Wasser marsch! – Mediterrane Unwettersaison im Herbst
Die ersten Bundesländer starten am kommenden Wochenende in die Herbstferien. Viele nutzen die freie Zeit unter anderem für eine Reise in die Urlaubsdestinationen rund um das Mittelmeer. Aber auch die heimische Nord- und Ostseeküste ist auch im Herbst noch ein beliebtes Reiseziel. Grund genug einen Blick auf die aktuellen Wassertemperaturen in den europäischen Gewässern zu werfen, um gegebenenfalls einen Kälteschock bei der vermeintlichen Abkühlung zu vermeiden.
Die Wassertemperatur wird an den Badestränden normalerweise an Bojen und Stegen gemessen. Für eine gesamteinheitliche Abbildung der Meeressoberflächentemperaturen stößt man jedoch mit dieser Methode rasch an Grenzen. Abhilfe schafft hier die Kombination aus Satellitenmessungen und Modellprognosen. Im infraroten Strahlungsspektrum werden die Ozeane abgetastet und deren Ausstrahlung – sprich die oberflächennahe Temperatur -zeitlich hochaufgelöst erfasst. Allerdings bringt diese Methode auch Nachteile mit sich. So sind die Messungen nur für die obersten Millimeter des Meeres oder der Ozeane repräsentativ. Dagegen entspricht per Definition die Meeresoberflächentemperatur eigentlich der Temperatur des Wassers in einem Meter Tiefe. Hinzu kommt, dass die Satellitenmessungen durch eine Wolkendecke gestört werden und daher selbst Inkonsistenzen aufweisen können, falls diese Störungen nicht ausgeglichen werden. An diesem Punkt kommen dann Modellprognosen zum Zuge. Das beim DWD verwendete Vorhersagemodell ICON rechnet dafür zunächst eine Vorhersage, die anschließend mit den aktuellen Satellitenmessungen abgeglichen wird. So ergibt sich ein vollständiges Abbild der Meeresoberflächentemperaturen rund um den europäischen Kontinent.
An der deutschen Nordseeküste liegt die Wassertemperatur derzeit zwischen 17 und 19 Grad. Für Badenixen braucht es daher schon einiges an Überwindung, um in die Fluten zu springen. An den Stränden der Ostsee ist es sogar noch eine Spur kälter. Hier weisen die Messungen aktuell Werte um 16 Grad aus. Schweift der Blick zum Mittelmeer, dann nehmen die Rottöne deutlich zu, was höhere Temperaturen signalisiert. Im westlichen Mittelmeer von der spanischen Küste bis hin zur Adria liegen die Wassertemperaturen bei badetauglichen 21 bis 25 Grad. Im östlichen und südlichen Mittelmeer ist das Wasser mit 25 bis 29 Grad sogar noch deutlich wärmer.
Allerdings sollten besonders im Herbst bei Mittelmeerreisen die Wetterprognosen im Auge gehalten werden. Denn diese Jahreszeit ist im Mittelmeerraum die gewitterreichste des Jahres. Bei uns in Mitteleuropa hingegen geht die Hauptgewittersaison durchschnittlich von Mai bis August. In den Sommermonaten ist die Luft aufgrund des höheren Wasserdampfgehalts energiereicher und der hohe Sonnenstand sorgt tagsüber für eine Erwärmung der Böden und somit auch der untersten Luftschichten. Dies hat eine Labilisierung der Atmosphäre zur Folge. Südeuropa liegt dagegen im Sommer häufig im Einflussbereich der subtropischen Hochdruckgebiete, welche sich von den Azoren und Nordafrika ausbreiten. Dies sorgt für trockenes und heißes Sommerwetter, wie es sich etwa bei der anhaltenden Hitzewelle im Juli und August zeigte. Das Mittelmeer wirkt dabei durch das noch eher kühle Wasser zusätzlich stabilisierend. Im Spätsommer und Herbst verlagert sich der Schwerpunkt der Gewittertätigkeit von Mitteleuropa immer weiter südwärts. Diese Verschiebung zeigt beispielsweise die Analyse der Blitzdichte von 2008 bis 2012 im Juli und Oktober (siehe Grafik).
Die Zunahme der Gewittertätigkeit im Mittelmeerraum geht einher mit der langsamen Verlagerung des Jetstreams nach Süden, wodurch die Ausläufer des subtropischen Hochdruckgürtels nach Nordafrika abgedrängt werden. Die Tiefdrucktätigkeit nimmt zu, weshalb sich im mediterranen Raum der Herbst, regional betrachtet auch der Winter als die nasseste Zeit des Jahres erweisen. Das nun sehr warme Mittelmeer liefert zusätzliche Auftriebsenergie für kräftige Gewitterentwicklungen, denn das Wasser ist bei Kaltluftvorstößen wärmer als die Luft.
Besonders prädestiniert für Unwetter mit extremem Starkregen ist Italien. Zum einen erhält Italien vom umliegenden Mittelmeer oft mit viel Wasserdampf angereicherte Luft. Zum anderen liegt im Golf von Genua eine wichtige Geburtsstätte für Tiefdruckgebiete. Des Weiteren ergeben sich durch die geographische Form Italiens immer Gebiete mit auflandigem Wind, wodurch sich an den Apenninen sowie an den Alpen zusätzlich Staueffekte ergeben. Aber auch die Küstenregionen Südostspaniens, Südfrankreichs sowie vom Balkan bis nach Anatolien sind immer wieder von Sturzfluten betroffen.
M.Sc.-Met. Sebastian Altnau
Deutscher Wetterdienst Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach, den 28.09.2021
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