ergaben sich nach Westen hin sehr hohe Temperaturkontraste. Mit der auf der Westseite des Tiefs vorherrschenden nordwestlichen Strömung wurden die feuchten Luftmassen gegen die Alpen und östlichen Mittelgebirge geführt und zum Abregnen gebracht. Deshalb kamen vor allem im Stau des Erzgebirges extrem hohe Niederschlagsmengen zusammen. Bis heute hält die Station Zinnwald-Georgenfeld den Tagesrekord der höchsten Niederschlagssumme Deutschlands. Damals kamen dort innerhalb von nur 24 Stunden 312 Liter pro Quadratmeter zusammen. Dies entspricht mehr als die Hälfte des durchschnittlichen Jahresniederschlags von Berlin (581 Liter pro Quadratmeter).
Auch am kommenden Wochenende schlägt Tief ORINOCO eine ähnliche Zugbahn ein. Allerdings weisen die mitgeführten Luftmassen auch aufgrund der Jahreszeit einen wesentlich geringeren Feuchtegehalt auf. Zudem war das Vb-Tief, welches zur Jahrhundertflut an der Elbe geführt hatte, stärker ausgeprägt als bei der aktuellen Lage. Deshalb werden die Niederschlagsspitzen beim aktuellen Ereignis deutlich geringer ausfallen. Trotzdem ist gerade auch aufgrund der nassen Vorgeschichte und der recht großen Verbreitung unwetterartiger Niederschlagsmengen mit Hochwasser an Bächen und Flüssen sowie mit Überschwemmungen zu rechnen. Nach jetzigem Stand liegt der Schwerpunkt der Niederschläge in einem Bereich vom Erzgebirge über den Thüringer Wald und über Franken bis ins Allgäu. Dort können in einem Zeitraum von 48 Stunden stellenweise um 150 Liter pro Quadratmeter zusammenkommen. Bezüglich der genauen Lage und der Intensität ergeben sich allerdings immer noch kleinere Unsicherheiten. Deshalb können Sie jederzeit aktualisierte Informationen zu dieser Lage auf unserer oder in der Warn-Wetter-App finden.
M.Sc. Meteorologe Nico Bauer
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 30.05.2024
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