DWD Wetterextreme im Klima Wandel Attributionsforschung Teil 2

Wetterextreme im (Klima-)Wandel – Attributionsforschung (Teil 2)

Vor einigen Wochen gab es von Österreich über Tschechien bis nach Polen noch nie zuvor beobachtete Regenmengen. „Ist das schon der Klimawandel?“ oder „Ist das eine Folge der Erderwärmung?“ Mit diesen oder ähnlichen Fragen wurden wieder viele Meteorologen und Klimaforscher konfrontiert, wie immer bei extremen Wetterlagen. Nicht nur Freunde und Bekannte, die selbst von einem Extremwetter heimgesucht wurden oder wenn in den Nachrichten mal wieder von Unwettern berichtet wird, interessieren sich hierfür. Bei den verheerenden Flutkatastrophen im Juli 2021 im Ahrtal oder im östlichen Mitteleuropa vergangenen September ergriffen Klimaaktivisten und selbst Politiker unterschiedlicher Parteien die Chance, im Wahlkampf diese Tragödien als eindrucksvolle Beispiele zu verwenden, um eine nachhaltigere und engagiertere Klimapolitik zu fordern. Aber ist das wirklich so, dass diese Naturkatastrophen klare Zeichen für den bereits stattgefundenen Klimawandel sind? Im haben wir bereits erklärt, dass man es sich so einfach nicht machen darf.

Manch einem mag es vielleicht so vorkommen, es gäbe heutzutage im Sommer nur noch Extreme. Mal sind es verheerende Überschwemmungen, mal unerträgliche Hitzewellen oder langanhaltende Dürreperioden. Doch haben sich tatsächlich bereits heute Wetter und Klima hin zu häufigeren und zunehmend schlimmeren Extremereignissen verändert? Werden sich diese mit fortschreitender Erderwärmung weiter verschlimmern? Diesen Fragestellungen gehen die Klimawissenschaften mit sogenannten „Attributionsstudien“ nach. Dabei handelt es sich um ein noch junges Forschungsfeld, welches wir heute vorstellen wollen.

Der Begriff „Attribution“ kommt aus dem Lateinischen und bedeutet so viel wie „Zuordnung (von Zusammenhängen)“. In der Klimaforschung wird konkret untersucht, ob der fortschreitende Anstieg der globalen Lufttemperatur bereits heutzutage zu einer geänderten Häufigkeit von Extremereignissen geführt hat. Dazu blickt man mit Klimamodellen mehrere Tausend Jahre in die Vergangenheit zurück. In diesen Simulationen werden die klimatischen Bedingungen in vergangenen Zeiten, für die es keine (präzisen und flächendeckenden) Messungen gibt, künstlich erzeugt. Da Wetter- und Klimaextreme per Definition selten auftreten, benötigt man für belastbare statistische Aussagen einen derart langen Zeitraum.

DWD Wetterextreme im Klima Wandel Attributionsforschung Teil 2

Für den notwendigen Vergleich zwischen dem Klima der Vergangenheit, den heutigen klimatischen Verhältnissen und denen der Zukunft wird ein weiterer wissenschaftlicher Kunstgriff vollzogen. Sämtliche Simulationen des vergangenen Klimas werden zunächst nur mit natürlichen Klimaantrieben durchgeführt (z.B. Vulkanausbrüche, Änderung der solaren Einstrahlung, …). So erhält man die klimatischen Verhältnisse, die sich ohne den Einfluss des Menschen entwickelt hätten. Anschließend berücksichtigt man in den Klimasimulationen zusätzlich anthropogene (d.h. vom Menschen verursachte) Einflüsse wie den Ausstoß von Treibhausgasen (z.B. CO2, Methan), um ein realitätsnahes Klima zu berechnen.

Um die Bandbreite der natürlichen Variabilität von Extremereignissen abschätzen zu können, werden diese Simulationen mehrfach durchgeführt. So erhält man einen ausreichend großen Datensatz für statistische Analysen. Durch den direkten Vergleich der Klimata mit und ohne anthropogenen Einfluss lassen sich etwaige Unterschiede bezüglich der Häufigkeit von Wetter- oder Witterungsextremen dem menschlichen Handeln „zuordnen“. Damit wären wir zurück bei der namensgebenden „Attribution“. Die Studien basieren also auf einem „Ursache-Wirkungs-Prinzip“. Die Auswertung erfolgt in der Regel in Form einer Auszählung aller dem aktuellen Wetterphänomen (z.B. eine Hitzewelle) sehr ähnlichen Ereignisse. Mit dieser Methode kann man geänderte Eintrittswahrscheinlichkeiten eines betrachteten Extremereignisses im Vergleich zur vorindustriellen Zeit bestimmen und diese dem Klimawandel zuordnen. Für eine Einschätzung der zukünftig zu erwartenden Verhältnisse können Simulationen unter Hinzunahme der anthropogenen Treibhausgasemissionen aus unterschiedlichen Klimaszenarien durchgeführt und im Hinblick auf Extremereignisse ausgewertet werden.

Bei Attributionsstudien muss allerdings beachtet werden, ob die eingesetzten Klimamodelle überhaupt in der Lage sind, die untersuchten Extremereignisse realitätsgetreu abzubilden. Analysen von kleinräumigen Phänomenen wie Gewitter mit Starkregen sind erst seit der Entwicklung der neuesten Generation der sogenannten konvektionserlaubenden regionalen Klimamodelle möglich. Diese Modellrechnungen sind allerdings rechentechnisch äußerst aufwändig und erfordern sehr leistungsstarke Großrechner.

Zusammengefasst geben uns die Erkenntnisse aus der Attributionsforschung also Aufschluss über den tatsächlichen Einfluss des Klimawandels auf Extremereignisse. Mit ihnen kann selbst für individuelle Extremwetterlagen analysiert werden, ob und in welchem Maße der Klimawandel deren Intensität beeinflusst hat und ob die Eintrittswahrscheinlichkeit für solche Ereignisse bereits zugenommen hat.

Weltweit besteht für diese Thematik bei Politik und Gesellschaft ein sehr hohes Interesse, weil die Attributionsforschung auch dazu dienen kann, Aussagen für die Zukunft abzuleiten. So helfen sie politischen Entscheidungsträgern bei der Konzipierung von Klimaanpassungsstrategien und ermöglichen es uns, die Veränderung von Extremereignissen bei unterschiedlichen Klimaprojektionen abzuschätzen (z.B. bei Einhaltung des 2-Grad-Ziels oder beim Verfehlen dieses).

Im dritten und letzten Teil dieser Themenreihe stellen wir demnächst die wesentlichen Ergebnisse von Attributionsstudien zu Extremwetterlagen der jüngeren Vergangenheit vor.

Dr. rer. nat. Markus Übel (Meteorologe)
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 27.10.2024
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