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Unwetter durch Luftmassengrenzen

Bereits im gestrigen Thema des Tages wurde davon berichtet. Morgen formiert sich über der Mitte Deutschlands eine markante Luftmassengrenze, an deren Nordseite es vor allem im Bereich der westlichen Mittelgebirge zu unwetterartigen Schneefällen kommt. Im Übergangsbereich fällt in einer Zone vom südlichen Rheinland-Pfalz bis nach Nordbayern teils kräftiger gefrierender Regen mit erheblicher Glättegefahr. Nähere Informationen finden Sie dazu jederzeit auf unserer  oder in der Warn-Wetter-App.

Grund für die Entstehung einer solchen Luftmassengrenze ist häufig ein sogenanntes Vierer-Druckfeld. Dabei stehen sich in Form eines Quadrats jeweils zwei Hoch- und Tiefdruckgebiete so gegenüber, dass Luftmassen unterschiedlicher Temperatur und Feuchte aufeinander zuströmen. Eine ähnliche Druckkonstellation ergibt sich momentan auch über Europa. Tief GERTRUD befindet sich aktuell vor den Toren Frankreichs. Gleichzeitig herrscht über Südosteuropa und bei Island hoher Luftdruck, welcher über Skandinavien von tiefem Luftdruck flankiert wird. Dabei strömen von Norden kalte Luftmassen polaren Ursprungs nach Süden und gleichzeitig auf der Vorderseite von GERTRUD feuchtwarme Luftmassen nach Norden. In dem Bereich, in dem sich diese treffen sorgen starke Hebungsimpulse häufig für kräftige Niederschläge. Die Warmfront von Tief GERTRUD richtet sich zum Mittwoch zonal durch die zur Strömung parallele Komponente als Grenze aus an der die verschiedenen Luftmassen aufeinandertreffen (siehe Abbildung 1 und 2). Diese Grenzen sind nicht immer an ein Tiefdruckgebiet gebunden, sondern es können sich in diesem Bereich auch eigenständige kleine  ausbilden.

DWD Unwetter durch Luftmassengrenzen

DWD Unwetter durch Luftmassengrenzen 1

Aufgrund ihrer zur Strömung parallelen Ausrichtung und der starken Hebungsvorgänge kann es im Übergangsbereich, welcher in etwa 20 bis 200 Kilometer breit ist, zu kräftigen und langanhaltenden Niederschlägen kommen. Je nach Jahreszeit sind dabei verschiedene Wettergefahren möglich. Im Winter ist – wie auch am morgigen Mittwoch- auf der kalten Seite intensiver Schneefall und auf der warmen Seite gefrierender Regen oder Eisregen mit erheblicher Glättegefahr möglich. Im Sommer geht dagegen die Gefahr hauptsächlich von heftigem Starkregen oder langanhaltendem, intensiven Dauerregen aus. Zudem sind in dieser Jahreszeit häufig auch Gewitter mit heftigem Starkregen und Hagel mit dabei, die durchaus Sturzfluten auslösen können.

Die bekannteste Unwetterlage der letzten Jahrzehnte in Verbindung mit solchen Grenzwetterlagen ist sicherlich immer noch die Schneesturmkatastrophe aus dem Winter 1978/79. Damals gab es in Verbindung mit einer Luftmassengrenze über Tage anhaltende kräftige Schneefälle und starke Schneeverwehungen, welche vor allem in der Nordosthälfte Deutschlands für Chaos sorgten. Ein weiteres markantes Ereignis war die extreme Eisregenlage aus dem Jahre 1987. Stundenlanger Dauerregen bei negativen Temperaturen überzog ganze Landstriche mit einer dicken Eisschicht. Zehntausende Bäume brachten unter der Eislast zusammen.

Auch Morgen steht uns zumindest gebietsweise eine ähnliche Lage bevor. Deshalb ist gerade im Straßenverkehr große Vorsicht angesagt. Zudem kann es örtlich zu Schäden an der Infrastruktur durch Vereisung kommen!

M.Sc. Meteorologe Nico Bauer
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 16.01.2024
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

Wildes (Vor-) Weihnachtswetter

Derzeit leuchtet die Warnkarte des Deutschen Wetterdienstes auf wie ein bunt geschmückter Weihnachtsbaum. Von den Farben Grün, Gelb und Orange bis Rot sind nahezu alle Warnstufen vertreten.
Am gestrigen Donnerstag (21.12.2023) fegte Sturmtief „Zoltan“ an Deutschland vorbei und brachte neben milderer Meeresluft und kräftigen Niederschlägen, teils mit Gewittern, auch hohe Windgeschwindigkeiten. So traten verbreitet stürmische Böen oder Sturmböen bis 85 km/h auf. Bei kräftigen Schauern und Gewittern konnten häufiger auch schwere Sturmböen oder orkanartige Böen zwischen 90 und 115 km/h beobachtet werden, so zum Beispiel auch in Haaren in Nordrhein-Westfalen. Dort wurden am Nachmittag satte 113 km/h gemessen. Auf dem Feldberg im Schwarzwald sowie auf Spiekeroog (Ostfriesland) konnten selbst Böen mit 140 km/h registriert werden. Neben Behinderungen im Bahnverkehr gab es aber auch für Hilfs- und Rettungskräfte zahlreiche Einsätze, besonders wegen umgestürzter Bäume sowie Schäden an Autos und Häusern.

DWD Wildes Vor Weihnachtswetter

Die Auswirkungen des Sturms sind jedoch noch nicht vorüber. Aufgrund der strammen nordwestlichen Anströmung der Deutschen Bucht warnt das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (kurz: BSH) aktuell (Stand 22.12.23, 10 Uhr MESZ) vor einer Sturmflut im Bereich der Nordsee. Teilweise wird sogar um die Mittagszeit eine schwere Sturmflut erwartet, wie zum Beispiel in Hamburg an der Elbe. Weitere Informationen zur aktuellen Lage finden Sie unter www.bsh.de.
Aber auch an Regen hat es definitiv nicht gemangelt. So sind alleine in den vergangenen 24 Stunden insbesondere in den Staulagen der Mittelgebirge erhebliche Regenmengen zusammengekommen. Gebietsweise fielen 20 bis 35 Liter pro Quadratmeter in nur 24 Stunden. In einzelnen Regionen, wie dem Westerwald, dem Schwarzwald sowie dem Bayerwald kamen sogar unwetterartige Regenmengen über 50 Liter pro Quadratmeter zusammen.

Wind und Regen werden uns auch in den kommenden Tagen immer wieder begleiten. Zwar zieht das Sturmtief „Zoltan“ heute langsam in Richtung Baltikum und verliert an Einfluss auf Deutschland, dennoch verbleiben wir in einer strammen nordwestlichen Strömung. Darüber hinaus trennt eine Luftmassengrenze derzeit sehr milde Luft im Südwesten von kühlerer Luft im Nordosten. So kommt es noch bis Sonntag zu anhaltenden, teils kräftigen Niederschlägen, die in Staulagen der Mittelgebirge und der Alpen ergiebige Niederschlagsmengen bringen. Auf der kalten Seite der Luftmassengrenze kann es insbesondere in der Nacht zum Samstag und am Samstagvormittag auch für etwas Schnee bis in tiefe Lagen reichen. Im Stau des Erzgebirges wird vorübergehend sogar starker Schneefall vorhergesagt. In weniger als 12 Stunden könnten dort möglicherweise 25 cm zusammenkommen, in vereinzelten höher gelegenen Staulagen sind bis zu 40 cm Neuschnee nicht ausgeschlossen. Könnte es dort dann vielleicht sogar für weiße Weihnachten reichen? Was wäre es aber für ein Weihnachtsfest ohne ein „richtiges“ Weihnachtstauwetter …

DWD Wildes Vor Weihnachtswetter 1

 

Zum Sonntag (Heiligabend) überquert uns die Warmfront eines Atlantiktiefs, die mit einer zunehmend westlichen Strömung sehr milde Meeresluft im Gepäck hat. Somit setzt quasi „pünktlich“ zum Fest in der Nacht zu Heiligabend in diesen Regionen Tauwetter ein und der Schnee zieht sich allmählich wieder in höhere Berglagen zurück. Heiligabend selbst gestaltet sich dann meist stark bewölkt und sehr wechselhaft. Bei Höchstwerten von 8 bis 13 Grad hält der lebhafte Westwind mit starken bis stürmischen Böen weiter an.
Am Montag, dem 1. Weihnachtsfeiertag, liegt erneut ein Tiefausläufer quer über der Mitte Deutschlands, dort bleibt es also regnerisch und windig bis stürmisch. Immerhin kann sich im äußersten Norden sowie im Süden vorübergehend die Sonne zeigen. Bei weiterhin sehr milden 9 bis 15 Grad kann man also getrost mal wieder vielerorts von einem „grau-grünen“ Weihnachtsfest sprechen.
Und auch am Dienstag, dem 2. Weihnachtsfeiertag, bleibt es sehr mild und im Norden und der Mitte wechselhaft mit zeitweiligem Regen. Nur im Alpenvorland zeigt sich häufiger die Sonne. Dem Wind geht darüber hinaus allmählich die Puste aus. Dieser lässt im Tagesverlauf allmählich nach und tangiert im Folgenden nur noch die Küsten und das höhere Bergland.

DWD Wildes Vor Weihnachtswetter 2

MSc.-Met. Sebastian Schappert
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 22.12.2023
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

Deutschland kommt nicht zur Ruhe…

Es wurde erläutert, dass die Vorhersage des Wetters aufgrund der Chaostheorie als nichtlineares, dynamisches und chaotisches System Grenzen aufgewiesen bekommt. Die Anfangsbedingungen in der Atmosphäre sind nicht exakt bestimmbar, und die Wettermodelle bieten lediglich Annäherungen. Doch wie manifestieren sich diese Grenzen?

Ein konkretes Beispiel verdeutlicht die Wettervorhersage für die Nacht zum Freitag: Abbildung 1 zeigt den auf Meeresniveau reduzierten Luftdruck und die Temperatur auf der 850 hPa – Fläche, was bei dieser Lage etwa einer Höhe von 1400 m entspricht. Links ist die Wetterprognose des europäischen Modells (ECMWF) dargestellt, in der Mitte das deutsche Modell (ICON) und rechts das amerikanische Modell (GFS), jeweils mit einer 78-stündigen Vorhersage für Freitagfrüh. Auffällige Unterschiede werden sichtbar.

Während sich im GFS und ECMWF am Donnerstag ein Tief über Frankreich entwickeln soll, das in der Nacht zum Freitag über Deutschland ziehen und sich im GFS sogar zu einem schweren Sturm entwickeln würde, fehlt dieses Tief im Deutschen ICON-Modell ganz. Die Entstehung und Zugbahn dieses Tiefs hängen offenbar entscheidend von den Anfangsbedingungen, den Näherungen der Modelle (Parametrisierungen) und der zugrunde liegenden Modellphysik ab. Die Auswirkungen dieses Tiefs beeinflussen maßgeblich die Vorhersage von Niederschlagsgebieten, Wind, Temperatur und Bewölkung.

Während das GFS-Modell einen schweren Sturm im Westen vorhersagen würde, prognostiziert das ICON-Modell vergleichsweise schwache Winde. Bei der ECMWF-Lösung mit südlicher Zugbahn würden wiederum kräftige Niederschläge im Schwarzwald und am Alpenrand auftreten. Solche Modellunterschiede im kurzfristigen Vorhersagezeitraum sind ungewöhnlich und markieren einen Punkt, an dem die Vorhersage zumindest vorübergehend ins Chaos abzudriften scheint.

DWD Chaos in der Wettervorhersage

Um das Chaos-Problem zumindest teilweise zu bewältigen, werden sogenannte Ensemblerechnungen durchgeführt. Das bedeutet, dass ein Wettermodell mehrmals mit leicht variierten Anfangsbedingungen berechnet wird. Dies dient einerseits dazu, die Prognosesicherheit zu bewerten, und andererseits, in unsicheren Fällen dennoch Aussagen zu ermöglichen. Das ECMWF führt beispielsweise 50 solcher leicht variierten Modellrechnungen durch (siehe Abbildung 2).

Da jedoch kein Meteorologe die Zeit hat, 50 Wettermodelle einzeln auszuwerten, wird eine Methode namens Clusteranalyse verwendet, um die Auswertung zu erleichtern. Dabei werden Vorhersagen mit ähnlichen Strukturen von einem Algorithmus in sogenannte Cluster eingeteilt. In unserem Fall ergeben sich 2 Cluster, die etwa gleich viele Mitglieder haben. Das bedeutet, die Hälfte der Ensemblemodelle zeigt das angesprochene Tief, während die andere Hälfte die ICON-Variante bevorzugt (siehe Abbildung 3). Diese Situation erschwert die Entscheidungsfindung erheblich.

In solchen Fällen kommt es auf die Erfahrungswerte der Meteorologen an, um festzustellen, welches Modell in bestimmten Situationen die besten Vorhersagen liefert. In ähnlichen Situationen war es oft so, dass sich mit Annähern an das Ereignis ICON und die übrigen Ensembles dem ECMWF-Hauptlauf angenähert haben. Daher wagen wir die Annahme, dass es eher wahrscheinlich ist, dass ein Tiefdruckgebiet in bisher nicht vorhersagbarer Intensität und Zugbahn irgendwo über die Mitte oder den Süden Deutschlands ziehen könnte.

DWD Chaos in der Wettervorhersage 1

DWD Chaos in der Wettervorhersage 1

Eine zusätzliche Methode zur Auswertung von Ensembleprognosen besteht darin, Wahrscheinlichkeiten aus den einzelnen Modellläufen zu berechnen. Dies könnte als eigenes Thema des Tages behandelt werden.

Es ist wichtig zu betonen, dass Unsicherheiten im Kurzfristbereich nicht zwangsläufig bedeuten, dass auch der Mittelfristbereich unsicher ist. Zum Wochenende hin prognostizieren die Modelle wieder einheitlich ein neues Atlantiktief, das auf einer West-Ostzugbahn über das nördliche Mitteleuropa zieht. Dieses Tiefdruckgebiet wird voraussichtlich mit seinem Sturmfeld wechselhaftes Wetter bringen. Die Warmfront des Systems wird dann vor allem im Norden für regnerisches, aber sehr mildes Wetter sorgen. Die Vorhersage für dieses Tiefdruckgebiet ist im Vergleich zu kurzfristigen Prognosen sicherer, da es sich um ein großes System handelt und große Strukturen in Modellen generell besser vorhergesagt werden können.

Dipl.-Met. Christian Herold
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 14.11.2023
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst