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Als Wetterdaten laufen lernten

Zugegeben, wirklich laufen können Wetterdaten auch heute nicht. Aber sie werden in einem globalen Netzwerk gesammelt und in (Achtung: Wortspiel) Windeseile verteilt. Somit stehen Messwerte schon wenige Minuten nach der Registrierung global zur Verfügung, und dies gilt auch für die abgelegensten Stationen auf dem Globus.

Dagegen dauerte es im Mittelalter Tage oder Wochen, bis wesentliche und bedeutende Informationen auch nur die nächste Stadt erreichten. Und das galt natürlich auch für Informationen bezüglich des Wetters. Schneller lief die Informationsübertragung dann mit Einführung eines relativ engmaschigen, regelmäßig bedienten Stafettenreiter-Postsystems. Die Geschwindigkeit dieses Posttransports lag dabei meist im einstelligen km/h-Bereich.

Aber: Für den Transport von Wetterdaten ist auch das natürlich viel zu langsam. Das aktuelle Tief KILIAN bewegt sich beispielsweise mit etwa 50 km/h – und damit schneller als jeder Postreiter.

Für den Traum der Menschheit, das Wetter vorherzusagen, waren diese Geschwindigkeiten natürlich nicht annähernd ausreichend. Denn neben der Aufgabe, an möglichst vielen Orten das Wetter regelmäßig und zeitgleich zu beobachten und diese Informationen schnell an einem Ort zusammenzutragen (das ist das klassische Betätigungsfeld der synoptischen Meteorologie), stand man auch vor der Herausforderung, die aus den Daten gewonnenen Erkenntnisse möglichst rasch wieder an potentielle Nutzer zu verteilen. Auf die in früheren Jahren mindestens ebenso große Herausforderung, aus den registrierten Daten und ihrer zeitlichen Änderungen zeitnah eine mögliche zukünftige (Wetter-)Entwicklung abzuleiten, soll an dieser Stelle nicht eingegangen werden.

Eine ausreichend schnelle Datenübertragung war erstmals mit der Erfindung bzw. Weiterentwicklung der Telegrafie möglich. Mit ihrer Hilfe konnte man Wetterdaten verschiedener Orte sammeln, schnell zusammenführen und die Auswertungen dann auch schnell wieder verteilen. Genau genommen muss man an dieser Stelle allerdings sagen: Man hätte es machen können, lange Zeit hat man es aber nicht gemacht. Bis im Jahr 1854 während des Krimkrieges die alliierte Flotte von einem Orkan versenkt wurde.

Der französische Kaiser Napoleon III soll erzürnt gewesen sein – und der Leiter der Pariser Sternwarte, Urbain Le Verrier, beschäftigte sich in der Folge mit der Frage, ob es möglich wäre, solche Stürme vorherzusagen. Natürlich nicht in unserem heutigen mathematisch-physikalisch berechnenden Sinn, sondern mehr im Sinn einer Warn- bzw. Meldekette. Le Verrier, der 1845/46 die Existenz des Planeten Pluto postulierte und dessen Name sogar auf dem Eiffelturm verewigt ist, kam zu einem positiven Ergebnis. Und präsentierte am 19. Februar 1855 eine Wetterkarte auf Basis telegrafierter Wetterdaten. Damit war er in Europa führend. Aber in den USA war man noch etwas schneller.

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Schon mit der operationellen Einführung des Telegrafen 1845 kam man dort auf die Idee, Wetterdaten zu sammeln. Im Jahr 1849 lieferten bereits über 100 Freiwillige zu festgelegten Zeiten Wetterinformationen per “Fernschreiber“, dazukamen noch Meldungen der US Army. Am Rande sei hier erwähnt, dass der DWD auch heute noch auf die wertvollen Informationen von ehrenamtlichen Wettermeldern baut, zu denen vor noch gar nicht allzu langer Zeit die anlassbezogen, hochladbaren Wetterinfos in der DWD-App hinzugekommen sind.

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Portrait of Urbain Jean Joseph Le Verrier; 1811-1877. By: Rosselin. . Page or plate: 12.5 x 10 cm

Doch zurück nach Amerika. In den Vereinigten Staaten der späten 1840er und der 1850er Jahre gingen die Wetterinformationen an die sogenannte “Smithsonian Institution“. Diese wurde am 10. August 1846 durch ein Gesetz des US-Kongresses gegründet. Die finanziellen Mittel dazu stammten aus dem Nachlass von James Smithson, was dann auch den Namen erklärt. Und die Aufgabe der Smithsonian Institution war (und ist) die “Vermehrung und Verbreitung von Wissen“.

“Vermehrung und Verbreitung von Wissen“, damit sind wir bei der zweiten großen Persönlichkeit dieses Beitrages angelangt: Joseph Henry. Dieser war nicht nur von 1846 bis 1878 und somit 32 Jahre (!) amtierender Vorsitzender der Smithsonian Institution, sondern er ist auch Namensgeber der SI-Einheit für die Elektrische Induktivität – und erbrachte u.a. 1831 den Nachweis, dass mit Hilfe eines Telegrafen Nachrichten zwischen zwei Orten ausgetauscht werden können. Also sozusagen den Nachweis, dass man (auch) Wetterdaten “Beine machen“ kann.

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“Record Unit 95, Box 11, Folder 15”

Aber Henry war in seinem Wirken keineswegs auf Elektrizität und den damit verbunden Magnetismus fokussiert. Das wissenschaftliche Multitalent, das als Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina durchaus auch Kontakte nach Deutschland hatte, forschte u.a. im Bereich der Akustik, konstruierte Leuchttürme und beschäftigte sich mit dem Wetter. Dabei erkannte er sofort, dass die schnelle Übertragung von Wetterdaten mittels Telegrafen gewinnbringendem Nutzen für die Meteorologie bringen würde. Entsprechend zeichnete er auf, was ihm die o.g. Freiwilligen und die US Army übermittelten. Und schuf somit die erste(n) Wetterkarte(n) der Welt – noch vor derjenigen von Le Verrier.

Leider war es dem Autor nicht möglich, bei seinen Recherchen genaueres über die Form und den Inhalt der Wetterkarten von Le Verrier und Henry herauszufinden. Es ist aber anzunehmen, dass bei beiden die potentiell schadenträchtigen Wetterlagen besonders im Focus standen. Bei Le Verrier kann dies sogar als sicher gelten, denn immerhin war es bei ihm ein Unwetterereignis, das den Impuls für seine Untersuchungen gab. Aber auch in Nordamerika zogen Unwetter das Interesse der Forschergemeinde auf sich. So zeigt Abbildung 4 die Zugbahn eines Sturms am 21. August 1857, der knapp nördlich von Milwaukee auf den Lake Michigan traf.

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Unabhängig von den exakten Inhalten und auch unabhängig von der zeitlichen Reihenfolge der Wetterkarten von Le Verrier und Henry – die Leistung der beiden Forscher kann kaum hoch genug eingeschätzt werden. Denn die Idee, Wetterdaten zu einem festen Zeitpunkt in einem größeren Gebiet oder sogar weltweit darzustellen bzw. den räumlich-zeitlichen Ablauf eines Ereignisses wiederzugeben, erweist sich noch heute als Erfolgsmodell.

Dipl.-Met. Martin Jonas
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 28.09.2023
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

Tropenstürme und ihre Namen

Sie sind nicht mehr aus den Wetterkarten wegzudenken: Namen für Hoch- und Tiefdruckgebiete. Die Idee dazu, Druckgebilde, die einen Einfluss auf unser Wettergeschehen in Deutschland haben, zu benennen, hatte 1954 Karla Wege, damalige Studentin des Instituts für Meteorologie der Freien Universität (FU) Berlin.

Vorreiter diesbezüglich waren allerdings die USA. Der US-Wetterdienst begann bereits im Zweiten Weltkrieg damit, Taifune, also tropische Wirbelstürme über dem Westpazifik, mit Vornamen zu versehen. Der Grund hierfür war recht simpel: Man konnte dadurch deutlich leichter den Überblick über das aktuelle Wettergeschehen behalten. Dies machte sich vor allem dann bezahlt, wenn nicht nur ein, sondern gleich mehrere Taifune unterwegs waren. Diese Vorgehensweise war so erfolgreich, dass man sich entschied, in Zukunft auch Hurrikane (tropische Wirbelstürme über dem Atlantik mit Mittelwinden über 118 km/h) zu benennen.

Nach einigen Weiterentwicklungen dieses Benennungsprozesses werden seit 1979 alle tropischen Stürme über dem Nord- und Zentralatlantik (Mittelwinde über 60 km/h) mit männlichen und weiblichen Vornamen versehen. Im Gegensatz zu Deutschland, wo man bei der FU Berlin ein Hoch oder Tief gegen Bezahlung taufen lassen kann, sind die Namen der Tropenstürme durch die WMO (Weltorganisation für Meteorologie) vorgegeben. Sie entwickelte sechs Namenslisten, wobei pro Kalenderjahr eine Liste genutzt wird. 1979 startete man mit Liste 1, 1980 wurde Liste 2 genutzt und 1984 schließlich Liste 6. Darauf wiederholte sich dieser Listendurchlauf, d.h. 1985 kam wieder Liste 1 zum Einsatz. In diesem Jahr wird auf Liste 3 zurückgegriffen.

Jede Liste beinhaltet dabei 21 Namen, beginnend mit allen Buchstaben des Alphabets außer Q, U, X, Y und Z (mit diesen Anfangsbuchstaben gibt es kaum Namen bei den “Amis”). Der erste Tropensturm dieses Jahr hieß somit Arlene (aktiv vom 01. bis 03.06.) und der letzte dieser Liste wäre Whitney. Aktuell wirbeln Lee und Margot auf dem Atlantik und weiteres Tief ist auf dem besten Wege zum Tropensturm bzw. Hurrikan Nigel heranzureifen. Ohne Nigel gab es in diesem Jahr damit bisher 13 benannte Stürme, darunter 5 Hurrikane. Die Namensliste hätte damit noch Platz für acht weitere Stürme. Da allerdings rund 95 % der Stürme im Mittel zwischen Mitte August und Ende Oktober auftreten, ist es gar nicht mal sooo abwegig, dass die Liste nicht ausreicht. Und dann?

Tja, den Fall, dass das “Alphabet” ausgeht, gab es tatsächlich erst zwei Mal: 2005 und 2020. Während 2005 bereits unfassbare 28 benannte Tropenstürme über den Nordatlantik fegten, waren es 2020 sogar noch zwei mehr. In der Folge wurde ab Sturm 22 (also nach Ende der eigentlichen Liste) das griechische Alphabet herangezogen. Alpha, Beta und Gamma hießen damit die nächsten Stürme. 2021 entschied die WMO, in Zukunft statt auf das griechische Alphabet auf eine Ersatzliste zurückzugreifen, sollten nochmals die Namen ausgehen. Hintergrund ist, dass sich zum einen die griechischen Buchstaben zum Teil sehr ähnlich anhören, wodurch es zu Verwechslungen kommen kann, und zum anderen besonders schadensträchtige Stürme aus der Liste gestrichen und neu besetzt werden. 2020 wurden zum Beispiel Eta und Iota aufgrund ihrer Heftigkeit gestrichen. Jetzt wird es bei einem Alphabet natürlich schwierig, gestrichene Buchstaben zu ersetzen. Bei einer eigenen Ersatzliste ist das dagegen kein Problem.

Eine Übersicht über die Namenslisten finden Sie beispielsweise auf den Seiten des Nationalen Hurrikan Zentrums. Ist Ihr Name auch dabei? Der Autor muss noch ganze fünf Jahren warten, bis er möglicherweise ein Thema des Tages über Hurrikan Tobias verfassen kann und hofft, dass der Name nie gestrichen werden muss…

Dipl.-Met. Tobias Reinartz
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 15.09.2023
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst