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Die knieenden Mönche im Schnee

Zugegeben, bei den teils sommerlich anmutenden Bedingungen ist ein winterliches Thema auf den ersten Blick etwas fehl am Platz, doch wir werden sehen, dass dem nicht so ist. Beginnen wir nun aber der Reihe nach.
Was macht man, wenn man sich im Winter vor lauter Grau, Regen und Wetter-Tristesse mal nach etwas Abwechslung in Form schöner Schneebilder sehnt? Richtig, man durchforstet die unzähligen Bildberichte im Internet von wagemutigen Bergsteigern, deren Reiseberichte mit schönen Aufnahmen gespickt sind. Neben beeindruckenden Panoramaaufnahmen von Gipfeln, wo man als Normalsterblicher wohl eher nicht hinwandern würde, kann man sich an tief verschneiten Schneelandschaften sattsehen – und stolpert manchmal über Aufnahmen, die einen stutzen lassen.
So auch in diesem Fall bei einem Bericht von einem Bergsteiger in den Anden.

Nach etwas Nachforschung stellte sich heraus, dass die entdeckten Schnee- und Eisformationen in der Tat einen Namen besitzen und zudem auch noch Gegenstand aktueller Forschungen sind. Sie tragen den englischen Namen „snow penitents„, was sich ins Deutsche in etwa in „Büßerschnee oder Büßereis“ übersetzen lässt. Wieso diese Benennung? Von der Ferne sehen die Formationen aus wie betende Mönche mit ihren weißen Hauben, was die früheren Entdecker auf diese Namensgebung brachte.

 

DWD Die knieenden Moenche im Schnee

Seit der Entdeckung dieser Schneeformationen im Jahre 1835 durch keinen geringeren als Charles Darwin, rankten sich unzählige Theorien über deren Entstehung. Die Theorien umfassten den Einfluss der Sonne, einen warmen Wind oder aber die elektromagnetische Ausrichtung der Schneeflocken. Besonders oft konnte man von diesen Beobachtungen hören, wenn z.B. in alpinen Regionen nach einer schneereichen Periode im Spätwinter/Frühling direkt eine heiße Witterung folgte (wie es auch aktuell der Fall war). Anderswo kann man solche Formationen sehr häufig beobachten, und zwar in Gebirgen, die in subtropischen oder tropischen Bereichen liegen, wie z.B. den Anden in Chile.

Bereits 1942 erkannte der Professor C. Troll, dass wohl einzig die Sonnenstrahlung für die Entwicklung des Büßereis verantwortlich sei. Seitdem gab es weitere Studien und Untersuchungen, wo das Bild der Entwicklung immer genauer nachvollzogen werden konnte. Grundsätzlich sind folgende meteorologische Bedingungen notwendig:

Die Lufttemperatur sollte nahe dem Gefrierpunkt zu finden sein, der Taupunkt sollte sich deutlich unterhalb des Gefrierpunktes befinden und es muss eine starke Sonneneinstrahlung vorhanden sein. Dies alles ist z.B. in den Hochlagen der (sub)tropischen Gebirge gegeben.

Doch wie entstehen diese Skulpturen nun eigentlich? Man kann den Entstehungsprozess z.B. mit der Entwicklung von Schlaglöchern in Straßen vergleichen. Dort sorgen die kleinste Unebenheit oder Risse für eine Wasseransammlung, die durch wiederholte Gefrierprozesse im Winter sowie durch mechanische Einwirkung des Straßenverkehrs zügig echte Krater in den Straßen hervorrufen kann.

In unserem Fall sorgt die kleinste Unebenheit oder etwa Staub auf der Schneeoberfläche dafür, dass eine zunehmende Mehrfachreflexion der einfallenden Sonnenstrahlen die Chance erhöht, dass die Strahlungswärme vom Schnee aufgenommen werden kann (u.a. auch Veränderung der Albedo). Der direkte Einfluss der Strahlung ist wohl auch der bedeutendste Faktor bei der Entstehung der Formationen, was u.a. die Beobachtungen hervorheben, die die größten Formationen in den tropischen Bereichen sowie in hoch gelegenen Gegenden mit intensiver Sonneneinstrahlung zeigen.

Nun kommt die extrem trockene Luft ins Spiel, die den Taupunkt bei deutlich unter 0 Grad belässt. Würde der Schnee durch die aufgenommene Wärme schmelzen, dann würde sich Wasser sammeln und der Schnee würde an diesen Stellen nicht mehr bzw. stark verzögert weiter schmelzen können. Doch bei der trockenen Luftmasse erfolgt auch kein Schmelzprozess, sondern eine direkte Phasenumwandlung von fest zu gasförmig, genannt „Sublimation“. Die durch diesen Prozess benötigte Energie wird durch die Sonnenstrahlung wieder zugeführt, sodass sich ein Art Gleichgewichtsprozess einstellen kann. In den Senken sorgt die zunehmend komplexere Reflexion des Sonnenlichts dafür, dass immer mehr Wärme gespeichert werden kann und somit die großen Hohlräume entstehen. An der u.a. von der Wissenschaftlerin Meredith Betterton (Universität Colorado) aufgestellten Theorie gibt es Zweifel, dass dieser Prozess nicht alles erklärt. So würde man alleine durch den beschriebenen Prozess nicht die zu beobachtende recht homogene Größe der schneefreien Flächen erhalten. Von hier aus geht es weit in die Schneephysik hinein sowie in Feinheiten wie z.B. die Tatsache, dass Wärme von den Schneekuhlen weniger effektiv abgestrahlt werden kann, als von den Schneespitzen, was auch einen vertikalen Temperaturgradienten nach sich zieht, was wiederum die Sublimationsrate beeinflusst. Wie so oft zeigt sich, dass auch diese schönen Naturphänomene einer komplexen Entwicklung unterworfen sind.

Der Wind sollte zudem recht schwach ausfallen, da er sonst die benannten physikalischen Prozesse rasch (negativ) beeinflussen könnte. Das ist auch der Grund, wieso viele dieser Formationen im Lee von Bergen oder Hängen zu finden sind, wo ein gewisser Windschutz besteht.

Wenn Ihr Interesse nun geweckt wurde, dann können Sie gerne noch weitere Informationen in dem unten aufgeführten „fachlichen“ Link nachlesen. Ansonsten bleibt mir nur Ihnen viel Spaß beim Genießen der im Internet zu findenden Bilder zu wünschen und wer weiß: Vielleicht hat ja jemand von Ihnen diese Formation schon einmal in echt sehen und fotografieren können?

Dipl. Met. Helge Tuschy
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 10.04.2024
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

Wenn man einen „gewischt“ bekommt…

Sicherlich kennen Sie das: Man gibt jemandem die Hand oder will nach dem Aussteigen die Autotür zuschlagen und Zack, bekommt man einen „gewischt“. Wenn Sie mal genauer darüber nachdenken, werden Sie vielleicht feststellen, dass Sie besonders im Winter „Opfer“ dieser elektrischen Schläge wurden.

Warum das so ist, hat etwas mit der Feuchtigkeit der Luft zu tun. Die Luft ist im Winter nämlich trockener als im Sommer – zumindest was den absoluten Feuchtegehalt angeht. Das liegt daran, dass sie in den Wintermonaten im Normalfall deutlich kälter ist als im Sommer und somit weniger Wasserdampf aufnehmen kann. Während beispielsweise 1  Luft bei 20 Grad 17 g Wasserdampf speichern kann, sind bei 0 Grad nur noch maximal 5 g möglich. Bei -10 Grad reichen schon etwa 2 g Wasserdampf um 1  Luft zu sättigen.

Nun ist es aber auch so, dass man es in manchen Regionen gerade im Winter immer wieder mit zähem Nebel und Hochnebel zu tun hat und der besteht bekanntermaßen ja aus Wassertröpfchen. Zumindest dort könnte man jetzt natürlich sehr starke Zweifel an der Aussage hegen, die Luft im Winter sei trockener als im Sommer. Und diese Zweifel sind – relativ betrachtet – definitiv korrekt. Die sogenannte relative Feuchtigkeit gibt nämlich das Verhältnis zwischen der tatsächlich in der Luft befindlichen Wasserdampfmenge und der bei denselben Bedingungen maximal möglichen an. Trägt sie diese Maximalmenge in sich, ist sie gesättigt, wie man im Fachjargon sagt. Ihre relative Feuchte beträgt dann 100 % und es bilden sich Wolken oder Nebel.

Obwohl die Luft im Winter also absolut gesehen trockener ist als im Sommer, muss das relativ betrachtet nicht zwingend zutreffen, ganz im Gegenteil. Innerhalb von beheizten Räumen sieht das aber deutlich anders aus. Durch diverse Verdunstungsprozesse ist die Luft innerhalb eines Raums mit einem gewissen Feuchtegehalt angereichert. Beim Lüften wird diese durch kalte Luft ersetzt, die eine geringere (absolute) Wasserdampfmenge vorweist. Erwärmt man sie nun wieder auf dieselbe Raumtemperatur wie vor dem Lüften, ist sie in der Folge trockener.

Nun aber zur Elektrik! Unser Körper lädt sich tagtäglich auf, beispielweise durch die Reibung von Kleidung auf der Haut. Gleichzeitig stehen wir aber auch in ständigem Ladungsaustausch mit der Luft. Dieser Austausch klappt umso besser, je feuchter die Luft ist. Im Umkehrschluss bedeutet das natürlich, dass er bei trockener Luft deutlich gehemmter vonstattengeht. Das führt wiederum dazu, dass sich unser Körper mehr und mehr auflädt, bis er schließlich etwas findet, über das der Ladungsüberschuss abfließen kann. Und das kann dann eben die Autotür oder die Hand des Gegenüber sein. Aber wie auch immer, die Entladung erfolgt im wahrsten Sinne des Wortes „schlagartig“.

Gefährlich ist dieser kleine Stromschlag übrigens nicht, es gibt aber sicherlich angenehmeres, oder? Wenn Sie das Risiko dafür, einen „gewischt“ zu bekommen, reduzieren möchten, können Sie beispielsweise für eine ausreichend hohe Luftfeuchtigkeit im Raum sorgen oder sich mit einer Feuchtigkeitscreme eincremen.

Dipl.-Met. Tobias Reinartz
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 30.01.2024
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst