Ungewöhnliche Temperaturverteilung in Europa
Das heutige Thema des Tages wirft einen kurzen Blick auf die gestrigen Unwettergewitter und beschäftigt sich darüber hinaus mit der aktuellen Temperaturverteilung in Europa.
Auch am gestrigen Sonntag hatten heftige Gewitter und Starkregen wieder weite Teile Deutschlands fest im Griff. Insbesondere von Sachsen und Bayern bis ins Münsterland blitzte und donnerte es heftig, und wie schon am Samstag waren vielerorts Rettungskräfte im Einsatz, um z.B. vollgelaufene Keller auszupumpen.
Neben der emotionalen Komponente dieser Ereignisse liefert das DWD-Messnetz nüchterne Fakten zu den Geschehnissen. Spitzenreiter bezüglich der 24-stündigen Regenmengen bis heute Morgen war dabei die Station Lichtenau in Westfalen mit 112 l/qm. Das ist übrigens mehr als die etwa 80 l/qm, die dort im Juni im Durchschnitt fallen. Schwere Unwetter bezüglich des Niederschlages sind u.a. auch im ostbayrischen Flossenbürg mit 88 l/qm oder im münsterländischen Ahaus mit 68 l/qm aufgetreten. Die Liste könnte man noch deutlich verlängern, unter anderem gab es auch in Nordhessen, Thüringen und im südlichen Niedersachsen verbreitet mehr als 50 l/qm.
Bezüglich des Windes waren die gestrigen Gewitter dagegen nicht allzu kräftig. Hier und da mal eine Sturmbö, mehr war bei den geringen Luftdruckgegensätzen, sowohl am Boden als auch in der Höhe, nicht drin. Und diese Böen haben auch noch einen Bogen um unsere Messfelder gemacht. Ihr Auftreten muss man daher aus den Radarbeobachtungen ableiten.
Allenfalls Durchschnitt – das gilt nicht nur für die Windböen gestern, sondern auch für die Höchsttemperaturen. Der Nordosten bringt es bei viel Sonne heute und in den kommenden Tagen auf Spitzenwerte von über 25 Grad – das kann man ohne Rot werden zu müssen immerhin als warm bezeichnen. In den anderen Regionen liegen die erwarteten Maxima dagegen um 20, bei längerem Regen sogar nur um 15 Grad. Das ist dann allenfalls mäßig warm, der eine oder andere wird das sogar schon als kalt empfinden.
Aber warum liegen die Höchstwerte in Deutschland aktuell nur regional im sommerlichen Bereich? Der Grund ist die großräumige synoptische Konstellation, die auch für die europaweite Verteilung der warmen und kalten Luftmassen zuständig ist (vgl. Grafik . In der Grafik sind zwei Tiefdruckkerne zu erkennen, wobei sich einer westlich des Ärmelkanals, der andere über der zentralen Ostsee und dem Baltikum aufhält. Die beiden sind durch eine langgestreckte Zone tiefen Luftdrucks, eine sogenannte “Tiefdruckrinne” verbunden. Diese blockiert den Transport von warmer Mittelmeerluft zu uns, stattdessen bleibt es in Teilen der Rinne – und damit z.B. auch über dem Südwesten Deutschlands – eher kühl (grünlich-gelb Einfärbung).
Die Warmluft macht stattdessen einen weiten Umweg nach Norden – über die Ukraine und den Westen Russlands, um dann in Skandinavien anzukommen. In der Grafik sind diese Gebiete orange eingefärbt. In der Folge liegen die Höchstwerte in Nordwestrussland sowie in Teilen Finnlands und Schwedens höher als über weiten Teilen Westeuropas (siehe ausgewählte Höchsttemperaturen (Zahlenwerte) für den heutigen Nachmittag in der Karte).
Und da die beiden Tiefdruckgebiete noch nicht bereit sind, das Feld zu räumen, bleibt bei uns in den kommenden Tagen das Wetter weiterhin zweigeteilt: Einem sonnigen, warmen und trockenen Nordosten steht ein kühlerer, teils wolkiger und regnerischer Südwesten gegenüber, auch Blitz und Donner sind dort mitunter wieder mit von der Partie.
Dipl.-Met. Martin Jonas
Deutscher Wetterdienst Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach, den 15.06.2020
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst