Weiter mild – wo steckt der Winter?
Dass es für die Jahreszeit viel zu warm ist, wurde ja in den vergangenen Tagen auch hier im Thema des Tages schon ausreichend beschrieben. Ein weiteres Kapitel zu dieser Geschichte hat die vergangene Nacht hinzugefügt. Denn die war im Westen von außergewöhnlich hohen Minimumtemperaturen geprägt.
Um die nächtlichen Tiefsttemperaturen zu ermitteln, wird in der Regel ein Zeitraum von 18 Uhr UTC bis 06 Uhr UTC des Folgetages gewählt (UTC = koordinierte Weltzeit). Dies entspricht in Mitteleuropa und damit auch in Deutschland im Winter einem Zeitraum von 19 Uhr bis 07 Uhr MEZ.
Insbesondere im Frühwinter, wenn die Tage recht kurz sind, kann sich dabei das Problem ergeben, dass die tiefsten Temperaturen der Nacht erst nach 07 Uhr MEZ auftreten. Sie werden somit in dem betrachteten Zeitfenster nicht erfasst. Damit ist die Angabe der Tiefsttemperatur für das Zeitfenster zwar korrekt, es ist aber eben nicht die tiefste Temperatur der gesamten Nacht. Diese wird dann dem frühen Vormittag zugeschlagen und purzelt somit aus dem betrachteten Zeitraum heraus (wie in Abbildung 1, in welcher der “Tiefstwert 2” kleiner ist als der “Tiefstwert 1”, der der tiefsten Temperatur des Zeitfensters 18 Uhr bis 06 Uhr entspricht).
Will man, beispielsweise bei klimatologischen Betrachtungen, die tiefsten Temperaturwerte ermitteln, so ist das hier skizzierte Problem recht einfach zu lösen. Denn der Wert, für den man sich interessiert, wird dann in der Regel als Tiefstwert dem folgenden Zeitraum 06 Uhr bis 18 Uhr zugeschlagen. Er geht also nicht verloren.
Problematischer und richtig knifflig wird es, wenn man aus einem Pool von Minimalwerten, die man jeweils in den Zeiträumen von 06 Uhr bis 18 Uhr und von 18 Uhr bis 06 Uhr ermittelt hat, den höchsten herausfiltern will. Würde man so vorgehen, dann wäre in der Abbildung 1 der “Tiefstwert 1” das höchste Minimum. Denn es rutscht als niedrigster Wert des Zeitfensters 18 Uhr bis 06 Uhr mit in die Auswertung – und behält dort gegen den eigentlichen tiefsten Wert der Nacht, den “Tiefstwert 2”, die Oberhand. Das Problem ist, dass der “Tiefstwert 1” nur durch die Zerlegung der Temperaturkurve zu einem Tiefstwert wird, er aber mit Blick auf die gesamte Temperaturkurve überhaupt keinen Tiefstwert darstellt. Ein Lösungsansatz für dieses Problem ist ein sogenanntes 15-Stunden-Minimum, bei dem die gesamte Temperaturentwicklung des Morgens Berücksichtigung findet.
Die folgenden Aussagen sind, entsprechend dem oben gesamten, unter dem Vorbehalt einer abschließenden Prüfung zu sehen. Es ist aber sicher, dass die Tiefstwerte der vergangenen Nacht außergewöhnlich mild ausgefallen sind. Dies zeigt auch die Abbildung 2, in welcher die Tiefstwerte des Zeitraums Donnerstag, 15.02.2024, 18 UTC bis Freitag, 16.02.2024, 06 UTC dargestellt sind. Die Frage, ob dies tatsächlich die Minima der Nacht gewesen sind, soll hier offengelassen werden. Klar ist aber, dass die tatsächlichen Tiefstwerte, wenn überhaupt, kaum tiefer gelegen haben dürften. Sowohl in Duisburg als auch in Bochum lagen die Werte bei 12,7 Grad, kaum kühler war es mit 12,6 Grad in Essen (rote Markierung). Wer jetzt auf die städtische (Ruhrgebiets-) Wärmeinsel verweist, der findet etwas weiter östlich in Werl sogar eine Messung 12,9 Grad (ebenfalls rot markiert, Abbildung 2).
Dass das nicht winterlich ist, darüber muss man nicht diskutieren. Aber wo steckt der Winter denn dann? Beispielsweise in Skandinavien. Die Abbildung 3 zeigt links die aktuellen Schneehöhen in Europas Norden. Im Skandinavischen Gebirge liegen vereinzelt bis zu zwei Meter Schnee, ansonsten sind es meist 50 bis 100 cm. Auf der rechten Seite sind die erwarteten Höchstwerte für den morgigen Samstag abgebildet. Im Süden Skandinaviens bleibt es frostfrei, dort bekommt man auch ein wenig von der milden Atlantikluft ab, die uns die aktuell milde Phase beschert. Im Norden und der Mitte steht dagegen Dauerfrost auf der Agenda, die tiefsten Temperaturen werden dabei einerseits in den Skandinavischen Alpen, andererseits im Norden erwartet, wo die Tageslänge mit knapp 8 Stunden (z. B. Tromsö in Nordnorwegen) weiterhin sehr bescheiden ausfällt.
Dipl.-Met. Martin Jonas
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 16.02.2024
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst