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Extremwetter abseits des Scheinwerferlichts

Über das Wettergeschehen in unserer unmittelbaren Nachbarschaft sind wir Europäer für gewöhnlich medial sehr gut informiert. Egal ob extreme Niederschläge im Mittelmeerraum, ein Orkan über Nordwesteuropa oder heftige Schneefälle über Skandinavien – man bekommt hierzulande eine Vielzahl an Berichten und Bildern dazu „serviert“ bzw. kann sich diese einfach und rasch besorgen. Selbst die Wettervorgänge in den Vereinigten Staaten sind häufig Bestandteil der hiesigen Berichterstattung. Fixstarter dafür ist fast jeder Hurrikan sowie der eine oder andere stärkere Tornadooutbreak. Nun liegt Washington, D.C. bekanntlich etwa 6700 km Luftlinie von unserer Hauptstadt Berlin in westlicher Richtung entfernt – wissen Sie aber auch so gut Bescheid über die meteorologischen Vorgänge in einem ähnlich weit entfernten Gebiet in Richtung Osten? Die Luftlinie zur Hauptstadt der Mongolei (Ulaanbaatar) ist mit knapp 6200 km sogar kürzer als nach Washington, aber das dortige meteorologische Geschehen ist für uns Mitteleuropäer doch eine ganz „andere Welt“.

Die Mongolei liegt im Bereich des zentralasiatischen Hochlandes und bildet zwischen der Russischen Föderation und der Volkrepublik China einen sehr dünn besiedelten Binnenstaat, wobei 40 % der Gesamtbevölkerung (etwa drei Millionen) in der Hauptstadt wohnen. Die geographische Lage bringt mit sich, dass das Klima sehr kontinental geprägt ist. Prägend sind dabei eine große Schwankungsbreite der monatlichen Durchschnittstemperaturen (heiße Sommer, sehr kalte Winter) und der meist geringe Niederschlag (im Jahresverlauf ungleich verteilt). Die Folge davon sind ausgedehnte Steppengebiete, die im Süden in die Wüste Gobi übergehen.
DWD Extremwetter abseits des Scheinwerferlichts

Die oft nomadisch lebende Landbevölkerung muss damit sowohl mit den landschaftlichen, als auch den klimatologischen Randbedingungen ihr Leben bestreiten. Dazu gesellen sich aber immer häufiger Extremwetterereignisse, die meist zu viel Not und Leid führen. Ein solches wiederkehrendes Ereignis ist für die Region so prägend, dass es einen eigenen Namen bekommen hat: Dsud (andere Schreibweise: Dzud, engl: zud). Dieser Begriff beschreibt außergewöhnlich harte Winterbedingungen, die zwischen Oktober und Mai auftreten und zu fehlenden Weidemöglichkeiten führen können. Die Tiere der Nomaden werden dabei von Tag zu Tag schwächer und sterben zwangsläufig an Erschöpfung, Verhungern oder durch Erfrieren. Nicht selten kommt es dabei zu einem Massensterben.

Allerdings gibt es mehrere Ausprägungen des Dsud. Beim sogenannten „Weißen Dsud“ fällt so viel Schnee, dass die Tiere nicht mehr an das Steppengras herankommen können. Besonders erschwerend kann dabei der Windeinfluss sein, der die Schneeoberfläche verdichtet. Betrifft dieses Ereignis nur eine kleine Region, können die Hirtenfamilien mit den Tieren noch in ein anderes Gebiet ziehen. Ein großflächiges Auftreten von großen Schneemengen kann demgegenüber aber zu sehr schwerwiegenden Folgen führen. Ebenfalls gefürchtet ist der „Eis-Dsud“, bei dem die (Schnee-) Oberfläche von einer Eisschicht überzogen wird. Dies passiert einerseits durch einen Kaltlufteinbruch nach einer Schmelzperiode oder durch gefrierenden Regen. Doch auch der Mangel an Schnee kann zu Problemen führen: Beim schwarzen Dsud führt die fehlende Isolation des Schnees zu einem Gefrieren der Wasserläufe. Durch damit nicht mehr gewährleistete Wasserversorgung können Mensch und Tier rasch in Not geraten. Der kalte Dsud ist dagegen klassisch durch sehr tiefe Temperaturen charakterisiert. Extrem niedrige Temperaturen und starker eisiger Wind hindern Tiere am Grasen. Zudem verbrauchen diese einen Großteil ihrer Energie um ihre Körperwärme aufrecht zu erhalten.

DWD Extremwetter abseits des Scheinwerferlichts 1

Besonders nachteilig wirken sich aber auch vorangehende, sehr trockene Sommer aus. Langanhaltende Dürre führt schon vor dem Winter zu einer schlechten Nährstoffversorgung der Schafe und Ziegen, damit gehen diese mit einem nicht ausreichenden Gesundheitszustand in die kalte Jahreszeit. Außerdem hindert Dürre die Hirten bei der Anlegung von Futterreserven als Wintervorsorge. Zudem können auch Überweidung (zu viele Tiere auf engem Raum) und nachfolgende Versteppung der Landschaft zu Problemen bei der Futterbeschaffung führen.

Während historisch gesehen etwa alle 10 Jahre ein Dsud auftrat, sanken die Abstände in der letzten Zeit auf wenige Jahre, teils gab es mehrere solcher Extremwinter hintereinander. Wenn man bedenkt, dass Mensch und Tier etwa 5 bis 10 Jahre benötigen sich davon zu erholen, kann diese Entwicklung zu einer substantiellen Bedrohung der nomadischen Lebensweise führen. Beispielsweise waren nach Angaben des UN-Kinderhilfswerks (UNICEF) im Winter 2023/24 über 258.000 Menschen – darunter über 100.000 Kinder – von den Auswirkungen des Dsud betroffen, da neben den landwirtschaftlichen Einschränkungen auch die Straßen durch starken Schneefall blockiert wurden und Kinder keinen Zugang zu lebenswichtigen Gesundheits-, Ernährungs-, Bildungs- und Sozialdiensten hatten. Die Anzahl der ums Leben gekommenen Tiere wird mit etwa 1,5 Millionen geschätzt (staatlichen Notstandskommission). Zudem explodierten die Futterpreise mit gravierenden finanziellen Folgen für die Hirten.

Mag.rer.nat. Florian Bilgeri
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 15.03.2024
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

Jahresvorausschau 2023 – Ein Rückblick

Sturmtief JITKA hat Deutschland am heutigen Mittwoch fest im Griff. Was es mit JITKA auf sich hat, wurde im gestrigen Thema des Tages bereits detailliert beschrieben und am morgigen Donnerstag wird es an dieser Stelle eine Nachlese zu diesem Sturm geben.

Wir sitzen heute also gewissermaßen zwischen den Stühlen und möchten daher ein ganz anderes Thema aufgreifen. Wie Sie wahrscheinlich wissen, gibt es in dieser Rubrik seit einigen Jahren zum Jahresende eine humoristisch „angehauchte“ Vorausschau auf das neue Jahr. Im Nachgang wirklich unter die Lupe genommen, wurden diese „Prognosen“ allerdings noch nie. Das wird sich jetzt ändern! Gehen wir doch das letzte Jahr einfach mal Monat für Monat durch und schauen, ob wirklich alles Kokolores war oder sich nicht doch ein Glückstreffer eingeschlichen hat 😉
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Januar 2023:
Nach einem sehr milden Jahresstart kommt der Winter zum Ende des Monats mit voller Wucht zurück! Weite Teile des Landes sind in ein weißes Kleid gehüllt.

Gar nicht mal so schlecht! Nach verbreitet 14 bis knapp 20 Grad an Neujahr stellte das Wetter in der zweiten Monatshälfte tatsächlich auf Winter um. Vor allem in der Mitte und im Süden gab es dann immer wieder mal Dauerfrost und am Morgen des 22.1. lag dort sogar recht verbreitet Schnee oder zumindest Schneepampe. Ob das jetzt unter „voller Wucht“ läuft…naja.
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Februar 2023:
Massives Tauwetter bei der Biathlon-WM in Oberhof. Das deutsche Team versucht mit dem Umstieg auf Wasserski die bis dato norwegische Dominanz zu brechen.

Lagen zu Beginn der WM am 6.2. noch 20 bis 40 cm Schnee in den Hochlagen des Thüringer Walds, meldete zum Ende am 19.2. die Schmücke gerade mal noch 12 cm und die übrigen Stationen so gut wie gar nichts mehr – Haken hinter Tauwetter! Ein Materialwechsel des deutschen Teams ist dagegen nicht überliefert, dagegen die zumindest bei den Männern ungebrochene Dominanz der norwegischen Biathleten.
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März 2023:
Nach intensiven Wartungsarbeiten an der Wetterstation in Lingen wird diese wieder ins Messnetz des DWD integriert.

Kurzum: Fehlschuss! Der alte Standort wurde durch Lingen-Baccum endgültig ersetzt.
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April 2023:
„Dem Osterhase schmelzen die Eier weg!“, titelt ein großes deutsches Boulevardblatt. Bei Sonne pur und Höchstwerten bis 27 Grad zu den Feiertagen ist Schokolade aber vielleicht wirklich nicht die beste Wahl für’s Osternest.

17,1 Grad am Ostersonntag und 20,7 Grad am Ostermontag lautete der deutschlandweite Temperaturhöchstwert. Mancherorts verblieb die Temperatur sogar im einstelligen Bereich. Der Familienplanung des Osterhasen setzte das Wetter also kein jähes Ende.
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Mai 2023:
Charles III wird in der Westminster Abbey zum König gekrönt. Hoch QUEENIE sorgt für Kaiserwetter.

Das wär’s gewesen! Viel hat nicht gefehlt, QUEENIE verschwand allerdings schon Ende April von der Wetterkarte. Am 6.5. lag England dagegen im Einflussbereich eines Tiefdruckkomplexes um XAVER und YANNIS. Die Folge: Grauer Himmel und Regen bei bis zu 15 Grad… Kaiserwetter sieht anders aus!
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Juni 2023:
Gemäß dem Motto: „Was die FIFA kann, können wir schon lang!“ vergibt das IOC die Olympischen Winterspiele 2030 nach…Kairo. Der Schnee wird aus den Skigebieten Saudi-Arabiens geliefert.

Die Vergabe erfolgt wohl erst im Laufe dieses Jahres – der Punkt bleibt also offen! 😉
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Juli 2023:
Neuer Temperaturrekord in Deutschland! 42,6 Grad, gemessen in … ohoh … Lingen. Die Station wird darauf hin vorsorglich wieder aus dem Messnetz entfernt und in ein Museum für Messtechnik umgewandelt.

Weder einen neuen Deutschlandrekord, noch ein neues Museum für Messtechnik brachte 2023 hervor. Heiß wurde es im Juli aber trotzdem mit einem Spitzenwert von 38,8 Grad in Möhrendorf-Kleinseebach.
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August 2023:
Tornado-Outbreak in Deutschland! Das Cellbroadcasting wird das erste Mal operationell eingesetzt und funktioniert sogar. Vielleicht waren die zum Teil massiven Schäden auch gerade deshalb zum Glück rein materieller Natur.

Tatsächlich kam das Cellbroadcasting hin und wieder zum Einsatz, auch Tornados gab es einige (Stand heute: 29). Einen Outbreak wie zum Beispiel 2022 gab es allerdings zum Glück nicht.
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September 2023:
Schneeregen zum Wiesnstart in München! Keine Chance für die „Alkoholübersättigten“ bei den rutschigen Bedingungen den Westhügel (meist auch als „Kotzhügel“ bekannt) zu erklimmen.

„Die Fundsachen werden dominiert von Sonnenbrillen statt Regenschirmen“ konnte man in der Zeitung lesen. Das sagt schon alles. Meist traumhaftes Spätsommerwetter bei Höchstwerten von zum Teil über 25 Grad. Auf das Wetter kann man eine misslungene Besteigung des „Kotzhügels“ wahrhaftig nicht schieben.
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Oktober 2023:
Ringförmige Sonnenfinsternis in Teilen Amerikas am 14. Oktober! Atemberaubende Bilder erreichen uns dabei von Fischern auf dem Golf von Mexiko im wolkenlosen Auge von Hurrikan MARGOT.

MARGOT war zwar tatsächlich ein Hurrikan (Kat.1), aber bereits im September unterwegs und zwar mitten über dem Atlantik, weit weg vom Golf von Mexiko. Ein wolkenloses Auge über dem Golf entwickelte dagegen Kat.4-Hurrikan IDALIA Ende August, Fotos davon von einem Boot aus wird es aber wohl keine geben.
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November 2023:
Sturmtief VICCO fegt am 12. November über Deutschland hinweg – „passend“ zu Loriots 100. Geburtstag. Die Medienwelt vergibt den Beinamen HEINZELMANN und titelt: „Es bläst und saugt der Heinzelmann, wo Mutti sonst nur…“.

Am 12.11.2023 befanden wir uns tatsächlich mal unter schwachem Zwischenhocheinfluss in der ansonsten sehr tiefdruckgeprägten Zeit. Zu den „blasenden Heinzelmännern“ zählten in den folgenden fünf Tagen JASPER, KNUD und LINUS.
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Dezember 2023:
Mildester Dezember seit Aufzeichnungsbeginn! Die Weihnachtsmänner fluchen unter ihren dicken Anzügen und hoffen auf bessere Zeiten…

Der mildeste Dezember war es zwar nicht, aber „immerhin“ unter den Top 10 seit 1881. An Heilig Abend und den beiden Weihnachtsfeiertagen gab es aber vielfach zweistellige Höchstwerte. In Piding im Berchtesgadener Land wurden am 24. und 25.12. sogar knapp 17 Grad erreicht! Dass sich da der ein oder andere Weihnachtsmann über seinen dicken Anzug beschwert hat, ist also durchaus im Bereich des Möglichen 😉
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Fazit: Der ein oder andere Randtreffer war zwar dabei, die Fehlschüsse liegen aber deutlich in der Überzahl. Mal sehen, wie 2024 läuft 😉

Dipl.-Met. Tobias Reinartz
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 24.01.2024
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

Es taut!

Aktuell liegt Deutschland im Übergangsbereich zwischen der frostigen Luft, die sich in Nord- und Osteuropa im Winter festgesetzt hat, und der deutlich milderen Meeresluft, die durch Tiefdruckgebiete vom Atlantik zu uns geführt wird. Ab Samstag gewinnt nun die teils sehr milde Luft und spätesten ab Sonntag setzt sie sich überall in Deutschland durch. Die untere Wetterkarte zeigt, wie die starke Tiefdruckaktivität über dem Nordatlantik mit einer westlichen Strömung (die Pfeile) zunehmend mildere Meeresluft nach Mitteleuropa bringen.

DWD Es taut

Am heutigen Freitag bis in die Nacht zum Samstag muss aber zunächst in der Osthälfte mit glatten Straßen durch etwas Schnee, überfrierende Nässe oder vor allem in Ostbayern durch gefrierenden Regen oder Sprühregen rechnen.

Am Samstag kommt einen Schwall sehr milder Luft nach Deutschland. Verantwortlich dafür ist ein Tief über den Britischen Inseln, das im weiteren Verlauf zur Nordsee zieht. Das ausgeprägte Niederschlagsgebiet erreicht gegen Mittag den Westen des Landes und bis zum Abend weitet sich es bis zur Mitte aus. Diesmal fällt nur Regen, denn mit dem stark auffrischenden Süd- bis Südwestwind steigen die Temperaturen auf Werte zwischen 5 und 10 Grad an. Nur im Osten und Südosten liegen die Höchstwerte zwischen 1 und 4 Grad. Dort bleibt es bis zum Abend trocken und die Sonne kann sich tagsüber kurz zeigen.

In der Nacht zum Sonntag erreicht der Niederschlag auch den Osten, von Westen her folgen Schauer nach. Es besteht in einigen Tälern der östlichen Mittelgebirge noch mal die Gefahr vor gefrierendem Regen bei Werten um 0 Grad. Sonst mit dem starken bis stürmischen Westwind bleibt es vielerorts bei Tiefstwerten zwischen 9 und 3 Grad frostfrei. Wind, Regen und positive Temperaturen lassen die Schneedecke bis weitet in höhere Lagen anfangen zu tauen.

Die Tauwetterlage setzt sich am Sonntag und Anfang nächster Woche fort. Dabei überqueren unter Tiefdruckeinfluss mehrere Niederschlagsgebiete Deutschland bei starkem bis stürmischem Westwind und milden Temperaturen zwischen 6 und 13 Grad. Selbst nachts bleibt es überall frostfrei.

DWD Es taut 1

Regen zusammen mit der Schneeschmelze und dem stark böigen Wind lässt viele Flüsse und Bäche vor allem in Süddeutschland und in den Mittelgebirgen, wo noch eine mächtige Schneedecke liegt, stark anschwellen, die dann in die großen Flüsse wie Donau und Rhein zufließen. Die Hochwassergefahr steigt dabei deutlich an.

Die Tauwetterphase sollte nicht so langen anhalten. Denn schon Ende nächster Woche gehen die Temperaturen wieder zurück. Bis dahin sollte jedoch die Schneedecke in tiefen und mittleren Lagen fast komplett weggetaut bzw. weggewaschen sein. Aber keine Angst, der Winter ist nicht vorbei und wer weiß: vielleicht stehen die Chancen auf weiße Weihnachten diesmal nicht so schlecht wie in den vergangenen Jahren.

Dipl.-Met. Marco Manitta
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 08.12.2023
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

Eisdecke betreten. Wie entscheiden, ob es gefahrlos ist??

Der Winter ist eingekehrt in Deutschland und mit ihm auch frostig kaltes Wetter. Erste zarte Eisdecken bilden sich auf den See, doch ab wann kann man eigentlich Schlittschuhlaufen oder zugefrorene Seen und Teiche betreten?

Zunächst einmal braucht es eine Weile, bis das Wasser der Seen soweit abgekühlt ist, damit sich eine Eisdecke bilden kann. Denn, solange, wie sich in einem See noch Wasserschichten mit Temperaturen von über 4 Grad Celsius befinden, treiben diese aufgrund der Anomalie des Wassers nach oben und verdrängen das oberflächlich kältere Wasser nach unten.

DWD Eisdecke betreten. Wie entscheiden ob es gefahrlos ist

So kommt es, dass viele Seen am Anfang des Winters selbst nach einigen Tagen Dauerfrost und strengem Frost in den Nächten keine Spur von Eisdecke zeigen. Es braucht oft bis in den Januar hinein, bis die größeren Seen anfangen vom Ufer her zu vereisen. Wenn das Wasser auch in der Tiefe durchgehend auf 4 Grad Celsius abgekühlt ist, dann kommt die thermische Zirkulation im See zum Erliegen und es gibt kein „leichteres“ Wasser mehr, als das kalte Wasser an der Oberfläche. Also bleibt es oben und kann sich durch Wärmeabstrahlung bei vorhandener Frostluft weiter abkühlen. Bei ausreichender Andauer des Frostes bildet sich eine Eisdecke. Diese wächst umso mehr an, je länger Frosttemperaturen darauf einwirken und je tiefer die Lufttemperatur ist. Es gilt also grundsätzlich: Je später der Winter, umso größer ist die Chance, dass ein See zufriert.

Allerdings ist diese Schilderung sehr vereinfacht. In Wirklichkeit ist die Eisbildung bei jedem Gewässer anders und im Wesentlichen von folgenden zusätzlichen Faktoren abhängig:

1. Die Tiefe des Sees: Je tiefer ein See, umso größer ist der „Vorrat“ an warmem Tiefenwasser (wärmer als 4 Grad Celsius), welches durch die geringere Dichte zur Oberfläche aufsteigt.

2. Stärkerer Wind: Unterstützt die Durchmischung der Wasserschichten. Das führt bei flachen Seen zu einer Beschleunigung der oberflächlichen Abkühlung, bei tiefen Seen zu einer Verzögerung.

3. Grundwasserzufluss: Je mehr Grundwasserzufluss ein See hat, umso mehr Nachschub von Wasser, dass wärmer als 4 Grad ist, besteht. Das verzögert die Eisbildung und führt in einem See zu Regionen mit dünnerer Eisdecke. So frieren Baggerseen oder Tagebaurestlöcher, die Hauptsächlich durch Grundwasser gespeist werden, meist spät und selten zu. Aufgrund der thermischen Trägheit des Erdbodens hat das Grundwasser in etwa 7 m Tiefe erst im November/Dezember seinen Maximalwert im Jahresgang.

4. Zufluss warmer Abwässer.

5. Aufsteigende Faulgase oder Luft.

6. Salzhaltiges oder chemisch verunreinigtes Wasser.

7. Wetter: Kommt es bald (1 bis 2 Tage) nach der ersten Eisdeckenbildung zu einer Schneedecke, dann stellt diese eine Isolationsschicht dar, die ein weiteres Anwachsen der Eisdecke verlangsamt.

Bei sibirischen Temperaturen, mit wochenlangem Dauerfrost bekommt die Natur auf fast jedes Gewässer eine tragfähige Eisdecke gezaubert. Aber das ist in mitteleuropäischen Gefilden sehr selten. Die optimale Wetterlage dafür wäre ein beständiges Hoch über Skandinavien oder Westrussland. Dadurch könnte osteuropäische Kaltluft zu uns fließen, die es vor allem von Ende Januar bis März dort gibt. Wenn diese wenigstens eine Woche lang bei uns liegt und der Herbst und Winter bis dahin schon längere Frostperioden hatten, die den Erdboden etwas vorgekühlt haben, dann frieren die Seen zu. Wenn die Temperaturen aber bis dahin mild waren, dann reicht eine Woche Dauerfrost nicht aus.

Die Eisqualität: Abhängig von der Witterung bei Bildung der Eisdecke ist deren Qualität: Im optimalen Fall beginnt nach Erreichen der Winterstagnation (Bild 1) eine wie oben beschriebene Hochdrucklage mit Dauerfrost, ohne Niederschlag und wenig Wind. Dann kann in einer klaren windstillen Nacht bei strengem Frost der See zufrieren. Die dabei entstehende Eisdecke ist spiegelglatt. Bei weiterem Dauerfrost wächst die Dicke der Eisdecke weiter an und es entsteht glattes, sogenanntes „schwarzes“ Eis, ohne wesentliche Lufteinschlüsse. Eine solche Eisdecke ist sehr tragfest und stabil. Dieses optimale Szenario ist aber in unseren Breiten selten und im Zuge der Klimaerwärmung sinkt die Wahrscheinlichkeit dafür auch in Skandinavien. Viel wahrscheinlicher ist es, dass auf frostige Nächte frostfreie Tage folgen. Dadurch wird die Eisdecke zunächst nur dünn bleiben, wieder antauen und kann eventuell von Wind aufgebrochen werden. Außerdem kann es passieren, dass Schnee auf eine Eisdecke fällt und dieser durch Tauwetter, Regen oder durch aus Spalten aufsteigendes Wasser zu Schneematsch wird und anschließend wieder gefriert. Dann bildet sich „weißes“ Eis mit teils größeren Inhomogenitäten und spröden Zwischenschichten. Eine solche Eisdecke trägt deutlich schlechter. Der Unterschied der Tragfähigkeit zu gleichdickem „schwarzen“ Eis kann den Faktor 10 erreichen. Es gibt aber unendlich viele Zwischenstufen, je nach Witterung während des Gefrierens.

Soweit zur Theorie. In der Praxis stellt sich die Frage: „Kann man auf das Eis gehen oder nicht?“

Als Tragfähigkeit für „schwarzes“ Eis gilt folgende Faustformel:
Tragfähigkeit (Kg) = 5 h² h= Eisdicke in cm

Demnach könnte eine Eisdecke schon ab 5 cm theoretisch einen Menschen tragen und ab 8 cm eine Gruppe. Da aber häufig kein reines „schwarzes“ Eis vorhanden ist und da die Eisdicken im See unterschiedlich sind, wird von der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft als Richtlinie folgendes angegeben: Stehende Gewässer soll man erst ab einer Eisdicke von 15 cm und fließende Gewässer ab einer Eisdicke von 20 cm betreten. Man beachte aber, dass unter Brücken, in Bereichen von Zu- und Abflüssen, zwischen Schilfbewuchs, über starken Grundwasserzuflüssen und über aufsteigendem Faulgas oder Luft das Eis weniger dick ist.

Flache Gewässer: Ein knietiefer Dorfteich oder eine flach überflutete Wiese frieren viel schneller zu, als alle anderen Gewässer. Selbst wenn das Eis bricht, ist die Gefahr beherrschbar, wenn der Untergrund nicht zu sumpfig ist. Deshalb sind diese für die ersten Gehversuche auf dem Eis optimal.

Tiefe Gewässer: Bei tiefen Gewässern sollte man sich an die Richtlinie 15 bis 20 cm halten. Bei deutlich vorherrschendem „weißen“ Eis und großer Last auf dem Eis (kompakte Schneedecke, viele Menschen, usw.) sollte man zur Sicherheit nicht unter 20 cm akzeptieren. Die Kommunen können Informationen über die Begehbarkeit der Gewässer herausgeben. Diese können in der lokalen Presse oder im Internet zu finden sein. Auch ein Anruf bei der Kommune kann Klarheit bringen.

Risse durch Eisbewegungen: Das Eis trägt zum größten Teil deswegen, weil es auf dem Wasser schwimmt. Deshalb macht es Wasserspiegelschwankungen mit. Bei sinkenden Temperaturen, z.B. in der Nacht, schrumpft die Eisoberfläche, was zu Kontraktionsspalten an der Oberfläche führt. Diese laufen mit Wasser voll und frieren wieder zu. Das Aufreißen ist häufig mit lauten Knallgeräuschen verbunden. Bei steigender Temperatur dehnt sich die Eisoberfläche aus und es kommt zu Biegezugrissen an der Untergrenze. Dies ist mit pfeifenden Geräuschen verbunden. Wenn die Eisdecke vorher getragen hat und der Frost mit nur unwesentlichen Unterbrechungen am Tage anhält, stellen diese Effekte keine große Gefahr dar. Das Wasser in den Rissen gefriert wieder. Sie verschlechtern lediglich die Eisoberfläche zum Schlittschuhlaufen. Durch häufige starke Temperaturschwankungen können aber auch größere Verwerfungen in der Eisdecke entstehen. Wenn es größere Hebungen mit übereinander geschobenen Eisplatten gibt, kann es auch nach unten gedrückte Eisplatten geben, die Einbruchgefahr bedeuten!

DWD Eisdecke betreten. Wie entscheiden ob es gefahrlos ist 1

Risse durch Überlastung: Bei Belastung der Eisdecke senkt sie sich einige Zentimeter nach unten. Bei zu starker Belastung reißen an der Unterseite Radialrisse ein und bei anhaltender Überlastung folgen Tangentialrisse auf der Oberfläche. Dann steht der Einbruch unmittelbar bevor. Grundsätzlich sind bewegte Lasten weniger einbruchgefährdet, als stationäre Lasten.

Frühjahr: Bei Tauwetter nehmen die Spaltenbildungen Tag für Tag zu und einzelne Schollen lösen sich. Zunehmende Sonnenstrahlung macht das Eis spröde und morsch, weil die Kristallstruktur durch internes Anschmelzen runder und weicher wird. Dadurch wird die gesamte Eisdecke brüchiger und das Ende der Betretbarkeit ist gekommen.

DWD Eisdecke betreten. Wie entscheiden ob es gefahrlos ist 2

In vielen Regionen Deutschlands gilt das Zufrieren größerer Wasserflächen als etwas Besonderes und dann finden traditionell kleinere oder größere Volksfeste auf dem Eis statt. So zum Beispiel auf der Außenalster in Hamburg, im Spreewald bei Lübbenau und Burg, auf Teilen des Bodensees, um nur einige zu nennen. Vielleicht gibt es ja in diesem Winter viele zugefrorene Gewässer? Dann hoffen wir darauf, dass die Menschen Vernunft vor Mut stellen und keine schlimmen Einbrüche passieren.

Dipl.-Met.(FH) Jens Oehmichen zusammen mit Dipl.-Met. Marcel Schmid
Deutscher Wetterdienst
RWB Leipzig und Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 01.12.2023
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

Die Blätter machen den Abgang

Der Herbst ist mittlerweile mehr als zur Hälfte vorüber, für die Meteorologen beginnt der Winter sogar bereits in rund zwei Wochen am 1. Dezember. Zwar macht der Herbst durch Regen und Sturm in Sachen Wetter seit etwa vier Wochen quasi alles richtig, die Temperaturen sind aber fortwährend zu hoch. Bleibt es so mild, könnte dieser Herbst als einer der drei wärmsten in die Wetterannalen eingehen.

Die langen Phasen mit warmem Altweiber- und Spätsommerwetter bis Mitte Oktober haben die Natur bereits irritiert. So gibt es Berichte von blühenden Pflanzen und Bäumen, längeren Ernten als üblich und kräftigem Rasenwachstum in dieser Zeit. Ebenso blieben die Blätter noch lange grün.

Blattverfärbungen

Blattverfärbungen werden im Herbst ausgelöst, wenn der Sonnenstand immer niedriger und die Tageslänge immer kürzer werden und vor allem die nächtlichen Temperaturen in den einstelligen Bereich sinken. Dabei sollte es mehrere sehr kühle Nächte hintereinander geben. Ist es soweit, wird das in den grünen Blättern vorherrschende Chlorophyll schneller abgebaut. Der Baum zerlegt also das Chlorophyll in seine Bausteine und holt es in die dicken Äste und den Stamm zurück. Dort werden sie bis zum nächsten Frühjahr eingelagert und dann wiederverwertet. Blattverfärbungen stellen sich also nicht nur aufgrund der kürzeren Tage ein, sondern auch im Zusammenhang mit der aktuellen Witterung.

In diesem Herbst sorgten die meist auch warmen Nächte für eine Verzögerung der Blattverfärbung. Anhand der aktuellen phänologischen Uhr (weitere Informationen zur Phänologie unter ) lässt sich herauslesen, dass die Leitphase für den Spätherbst mit der Blattverfärbung der Stieleiche statt üblicherweise um den 19. Oktober herum (Mittel der Jahre 2011 bis 2022) erst am 28. Oktober einsetzte. Mit anderen Worten: die Blätter fielen durchschnittlich 9 Tage später als in den letzten 12 Jahren!

DWD Die Blaetter machen den Abgang

Blattfall

Dieser Rückstand konnte durch das seit Mitte Oktober umgeschlagene Wetter mit anhaltender Tiefdruckaktivität und zeitweiligen Sturm nur bedingt aufgeholt werden. Der Blattfall der Stieleiche als Leitphase für den beginnenden Winter wurde erst am 13. statt am 7. November gemeldet. Damit blieb eine Verzögerung von 6 Tagen.

Der subjektive Eindruck des späten Blattfalls in diesem Herbst kann also durch Beobachtungen bestätigt werden. Daher ist es nicht verwunderlich, dass zum Teil noch einige Blätter an den Bäumen hängen. In den nächsten Tagen sorgen Sturm, Regen und sinkende Temperaturen voraussichtlich aber für einen weiteren starken Abgang der Blätter von den Bäumen.

Die alte Bauernregel, die besagt: „Hängt das Laub bis November hinein, wird der Winter lange sein“ lässt sich übrigens nicht belegen. Sie steht wissenschaftlich auf sehr wackeligen Beinen. Wie der Winter wird, können uns die Bäume also auch heute leider noch nicht verraten.

Dipl.-Met. Simon Trippler
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 16.11.2023
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

Blick über den großen Teich

Wetterprognosen können Organisatoren von Freiluftveranstaltungen ganz schön ins Schwitzen bringen. Ob dazu auch am morgigen Mittwoch in Washington, D.C. Anlass besteht, lesen Sie im heutigen Thema des Tages.

Endlich der erste Schnee!

Einige Regionen im Nordwesten Deutschlands hatten bisher in diesem Winter noch keinen einzigen Tag mit einer geschlossenen Schneedecke. Am heutigen Sonntagmorgen konnte dort aber fast überall endlich der erste Schnee des Winters begrüßt werden.

Angespannte Lawinensituation in den Alpen

Nach ergiebigen Schneefällen an den Nordalpen besteht eine erhebliche bis große Lawinengefahr, die bereits erste Opfer gefordert hat. Wie ist der derzeitige Schneedeckenaufbau gekennzeichnet und welche dominierenden Lawinen-Gefahrenmuster ergeben sich daraus?

Kleiner Rückblick

Dieser Winter gibt (uns) wirklich alles. Fast überall in Deutschland hat man bis heute Schnee zumindest gesehen, wenn er auch an einigen Orten nicht lang liegen blieb. Vergangenen Mittwoch gab es zudem ein seltenes Schauspiel: Wintergewitter.

Was gibt es Neues beim Wetter?

Seit Jahresbeginn dümpeln wir zwischen Hochs und Tiefs mit nur wenig Bewegung in der Wetterküche, aber durch Feuchteeinschub immer wieder weißen „Überraschungen“. In unserem Büro nennt man das „Gammellage“. Die setzt sich weiter fort, auch wenn Tief AHMET jetzt von Osten her angreift.