Von Lichtsäulen und Diamantenstaub
In extrem kalten Nächten sorgt Diamantenstaub, eine besondere Form des Niederschlags, für eine sehenswerte optische Erscheinung: Lichtsäulen oder “Light Pillars”.
Deutschland gleicht zurzeit einem Gefrierschrank. Heute früh wurden über der tief verschneiten Landschaft über der Mitte und dem Osten relativ verbreitet Tiefsttemperaturen von unter -20 Grad Celsius registriert. Der Kälte-Hotspot, sozusagen der “Coldspot”, war Mühlhausen in Thüringen mit -26,7 Grad Celsius. Mit Blick auf die nächste Heizkostenabrechnung mag es dabei einigen vielleicht die Tränen in die Augen treiben. Aber die bitterkalten Nächte bieten mancherorts auch die Chance auf meteorologische und optische Erscheinungen, die für unsere Breiten Seltenheitswert haben. Die Rede ist vom sog. “Diamantenstaub” und den damit in Verbindung stehenden Lichtsäulen, die wie bunte Jedi-Lichtschwerter aus Star Wars die kalten Nächte unwirklich illuminieren
Diamantenstaub ist eine Form des Niederschlags und wird gerne auch als “Polarschnee” bezeichnet, weil dieser eigentlich für die extrem kalten polaren Regionen charakteristisch ist. Das Besondere dabei: Der Niederschlag tritt häufig bei gering bewölktem oder gar wolkenlosem Himmel auf. Es handelt sich um winzige Eiskristalle, die sich in feuchter, nahezu gesättigter Luft durch Resublimation des in der Luft enthaltenen Wasserdampfes (direkter Übergang vom gasförmigen in den festen Aggregatzustand) in bodennahen Luftschichten der Atmosphäre niederschlagen. Da Wasser in der Atmosphäre bis zu Temperaturen von etwa -10 Grad Celsius im flüssigen Zustand vorkommt und bei wasserdampf-gesättigter Luft demnach eher zu Nebel kondensiert als zu Eiskristallen resublimiert, benötigt es entsprechend niedrigere Temperaturen von (deutlich) unter -10 Grad Celsius. Je reiner die Luft, also je weniger kleine Staub- bzw. Schmutzpartikel in der Luft als “Eiskeime” zu Verfügung stehen, desto kälter muss es sein. Die Bezeichnung “Diamantenstaub” rührt von dem Umstand her, dass die Eiskristalle die Luft vor allem tagsüber bei Sonnenschein zum “Funkeln” bringen.
In der Nacht führt der Polarschnee zu einer ganz anderen optischen Erscheinung, den Lichtsäulen oder “Light Pillars”. Es sind scheinbare Lichtstrahlen, die sich ausgehend von hellen, punktförmigen Lichtquellen am Boden (z. B. einer Straßenlaterne) senkrecht bis weit in den Himmel erstrecken können. Tatsächlich handelt sich dabei aber nicht um einen Lichtstrahl, sondern um eine optische Illusion durch kollektives Reflektieren des Lichtes an den kleinen Eiskristallen. Diese wirken durch ihre “Plättchenform” und relativ glatten Oberflächen nämlich wie viele kleine Spiegel in der Luft. Die Illusion des Lichtstrahles ergibt sich schließlich durch die gleichzeitige Reflektion der Lichtquelle an Eiskristallen aus unterschiedlichen Höhen
Die Bedingungen für Lichtsäulen sind regional auch in den kommenden Nächten günstig: Starke Auskühlung der bodennahen, noch recht feuchten Luft in klaren Nächten, insbesondere über Schnee! Es lohnt also vor allem in den Frühstunden vor Sonnenaufgang ein Blick in den Himmel.
Dipl.-Met. Adrian Leyser
Deutscher Wetterdienst Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach, den 10.02.2021
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